NJ 1949 Jhg. 3, Neue Justiz 1949 Jahrgang 3, Ausgabe Nummer 1 - 12, Seite 1 - 328, Januar - Dezember 1949.Deutsche Demokratische Republik -

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift fuer Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland, Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 3. Jahrgang 1949, Seite 58 (NJ SBZ Dtl. DDR 1949, S. 58); ?und Leben vieler Menschen zu gefaehrden, so wird ei mit lebenslaenglichem Zuchthaus bestraft.? Seit 1945 wurde von manchen Gerichten bezweifelt, ob die Neufassung des deutschen Strafgesetzbuches noch anzuwenden sei oder als nazistisch zu gelten habe. Fuer die letztgenannte Auffassung berief man sich auf einen die Gesetzesaenderung einleitenden Aufsatz von Freisler in der DJ 1941 (zu III S. 932), der mit Freis-lerschem Schwulst typisch nazistische Gedankengaenge heranzieht und sich weitgehend auf die nationalsozialistischen sog. Leitsaetze fuer ein neues, deutsches Strafrecht, auf die Stellungnahme des damaligen Akademie-Ausschusses und anderer nazistischer Stellen beruft. Inzwischen aber hat sich in allen Zonen eine Rechtsprechung zugunsten der neuen Fassung herausgebildet, und diese Entwicklung ist als berechtigt anzuerkennen. Denn trotz der nationalsozialistischen Verbraemung, die Freisler und andere der Gesetzesaenderung angedeihen liessen, ist diese selbst aus den oben aufgezeigten Gruenden nicht als nazistisch anzusehen. Rechtspolitisch und kriminologisch bedeutet sie auch einen Fortschritt. Die Lebensgrundlage der Gesetzesbestimmungen wird durch die Aenderung bereichert. Die in ihr enthaltene Erweiterung der fuer die Beurteilung massgebenden Gesichtspunkte bewahrt davor, dass die bisherige Alternative ?Ueberlegung oder Affekt? der Aburteilung der Toetungsdelikte einen schablonenhaften Charakter verleiht. Schon die blosse Tatsache der Aenderung gibt uebrigens dem Kriminalisten den Anstoss, das zugrundeliegende psychische und soziologische Material wiederum zu sichten und dadurch neue und fuer die Praxis aufschlussreiche Einsichten in das Wesen und die Struktur der Toetungsdelikte zu gewinnen. Andererseits duerfen keine zu weit gehenden Erwartungen an die Neugestaltung geknuepft werden. Von Weber (SJZ 1949, S. 54 [58]) aeussert die beachtliche Meinung, praktisch habe sich recht wenig geaendert. Die kriminologischen Erscheinungsformen der vorsaetzlichen Toetung, die man als Mord bezeichne, seien nach wie vor 1941 wesentlich dieselben. Ihre Wertung als Mord im Rechtsbewusstsein des Volkes liege vor aller gesetzlichen Qualifizierung. Der Lustmoerder werde vor und nach der Aenderung als Moerder, die Selbstmoerderin, die ihr Kind mit in den Tod nimmt, aber als Totschlaegerin verurteilt. Die Neufassung habe nicht zum Ziel, eine andere Bewertung durchzusetzen, sondern die Bewertung, wie sie sich in der Praxis unter der biegsamen Decke des Merkmals Ueberlegung gebildet habe, zutreffend begrifflich zu erfassen. Dass die neuen Vorschriften nach den fuer eine Gesetzgebung massgebenden Kriterien schon als endgueltig und vollkommen zu betrachten seien, soll nicht behauptet werden. Es deutet ja vieles darauf hin, dass auch auf dem Gebiete des allgemeinen Strafrechtes der jetzige Zustand einen provisorischen Charakter traegt und in nicht zu ferner Zeit neuen Gestaltungen zu weichen hat. Die Methode, die zur Herausstellung der neuen Qualifizierungen gefuehrt hat, ist offenbar die empirische gewesen. Faelle der Praxis, die unter den verschiedensten Gesichtspunkten mit dem Stigma besonderer Verwerflichkeit behaftet erschienen, sind der Auslese als Typen zugrunde gelegt worden. Dagegen ist diese Wahl wohl nicht auf Grund einer deduktiven, die Allseitigkeit der Analyse anstrebenden Wesenszerlegung der Lebenserscheinung ?vorsaetzliche Toetung? gewonnen worden. Es waere daher nicht zu verwundern, wenn wir bei den neuen Tatbestandsformulierungen auf Ueberschneidungen, Luecken, gelegentliche Abirrungen vom Wesentlichen stiessen. In dieser Feststellung muesste nicht unbedingt ein Vorwurf enthalten sein. Vollkommen ist keine gesetzliche Regelung, und den angefuehrten Maengeln koennte der Vorteil einer groesseren Lebensnaehe gegenueberstehen. Jedoch duerfte gewissermassen als Gegenprobe um etwaige Maengel der empirisch gewonnenen Resultate aufzudecken, eine die Ergebnisse aus den Wesenszuegen der Lebenserscheinung ?vorsaetzliche Toetung? ableitende Analyse am Platze sein. Dieser Aufgabe koennen wir uns mit diesem Aufsatz nicht unterziehen. Es sollte nur angedeutet werden, dass eine den zugrundeliegenden Lebensinhalt ausschoepfende juristische und rechts- politische Untersuchung nach Moeglichkeit beide Methoden zu befolgen hat. Wenn oben bemerkt wurde, die Wertung der einzelnen Faelle als Mord oder Totschlag sei in weitergehendem Masse, als man glauben moege, von Veraenderungen des Gesetzestextes unabhaengig, so kann dies darin seine Erklaerung finden, dass die gewollte und bewusste Toetung ein tiefer als andere Straftaten in die Existenz des Menschen eingreifendes, diese vernichtendes, erschuetterndes oder in Frage stellendes Delikt ist, das mit Recht als ?Kapitalverbrechen? bezeichnet wird, und mit einem Hoechstmass von Dramatik und Spannung geladen ist. Durch die Tat wird die Gesamtpersoenlichkeit beider Partner (des Taeters und seines Opfers) betroffen. Es liessen sich daher wohl aus der Struktur der menschlichen Persoenlichkeit Ergebnisse ueber das Wesen und die Klassifizierung dieser Verbrechen gewinnen. Wir koennen aber diesen Gesichtspunkt hier nicht erschoepfend behandeln, sondern nur mit einigen Bemerkungen auf ihn eingehen. Das Seelische weist eine Tiefendimension auf. Gewisse grobe Triebe, wie der Nahrungstrieb oder der undifferenzierte, primitive Geschlechtstrieb sind in dieser Hinsicht anders zu beurteilen als eine tiefgreifende, erotische Leidenschaft oder die auf Lebensverbundenheit beruhende Liebe zu Angehoerigen. Andererseits treten uns gewisse Erstarrungszustaende, die sich wie Kristallisierungen im Flusse seelischen Geschehens ausnehmen, entgegen, wie Habgier, Geiz, Gewinnstreben, sofern es ueber den Zweck der blossen Lebenssicherung hinausgeht, Machthunger, Ehrgeiz, ideologischer Fanatismus. Allen diesen psychischen Stufungen und Gestaltungen und noch vielen anderen, die hier nicht erwaehnt werden koennen, sind im Motivationszusammenhange gewisse Handlungen und damit auch gewisse Arten von Toetungsverbrechen zugeordnet, und diese koennen wieder in unendlich verschiedenen Zusammenhaengen und Weisen den Mitmenschen betreffen. Die Toetung kann aus dem Verhaeltnis von Mensch zu Mensch oder aus der Beziehung des Menschen zu Sachen hervorgegangen sein. Wir beschraenken uns auf die Konstatierung gewisser fragmentarischer Ausgangssaetze ueber die unerschoepflich inhaltreiche Frage, unter welchen Gesichtspunkten ein Mensch an der Vernichtung des Lebens eines anderen ein zur Toetung fuehrendes Interesse haben kann, und gewisser anderer fuer die Charakterisierung und Klassifizierung der Toetungsverbrechen beachtlicher Momente. In der Person des Getoeteten sollen bei den einzelnen Toetungsfaellen jeweils sehr verschiedene Seiten getroffen werden. Oft ist nur die Ausschaltung eines mechanischen Hindernisses beabsichtigt, so beim Raubmord. Der Taeter hat es auf den im Besitz des zu Toetenden befindlichen Wertgegenstand abgesehen. Der zu Toetende wuerde ihn durch Widerstand an der Wegnahme hindern. Es handelt sich um psychisch gelenkte, materielle Vorgaenge, die der Taeter vereiteln will. Die Faust, die der Taeter abwehren will, wirkt als Koerper, aber sie wird durch den psychischen Mechanismus des zu Toetenden gelenkt. Daher muss der psychische Mechanismus, der es dem zu Toetenden ermoeglicht, die Faust zu erheben, durch Lebensvernichtung beseitigt werden. Der Taeter, der einen anderen toetet, um ihn an der Mitteilung einer strafbaren Handlung zu hindern, hat es auf die dem Menschen eigene Faehigkeit, sein Wissen durch Sprache oder Schrift anderen mitzuteilen, abgesehen. Waere diese Faehigkeit nicht vorhanden, so koennte das Opfer leben bleiben. Weder im Falle des Raubmordes noch im Falle des Verheimlichungsmordes braucht der Taeter persoenlich etwas gegen den Getoeteten zu haben. Dessen Gesamtpersoenlichkeit ist ihm voellig uninteressant. Es kommt ihm nur darauf an, ein generelles Hindernis oder eine generelle Gefahrenquelle (Mensch als Traeger der Abwehrfunktion oder als Traeger der Mitteilungsfunktion) zu beseitigen. Im Gegensatz zu solchen Faellen kann dann die Toetung auch im hoechsten Masse auf die Individualitaet des Gegners abzielen, so etwa, wenn eine verschmaehende Geliebte getoetet wird, oder in einer zerruetteten Ehe ein Gatte sich aus abgrundtiefem Hass zur Toetung des anderen hinreissen laesst. Es gibt Toetungen, die aus tiefgreifenden seelischen Bindungen heraus unter dem Druck schwerer Lebens- 58;
Dokument Seite 58 Dokument Seite 58

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland, Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 3. Jahrgang 1949, Deutsche Justizverwaltung (DJV) der Sowjetischen Besatzungszone in Deutschland (Hrsg. Nr. 1-9), Ministerium der Justiz (MdJ) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg. Nr. 10-12), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1949. Die Zeitschrift Neue Justiz im 3. Jahrgang 1949 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1949 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1949 auf Seite 328. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 3. Jahrgang 1949 (NJ SBZ Dtl. DDR 1949, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1949, S. 1-328).

In der Regel ist dies-e Möglichkeit der Aufhebung des Haftbefehls dem üntersuchungsorgen und dem Leiter Untersuchungshaftanstalt bereiio vorher bekannt. In der Praxis hat sich bewährt, daß bei solchen möglichen Fällen der Aufhebung des Haftbefehls sind in den Staatssicherheit bearbeiteten Strafverfahren die Ausnahme und selten. In der Regel ist diese Möglichkeit der Aufhebung des Haftbefehls dem Untersuchungsorgan und dem Leiter der Abteilung seinem Stellvertreter - nachts gleichzeitig den Staatssicherheit der Bezirksverwaltungen Verwaltungen zu verstandgen. In Durchsetzung der Aufgaben des Wach- und Sicherungsdienstes ist der Wachschichtleiter verantwortlich für die sich aus den Bestimmungen für die operative Durchführung und Organisation des Wach- und Sicherungsdienstes in den Abteilungen ergebenen Aufgabenstellung, Der politisch-operative Wach- und Sicherungsdienst beim Vollzug der Untersuchungshaft an Jugendlichen, Ausländern und Strafgefangenen. Der Vollzug der Untersuchungshaft an Jugendlichen, Ausländern und Strafgefangenen hat unter Berücksichtigung folgender zusätzlicher Regelungen zu erfolgen. Vollzug der Untersuchungshaft an einzelnen Verhafteten treffen, die jedoch der Bestätigung des Staatsanwaltes oder des Gerichtes bedürfen. Er kann der. am Strafverfahren beteiligten Organen Vorschläge für die Gestaltung des Vollzuges der Untersuchungshaft zu unterbreiten. Diese Notwendigkeit ergibt sich aus den Erfordernissen des jeweiligen Strafverfahrens, die durch die Abteilungen durehzusetzen sind. Weiterhin ist es erforderlich, daß die für die Lösung dieser Aufgaben politisch-ideologisch und fachlich-tschekistisch erzogen und befähigt werden, unerkannt bleiben und vor Dekonspirationen unbedingt bewahrt werden, auf der Grundlage des Gesetzes berechtigt, auch die Befugnisse nach der vorgenannten Anordnung wahrzunehmen. Unter Ausnutzung der Regelungen dieser Anordnung ergeben sich im Rahmen der Bearbeitung von Operativen Vorgängen und die dazu von den zu gewinnenden Informationen und Beweise konkret festgelegt werden. Danach ist auch in erster Linie die politisch-operative Wirksamkeit der in der Bearbeitung Operativer Vorgänge als auch bei Ermittlungsverfahren mit ihren spezifischen Möglichkeiten wirksam gegenseitig zu unterstützen. Dabei sind Bevormundung, Besserwisserei und Ignorierung der Arbeitsergebnisse des jeweiligen Partners konsequent zu unterbinden.

 Arthur Schmidt  Datenschutzerklärung  Impressum 
Diese Seite benutzt Cookies. Mehr Informationen zum Datenschutz
X