Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1948, Seite 89

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland], 2. Jahrgang 1948, Seite 89 (NJ SBZ Dtl. 1948, S. 89); Wenn die Revision ausführt, daß für die Verurteilung des Angeklagten ein über sein Verhalten zu fällendes starkes ethisches Unwerturteil berechtigt sein müsse, so ist demgegenüber hervorzuheben, daß die Voraussetzungen für eine solche Charakterisierung im vorliegenden Falle gegeben sind. In dieser Hinsicht ist namentlich hervorzuheben, daß der Angeklagte seine Frau als „Judenschickse" bezeichnet hat, als er von ihr im zärtlichen Zusammensein mit seiner damaligen Geliebten und späteren Ehefrau betroffen wurde. Auch hat er sich von der Einleitung des Scheidungsprozesses nicht durch die Vorstellung seiner Frau abhalten lassen, daß eine Durchführung der Scheidung für sie ein Ende im KZ bedeuten würde. Daß er formal dieses Bedenken dadurch zerstreut hat, daß er von der Kreisleitung Zittau den beruhigenden Bescheid erwirkte, die Ehescheidung werde derartige Folgen nicht haben, ändert an der Herzlosigkeit und Brutalität seines Verhaltens und damit an dem gegen ihn auszusprechenden sittlichen Unwerturteile nichts. Daß er allenthalben vorsätzlich handelte, soweit der Tatbestand der Ziffer 3 in Frage kommt, ergibt sich einwandfrei aus den Feststellungen der Vorinstanz. Daß der Angeklagte zu anderen Zeiten gegenüber seiner ersten Ehefrau ein einwandfreies und den ehelichen Verpflichtungen entsprechendes Verhalten an den Tag gelegt haben soll, ändert an seiner Schuld im Sinne der angezogenen Bestimmung der Direktive 38 nichts. Er kann sich auch nicht darauf berufen, daß die angeführten Scheidungsgründe von ihm aus nicht ernst gemeint gewesen seien, da er gar nicht den Wunsch gehabt habe, zur Wehrmacht eingezogen zu werden usw. Denn er wußte, daß die Gründe, wenn sie durch Schriftsatz in den Prozeß eingeführt wurden, die oben gekennzeichnete Wirkung haben müßten. Ob eine Einziehung zur Wehrmacht den Wünschen des Angeklagten entsprochen haben würde, ist daher für die Schuldfrage ohne Bedeutung. Auch daß er nicht Mitglied der NSDAP gewesen ist, und im Jahre 1944 (wohl wegen der Zugehörigkeit seiner Frau zum Judentum) eine Zeitlang seiner persönlichen Freiheit beraubt gewesen sein soll, läßt sein den Gegenstand der Anklage bildendes Verhalten nicht in anderem Lichte erscheinen. Nachrichten / Literatur Der Görlitzer Prozeß Der Befehl Nr. 201 der SMAD vom 16. 8.1947, durch den die Direktive Nr. 38 des Kontroilrats für die sowjetische Be-sa.tzungszone in Kraft gesetzt und die Durchführung der danach einzuleitenden Verfahren den deutschen Untersuchungs-behörden und Gerichten übertragen wurde, sowie das Kontroil-ratsgesetz Nr. 10 sind die gesetzlichen Grundlagen, auf denen sich der Görlitzer Prozeß gegen den letzten Kreisleiter von Görlitz, Dr. Bruno Malitz, und den letzten Nazi-Oberbürgermeister von Görlitz, Dr. Hans Meinshausen, aufbaute. Schöpfer dieser Gesetze sind die alliierten Sieger- und Kontrollmächte, insbesondere der sowjetische Zonenbefehlshaber, ihre Verfechter und Vollender die antifaschistischen, demokratischen Kräfte, das Volk der sowjetischen Zone, seine politischen und gerichtlichen Organe. Der Prozeß begann mit einem einstimmigen Beschluß der Stadtverordneten vom August 1947, der den Gesamtwillen der Görlitzer Bevölkerung zum Ausdruck brachte. Durch ihn wurde die Auslieferung der beiden Verbrecher gefordert, die nach dem bereits vorliegenden Material ungeheures Unglück über die Stadt mit ihren rund 100 000 Einwohnern gebracht hatten. Diese befanden sich damals im Westen Deutschlands, Malitz in Bremen, Meinshausen in Darmstadt, beide als Internierte in Lagern der amerikanischen Besatzungsmacht. Von den polizeilichen Untersuchungsorganen wurde bereits am 11. 9.1947 das Auslieferungsersuchen auf dem vorgeschriebenen Wege eingereicht. Es hatte Erfolg: Malitz wurde am 19.12.1947, Meinshausen am 2.1.1948 im Polizeigefängnis in Görlitz eingeliefert. Und nun begann die polizeiliche Untersuchungsbehörde nach Bestätigung des Haftbefehls durch den Staatsanwalt und mit dessen laufender Unterstützung eine außerordentliche Tätigkeit. Ihr Ergebnis war eine bereits am 29.2.1948 fertiggestellte Anklageschrift, die 44 Druckseiten umfaßte und der zwei umfangreiche Ordner mit allem erdenklichen Beweismaterial Vernehmungsprotokolle, Zeitungsausschnitte, Dokumente, Karten, Statistiken, Fotos, Urkunden beigefügt waren. Ein Beispiel gründlicher Arbeit von Männern, die eine solch schwierige Arbeit zum ersten Male durch-führten, von Antifaschisten, die ihre politische Aufgabe voll erkannt hatten, von Demokraten, die dieser Aufgabe mit Verantwortlichkeit nachgingen. Sie konnten ihre Anstrengungen mit Erfolg abschließen, weil das Volk von Görlitz mit ihnen ging, weil sie überall spürten, daß sie nicht wie im alten Obrigkeitsstaate und in der Weimarer Republik als Organe einer herrschenden und unterdrückenden Minderheit, als Polizeibüttel in Erscheinung traten, sondern das von der Mehrheit gebilligte und geforderte Recht zu vertreten hatten. In dieser gleichen Atmosphäre trat auch das Gericht, die große Strafkammer nach Befehl Nr. 201 des Landgerichts Bautzen, nach dem es die Anklageschrift und das Beweis-material sorgfältig geprüft und am 21. März 1948 den Eröffnungsbeschluß erlassen hatte, am 6. April 1943 zur Hauptverhandlung zusammen. Die Stadthalle von Görlitz war in vorbildlicher Weise zum Gerichtssaal umgewandelt worden. Auf erhöhter Tribüne nahmen am gründrapierten Richtertisch der Vorsitzende ein Berufsrichter , der Beisitzende ein Volksrichter und 3 Schöffen sowie eine Schriftführerin Platz. Links vom Gericht stand der Tisch der Staatsanwaltschaft, besetzt vom Generalstaatsanwalt ohne Robe, da er gleichzeitig in seiner Eigenschaft als vom Landtag gewählter Anwalt des Volkes auftrat, vom Görlitzer Oberstaatsanwalt und, erstmalig in der deutschen Strafprozeßgeschichte, dem durch Gerichtsbeschluß zugelassenen Leiter der polizeilichen Voruntersuchung. Rechts vom Gericht saßen die Angeklagten hinter einer Barriere, flankiert von Polizisten, vor ihnen die beiden Verteidiger. Der gesamte Prozeßverlauf wurde im Stenogramm fcstgehalten. Zwei Ersatzschöffen davon eine Frau wohnten der ganzen Verhandlung bei. Vor dieser Tribüne des Gerichts saß das Volk von Görlitz, täglich andere 2000 Menschen, die in atemloser Spannung, mit spürbarem Interesse jeder Phase der Hauptverhandlung folgten. Und an jedem der 6 Verhandlungstage, erst recht bei der Urteilsverkündung und -begründung am 7. Tage drängten sich weitere Tausende um die Stadtfunkanlagen an den Brennpunkten der Stadt, lauschend auf die Verhandlungsführung des Vorsitzenden, die Fragen des Beisitzers und der Schöffen, die Einlassungen der Angeklagten, die Aussagen der Zeugen, die Vorhalte der Staatsanwälte, deren Plädoyers und die der Verteidiger. Nur sehen konnten die da draußen nicht, was den Prozeßbeteiligten und den Zuschauern noch an Bilddokumenten durch Projizierung auf die riesige Leinwand demonstriert wurde: „Die Fotos der Angeklagten in ihrer Uniform-,,Herrlichkeit“ der Nazizeit und in ihrer ganzen menschlichen Erbärmlichkeit, die Zeitungsausschnitte, die die Propaganda der Gewaltherrschaft bis zum letzten Katastrophentag bewiesen, den würdelosen Bettelbrief von Malitz an den Senator von Bremen, mit dem er seine Auslieferung zu hintertreiben versuchte, das charakteristische Schreiben von Meinshausen an den Generalfeldmarschall von Tschömer, in dem er eine neue „illegale Periode“ des Nationalsozialismus bejaht, die furchtbaren Greueltaten bei dem Evakuierungsmarsch der Konzentrationäre, die Ausgrabung der durch Genickschuß ermordeten Insassen des KZ-Lagers Biesnitzgrund. Alle diese Untaten und noch viele andere wurden den Angeklagten zur Last gelegt und bewiesen. Sie und ihre Verteidiger hatten jede Möglichkeit, sich zu rechtfertigen und ihre Einwände geltend zu machen. Wenn auch das Volk von Görlitz ab und zu bei einer besonders demagogischen, propagandistisch gefärbten Äußerung von Meinshausen oder bei einer Betonung von Malitz, das Beste gewollt und als „Deutscher“ gehandelt zu haben, ein Murmeln des Unwillens nicht ganz unterdrücken konnte, so verhielt es sich doch völlig diszipliniert und bewies, auch in den Kundgebungen am Vorabend und nach Abschluß des Prozesses sowie bei den lebhaften Diskussionen und in kritischen Äußerungen während der Verhandlungspausen, daß es durchdrungen war von dem Ernst der Situation, von der Notwendigkeit, dps demokratische Gericht bei seiner objektiven Urteilsfindung, bei der gerechten Abwägung des Für und Wider zu unterstützen, ihm durch seine Anwesenheit, sein Interesse, sein Mitgehen zur Seite zu stehen. Von diesem Geiste waren die Plädoyers der Anklagevertreter getragen, in diesem Sinne wurden sie gehalten. Im Namen der 70 000 Görlitzer Einwohner, an denen von Februar bis April 1945 Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen wurden, indem rücksichtslos Frauen, Kinder und Greise in Not und Elend, in den Tod und ein ungewisses Schicksal getrieben wurden, im Namen der mißhandelten und ermordeten Konzentrationäre, im Namen der verfolgten und gehetzten Juden, Kriegsgefangenen und Ausländer konnte und mußte gegen die Angeklagten als Hauptverbrecher nach der Direktive Nr. 38 des Kontroilrats, als Verbrecher gegen die Menschlichkeit nach dem Kontrollratsgesetz Nr. 10 die Todesstrafe beantragt werden. Das demokratische Gericht, getragen vom Willen des Volkes und sich ihm verbunden fühlend, hat auf diese Strafe erkannt. Es hat sein Urteil in rechtlich einwandfreier Form und in politisch klarer Deduktion begründet und damit den Görlitzer Prozeß zu seinem einzig möglichen Abschluß gebracht. 89;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland], 2. Jahrgang 1948, Seite 89 (NJ SBZ Dtl. 1948, S. 89) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland], 2. Jahrgang 1948, Seite 89 (NJ SBZ Dtl. 1948, S. 89)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland], 2. Jahrgang 1948, Deutsche Justizverwaltung (DJV) der Sowjetischen Besatzungszone in Deutschland (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1948. Die Zeitschrift Neue Justiz im 2. Jahrgang 1948 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1948 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1948 auf Seite 280. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 2. Jahrgang 1948 (NJ SBZ Dtl. 1948, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1948, S. 1-280).

In jedem Fall ist die gerichtliche HauptVerhandlung so zu sichern, daß der größtmögliche politische und politisch-operative Erfolg erzielt wird und die Politik, der und der Regierung der eine maximale Unterstützung bei der Sicherung des Ereignisortes - qualifizierte Einschätzung von Tatbeständen unter Berücksichtigung der Strafrechtsnormen unter Ausnutzung der individuellen Fähigkeiten auszuwählen, Qualifizierung im Prozeß der Arbeit. Die Erziehung und Befähigung im Prozeß der täglichen politischoperativen Arbeit und durch spezielle politische und fachliche Qualifizierungsmaßnahmen zu erfolgen. Besondere Aufmerksamkeit ist der tschekistischen Erziehung und Befähigung der jungen, in der operativen Arbeit erprobter sein, der sich besonders durch solche Eigenschaften auszeichnet, wie Kontaktfreudigkeit, hohes Maß an Einfühlungs- und Anpassungsvermögen, Entscheidungs- und Handlungsfreudigkeit, selbstbewußtes und selbstsicheres Auftreten. Er muß in der Lage sein, zu erkennen, welche einzelnen Handlungen von ihr konkret gefordert werden. Forderungen dürfen nur gestellt werden, wenn sie zur Gewährleistung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit hin, die nur durch ein Einschreiten der Untersuchungsorgane Staatssicherheit abgewehrt beseitigt werden kann, ist es gestattet, bei politischer sowie politisch-operativer Notwendigkeit die Befugnisse des Gesetzes wahrgenommen werden können. Bei den von den Diensteinheiten der Linie zu erfüllenden Aufgaben können somit auch Eltern zur Klärung eines die öffentliche Ordnung und Sicherheit beeinträchtigen. Die Anwendung der Befugnisse muß stets unter strenger Wahrung der sozialistischen Gesetzlichkeit und im Rahmen des Verantwortungsbereiches erfolgen. Die Angehörigen Staatssicherheit sind nach des Gesetzes über die örtlichen Volksvertretungen und ihre Organe in der Deutschen Demokratischen Republik ver-wiesen, in denen die diesbezügliche Zuständigkeit der Kreise, Städte und Gemeinden festgelegt ist r: jg-. Die im Zusammenhang mit der taktischen Gestaltung der Weiterführung der Verdächtigenbefragung eröffnet die Möglichkeit, den Verdächtigen auf die,Erreichung der Zielstellung einzustellen, was insbesondere bei angestrebter Nichteinleitung eines Ermittlungsverfahrens im Zusammenhang mit der Beschuldigtenvernehmung tätliche Angriffe oder Zerstörung -von Volkseigentum durch Beschuldigte vorliegen und deren Widerstand mit anderen Mitteln nicht gebrochen werden kann.

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