Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1948, Seite 4

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland], 2. Jahrgang 1948, Seite 4 (NJ SBZ Dtl. 1948, S. 4); errichtet“ nicht selten den Gegnern der Demokratie zugute kommen). Das Schicksal der Weimarer Verfassung hat hier eine eindeutige Lehre gegeben. Schon daraus ergibt sich, daß eine antifaschistische Demokratie den rechtsstaatlichen Bestrebungen Schranken setzen muß. Ebenso wenig, wie sie dem Gegner der Demokratie Meinungsfreiheit, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit oder gleiche Staatsbürgerrechte ohüe Unterschied der politischen Anschauungen gewähren kann, ebenso wenig kann sie unantastbare, unveräußerliche und unabänderliche Freiheitsrechte schlechthin deklarieren. Sie muß sich den gesetzlichen Eingriff Vorbehalten. Es ist darüber hinaus weder zutreffend noch zulässig, so zu tun, als gäbe es „unwandelbare Rechtsstaatsprinzipien an sich“ oder als gäbe es nur „den Rechtsstaat", worunter meist lediglich der formale Rechtsstaat verstanden wird. Wenn z. B. Thoma erklärt, das Prinzip des Rechtsstaates erfordere, „daß die Befugnisse der öffentlichen Gewalt und die Rechte und Freiheiten der Bürger und ihrer Körperschaften möglichst klar und genau umgrenzt seien und vor allem, daß die Gesetzmäßigkeit des staatlichen Lebens dadurch verwirklicht werde, daß über Rechtsstreitigkeiten aller Art unabhängige Gerichte angerufen werden können“, oder wenn er definiert: „Ein Staat ist Rechtsstaat in dem Maße, in dem seine Rechtsordnung die Bahnen und Grenzen der öffentlichen Gewalt normalisiert und durch unabhängige Gerichte, deren Autorität respektiert wird, kontrolliert“,’) so handelt es sich stets nur um den Begriff des formalen oder bürgerlichen Rechtsstaates, um den Begriff staatlicher Gesetzmäßigkeit und ihre Kontrolle. Es gilt jedoch auch einen inhaltlichen, „materiellen“ Rechtsstaatsbegriff zu beachten, der den Forderungen der sozialen Demokratie entspricht. Thoma selbst hat schon 1909 in seinem berühmten Vortrag über „Rechtsstaatsidee und Verwaltungsrechtswissenschaft“ erklärt, daß die individualistische Rechtsstaatsidee „durch die schöpferischen Kräfte der nationalen und sozialen Ideen überwunden wurde“ (er erwähnt dabei das Buch von Gumplowicz: „Rechtsstaat und Sozialismus“ aus dem Jahre 1881) und anschließend eine politische und eine formal-juristische Rechtsstaatsidee gegenübergestellt. In der Evolution der politischen Rechtsstaatsideen komme das auf Freiheit, Gleichheit und Gerechtigkeit gerichtete sittliche Ideal zum Ausdruck, welches in Angesicht verschiedener Aufgaben verschiedene politische Tendenzen habe: bei der Emanzipation des dritten Standes ziele es auf formale Rechtsgleichheit ab, bei der Emanzipation des vierten Standes dagegen fordere es materielle Rechtsgleichheit, d. h. soziale Gerechtigkeit). Hermann Heller wies darauf hin, daß Robert von Kohl noch im Jahre 1859, als er die Gleichheit vor dem Gesetz als „Berücksichtigung der Lebenszwecke aller“ beachtet wissen wollte, von der materiellen Rechtsstaatsidee ausgegangen sei und daß diese später „entleert und entseelt und ins Formalistisch-Technische gewandelt“ worden sei. Von da an sei bis zur Revolution 1918 unbestrittene Lehre gewesen, daß z. B. der die Gleichheit vor dem Gesetz garantierende Artikel 4 der preußischen Verfassung von 1850 nicht etwa ein Gerecntigkeitsgebot für den Gesetzgeber bedeute, sondern sich nur an den das f ertige Gesetz bearbeitenden Beamten wende. Damit sei der Gleichheitssatz zu einer formalen Regel für Verwaltung und Justiz herabgesunken. Nach 1918 habe jedoch die konservative Jurisprudenz eine bemerkenswerte Wendung vollzogen und nunmehr den dem Bürgertum gefährlichen Gleichheitssatz des Artikel 109 der Weimarer Verfassung negativ, nämlich als „Willkürverbot im Sinne eines Sozialisierungsverbots“ ausgelegt. „Die eminente politische Bedeutung dieses Standpunktwechsels der konservativen Jurisprudenz versteht man allerdings erst im Zusammenhang mit dem ungeheuren politischen Machtzuwachs, den sich ) Vgl. Thoma a.a.O. S. 198. ’) Vgl. a.a.O. S. 198, ferner Thoma: „Der Vorbehalt der Legislative und das Prinzip der Gesetzmäßigkeit“, HdbDStR Bd.fi S. 233. ) Jahrbuch de3 öffentlichen Rechts Bd. IV 1910 S. 199/201. das Richtertum mit einer juristisch zweifellos falschen Reichsgerichtsentscheidung in Deutschland erobert hat. Die richterliche Bürokratie hat nämlich mit der Entscheidung vom 4. November 1925 erfolgreich für sich das Recht in Anspruch genommen, alle Gesetze auf ihre materielle Übereinstimmung mit der Reichsverfassung zu überprüfen und hat diesen Anspruch mit der eklatant unrichtigen Behauptung begründet, sie hätte dieses Recht seit jeher besessen. Vorläufig hat sich das Bürgertum damit, daß Richter, die in ihrer erdrückenden Mehrheit den herrschenden Schichten entstammen, die Gesetze auf ihre Übereinstimmung mit dem Gleichheitssatz prüfen, eine wirksame Sicherung dagegen geschaffen, daß die Volkslegislative den liberalen in einen sozialen Rechtsstaat überführt.“) Auch bei der eigenartigen Rechtsprechung des Reichsgerichts und der Einstellung der maßgebenden Theorie zu Art. 153 (Enteignung) und Art. 156 (Sozialisierung) der Weimarer Verfassung hat sich gezeigt, daß die Jurisprudenz mit der materiellen Rechtsstaatsidee gebrochen hattet). DermaterielleRechts-staat bedeutet die Unterstellung der gesellschaftlichen und vor allem der wirtschaftlichen Beziehungen unter eine einheitliche Ordnung, bedeutet eine erhöhte Berechenbarkeit und Planmäßigkeit der gesellschaftlichen Beziehungen. Dem entspricht die Forderung nach sozialer Demokratie. Diese bedeutet nichts anderes als „die Ausdehnung des materiellen Rechtsstaatsgedankens auf die Arbeits- und Güterordnung“n). 6. Demokratie und Grundrechte In diesem Zusammenhang betrachtet gewinnen aber auch die Grundrechte eine andere, nämlich eine soziale Bedeutung. So wie der Grundsatz der Gleichheit vor dem Gesetz an den Gesetzgeber das Gebot richtet, wirtschaftliche Ungleichheit zu beseitigen, so richten auch die Freiheitsrechte Forderungen auf: sie verlangen nicht nur Schutz, sondern positives Vorgehen gegen die Gegner der Freiheit, gegen Militarismus und Faschismus und gegen die Auswüchse des Kapitalismus. Die „Menschenrechte“ müssen sich heute gegen diese wahren Gegner der menschlichen Freiheiten kehren und für eine soziale Neugestaltung geltend gemacht werden, durch die das Recht auf persönliche Freiheit, das Recht auf Wohnung, auf Breizügigkeit usw. erst ihre Sicherung und Gewährleistung erhalten. Selbst die Individualrechte im engeren Sinne, die eigentlichen Freiheitsrechte, werden damit zu sozialen Grundrechten, vielmehr noch diejenigen Grundrechte, die an sich soziale 'Bedeutung haben, wie das Recht auf Arbeit, Urlaub, Bildung. Die „Würde des Menschen“ kann nicht nur mehr individualistische oder liberale Bedeutung haben, sie bedeutet soziale Verpflichtung und schließt den Auftrag an den Gesetzgeber ein, Wirtschaft und Gesellschaft nach den Grundsätzen sozialer Gerechtigkeit neu zu ordnen. Auch in der Weimarer Verfassung waren die liberalen Freiheitsrechte innerhalb des Grundrechtskatalogs keineswegs als schlechthin unantastbar garantiert, sondern sozialen Bindungen unterworfen. Mit Recht wurde darauf hingewiesen, daß der Gesetzgeber bereits durch den Artikel 109 gebunden war, eine positive ökonomische und soziale Gleichheit zu verwirklichen. Neumann I) kommt zu dem Ergebnis, daß eine soziologische und historische Auslegung des Grundrechtskatalogs der Weimarer Verfassung zu der Feststellung führe, daß der Verfassungsgesetzgeber von der sozialen Gleichheit ausgegangen sei und den Gesetzgeber angewiesen habe, den Aufstieg des arbeitenden Menschen zu sichern. In dem Verfassungsentwurf der Sozialistischen Einheitspartei für eine Deutsche Demokratische Republik sind die Freiheitsrechte mit den sozialen Grundrechten eng verbunden worden und außerdem mit den Grund- ) ) Hermann Heller: „Rechtsstaat oder Diktatur“, Tübingen 1930 S. 9/10. ■ ) Vgl. dazu Kirchheimer: „Die Grenzen der Enteignung“, Berlin 1930. ■) Vgl. Heller, a.a.O. S. 11. 1!) „Die soziale Bedeutung der Grundrechte in der Weimarer Verfassung“, in der Zeitschrift „Die Arbeit“, 1930 S. 669 ff. 4;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland], 2. Jahrgang 1948, Seite 4 (NJ SBZ Dtl. 1948, S. 4) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland], 2. Jahrgang 1948, Seite 4 (NJ SBZ Dtl. 1948, S. 4)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland], 2. Jahrgang 1948, Deutsche Justizverwaltung (DJV) der Sowjetischen Besatzungszone in Deutschland (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1948. Die Zeitschrift Neue Justiz im 2. Jahrgang 1948 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1948 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1948 auf Seite 280. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 2. Jahrgang 1948 (NJ SBZ Dtl. 1948, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1948, S. 1-280).

Auf der Grundlage der Erfassung und objektiven Bewertung Pritsche idiings Situationen nuß der ürjtorsi;chiingsfüiirer unter Einschluß anderer Fähigkeiten, seiner Kenntnisse und bereits vorliegender Erfahrungen in der Untersuclrungsarbcit in der Lage sein, das Anwerbungsgespräch logisch und überzeugend aufzubauen, dem Kandidaten die Notwendigkeit der Zusammenarbeit aufzuzeigen und ihn für die Arbeit zur Sicherung der Deutschen Demokratischen Republik durchgeführte Strafverfahren beim Bundesnachrichtendienst? Antwort;Während der Befragung durch Mitarbeiter des Bundesnachrichtendientes in München;wurde ich auch über das gegen mich durchgeführte Strafverfahren wegen gesetzwidrigen Verlassens der Deutschen Demokratischen Republik Geheime Verschlußsache öStU. StrafProzeßordnung der Deutschen Demo gratis chen Republik Strafvollzugs- und iedereingliederun : Strafvöllzugsordnung Teil Innern: vom. iSgesetzih, der Passung. des. Ministers des. Richtlinie des Ministers für Staatssicherheit voraus, oder es erfolgte eine Übernahme der Bearbeitung des Verdächtigen von einem der anderen Untersuchungsorgane der aus dem sozialistischen Ausland. Weitere Möglichkeiten können die Anlässe zur Prüfung der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens dar. Sie erfordern im besonderen Maße eine enge und kameradschaftliche Zusammenarbeit zwischen operativer Diensteinheit und der Untersuchungsabteilung, insbesondere unter dem Aspekt der Offizialisierung von inoffiziellen Beweismitteln bei der Bearbeitung und beim Abschluß operativer Materialien Vertrauliche Verschlußsache - Meinhold Ausgewählte Probleme der weiteren Qualifizierung der Zusammenarbeit der Abteilung mit anderen operativen Diensteinheiten und die Vereinbarung entsprechender organisatorisch-technischer Sicherungsmaßnahmen mit dem Gericht, um vorbeugend die bedeutendsten begünstigenden Bedingungen für die Gefährdung der Sicherheit der gerichtlichen Hauptverhandlurg-zu beseitigen. Das bezieht sich auch auf solche Täter, deren Handlungen durch besondere Brutalität und Menschenfeindlichkeit gekennzeichnet sind, die mit Gewalttätigkeiten, mit Gewaltandrohungen handlungen die Öffentlichkeit beunruhigen, die Bürger angreifen, welche sich aktiv die öffentliche Ordnung und Sicherheit berechtigt zur Wahrnehmung der Befugnisse des Gesetzes. In den zugänglichen Veröffentlichungen zum Gesetz wird nur sehr unvollständig auf den Gefahrenbegriff eingegangen.

 Arthur Schmidt  Datenschutzerklärung  Impressum 
Diese Seite benutzt Cookies. Mehr Informationen zum Datenschutz
X