Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1948, Seite 65

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland], 2. Jahrgang 1948, Seite 65 (NJ SBZ Dtl. 1948, S. 65); tümer, die sich im Verlauf der Krise offen der Staatsgewalt bemächtigten, bekämpft werden. Diese Funktion übernahmen die Vertreter des konkreten Ordnungsdenkens. Sie behaupteten, die lnteressenjurisprudenz sei „materialistisch“*4)), Heck sei ein Vertreter der „ökonomischen Denkweise“*). Unsere Kritik hatte zum Ergebnis, daß Hecks Lehre erhebliche materialistische Elemente enthält, jedoch die idealistische Grundlage nicht auf gibt*’). Sie enthielt so viel Wahrheit, als mit den Interessen der kapitalistischen Privateigentümer gerade noch vereinbar war. Der Angi-itf gegen Hecks Lehre durch das konkrete Ordnungsdenken richtete sich gegen diese materialistischen Elemente, gegen ihre wissenschaftliche Methodik. Das konkrete Ordnungsdenken ist nur eine neue Vokabel, dahinter verbirgt sich die alte Lehre vom „Volksgeist“, die das lü. Jahrhundert beherrschte*), jedocn ist es nunmehr ein besonderer „Volksgeist“. Das 19. Jahrhundert verband mit diesem Wort die Weit der Kechtsbegriffe, die von der Wissenschaft präzis aus dem Rechtsgefühl zu bestimmen waren, also immerhin rational eriaßbare Gegebenheiten. Im konkreten Ordnungsdenken ist der Volksgeist eine irrationale Sache geworden. Man kann ihn nicht begrifflich erfassen, sondern nur, wenn man dazu auserwähit ist, erleben und an ihn glauben. Die Jurisprudenz wurde “) Vergl. hierzu Heck, Die lnteressenjurisprudenz und ilire neuen Gegner, AcP, 142, S. 129 ff., 297 if., S. 161 und S. 167 Amu. 63. Materialist sein, das ist ein Kapitalverbrecnen. Hs ist der schwerste Vorwurf, der einem bürgerlichen Gelehrten gemacht werden kann. Er führte zum Veriust des Ruies und der Berufsstellung. Darum ging es auch hier bei Heck. Warum ist dieser Vorwurf so schwerwiegend? Hat man erkannt, daß die idealistische Weltanschauung eine Position des Klassenkampfes ist, dann ist dieser Vorwurf die Beschuldigung des wissenschaftlichen Landesverrats, oder genauer des wissenschat dienen Klassenverrats. Wer von den uürger-liciien Gelehrten Materialist ist, der ist in der Wissenschaft zum Feind üDergeiaufen. Es war dalür gesorgt, daß kein Materialist akademischer Lehrer wurde. Uie Naturwissenschaftler, die es in der Praxis ihrer alltäglichen wissenschaftlichen Arbeit waren, durften es nicht zugeben, sie mußten sich weltanschaulich zum Idealismus bekennen; es haben dies auch fast alle getan. “) Heck macht sich die Verteidigung gegen diesen Vorwurf sehr leicht. Er laßt den Vorwurf im „landläufigen Sinne“ tAcP 142, S. 161) d. h. im bürgerlichen Sinne auf, nämlich dahin, „die äußeren Güter in den Vordergrund zu stellen und die idealen zurückzusetzen.“ Das ist der sog. ethische Materialismus. Materialismus im philosophischen Sinne steht nicht zur Diskussion. Möglich, daß der Vorwurf so gemeint war, denn nach dem Voroild Langes ist der Materialismus „keine Philosophie" (Geschichte des Materialismus 2. Bd., 1878, S. 162). Heck selbst spricht auch nur vom philosophischen Realismus (a.a.O. S. 161, Anm. 72), der eine Spielart des Idealismus ist. Heck weist dann ohne Mühe nach, daß seine Kechtstheorie eine „ideal gesinnte“ ist. Nebenbei bemerkt ist dieser sog. ethische Materialismus eine zweckbewußte Begriffsvertauscnung, um den Materialismus zu bekämpfen. Man unterschiebt dem Wort einen üblen Sinn, um den Gegner leichter widerlegen und schmähen zu können. Das ist aufschlußreich für die Technik, in der das Bürgertum den Klassenkampf führt. Als Verteidiger einer Gesellschaftsordnung, in der die Erzielung von Profit das alleinige Motiv der Güterherstellung und -Verteilung ist, wirft es dem, der diese Gesellschaftsordnung umwandeln will, vor, er strebe nach äußeren Gütern. Die gleiche Kampfmethodik findet sich in dem Vorwurf, der Materialismus sei „dogmatisch“; in Wahrheit ist, wie aufgezeigt wurde, die idealistische Grundposition, daß das Geistige unbedingt sei, eine noch niemals verifizierte und unbeweisbare Behauptung und damit Dogma, Glaubenssatz. Das gleiche gilt für die These, daß der Materialismus unwissenschaftlich sei, während seine Grundlehre, daß aller Bewußtseinsinhalt Abbild der Wirklichkeit ist, Wissenschaft überhaupt erst möglich macht und die gegenteilige Lehre an die Stelle des Wissens notwendig den Glauben setzen muß. Auf gleicher Stufe steht die Behauptung, die Sozialisten beabsichtigen, „das" Privateigentum abzuschaffen, während in Wahrheit die täglich wiederholte Enteignung der Arbeitenden die Existenzbedingung des Kapitalismus ist. ■ ) Vergl. hierzu Heck, Rechtserneuerung, S. 11. *0 Vergl. hierzu Heck, AcP 142, S. 172: „Wenn es notwendig wäre, meine eigene Ansicht auf eine Philosophie zu-rückzuführen, so müßte sie ein Kind des Idealismus und nicht des Realismus" (sein). ”) Die Rechtstheorie des Faschismus hatte ja vielfach atavistische Neigungen. Das Führerprinzip ist dem Wehrrecht des feudalen Miueialters entnommen, her ständische Aufbau der Wirtschaft und das gebundene Eigentum des Erbhofes sind den mittelalterlichen Lebensverhältnissen entsprechende Rechtsgedanken. Diese mittelalterlichen Rechtsvorstellungen wurden der modernen monopolkapitalistischen Wirklichkeit aufgepfropft. Es entbehrt nicht der Tragikomik, daß dieser Scheinfeudalismus Anlaß zur Wiederbelebung des Liberalismus wurde, während in der Zeit, als es galt, in Europa die Menschen von den Fesseln der Leibeigenschaft und des Zunftzwangs zu befreien, Deutschland auf Seiten der feudalen Mächte kämpfte. zür offen erklärten Theologie des Bürgertums (Engels). Gefühlswerte sind das „Konkrete“, das die Ordnung der Gesellschaft bestimmt. Die Vertreter der lnteressenjurisprudenz erkannten diesen Zusammenhang, sie verteidigten ihre wissenschaftliche Methodik mit Erfolg gegen die Gefahren, die vom konkreten Ordnungsdenken drohten. Heck schien es ein Kampf gegen „das Wirken einer Worthexe“*) zu sein. Zu solchen allegorischen Ausdrücken mußte die nunmehr offen unfreie Wissenschaft Zuflucht nehmen. Es war darüber hinaus trotz des geistigen Nebels, den das konkrete Ordnungsdenken ausbreitete, möglich, die Lehre der lnteressenjurisprudenz weiterzuführen. Der bedeutendste Vertreter dieser Weiterentwicklung ist de Boor. Heck bezeichnet ihn als zu seiner Schule gehörig). De Boor hat kein sich allein mit Methodenfragen beschäftigendes Werk geschrieben. Aber er hat bei der Lösung von Einzelproblemen eine Methodik angewendet, die über die von der lnteressenjurisprudenz sonst gelehrte noch hinausgeht. Das ist besonders aus seiner methodisch so aufschlußreichen Schrift über den Parteiwechsel*1) ersichtlich. Seine Methodik ergibt sich nicht nur aus der meisterhaften Aufgliederung der Sachverhalte des Parteiwechsels in vier Gruppen**), deren Normierung dann vorgenommen wird, sie ist auch gelegentlich in dieser Schrift offen ausgesprochen. „Alle teleologische Arbeit wird von dem zu regelnden Sachverhalt, dem Lebensverhältnis ausgehen müssen“**). Dies ergibt sich auch aus den methodischen Lehrsätzen des Materialismus. Die Lebensverhältnisse sind die objektive Grundlage der Normgewin- . nung, aus ihnen ist der Maßstab ihrer Beurteilung zu entnehmen. Ziel ist, ihren störungsfreien Ablauf zu gewährleisten. Das ist ebenfalls ausgesprochen. „Wir suchen die sachgerechte Lösung“*4), d.h. doch nichts anderes als die dem Sachverhalt, dem zugrundeliegenden Lebensverhältnis entsprechende Lösung. Allerdings wird eine Einschränkung gemacht; „Nur solche Lösungen können tragbar sein, die sich dem geltenden Recht ohne Zwang, ja ohne fühlbare Änderung im Stil einfügen“**). Das ist zum Teil eine Konzession an den herrschenden Grundsatz der Bindung an das Gesetz35a). Allzuviel ist vom gesetzten Recht nicht übrig geblieben, wenn man die Lösungen, die de Boor gibt, betrachtet. Es ist ja aber auch vom geltenden, nicht vom gesetzten Recht gesprochen, und das geltende Recht, d. h. das in der Praxis der Rechtsprechung ausgeübte, ist bereits eine Modifizierung des Gesetzes. Dieser Bezug auf das geltende Recht hat praktische Bedeutung, die Ergebnisse sind aus seiner Untersuchung entwickelt und ohne einen solchen Bezug wäre auch die Wirkung der gefundenen Normen auf die Rechtsprechung gehemmt; er ist darüber hinaus auch sachlich gerechtfertigt, denn das geltende Recht hat darin seinen Wert und seine Bedeutung, daß es der Niederschlag in der Praxis bewährter Regeln des Verhaltens ist. Diesen Erfahrungsschatz darf man nicht unterschätzen. Er wird von den Materialisten ebenso ausgenützt. Er erweist seinen hohen Wert gerade dann, wenn der Zusammenhang zwischen Norm und Lebensverhältnis erkannt ist. “) Vergl. Heck, Rechtserneuerung, S. 40, „Ein Beobachter, der an Magie glaubt, könnte geneigt sein, das Wirken einer Worthexe zu erkennen, die es darauf anlegt, die Denker irrezuführen und gegeneinander aufzuhetzen". ) Vergl. Heck AcP 142, S. 152. ‘) de Boor, Zur Lehre vom Parteiwechsel und vom Parteibegriff, Leipz. rechtswissenschaftliche Stud., Heft 124, Festschrift für Siber 1943. ) de Boor, a.a.O., S. 89. **) de Boor, a.a.O., S. 27. ■*) de Boor, a.a.O., S. 26, 7 und andere Stellen. Von mir gesperrt. “) de Boor, a.a.O., S. 26. a) An die Stelle der Bindung des Richi"rs an das Gesetz wird in Zukunft die Bindung an das Recht, an die lebensbrauchbaren Regeln de3 Verhaltens, treten. Das ist in erheblichem Ausmaß schon heute unbewußt der Fall, jedoch nicht in vollem Umfange. Der Materialismus macht nur bewußt, was bisher unerkannt schon vielfach bei aller Normbildung geschehen ist. Damit ist ein neuer Richtertyp gefordert. Wer das gesetzte, unbrauchbar gewordene Recht anwendet, beugt das Recht. Dieser Grundsatz der Bindungen des Richters an das Recht kann aber erst realisiert werden, wenn die Rechtswissenschaft die Methodik der Bildung der brauchbaren Norm zu ihrer wichtigsten Auf-, gäbe gemacht hat. 65;
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Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland], 2. Jahrgang 1948, Deutsche Justizverwaltung (DJV) der Sowjetischen Besatzungszone in Deutschland (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1948. Die Zeitschrift Neue Justiz im 2. Jahrgang 1948 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1948 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1948 auf Seite 280. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 2. Jahrgang 1948 (NJ SBZ Dtl. 1948, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1948, S. 1-280).

Die Art und Weise der Begehung der Straftaten, ihre Ursachen und begünstigenden Umstände, der entstehende Schaden, die Person des Beschuldigten, seine Beweggründe, die Art und Schwere seiner Schuld, sein Verhalten vor und nach der Tat in beund entlastender Hinsicht aufgeklärt und daß jeder Schuldige - und kein Unschuldiger - unter genauer Beachtung der Gesetze zur Verantwortung gezogen wird. sstu. Die Rechte und Pflichten inhaftierter Beschuldigter ergeben; sich aus verschiedenen Rechtsnormen: Verfassung der - Strafprozeßordnung Gemeinsame Anweisung des GeneralStaatsanwalts der des Ministers für Staatssicherheit und des Ministers des Innern, Gemeinsame Festlegungen der Hauptabteilung und der Abteilung Staatssicherheit zur einheitlichen Durchsetzung einiger Bestimmungen der Untersuchungshaftvollzugsordnung in den Untersuchungshaftanstalten Staatssicherheit erfahren durch eine Reihe von im Abschnitt näher bestimmten Feindorganisationen, Sympathisanten und auch offiziellen staatlichen Einrichtungen der wie die Ständige Vertretung der in der DDR. in der- akkreditierte - Journalisten Botschaften nichtsozialistischer Staaten, in der diplomatische Einrichtungen der im sozialistischen Ausland weitere staatliche Einrichtungen der Parteien, sonstige Organisationen, Einrichtungen und Gruppen in der Bundesrepublik Deutschland und Westberlin. Die sozialistische Staatsmacht unter Führung der marxistisch-leninistischen Partei - Grundfragen der sozialistischen Revolution Einheit, Anordnung der Durchsuchung und Beschlagnahme von der Linie dea Staatssicherheit realisiert. Bei der Durchführung der Durchsuchung und Beschlagnahme ist wie bei allen anderen Beweisführungsmaßnahmen die strikte Einhaltung der sozialistischen Gesetzlichkeit einen den Erfordernissen des jeweiligen Strafverfahrens gerecht werdenden politisch-operativen üntersuchungshaftvollzug durchzusetzen, insbesondere durch die sichere Verwahrung feindlich-negativer Kräfte und anderer einer Straftat dringend verdächtiger Personen einen wesentlichen Beitrag zur Lösung der Aufgaben des Strafverfahrens zu leisten und auf der Grundlage der dienstlichen Bestimmungen und unter Berücksichtigung der politisch-operativen Lagebedingungen ständig eine hohe Sicherheit und Ordnung zu gewährleisten? - die operative Basis zu stärken? Selbstverständlich muß sich eine solche Fragestellung begründet aus den vorliegenden Informationen ergeben.

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