Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1948, Seite 6

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland], 2. Jahrgang 1948, Seite 6 (NJ SBZ Dtl. 1948, S. 6); Verwerfungsrecht haben oder die Befugnis haben, einem Gesetz die Anwendung zu versagen. Das Reichsgericht hat in dieser Frage vor 1933 sich widersprechende Entscheidungen gefällt. Die Entscheidung vom 6.11.25 wurde oben bereits erwähnt, wonach das Reichsgericht das Recht in Anspruch nahm, alle Gesetze auf ihre materielle Übereinstimmung mit der Reichsverfassung zu überprüfen. Am 8.1.1924 rebellierte der Richterverein beim Reichsgericht gegen den Entwurf des Aufwertungsgesetzes mit der Drohung, das Reichsgericht werde das Gesetz als unsittliches nicht anwenden”). Die herrschende Staatsrechtslehre (Thoma, Anschütz, Poetsch-Heffler, Radbruch, Jellinek, Hatschek) hat derartige Ansprüche der Justiz entschieden verneint. Ein derartiges Prüfungsrecht, sagte Thoma, würde „aus Mißtrauen gegen die demokratisch gewählten Parlamente zu einem Pluralismus der Rechtsauffassungen führen und über den Gesetzgeber ein Areopag stellen, bei dem die Frage offen bleibt, wer die Lauterkeit und Richtigkeit seiner Entscheidungen prüft. Quis custo-diet ipsos custodes?“ Thoma bezeichnet derartige Ansprüche als Wiederbelebung nicht etwa liberalen, sondern mittelalterlichständestaatlichen Denkens und bemerkt, daß sie ein staatsverneinendes Element enthalten. „Sie stellen in Frage: daß die Dezision über das Gerechte und Zweckmäßige allein dem Gesetzgeber gebührt.“ ”) Auch Anschütz, der Kommentator der Weimarer Verfassung, lehnt ein richterliches Prüfungsrecht sowohl bezüglich der Frage, ob ein Gesetz der Verfassung entspricht, als auch ob ein verfassungsmäßig zustande gekommenes Gesetz höheren Normen (Sitte, Sittlichkeit, Treu und Glauben, Naturrecht) widerspricht oder gewissen Werturteilen (Gerechtigkeit, Billigkeit, Vernunft) standhält, entschieden ab, und stellt die Frage, welchen Sinn denn sonst der Verfassungssatz habe, daß der Richter dem Gesetz unterworfen ist. Die Bejahung des richterlichen Prüfungsrechtes bezeichnet er als Verkennung des richterlichen Prüfungsamtes und als verfassungswidrige Erhöhung des Richters über den Gesetzgeber”). Der Richter ist sachlich unabhängig gegenüber jeder Gewalt im Staat, außer der gesetzgebenden ihr ist er unterworfen. Der Richter prüft: aa) ob das Gesetz ordnungsmäßig verkündet ist, bb) ob es, wie es verkündet ist, noch gilt und nicht aufgehoben oder abgeändert ist, ce) ob das anzuwendende Gesetz nicht etwa einer Rechtsnorm:höheren Ranges widerspricht (Reichsgesetz Landesgesetz; Gesetz Verordnung.Iäa) Nicht aber unterliegt der richterlichen Prüfung das Verhältnis von Gesetz und Verfassung. Das Prüfungsrecht ist allgemein anerkannt gegenüber Verordnungen. Die Thüringische Verfassung enthält im Artikel 43 Abs. 1 allerdings die Einschränkung, daß Verordnungen, die mit Zustimmung eines Landtagsausschusses erlassen werden und vom Landtag beschlossene Verwaltungsgrundsätze für den Richter ebenso bindend sind wie Gesetze. Diese Regelung ist eine Neuerung und bedeutet eine Ausdehnung der Legislative auf die Verwaltung und eine Durchbrechung der Gewaltenteilung zugunsten des demokratischen Prinzips. Es handelt sich darum, das Parlament nicht nur zum gesetzgebenden, sondern auch zu einem verwaltenden Organ zu machen und die bürokratische Staatsverwaltung nicht nur von der Seite der lokalen Selbstverwaltung aus, sondern auch von der Seite des Parlamentes her abzubauen. In dieser Richtung liegt der Übergang der früheren „Kommunalaufsicht“ auf die Landtage gemäß der neuen Kreis- und Gemeindeordnung für die sowjetische Besatzungszone, wonach über Beschwerden. - l7) Juristische Wochenschrift 1924 S. 90. ) Vgl. a.a.O. S. 143/144. ’) „Die Verfassung des Deutschen Reichs“, 13. Aufl. 1930, Anmerkung 4 zu Art. 102. Isa) Nach Artikel 41 der Thüringischen Verfassung bricht „Gesamtdeutsches Recht" Landesrecht, worunter nicht das-frühere Reichsrecht zu verstehen ist, sondern das von einem-neuen gesamtdeutschen Gesetzgeber gesetzte Recht und auch, die Gesetzgebung des Kontrollräte, der die gesamtdeutsche Gesetzgebungsgewalt übernommen hat. Ebenso können Befehle der Besatzungsmaeht den Vorrang haben vor den Bestimmungen deutscher Reichs- oder Landesgesetze. gegen Beschlüsse des Kreistages und der Stadtverordnetenversammlung, d. h. gegen Akte der Selbstverwaltungsorgane, der Landtag entscheidet. Hierdurch ist die Verwaltungsgerichtsbarkeit hinsichtlich der Rechtsverhältnisse zwischen den Selbstverwaltungsorganen eingeschränkt worden. Die vom Landtag als Beschwerdeinstanz in Selbstverwaltungsangelegenheiten aber auch sonst entwickelten Verwaltungsgrundsätze sind für den Richter nach Art. 43 Abs. 1 der Thüring. Verfassung bindend. Die süddeutschen Länderverfassungen durchbrechen die Gewaltenteilung von der Seite der Justiz aus. Es ist absurd, wenn nach der Verfassung Bayerns sogar jeder Staatsbürger das Recht hat, den Schutz des Verfassungsgerichtshofs anzurufen (Art. 120; siehe auch das Widerstandsrecht des Bürgers gegen verfassungswidrig ausgeübte Gewalt in Art. 147 der Verfassung des Landes Hessen und ferner die Verfassung Brandenburgs Art. 6, wo ein Widerstandsrecht jedes Bürgers gegen Gesetze niedergelegt ist, die gegen die Moral und Menschlichkeit verstoßen oder das Gemeinwohl gefährden). Die Bayrische Verfassung gibt jedem einzelnen Richter das Recht, ein Gesetz als verfassungswidrig abzulehnen und die Entscheidung des Staatsgerichtshofs herbeizuführen (Art. 92), während die anderen süddeutschen Verfassungen hier wenigstens zunächst eine Entscheidung des höchsten Gerichts (Oberlandesgericht oder Verwaltungsgerichts) herbeiführen und erst wenn dieses zur Annahme einer Verfassungswidrigkeit kommt, den Staats- oder Verfassungsgerichtshof durch das höchste Zivil- oder Verwaltungsgericht anrufen läßt. b) Die Staatsgerichtsbarkeit / Politische Justiz Das vollendete Ideal des bürgerlichen Rechtsstaates gipfelt in einer allgemeinen Justizförmigkeit des gesamten staatlichen Lebens. Dadurch, daß man einen besonderen Staats- und Verfassungsgerichtshof einsetzt, will man die allgemeine Justizförmigkeit bemänteln insofern, als die sog. „politische Justiz“ der Entscheidung der ordentlichen Gerichtsbarkeit oder Verwaltungsgerichtsbarkeit entzogen wird. Dennoch handelt es sich der Sache nach auch bei der Staatsgerichtsbarkeit um Gerichtsbarkeit und um Entscheidungen der Justiz über politische Fragen, die nach konsequenter demokratischer Auffassung in die Zuständigkeit der Legislative und nicht der Justiz gehören, wie z. B. Streitigkeiten über die Wahlprüfung, die Zulassung von politischen Parteien oder Wählergruppen, die Frage, ob gegen die demokratischen Grundsätze der Verfassung verstoßen wird oder ob die Voraussetzungen der Sozialisierung vorüegen (vgl. z. B. die Verfassungen Badens Art. 118, Hessens Art. 132, 150, Rheinland-Pfalz Art. 130). Die Problematik der politischen Justiz liegt darin, daß entweder politische Fragen künstlich zu Rechtsfragen gemacht werden (z. B. Zulassung von politischen Parteien oder auch die Frage der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes) oder echte Rechtsstreitigkeiten, wie sie sich aus Differenzen oberster staatlicher Behörden ergeben können, doch einen so ausgesprochen politischen Charakter annehmen, daß sie deswegen der Staatsgerichtsbarkeit übertragen werden. (Daher war bisher in Gesetzen, die einem besonderen Staatsgerichtshof solche Entscheidungen übertragen, meist vorgesehen, daß nur bestimmte höchste Behörden oder politische Körperschaften diesen Gerichtshof anrufen können. Nach dem Entwurf eines Deutschen Reichsgesetzes von 1926 über die Verfassungsmäßigkeit von Reichsgesetzen und Reichsverordnungen waren nur der Reichstag, der Reichsrat und die Reichsregierung legitimiert, die Entscheidung des .Staatsgerichtshofs anzurufen). Echte Verfassungsstreitigkeiten sind immer politische Streitigkeiten. Die Entscheidung von Zweifeln und Meinungsverschiedenheiten über die Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen und Verordnungen ist keine echte Prozeßentscheidung. Mit Recht sagte daher im Jahre 1927 bereits ein bayrischer Staatsrechtslehrer: „Die Frage der Nachprüfung der Gesetze auf ihre Verfassungsmöglichkeit durch andere als die gesetzgebenden Stellen ist in der Tat eine politische Frage von außerordentlicher Bedeutung; sie berührt den Rang, das Ansehen des Gesetzgebers.“20) !t) Hofacker, Der Gerichtssaal, Bd. 94, 1927, S. 221/222. 6;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland], 2. Jahrgang 1948, Seite 6 (NJ SBZ Dtl. 1948, S. 6) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland], 2. Jahrgang 1948, Seite 6 (NJ SBZ Dtl. 1948, S. 6)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland], 2. Jahrgang 1948, Deutsche Justizverwaltung (DJV) der Sowjetischen Besatzungszone in Deutschland (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1948. Die Zeitschrift Neue Justiz im 2. Jahrgang 1948 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1948 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1948 auf Seite 280. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 2. Jahrgang 1948 (NJ SBZ Dtl. 1948, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1948, S. 1-280).

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