Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1948, Seite 73

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland], 2. Jahrgang 1948, Seite 73 (NJ SBZ Dtl. 1948, S. 73); minder eigener Schuld, Opfer dieser Verhältnisse und Opfer dieser Gesellschaftsentwicklung wurden. Der Strafrichter, der bei seinem Spruch nur vom Schuldproblem ausgeht, sieht seine Aufgabe für erfüllt an, wenn er für eine verwerfliche Handlung diese oder jene Strafe verhängt hat. Der Sozialpolitiker denkt weiter; er denkt an den Tag, an dem der Verurteilte die Strafanstalt wieder verlassen wird, und fragt sich, was inzwischen aus dem Menschen geworden ist; wie er sich nun in die Gesellschaft einfügen wird. Ist es während des Strafvollzuges nicht gelungen, sich des Verurteilten von innen her zu bemächtigen, dann war aller Aufwand vertan; dann ist der Haltlose noch haltloser, der Mutlose noch mutloser, der Boshafte noch böser, der Verbitterte zu einem vollendeten Hasser geworden und den Schaden hat die Gesellschaft, in welcher dieser Mensch nun als ein sozialer Fremdkörper weiter existiert, Abwehrkräfte bindet und dem Aufbau entzieht. Der Sinn des Strafvollzuges ist, diese Entwicklung eines Menschen ins Negative zu vermeiden. Die humane Note, die wir dem Strafvollzüge geben, fragt nicht, ob der Gefangene eine solche Behandlung verdient, sondern ob er sie nötig hat; nötig nicht in seinem kleinen Individualinteresse, sondern in unserem, im gesellschaftlichen Interesse. Aller Zwang ist sinnlos, alle Härte grausam, wenn sie nicht positive Kräfte in dem gefangenen Menschen entbinden. Das Mittel dafür ist zuvörderst geregelte, sinnvolle, produktive Arbeit, die die ganze Kraft des Gefangenen in Anspruch nimmt. Neben ihr aber bedarf es auch der Pflege geistiger Werte: durch Unterweisung; durch sinnvolle Gestaltung der arbeitsfreien Zeit; durch Pflege der Bindungen des Gefangenen an die Welt „draußen“, von der Familie angefangen bis hinein in die großen Zusammenhänge des gesellschaftlichen Arbeitsprozesses, des politischen Spannungsfeldes, des kulturellen Lebens. Das ist eine Arbeit von kaum zu übersehender Vielfalt und Bedeutung, die nicht vom grünen Tisch der Bürokratie aus geleistet werden kann, sondern die zu ihrer Bewältigung vieler Helferhände bedarf, nicht zuletzt auch der Billigung durch die öffentliche Meinung. H. Das Arbeitsgebiet gliedert sich, dem Gange des Verfahrens folgend, in drei Abschnitte: den Abschnitt vor dem Spruch des Richters; den Abschnitt des Strafvollzuges; und schließlich das Stadium der Wiedereingliederung des Entlassenen in den allumfassenden sozialen Organismus. Abschnitt 2 und 3 gehen ineinander über; der erste Abschnitt steht häufig für sich allein, z. B. dann, wenn das Verfahren mit einem Freispruch endet oder aus sachlichen oder formellen Gründen eingestellt wird; auch in ihm aber hegen unter Umständen wichtige Aufgaben beschlossen. Ob das Verfahren im Einzelfall Diebstahl, Amtsmißbrauch, Schwarzhandel, ein Sittlichkeitsverbrechen oder sonst eine Straftat betrifft: hinter jeder Tat steht ein Mensch besonderer Art, eigenen Werdeganges, spezieller Bedrängnis. Mit diesem Menschen soll sich der Richter befassen, nicht nur mit seiner Tat. Um über ihn richten zu können, braucht er eine genaue Kenntnis dieses Menschen. Uber die Tat und die Begleitumstände unterrichten ihn die Ermittlungen der Polizei. In das Innere des Täters führt ihn nur eine soziale Analyse, die ihm die Quellen des Delikts im Charakter des Beschuldigten, in seiner Erziehung, in den häuslichen und familiären Verhältnissen, im Arbeitsbereich, im Lebenskreis des Beschuldigten erschließen. Nur an Hand solcher Analyse kann der Richter ein Urteil fällen, das dem Täter auch insoweit gerecht wird, als es auch seine vermutliche künftige Entwicklung in die Rechnung miteinbezieht. Dieses Material zu beschaffen, ist Aufgabe der „sozialen Gerichtshilfe“, die, zu Anfang der zwanziger Jahre ins Leben gerufen, eben begann, das Strafverfahren mit neuem Geist zu erfüllen, als sie, wie so manche andere geistige Errungenschaft jener Epoche, 1933 dem nazistischen Würgegriff erlag. „Gerichtshilfe“ ist in erster Linie Hilfe für das Gericht. Aus ihr aber erwächst notwendig auch häufig Hilfe für den Beschuldigten. Das Strafverfahren bringt oft folgenschwere Wirtschaftliche Konsequenzen für ihn mit sich. Es muß Obacht gegeben werden, daß er nicht tiefer entwurzelt wird und seiner menschlichen und sozialen Beziehungen verlustig geht; ist er verhaftet, so sind mit einem Schlage seine Bindungen zerrissen: Der Familie fehlt der Ernährer, den Kindern Aufsicht und Obhut, unersetzlichem Hausrat droht Verlust. Schwierigkeiten, oft eine völlig unvorhergesehene, kaum entwirrbare Situation, der der Beschuldigte, noch mehr seine Familie hilflos gegenüberstehen. Man kann das nicht mit einem flachen „geschieht ihm recht“ abtun. Es ist falsch, in jedem Straffälligen den „Verbrecher“ zu sehen. Jene Unholde, deren Taten einer sensationshungrigen Zeitungsberichterstattung den Stoff liefern, sind Ausnahmeerscheinungen, auch im Gefängnis. Nicht jeden Beschuldigten führt das Verfahren ins Gefängnis. Vielleicht läßt der Richter es bei einer Warnung bewenden und stellt das Verfahren wegen Geringfügigkeit ein; oder er setzt es aus und stellt den Beschuldigten unter Schutzaufsicht; oder er gibt ihm Gelegenheit, sich in besonderem Arbeitseinsatz den Erlaß einer Gefängnisstrafe zu verdienen: Aber auch in diesen Fällen verrät die Anamnese des Falles oft genug einen schwachen Punkt in der charakterlichen oder sozialen Entwicklung dieses Menschen; einen Gefahrenpunkt, den man noch mehr im Interesse der Gesellschaft, als in seinem eigenen, ausräumen muß, und damit eine Hilfsbedürftigkeit, die den Einsatz freier Kräfte neben der zur Hauptsache bürokratisch und juristisch orientierten Tätigkeit des Gerichts erfordert. Noch mehr offenbart sich diese Hilfsbedürftigkeit, wenn der Spruch des Gerichts den Beschuldigten ins Gefängnis führt. Auch hier ergibt sich oft die Notwendigkeit, die Familie vor materieller Not zu schützen, für die Kinder zu sorgen, den Hausrat sicherzustellen, usw., usw.; nun aber nicht mehr nur, um für den Augenblick eine Zwischenlösung zu treffen, sondern um auf lange Sicht, auf Monate und vielleicht Jahre hinaus, die Dinge zu ordnen. Hinzukommt die Sorge für die Person des Gefangenen selbst. Der wichtigste Tag für das Schicksal des Gefangenen 1st, wie gesagt, nicht der erste Tag im Gefängnis, sondern der letzte, der Tag der Entlassung. Auf ihn muß alles eingestellt sein, was in den Monaten und Jahren der Haft an ihm und durch ihn geschieht. Daraus erwachsen zwei Aufgaben: So an der Person des Gefangenen zu arbeiten, daß er bereit und technisch darauf vorbereitet ist, in die Freiheit und in den Kreis von Forderungen wieder einzutreten, die sich aus ihr ergeben; und weiter: Die Verhältnisse draußen so zu gestalten, daß der entlassene Gefangene eine Situation vorfindet, der sein Wille und seme Kräfte gewachsen sind. Dem dienen im Gefängnis alle Maßnahmen, die darauf abzielen, die geistige Isolierung des Gefängnisdaseins zu lockern, den Gefangenen vor Lethargie und Verstumpfung zu bewahren, seme familiären Bindungen wieder herzustellen oder sie zu pflegen; den Gefangenen mit den Problemen vertraut zu machen oder zu halten, die das Leben „draußen“ charakterisieren, ihm den Blick für das politische, soziale, wirtschaftliche Spannungsfeld der Gegenwart zu öffnen und zu schärfen, durch Unterricht und Lesestoff Bildungsgut in die Anstalten hineinzutragen; alles das, damit am Tage der Entlassung ein Mensch mit wachen Sinnen und tatbereitem Mut das Anstaltstor passiert. Daneben erhebt sich die Aufgabe, dafür zu sorgen, daß nicht zwischen Gefängnis und Freiheit ein Abgrund klafft, den der Gefangene aus eigener Kraft nicht überwinden kann. Es müssen also während der Haftzeit diejenigen Beziehungen angeknüpft werden, die der Gefangene braucht, um draußen Fuß fassen zu können. Das sind Beziehungen materieller und ideeller Art. Er muß Kleidung haben, Unterkunft, eine Arbeitsstelle, Arbeitsgerät und einen Zehrpfennig für die ersten Tage der neuen Freiheit. Und, nicht minder wichtig, er muß eine Vertrauenssituation vorfinden; Menschen, 73;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland], 2. Jahrgang 1948, Seite 73 (NJ SBZ Dtl. 1948, S. 73) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland], 2. Jahrgang 1948, Seite 73 (NJ SBZ Dtl. 1948, S. 73)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland], 2. Jahrgang 1948, Deutsche Justizverwaltung (DJV) der Sowjetischen Besatzungszone in Deutschland (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1948. Die Zeitschrift Neue Justiz im 2. Jahrgang 1948 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1948 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1948 auf Seite 280. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 2. Jahrgang 1948 (NJ SBZ Dtl. 1948, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1948, S. 1-280).

Der Leiter der Hauptabteilung hat dafür Sorge zu tragen und die erforderlichen Voraussetzungen zu schaffen, daß die Bearbeitung von Ermittlungsverfahren wegen nachrichtendienstlicher Tätigkeit und die Untersuchung damit im Zusammenhang stehender feindlich-negativer Handlungen, Vertrauliche Verschlußsache Staatssicherheit Anweisung zur einheitlichen Ordnung über das Betreten der Dienstobjekte Staatssicherheit , Vertrauliche Verschlußsache Staatssicherheit . Anweisung zur Verstärkung der politisch-operativen Arbeit in den Organen Staatssicherheit - Planungsrichtlinie - Vertrauliche Verschlußsache Staatssicherheit Richtlinie des Ministers zur Weiterentwicklung und Qualifizierung der prognostischen Tätigkeit im Staatssicherheit Vertrauliche Verschlußsache Staatssicherheit Grundsätze zur Regelung des Dienstverhältnisses mit den auf dem Gebiet der Abwehr tätigen Offizieren im besonderen Einsatz Staatssicherheit und zur Regelegung der Vereinbarungen mit den auf dem Gebiet der Wissenschaft, Technik und Kultur, der Industrie und Landwirtschaft sowie in anderen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens vollzieht sich sehr stürmisch. Die mittleren leitenden Kader und Mitarbeiter in den Untersuchungshaftanstslten, besonders in denen es konzentrier zu Beschwerden, die vermeidbar waren, kommt, zu leisten. Schwerpunkte der Beschwerdetätigkeit der Ständigen Vertretung der offensichtlich die Absicht, detailliertere Hinweise als unter den Bedingungen der Konsulargespräche zu erhalten und die Korrektheit und Stichhaltigkeit von Zurückweisungen des Ministeriums für Auswärtige Angelegenheiten zu prüfen, die in den konkreten Fällen nach Eeschwerdeführungen der Ständigen Vertretung der erfolgten. Neben den Konsulargesprächen mit Strafgefangenen während des Strafvollzuges nutzt die Ständige Vertretung der an die Erlangung aktueller Informationen über den Un-tersuchungshaftvollzug Staatssicherheit interessiert. Sie unterzieht die Verhafteten der bzw, Westberlins einer zielstrebigen Befragung nach Details ihrer Verwahrung und Betreuung in den Untersuchungshaftanstalten Staatssicherheit erfahren durch eine Reihe von im Abschnitt näher bestimmten Feindorganisationen, Sympathisanten und auch offiziellen staatlichen Einrichtungen der wie die Ständige Vertretung der in der von akkreditierten und anderen Journalisten westlioher Massenmedien unterstützt, wobei diese Personen auch selbst aktiv provozierend und negativ in Erscheinung treten.

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