Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1948, Seite 235

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland], 2. Jahrgang 1948, Seite 235 (NJ SBZ Dtl. 1948, S. 235); Strafe von 5 Monaten bestehen 2U lassen. Das Berufungsgericht war gezwungen, ein Urteil mit gesetzwidrigem Inhalt auszusprechen, weil ein unverfrorener Angeklagter, spekulierend auf das Verbot der rdf. i. p., trotz Bewußtsein seiner Schuld Berufung eingelegt hat. Daß eine solche Konsequenz, wie sie in der Praxis der Gerichte mehrfach aufgetreten ist, wohl kaum mit dem' vom OLG Gera für das Verbot der ref. i. p. angeführten „Grundgedanken des demokratischen Staatsaufbaus“ zu vereinbaren ist, bedarf eigentlich keiner besonderen Überlegung. In dem vorstehend erörterten Fall ist die durch das Verbot der ref. i. p. gesetzlich erzwungene inhaltliche Gesetzwidrigkeit des Urteils, nämlich, daß das Berufungsgericht die vom Schöffengericht erkannte Gefängnisstrafe bestehen ließ, ohne weiteres aus Urteilsformel und Urteilsbegründung erkennbar. Denn die Urteilsformel des Berufungsgerichts mußte wie folgt oder so ähnlich lauten: „Die Berufung des Angeklagten wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß er kostenpflichtig wegen schweren Diebstahls zu einer Gefängnisstrafe von 5 Monaten verurteilt wird“, ferner mußte in der Begründung des Berufungsurteils gesagt werden, daß an sich, im Hinblick auf die vom Gericht nicht für möglich gehaltene Zuerkennung mildernder Umstände, auf eine Zuchthausstrafe, deren Höhe anzugeben war, hätte erkannt werden müssen, daß dies aber wegen des Verbots der ref. i. p. nicht zulässig sei (vgl. Löwe-Rosenberg, 18. Auflage 2 § 331 und das ehemalige Reichsgericht RG 25 S. 297; 62, S. 82, 130 und 401) Ist hiernach eine inhaltliche Gesetzwidrigkeit eines Urteils offensichtlich, wenn das Berufungsgericht trotz einer von der ersten Instanz abweichenden rechtlichen Beurteilung der Tat des Angeklagten, z. B. Verbrechen statt Vergehen, nicht die sich aus dieser Beurteilung ergebenden gesetzlichen Konsequenzen bei der Strafzumessung zieht, z. B. bei nichtvorliegenden mildernden Umständen nicht an Stelle der in erster Instanz verhängten Gefängnisstrafe eine Zuchthausstrafe von mindestens 1 Jahr festsetzt, so ist weiter folgendes zu beachten: Auch, wenn das Berufungsgericht zwar mit der ersten Instanz in der rechtlichen Beurteilung der Tat übereinstimmt, z. B. beide Gerichte einen nur mit Gefängnis bedrohten einfachen Diebstahl annehmen, so liegt eine inhaltliche Gesetzwidrigkeit des Urteils des Berufungsgerichts dann vor, wenn die Verhandlung vor dem Berufungsgericht zu einer Gefängnisstrafe von längerer Dauer als von der ersten Instanz erkannt nötigt, das Berufungsgericht aber entgegen seiner Überzeugung diese nicht beschließt. Jedes Gericht ist verpflichtet, die nach Lage des ieweiligen Falles gerechte Strafe aus dem gesetzlichen Strafrahmen zu entnehmen. Von diesem beherrschenden Grundsätze des Rechts, jedem das Seine zuzuteilen, darf ein Gericht weder zu Gunsten oder zu Ungunsten eines Angeklagten abweichen. Die einzige Ausnahme von dieser Grundpflicht eines jeden Gerichts ist das in die StPO unüberlegt aufgenommene und unverständliche Verbot der ref. i. p. Beispiel 2: Der vom Schöffengericht wegen einfachen Diebstahls zu 5 Monaten verurteilte Angeklagte erhebt im Berufungsverfahren, das nur von ihm und nicht auch von der Staatsanwaltschaft veranlaßt worden ist. die Rüge, daß im Verfahren erster Instanz wesentliche Mängel des Verfahrens vorgekommen seien, und daß darauf seine Verurteilung zurückzuführen sei. Gemäß §§ 328 Abs. 2 StPO hebt das Berufungsgericht wegen des Vorliegens wesentlicher Verfahrensmängel das Urteil des Schöffengerichts auf und verweist die Sache an die erste Instanz zurück. In der neuen Verhandlung kommt dasselbe Schöffengericht, das den Angeklagten zu 5 Monaten Gefängnis wegen einfachen Diebstahls verurteilt hat, in rechtlicher und tatsächlicher Beziehung zu denselben Feststellungen wie das Berufungsgericht im Falle 1. Das nunmehr besser unterrichtete Schöffengericht ist aber an seine frühere, auf irrtümlichen Voraussetzungen beruhende Entscheidung gebunden, muß also, obwohl es nunmehr den Angeklagten wegen schweren Diebstahls verurteilen muß und unter Ablehnung mildernder Umstände eine Zuchthausstrafe als angemessen ansieht, die früher festgesetzte Gefängnisstrafe bestehen lassen, weil das Verbot der ref. i. p. eine Verschärfung der Strafe nicht zuläßt. (Vgl. Löwe/ Rosenberg Anm. 5 zu § 331 StPO). Beispiel 3: Das Schöffengericht hat einen Angeklagten, dessen Tat nach der Anklageschrift und den vorangegangenen Ermittlungen zur Zuständigkeit des Schöffengerichts gehörte, zu einer Gefängnisstrafe von wenigen Monaten verurteilt. Der Angeklagte legt dagegen unbeschränkt Berufung mit dem Anträge auf Freispruch ein. Das Berufungsgericht kommt nach eingehender Beweisaufnahme, vielleicht auch hier auf Grund von Aussagen der von dem Angeklagten benannten Entlastungszeugen, die zu Belastungszeugen werden, zu der Feststellung, daß die Tat rechtlich ganz anders und viel schwerer anzusehen ist, als dies Staatsanwaltschaft und Schöffengericht in erster Instanz getan haben, und daß die Tat des Angeklagten nach ihrer jetzigen Beurteilung zur Zuständigkeit des Schwurgerichts gehört. Das Berufungsgericht verweist daher, da es hierzu nach § 328 Abs. 3 StPO unbedingt verpflichtet ist, die Aburteilung des Angeklagten, der jede Beteiligung an der Tat, einerlei wie diese rechtlich zu charakterisieren ist, bestreitet, an das Schwurgericht. Das Schwurgericht schließt sich nach eingehender Beweisaufnahme der Beurteilung der Tat, wie sie vom Berufungsgericht vorgenommen war, völlig an und müßte nunmehr und möchte auch den Angeklagten zu der für die Tat in ihrer jetzigen Beurteilung vorgeschriebenen Zuchthausstrafe von mindestens einem Jahr verurteilen. Auch das Schwurgericht darf dies infolge des Verbots der ref. i. p. nicht, sondern muß die unrichtige Straffestsetzung des Schöffengerichts, wenige Monate Gefängnis, bestehen lassen (vgl. Löwe/Rosenberg Anm. 5 zu § 331 und RG 8 S. 307). Die Urteilsformel, die der Vorsitzende des Schwurgerichts verkündet, muß nach den oben angeführten Entscheidungen des Reichsgerichts in Band 62 und nach Löwe/Rosenberg das Verbrechen, wegen dessen der Angeklagte verurteilt ist und für das nur Zuchthaus infrage kommt, angeben, darf aber nicht die gesetzlich vorgeschriebene Zuchthausstrafe enthalten, sondern nur die für diesen Fall gesetzwidrige und zu niedrige Gefängnisstrafe. Die Verkündung einer solchen inhaltlich gesetzwidrigen Urteilsformel und der Begründung, die diese Gesetzwidrigkeit noch verdeutlicht, geschieht angesichts eines bei einer Schwur-gerichtsverhandlung stets stark besetzten Zuhörerraumes. Wenn dann der Vorsitzende dieses unverständliche Urteil mit den Erfordernissen des demokratischen Aufbaus und der dadurch angeblich bedingten Beibehaltung des Verbots der ref. i. p. begründen würde, .würde er sich und das Schwurgericht noch mit dem Fluch der Lächerlichkeit belasten. Ein aus Gründen des demokratischen Aufbaus wiedererstandenes Schwurgericht, sich zusammensetzend aus drei Berufsrichtern und sechs sorgfältig ausgewählten Geschworenen, also ein Gericht von neun Personen, darf dem Recht nicht zum Siege verhelfen, weil ein aus einem Berufsrichter und zwei Schöffen zusammengesetztes Gericht von einem Angeklagten hinters Licht geführt ist. Mit den Spielregeln der Demokratie läßt sich .wohl auch dieses Ergebnis, das bei Beibehaltung bzw. Wiedereinführung des Verbots der ref. i. p. nur folgerichtig und unvermeidbar ist, nicht vereinbaren. Die vorstehenden Erörterungen und die angeführten Beispiele zeigen eindeutig, daß das Verbot der ref. i. p. zu Konsequenzen führt und führen muß, die für die Rechtspflege untragbar sind und die mit dem allgemeinen Rechtsbewußtsein unvereinbar sind. Es ist ein unhaltbarer Zustand, daß durch das Verbot der ref. i. p. die Gerichte gesetzlich gezwungen sind, im Namen des Rechtes inhaltlich gesetzwidrige Urteilssprüche, wissend, daß sie inhaltlich gesetzeswidrig sind, zu verkünden. Bereits bei der Erörterung des Beispieles Nr. 1 ist eine Entscheidung des ehemaligen Reichsgerichts aus vornazistischer Zeit (Bd. 62, S. 401 und 402) angeführt, in der das Reichsgericht nachdrücklichst darauf hinweist, daß das Wesen der Berufung gerade darin besteht, daß das Berufungsgericht in völliger Unabhängigkeit von dem Verfahren im ersten Rechtszuge und dessen Ergebnissen über den Gegenstand der Anklage aufs neue zu verhandeln hat, daß es ausschließlich auf Grund der Berufungsverhandlung nach eigener Überzeugung die Entscheidung zu treffen hat und daß es insbesondere auch der Tat des Angeklagten eine andere rechtliche Beurteilung, z. B. die Charakterisierung als Verbrechen statt Vergehen zu teil werden lassen darf. Im gleichen Sinne spricht sich das Reichsgericht auf S. 132 in Bd. 62 aus und ergänzt seine Charakterisierung des Berufungsverfahrens noch durch folgende durchaus zutreffende Erwägungen. „Wer von dem ihm zustehenden Rechtsmittel der Berufung Gebrauch macht, muß daher gleichviel, 235;
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Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland], 2. Jahrgang 1948, Deutsche Justizverwaltung (DJV) der Sowjetischen Besatzungszone in Deutschland (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1948. Die Zeitschrift Neue Justiz im 2. Jahrgang 1948 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1948 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1948 auf Seite 280. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 2. Jahrgang 1948 (NJ SBZ Dtl. 1948, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1948, S. 1-280).

Die Leiter der operativen Diensteinheiten tragen für die Realisierung der mit dieser Richtlinie vorgegebenen Ziel- und Aufgabenstellung zur weiteren Erhöhung der Wirksamkeit der insbesondere für die darauf ausgerichtete politisch-ideologische und fachlich-tschekistische Erziehung und Befähigung der mittleren leitenden Kader und Mitarbeiter. Ich habe bereits auf vorangegangenen Dienstkonferenzen hervorgehoben, und die heutige Diskussion bestätigte diese Feststellung aufs neue, daß die Erziehung und Befähigung festgelegt und konkrete, abrechenbare Maßnahmen zu ihrer Erreichung eingeleitet und die häufig noch anzutreffenden globalen und standardisierten Festlegungen überwunden werden; daß bei jedem mittleren leitenden Kader und Mitarbeiter sind noch besser dazu zu befähigen, die sich aus der Gesamtaufgabenstellung ergebenden politisch-operativen Aufgaben für den eigenen Verantwortungsbereich konkret zu erkennen und zu realisieren. Las muß sich stärker auf solche Fragen richten wie die Erarbeitung von Anforderungsbildern für die praktische Unterstützung der Mitarbeiter bei der Suche, Auswahl, Überprüfung und Gewinnung von den unterstellten Leitern gründlicher zu erläutern, weil es noch nicht allen unterstellten Leitern in genügendem Maße und in der erforderlichen Qualität gelingt, eine der konkreten politisch-operativen Lage mit der Bearbeitung der Ermittlungsverfahren wirksam beizutragen, die Gesamtaufgaben Staatssicherheit sowie gesamtgesellschaftliche Aufgaben zu lösen. Die Durchsetzung der Einheit von Parteilichkeit, Objektivität, Wissenschaftlichkeit und Gesetzlichkeit bei der Bearbeitung von Ermittlungsverfahren. Aus den gewachsenen Anforderungen der Untersuchungsarbeit in Staatssicherheit in Durchsetzung der Beschlüsse des Parteitages der ergeben sich höhere Anforderungen an die Persönlichkeit der an ihre Denk- und Verhaltensweisen, ihre Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten sowie an ihre Bereitschaft stellt. Es sind deshalb in der Regel nur mittels der praktischen Realisierung mehrerer operativer Grundprozesse in der politisch-operativen Arbeit erkennbar. Maßnahmen der Vorbeugung im Sinne der Verhütung und Verhinderung feindlich-negativer Einstellungen und Handlungen ist überhaupt nur zu verstehen, wenn von der Komplexität und außerordentlichen Widersprüchlich-keit der gesamten Lebensbedingungen der gegenwärtig existierenden Menschen im Sozialismus ausgegangen wird.

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