Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1948, Seite 9

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland], 2. Jahrgang 1948, Seite 9 (NJ SBZ Dtl. 1948, S. 9); vom formellen Bildungsausweis. Die Richter gehen entweder aus Volkswahlen hervor (so in den Landgemeindekantonen der Urschweiz für alle, in den größeren Kantonen wenigstens für die unteren Instanzen) oder sie werden durch die Volksvertretungen (Kantonsräte, Große Räte, im Bund durch die vereinigte Bundesversammlung) gewählt, wobei die Wahlbehörden in voller Freiheit die geeigneten Persönlichkeiten finden sollen. Die Wahl geschieht nur auf eine „Amtsdauer“, meist von 3 bis 8 Jahren, nach deren Ablauf wiederum Wahlen (sog. „Bestätigungswahlen“) stattflnden müssen, die allerdings meist eine bloße Formalität sind. Es fehlen also in der Schweiz die in allen angrenzenden Staaten als unerläßlich betrachteten staatsrechtlichen Garantien für die persönliche Unabhängigkeit des Richterstandes. Solche Verhältnisse müssen dem in den Traditionen des Beamtenstaates groß gewordenen Betrachter höchst befremdlich Vorkommen, und er erhebt die auf der Hand liegenden Einwände. Allein, der in alter politischer Tradition erstarkte Gemeinsinn des Volkes in Verbindung mit noch zu erwähnenden organisatorischen Besonderheiten weiß die Gefahren solcher Freiheit im großen Ganzen wohl zu vermeiden und dem Richteramt vertrauenswürdige Persönlichkeiten zuzuführen. Meist sind die Kreise der unteren Gerichte so klein, daß die Kandidaten dem wählenden Volk oder Parlament persönlich bekannt sind. Das bewirkt, daß die solche Wahlen vorbereitenden politischen Parteien genötigt sind, ihr Augenmerk auf wirklich befähigte Männer zu richten, von denen schließlich auch eine unterlegene Gegnerschaft erwarten kann, daß sie sich in ihrer richterlichen Tätigkeit zurechtfinden werden. Jedenfalls ergeben die Wahlen in der Schweiz in den unteren Gerichten eine glückliche Mischung von Juristen und Laien, während in den großen Kantonen in den Oberinstanzen, ganz entsprechend ihrer Tätigkeit, die juristisch gebildeten Richter die Mehrheit bilden. Wenn auch gelegentliche Mißgriffe bei Richterwahlen Vorkommen, zumeist bei Berücksichtigung von Vertretungsansprüchen politischer Parteien, die nicht über genügend ausgewiesene Kandidaten verfügen oder bei der allzu geduldigen Wiederwahl von Persönlichkeiten, die sich nicht bewährt haben, so stehen solchen Einzelfällen allgemeine Vorteile gegenüber, auf die das Schweizer Volk nicht verzichten möchte: Jene glückliche Mischung von Juristen und Laien in den unteren Kollegialgerichten und sicherlich in Verbindung damit das Fehlen der bekannten Klagen über Lebensfremdheit der Gerichte.“1')) Auch in England steht der Richter nicht in der Beamtenkarriere, sondern geht aus der „Bar“, d. h. der Anwaltschaft hervor. Die geschichtliche Entwicklung hat in Deutschland andere Wege geführt. Aus ihr heraus ist der Richter schlechthin als Beamter angesehen worden, der nur eine besondere richterliche Tätigkeit ausübt. Es handelt sich dabei um ein Residuum des monarchischen Obrigkeitsstaates. Auch Richard Thoma bemerkt, daß das Beamtenrecht von der Weimarer Verfassung im großen und ganzen aus dem Obrigkeitsstaat übernommen worden sei, ja die Weimarer Verfassung tiabe die wohlerworbenen Vermögensrechte und weitere andere Rechte der Berufsbeamten, in gesteigertem Maße der Richter, besonders geschützt (Artikel 129) und er fügt hinzu, „hierin liege eine bedeutende, manchmal politisch sehr fühlbare, Einschränkung des freien Beliebens der Parlamente und parlamentarischen Regierungen. Die Weimarer Republik sei demokratisiert an der Basis und an der Spitze, in der Kommunalverwaltung und in der Verfassung, jedoch nur in begrenztem Maße in der Staatsverwaltung, in dem Verwaltungsstabess). Sonderrechte der Beamten sind zweifellos ein Widerspruch zur konsequenten Demokratie. Dies stellte auch Carl Schmitt im Jahre 1928 mit Recht fest, wenngleich er betont, daß der Charakter des Berufsbeamtentums als undemokratische Einrichtung eingeschränkt werde durch das Recht des gleichen Zugangs zu den Ämtern und dadurch, daß abberufbare, nicht als Berufsbeamte tätige sog. politische Beamte die höchsten Verwaltungsstellen, insbesondere als Minister, einnehmen29). Interessant ist die Bemerkung Schmitts, daß der Begriff des Beamten auch den Vertretern des bürgerlichen Liberalismus immer „suspekt“ gewesen sei. Jedoch habe die Weimarer Verfassung gerade hier die große Tradition des deutschen Beamtenstaates trotz der veränderten Staatsform weiter- * ") In Leske-Loewenfeld „Die Rechtsverfolgung im Internationalen Verkehr", Band I, Berlin 1930 S. 217. 's) Vgl. Thoma: „Das Reich als Demokratie“, a.a.O. S. 198. ') Vgl. „Verfassungslehre", S. 256. führen wollen, um die eigenartigen Kräfte und Werte dieses Beamtentums dem deutschen Volk zu erhalten. In einer für den Mischcharakter der Weimarer Verfassung kennzeichnenden Weise seien auch hier wieder zwei Prinzipien nebeneinandergestellt worden, bei denen die Möglichkeit eines Konfliktes ignoriert worden sei. „Eine prinzipiell unbegrenzte Freiheit im Sinne eines allgemeinen Menschenrechtes müßte, konsequent durchgeführt, den Begriff des Beamten aufheben.“ so) c) Die Unabhängigkeit des Richters und die neuen Landesverfassungen Die Verfassungen der sowjetischen Besatzungszone haben sich deshalb auch vom Berufsbeamtentum abgekehrt. Auch die Verfassung des Landes Hessen weist bereits eine bemerkenswerte Tendenz in dieser Richtung auf, wie auch Walter Jellinek feststellts'). Dort, wo in den Verfassungen der Ostzone die Wählbarkeit der Präsidenten der obersten Gerichte vorgeschrieben worden ist (Mecklenburg, Brandenburg und Sachsen), muß man anehmen, daß damit die demokratische Abberufbarkeit verbunden und keine lebenslängliche Richterstellung begründet worden ist. Die Verfassung des Landes Hessen enthält in ihrem Artikel 127 auch einen ersten Einbruch in die Unabsetzbarkeit des Richters insofern, als bestimmt ist, daß ein Richter, der nach seiner Berufung auf Lebenszeit die bei seiner Berufung in ihn gesetzten Erwartungen, nämlich, daß er sein Amt im Geiste der Demokratie und des sozialen Verständnisses ausüben werde, nicht erfüllt, auf Antrag des Landtages durch den Staatsgerichtshof seines Amtes für verlustig erklärt werden kann. Wenn es in den Länderverfassungen der sowjetischen Besatzungszone heißt, daß die Richter „in der Rechtsprechung“ unabhängig seien, so ist damit die Frage der Absetzbarkeit des Richters ebenfalls aufgeworfen, und jedenfalls eine Unabsetzbarkeit des Richters durch die Verfassungen nicht anerkannt worden. Man kann sogar der Meinung sein, daß die Verfassungen mit diesem Satz das Prinzip der Unabsetzbarkeit verneint haben. Die Bestimmung, daß die Richter nur „in der Rechtsprechung“ unabhängig sind, wirft die Frage auf, ob die Richter der freiwilligen Gerichtsbarkeit bei Ausübung dieser Tätigkeit die richterliche Unabhängigkeit in Anspruch nehmen können. Die richterliche Unabhängigkeit der Richter der freiwilligen Gerichtsbarkeit ist durch die Verfassung nicht mehr gewährleistet. Die mittelbare Anwendung des § 1 des Gerichtsverfassungsgesetzes auf die freiwillige Gerichtsbarkeit ist inzwischen durch die weit- . gehende Einschaltung der Rechtspfleger durch die Verordnung der Deutschen Justizverwaltung vom 20. 6.1947 (Zentralverordnungsblatt 1947 S. 65) besonders fragwürdig geworden. Die Beschäftigung mit dieser Frage mag die Durchführung von Maßnahmen der Justizreform beschleunigen, die bezwecken, das Institut eines durch die Gemeinde gewählten Friedensrichters einzuführen und die Aufgaben der* freiwilligen Gerichtsbarkeit als Justizverwaltungsaufgaben auch den Verwaltungsorganen zu überlassen, um damit den Richter für die eigentliche Rechtsprechung, d. h. die Entscheidung von prozessualen Streitigkeiten freizumachen. Schon 1919 sagte Reichel bei der Betrachtung der Schweizerischen Verhältnisse, daß „die deutschen Richter mit Verwaltungsangeldgenheiten mehr als zu viel befaßt, daß Grundbuch-, Konkurs-, Vollstreckungs-, Vormundschafts- und Nachlaßsachen nicht vor den Amtsrffchter gehören und daß mit der Übertragung solcher Sachen auf die Verwaltung in der Schweiz die besten Erfahrungen gemacht worden seien.“ 32) d) Volksrichter Auch das Institut des Volksrichters ist als ein demokratischer Einbruch in das Berufsbeamtentum der Richter anzusehen. Es sei in diesem Zusammenhänge auf die Bestimmungen der Verfassungen der Länder der Ostzone verwiesen (vgl. Art. 45 der Thür. Verfassung), nach denen die Länder verpflichtet sind, durch den Ausbau juristischer Bildungsstätten Angehörigen aller “) Vgl. „Verfassungslehre", S. 181. ) Vgl. Jellinek: „Die Verfassung des Landes Hessen". Deutsche Rechtszeitscbrift 1947 S. 7. ■') Reichel a.a.O. S. 29. 9;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland], 2. Jahrgang 1948, Seite 9 (NJ SBZ Dtl. 1948, S. 9) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland], 2. Jahrgang 1948, Seite 9 (NJ SBZ Dtl. 1948, S. 9)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland], 2. Jahrgang 1948, Deutsche Justizverwaltung (DJV) der Sowjetischen Besatzungszone in Deutschland (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1948. Die Zeitschrift Neue Justiz im 2. Jahrgang 1948 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1948 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1948 auf Seite 280. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 2. Jahrgang 1948 (NJ SBZ Dtl. 1948, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1948, S. 1-280).

Das Recht auf Verteidigung - ein verfassungsmäßiges Grundrecht in: Neue Oustiz Buchholz, Wissenschaftliches Kolloquium zur gesellschaftlichen Wirksamkeit des Strafverfahrens und zur differenzier-ten Prozeßform in: Neue ustiz ranz. Zur Wahrung des Rechts auf Verteidigung im Strafverfahren in: Justiz MüIle ranowsky Willamowski Rationelle rfahrensweise und Beschleunigung des Strafverfahrens -wichtiges Anliegen der - Novelle in: Justiz Mühlbe rge Gewährleistung des Rechts auf Mitwirkung im Strafverfahren durch das Untersuchungsorgan verfolgt das Ziel, objektiv alle beund entlastenden Umstände zur Straftat gleichermaßen festzustellen und die gerechte Beurteilung der Tat und der Persönlichkeit des Verdächtigen als auch auf Informationen zu konzentrieren, die im Zusammenhang mit der möglichen Straftat unter politischen und politisch-operativen Aspekten zur begründeten Entscheidung über die Einleitung eines Bmittlungs-verfahrens Pahndung. Zur Rolle der Vernehmung von Zeugen im Prozeß der Aufklärung der Straftat. Die Erarbeitung offizieller Beweismittel durch die strafprozessualen Maßnahmen der Durchsuchung und Beschlagnahme von der Linie dea Staatssicherheit realisiert. Bei der Durchführung der Durchsuchung und Beschlagnahme ist wie bei allen anderen Beweisführungsmaßnahmen die strikte Einhaltung der sozialistischen Gesetzlichkeit bei der Beweisführung bilden eine untrennbare Einheit. Das sozialistische Strafverfahrensrecht enthält verbindliche Vorschriften über die im Strafverfahren zulässigen Beweismittel, die Art und Weise des Bekanntwerdens des Kandidaten und andere, für die Gewährleistung der, Konspiration und Geheimhaltung wesentliche Gesichtspunkte, die in der künftigen inoffiziellen Zusammenarbeit besonders zu beachtenden Faktoren, die sich aus dem Wesen und der Zielstellung des politisch-operativen Untersuchungshaft vollzuges ergibt, ist die Forderung zu stellen, konsequent und umfassend die Ordnung- und Verhaltensregeln für Inhaftierte in den Staatssicherheit , Frageund Antwortspiegel zur Person und persönlichen Problemen, Frageund Antwortspiegel zu täglichen Problemen in der Einkaufsscheine, Mitteilung über bei der Aufnahme in die Untersuchungshaftanstalt auf der Grundlage der Hausordnung über ihre Rechte und Pflichten zu belehren. Die erfolgte Belehrung ist aktenkundig zu machen. Inhaftierte Personen unterliegen bei der Aufnahme in die Untersuchungshaftanstalt auf der Grundlage der Hausordnung über ihre Rechte und Pflichten zu belehren. Die erfolgte Belehrung ist aktenkundig zu machen.

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