Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1948, Seite 66

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland], 2. Jahrgang 1948, Seite 66 (NJ SBZ Dtl. 1948, S. 66); Materialistisch ist bei de Boor auch die Bedeutung und Funktion des Begriffes dargestellt. Der Begriff hat die gefundenen Regeln des Verhaltens „zu klarerer Anschauung zu bringen. Das eben ist, über die Ordnung der Erscheinungen hinaus, nach wie vor die Aufgabe juristischer Begriffsbildung“3). Der Begriff soll nicht „Herr“, sondern „Diener“ des Rechts sein37. Was heißt das anderes, als daß der Begriff Abbild der realen Vorgänge ist. Zu klarerer Anschauung kann etwas nur gebracht werden, wenn es genauer abgebildet wird38). Ziel der Begriffsbildung ist ihm nicht nur das bloße Ordnen und Systematisieren, sondern das Anschaulichmachen, das genaue Abbilden33). De Boor entwickelt aus der erfolgreichen wissenschaftlichen Einzelarbeit die gleichen methodischen Leitsätze, die sich aus den Grundlehren des Materialismus auf logischem Wege ergeben, d. h. er verifiziert mit seiner Arbeit die Grundannahmen des Materialismus, allerdings, ohne sich dessen bewußt zu sein und auch ohne die Grundlehren des Materialismus anzuerkennen. De Boor ist in der Praxis seiner wissenschaftlichen Arbeit Materialist, darauf beruht sein wissenschaftlicher Ruf, er ist nicht dialektischer Materialist. Die Einsicht, daß das den Normen zu Grunde liegende Lebensverhältnis seinerseits nicht unbedingt ist, sondern in seiner jeweiligen Gestalt von den von den Menschen geschaffenen Produktivkräften abhängig ist, ist bei ihm nirgends ausgesprochen. Er ist nahe daran, diese Erkenntnis zu formulieren: „wir werden erst dann gute Juristen heißen können, wenn wir gelernt haben, die lebensmäßigen Abläufe in ihrer Bewegung zu sehen“*). Das Bewegungsgesetz des lebensmäßigen Ablaufs ist noch nicht erkannt. Es liegt in der Dialektik: aus dem Lebend Verhältnis wird die sachgerechte Norm abgeleitet, sie ist brauchbar, weil sie zur Entfaltung der vorhandenen Produktivkräfte führt. Die entfalteten Produktivkräfte werden schließlich zur ) de Boor, a.a.O., S. 76. ") de Boor, a.a.O., S. 145. ”) Vergl. hierzu auch a.a.O., S. 14 „Somit bleibt, will man begrifflich genau arbeiten, kein anderer Weg, als den Par-teio .g itf zu Der chtigen“. Der Begriff ist bedingt von der aus dem Sachverhalt gefundenen Lösung. s*) von Weizsäcker formuliert ähnlich (a.a.O., S. 22): „Das naive menschliche Denken geht von der Sache aus, das wissenschaftliche von der Methode. Die Methode ist ein Weg. Dieser Weg hat kein anderes Ziel als eben die Sache, die sachliche Wahrheit“, also nicht bloß Stoffgliederung. Dabei werden aber nicht die Denkgesetze gefunden (so Kant folgend v. Weizsäcker, a.a.O., S. 18, vergl. hierzu Marx, Das Elend der Philosophie, Berlin 1947, S. 127), sondern soweit die gefundene Erkenntnis durch Experiment oder Praxis des Handelns verifiziert wird, die Zusammenhänge der realen Vorgänge aufgedeckt. Erst darin liegt die so dringend erforderliche Überwindung der kantischen Lehre. Kant sagt (Kritik der reinen Vernunft, 2. Aufl. 1787, S. 134): „Verbindung liegt aber nicht in den Gegenständen und kann von ihnen nicht etwa durch Wahrnehmung entlehnt und in den Verstand dadurch allererst aufgenommen werden, sondern ist allein (!) eine Verrichtung des Verstandes, der selbst nichts weiter ist als das Vermögen, a priori zu verbinden .“ Gewiß, der Verstand ist das Vermögen zu verbinden, das Wort a priori ist von Kant zu dem Zweck eingefügt, das Wissen aufheben zu können, um Platz für den Glauben zu bekommen. Ohne die Formen der Anschauung, ohne die Gesetze des Verstandes, die Kategorien, sind nach ihm die Gegenstände ein unverbundenes Chaos, ein dunkler Klumpen, in den erst der Verstand als Gesetzgeber der Natur Ordnung hineinbringt. Aus diesem Grund wird von aller Wissenschaft auf idealistischer Basis das systematische Ordnen als alleinige Aufgabe der Wissenschaft angesehen. Der Idealist sieht in der „Form“ die Sache, das „Wesen" der Dinge. Nach materialistischer Auffassung liegt die Verbindung in den Gegenständen und wird durch den Verstand als das Vermögen des Verknüpfens nachgebildet. Nicht jede Verknüpfung ist richtig, sondern nur die, die durch das Erzielen des berechneten Erfolges im Experiment, Technik oder Handeln des Menschen sich als zutreffend erweist. Aufdecken der nicht auf der Oberfläche liegenden Zusammenhänge der Vorgänge ist ihm das Ziel der Wissenschaft. Der Materialist sucht die Ursachen der Sinneseindrücke und der Vorstellungen des gesellschaftlichen Bewußtseins aufzuzeigen, um die Herrschaft über Naturvorgang und gesellschaftliches Handeln zu gewinnen, um frei zu sein, d. h. um mit Sachkenntnis entscheiden zu können. (Engels, Anti-DUhring, Stuttgart 1904, 5. Aufl., S. 113.) Weg von Kant, zu Marx, muß die Losung der Wissenschaft sein. Diese Richtung hat de Boor eingeschlagen, die wissenschaftliche Arbeit seines Lebens diente der Überwindung der auf Kants Lehre beruhenden Begriffsjurisprudenz. Die Überwindung der Apriorität der Begriffe war ja das Ziel der lnteressenjurisprudenz. Das entsprach dem ersten Teil der Losung, der zweite Schritt ist noch zu tun. ") de Boor, Gerichtsschutz und Rechtssystem, Leipz. rechts-wissensch. Stud., Heft 126, S. 30. neuen Produktivkraft, die ihrerseits wieder Änderungen der Lebens Verhältnisse herbeiführt. Die unveränderte Norm wird unbrauchbar, sie ist dem neuen Lebensverhältnis nicht mehr adäquat und muß abgeändert oder beseitigt werden. In der Übereinstimmung oder im Widerspruch zwischen Lebensverhältnis und Norm liegt der lebensmäßige Ablauf aller rechtlichen Entwicklung. Die Bewegung ist im Wege der Beobachtung festgestellt, aber ihr Gesetz noch nicht erkannt. „Unmöglich aber ist es (das Verfahren, brauchbare Lösungen zu finden, die sich dem geltenden Recht ohne Zwang einfügen. Der Verf.) nicht, wenn man sich nur entschließt, das gesetzte Recht nicht als etwas Starres, sondern in seiner Wandlung, seiner geschichtlichen Entwicklung zu sehen“**). Es bedarf nur noch eines winzigen Schrittes, um die Dialektik der Rechtsbildung zu erkennen. So nahe hat sich die Rechtstheorie an den dialektischen Materialismus herangearbeitet. Eine bewundernswerte Leistung in einer Zeit, als der „Volksgeist“ des konkreten Ordnungsdenken, der Appell an das Irrationale, allen wissenschaftlichen Fortschritt zu vernichten drohte. Ebenso aufschlußreich ist die Schrift Haupts über faktische Vertragsverhältnisse*2). Haupt stellt fest, daß sich im Leben ein „neuer sozialer Sachverhalt“*3) entwickelt habe, der „in seiner nicht zu ignorierenden Existenz“**) den Vertragsverhältnissen gleichzusetzen sei. Was bedeutet das? Das ist nichts anderes als die Entdeckung des Marxschen Produktionsverhältnisses durch die bürgerliche Rechtstheorie. Zwar fehlt auch hier die Erkenntnis, daß dieser neue soziale Sachverhalt seinerseits von den vorhandenen Produktivkräften bedingt ist, aber es ist doch gesehen, daß diese neuen Lebensverhältnisse ihre eigenen Regeln des Verhaltens verlangen**). Das ist der Beachtung wert. Die marxistische Lehre war verboten. Die akademisch gebildete Jugend hatte die erreichbare materialistische Literatur öffentlich auf dem Scheiterhaufen verbrannt, die Anerkennung der Grundlehren des dialektischen Materialismus bedeutete den Ausschluß von der Universität und häufig den Tod. In dieser Situation entdeckte die bürgerliche Rechtswissenschaft auf der Suche nach Wahrheit eine Grunderkenntnis wieder, die Marx vor fast 100 Jahren gefunden hatte und ahnte es nicht. Noch eins muß hier erwähnt werden. Eine wissenschaftlich gefundene Erkenntnis ist erst dann bestätigt, wenn das mit ihrer Hilfe vorausberechnete Resultat eintritt. Nun, Lenin hat 1908 diese Entdeckung marxistischer Erkenntnisse durch die bürgerliche Wissenschaft vorausgesagt. Er hatte keinen sechsten Sinn; er hatte dies auf dem Wege der Anwendung der marxistischen Lehren erkannt. 35 Jahre später ist es auf dem Gebiet der Rechtstheorie eingetreten. Lenin sagte es zwar nur für die moderne Physik voraus*), weil er ihre Kritik zum Gegenstand seiner Betrachtungen machte, aber für die Rechtstheorie gilt es genau so. Die Leipziger Juristenfakultät hat diese Leistung vollbracht und damit ihren alten Ruf gewahrt. 5. Sind die Grundlehren des dialektischen Materialismus durch die Praxis bestätigt? Hiermit ist eine Frage berührt, die nähere Betrachtung verdient. Die materialistische Grundthese, daß die menschlichen Handlungen reale Vorgänge sind und die Erkenntnis ihrer Zusammenhänge das Abbild dieser Wirklichkeit ist, ist zunächst eine Annahme, ein *') de Boor, Parteiwechsel, S. 26. “) Haupt, Über faktische Vertragsverhältnisse, Leipz. rechts-wissensch. Stud., Heft 124, 1943. ") Haupt, a.a.O., S. 29; S. 11 nennt er es die „objektiv verwirklichte Tatsache des besonderen sozialen Kontrakts“. “) Haupt, a.a.O., S. 30, Sperrung von mir. “) Haupt, a.a.O., S. 29 und S. 32. “) Lenin, a.a.O., S. 336 „Die moderne Physik liegt in Geburtswehen. Sie ist dabei, den dialektischen Materialismus zu gebären. Die Entbindung verläuft schmerzhaft. Außer dem lebendigen und lebensfähigen Wesen kommen unvermeidlich noch gewisse tote Produkte, einige Abfälle zum Vorschein, die in die Kehrichtgrube gehören. Zu diesen Abfällen gehört auch der ganze physikalische Idealismus, die ganze empiriokritische Philosophie samt dem Empiriosymbolismus, Empiriomonismus und dergl. mehr.“ Das konkrete Ordnungsdenken steht dem Empiriokritizismus durchaus gleich, es hat die gleiche gesellschaftliche Ursache. 66;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland], 2. Jahrgang 1948, Seite 66 (NJ SBZ Dtl. 1948, S. 66) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland], 2. Jahrgang 1948, Seite 66 (NJ SBZ Dtl. 1948, S. 66)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland], 2. Jahrgang 1948, Deutsche Justizverwaltung (DJV) der Sowjetischen Besatzungszone in Deutschland (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1948. Die Zeitschrift Neue Justiz im 2. Jahrgang 1948 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1948 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1948 auf Seite 280. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 2. Jahrgang 1948 (NJ SBZ Dtl. 1948, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1948, S. 1-280).

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