Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1948, Seite 5

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland], 2. Jahrgang 1948, Seite 5 (NJ SBZ Dtl. 1948, S. 5); sätzen des wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und kulturellen Aufbaus. Der Entwurf geht dabei von der Auffassung aus, daß die Individualrechte erst durch eine Neugestaltung der Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung wirklich gesichert werden und macht den sozialen Fortschritt zu einem Grundrecht der Bürger und zu einer Grundpflicht des Gesetzgebers und der Regierungen. Den Bänderverfassungen der Ostzone (in die die Grundrechte z. T. aufgenommen worden sind) liegt diese Auffassung ebenfalls zugrunde. Die Wandlung des Freiheitsbegriffs von einem negativen zu einem positiven, von einem individualistischen und liberalen zu einem sozialen wird auch von Seiten des Bürgertums anerkannt. So bezeichnet Professor Dr. Geiler den liberalen Freiheitsbegriff der Erklärung der Menschenrechte von 1789 als der geistigen und sozialen Situation unseres Jahrhunderts nicht mehr entsprechend und hält das liberale Axiom des „laissez faire, laissez aller“ für überholt, auch und gerade in sozialer Hinsicht. Er sagt: „Das soziale Problem der Gegenwart und der Zukunft verlangt eine grundsätzliche Wandlung des Freiheitsbegriffs und erstrebt eine Synthese zwischen Kollektivismus und Individualismus.“1’) 7. Demokratie und Gesetzgebung Der Bedeutungswandel der Grundrechte führt dazu, daß die Verfassungen der Ostzone einen weitgehenden „Gesetzesvorbehalt“ vorsehen, d. h. daß sie die Grundrechte zugunsten des Gesetzgebers beschränken. In den süddeutschen Verfassungen dagegen werden umgekehrt dem Gesetzgeber Schranken errichtet a) durch für unantastbar erklärte Grundrechtsbestimmungen, b) durch unantastbare Verfassungsgrundsätze, c) durch die Erschwerung der Verfassungsänderung in formeller und materieller Hinsicht, d) durch die Ausdehung der Justizförmigkeit. Das wird begründet mit Grundsätzen des liberalen Rechtsstaates (zu a u. d) oder soll dem Schutz der Verfassung dienen (zu b u. c). Das Ergebnis jedoch ist ein gegen Demokratie und Parlament gerichtetes System von vorwiegend formalen Sicherungseinrichtungen und Bremsvorrichtungen. In seinen Darlegungen über die „Funktionen der Staatsgewalt“11) behandelt Thoma den Umfang der gesetzgebenden Gewalt in der Demokratie. Er beschäftigt sich dabei mit den natur- und vernunftrechtlichen Theorien, welche als „Einkleidungen höchst heterogener politischer Bestrebungen“ diese oder jene äußersten Grenzen staatlicher Gesetzgebungsgewalt lehrten, und erklärt der Subjektivismus solcher Vernunftsrechtslehren kämpfe auf verlorenem Posten, denn es sei das eigentliche Wesen des modernen Staates, der Gesellschaft, das ordnende Recht zu setzen. Im demokratischen Staate stehe die gesamte Rechtsordnung zur Disposition des Staatsorgans, dem die Verfassung die gesetzgebende Gewalt übertrage. Thoma erkennt nur zwei Einschränkungen des Gesetzgebers an: Als Organ einer vom Volk konstituierten Körperschaft darf er nicht willkürlich handeln, sondern muß sich leiten lassen von den Erwägungen der Gerechtigkeit und des Gemeinwohls, und zweitens von der Anerkennung .des Völkerrechts. Beschränkungen des Gesetzgebers wie das ausdrückliche Verbot, die Grundrechte anzutasten (Hessen Art.63) oder das Verbot, Verfassungsänderungen vorzunehmen, die dem „demokratischen Grundgedanken der Verfassung widersprechen“ (Bayern Art. 75, Württemberg-Baden Art. 85, Hessen Art. 150), sind zweifellos undemokratisch. Aus diesem Grunde hat die Weimarer Nationalversammlung davon abgesehen, der- Legislative nur eine begrenzte Kompetenz zur Verfassungsänderung zu übertragen. „Sie hat gleich dem Verfassungsgesetzgeber der meisten anderen Nationen ein offenes System bevorzugt, das die Fortbildung und, wenn sie der überwiegenden Mehrheit erstrebenswert *) Geiler: Geistige Freiheit und soziale Gerechtigkeit, Wiesbaden 1947. ) Im HdbDStR, Bd. II S. 108 . sein sollte, Umbildung des Verfassungssystems zur Disposition der Reichslegislative stellt.“ Das entsprach, wie Thoma bemerkt, dem Gefühl für die Würde freier demokratischer Selbstbestimmung. Im Rahmen der allgemeinen Schranken, die der Gesetzgebung durch das Völkerrecht und die Pflicht zur Gerechtigkeit gezogen seien, habe der Reichsgesetzgeber der Weimarer Verfassung eine unbeschränkte Kompetenz zur Verfassungsänderung gehabt. „Daran können kein Enthusiasmus und keine Angst etwas ändern. Kein Enthusiasmus für Republik, Demokratie, Parlamentarismus, Freiheitsrechte oder sonstige Inhalte der Weimarer Verfassung (unter denen dem einen oder anderen Vertreter der Gegenmeinung die Reste des Föderalismus besonders teuer sind, oder die Figur des Reichspräsidenten oder die Rechte der Kirchen). Keine Angst vor einer etwaigen künftigen sozialistischen Zweidrittelmehrheit, die sich etwa beikommen lassen könnte, den Reichsrat durch einen Reichsarbeiterrat zu ersetzen und den Art. 153 Abs. 2 aufzuheben!“1’) Diese Freiheit der Verfassungsänderung entsprach nicht nur dem Recht der Weimarer Verfassung, sondern sie entspricht allgemeinen demokratischen Grundsätzen. Aus diesem Grunde wendet sich auch Professor Dr. Schätzei (Universität Freiburg) gegen die Beschränkungen der Verfassungsänderung durch die Verfassung des Landes Rheinland-Pfalz, indem er sagt: „Zu den Grundrechten des demokratischen Staates zählte man seit der französischen Revolutionszeit namentlich auch das auf Verfassungsänderung. Schon die Verfassung von 1791 sprach von dem droit inprescriptible de changer la Constitution und in den Grundrechten von 1793 heißt es unter Ziffer 28: Un peuple a toujours le droit de revoir, de reformer et de changer sa constitution. Une generation ne peut assujeter ä ses lois les generations futures. Eine Demokratie muß sich durch die freie Überzeugung ihrer Glieder aufrechterhalten; eine zwangsweise gehaltene Demokratie ist ein Widerspruch in sich selbst.“1’) Abwegig ist jedoch die Ansicht Schätzeis, daß der Schutz der Demokratie in der Unabhängigkeit des Individuums liege und in der Sicherung dieser Unabhängigkeit und der Freiheitssphäre des einzelnen durch eine als Schiedsrichter zwischen Staat und Individuum eingesetzte Gerichtsbarkeit. Er liegt vielmehr in der vollen Entfaltung der demokratischen Kräfte des Volkes in-und außerhalb des Parlamentes, in der Erziehung des Volkes zur demokratischen Mitarbeit, in dem Mitbestimmungsrecht der politischen Parteien und demokratischen Massenorganisationen, deren Verantwortung und Bedeutung im Verfassungssystem der entschiedenen, realen und sozialen Demokratie von überragender Bedeutung ist. Der Staatsgerichtshof hat im Jahre 1932 die Entwicklung der Notverordnungsdiktatur des Reichspräsidenten nicht, aufzuhalten vermocht. Eine voll entfaltete Legislative, gestützt auf die organisierten Kräfte vor allem einer geeinigten Arbeiterbewegung, wäre allein in der Lage gewesen, den faschistischen und diktatorischen Bestrebungen notfalls durch Generalstreik und bewaffneten Aufstand entgegenzutreten. 8. Demokratie und Gerichtsbarkeit a) Das richterliche Prüfungsrecht Aus den dargelegten Grundprinzipien der Demokratie und aus den Funktionen der Legislative in der Demokratie folgt die Ablehnung des richterlichen Prüfungsrechtes gegenüber Gesetzen auf ihre Übereinstimmung aa) mit der Verfassung oder sogar bb) mit Grundsätzen eines höheren „ordre naturel“, der Moral, der Sittlichkeit oder gar eines „in den Sternen geschriebenen Rechts“. Es handelt sich genauer gesagt um die Frage, ob die Gerichtshöfe oder andere Staatsorgane über Gesetze, die formgerecht beschlossen sind, ein Prüfungs- oder * * ) 1S) Thoma a.a.O. Bd. II S. 154. * ) Vgl. Schätzei, Deutsche Rechtszeitschrift 1917 S. 247.;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland], 2. Jahrgang 1948, Seite 5 (NJ SBZ Dtl. 1948, S. 5) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland], 2. Jahrgang 1948, Seite 5 (NJ SBZ Dtl. 1948, S. 5)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland], 2. Jahrgang 1948, Deutsche Justizverwaltung (DJV) der Sowjetischen Besatzungszone in Deutschland (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1948. Die Zeitschrift Neue Justiz im 2. Jahrgang 1948 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1948 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1948 auf Seite 280. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 2. Jahrgang 1948 (NJ SBZ Dtl. 1948, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1948, S. 1-280).

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