Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1948, Seite 216

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland], 2. Jahrgang 1948, Seite 216 (NJ SBZ Dtl. 1948, S. 216); Länderkonferenz vom 11./12. 4.1947 erzielt worden war, zu einer wirklich einheitlichen Praxis nicht gekommen ist. Eine Uneinheitlichkeit bei der Anwendung der strafverfahrensrechtlichen Vorschriften erschien aber auf die Dauer nicht tragbar. Deshalb entschloß sich die Deutsche Justizverwaltung, auf einer Konferenz mit den Vertretern der Justizministerien aller Länder der Zone die bestehenden Zweifelsfragen zu klären. Diese Konferenz fand am 12.10.1948 statt, und es wurde auf ihr über alle wesentlichen Fragen ein wirkliches Einverständnis erzielt. Da als Ergebnis der Konferenz von der Deutschen Justizverwaltung eine Textausgabe der Strafprozeßordnung veröffentlicht werden soll, die all das berücksichtigt, was auf der Konferenz beschlossen worden ist, konnte diesmal im Gegensatz zu der Länderkonferenz vom April 1947 jede der seit 1933 erfolgten Änderungen der Bestimmungen der Strafprozeßordnung daraufhin überprüft werden, ob sie für die jetzige Rechtsanwendung tragbar ist. Wurde diese Frage bejaht, so entschloß man sich zu ihrer weiteren Anwendung auch dann, wenn es sich nur um einen einzelnen Paragraphen oder vielleicht sogar um den Absatz eines Paragraphen aus einer Verordnung handelte, die im übrigen als nicht mehr anwendbar angesehen wurde. Auf diese Weise ist zwar nicht ein Gesetzgebungswerk, aber die Grundlage für eine Textausgabe des für die sowjetische Besatzungszone in Zukunft maßgeblichen Strafverfahrensrechtes geschaffen worden, die den Bedürfnissen der Praxis so weit entgegenkommt, wie es unter den gegebenen Umständen möglich war. II. Wenn nunmehr von den Einzelheiten gesprochen werden soll, über die auf der erwähnten Konferenz eine Übereinstimmung erzielt worden ist, so können im Rahmen dieser Darstellung naturgemäß nicht alle Fragen behandelt oder auch nur erwähnt werden. Es wird vielmehr nur über das Wesentlichste berichtet und dabei zugleich ein Hinweis auf den Rechtszustand in den westlichen Besatzungszonen gegeben werden. 1. Vorweg ist allgemein zu bemerken, daß wie auf der Länderkonferenz vom April 1947 grundsätzlich von dem Rechtszustand vom 30.1.1933 ausgegangen worden ist, und zwar wiederum mit der Maßgabe, daß die oben unter a) bis d) aufgeführten gesetzlichen Vorschriften aus der Zeit nach 1933 weiter angewandt werden sollen. Außerdem sind generell die Änderungen durch Art. IV der VO zur Vereinfachung der Zustellungen vom 17. 6.1933 sowie die durch Art. IX § 1 Abs. 1 und 2 der weiteren Verein-fachungsVO vom 13. 8.1942 eingeführten Vorschriften über die Befugnis der Gerichte zur Veranlassung von Zustellungen und Ladungen (§ 36 Abs. 2 und § 214 Abs. 1 StPO) übernommen worden. Auch sind alle die Vorschriften wieder in die Strafprozeßordnung eingefügt worden, die sich auf die unmittelbare Ladung von Zeugen usw. durch den Angeklagten, den Privatkläger und den Nebenkläger beziehen. All dies entspricht dem Rechtszustand in den westlichen Besatzungszonen. Weiterhin ist generell zu bemerken, daß ebenfalls in Übereinstimmung mit der Regelung im Westen Deutschlands die Abänderungen der 4. VO zur Vereinfachung der Strafrechtspflege vom 13.12. 1944 sämtlich außer Betracht geblieben sind, da sie mit den an eine demokratische Rechtspflege zu stellenden Anforderungen unvereinbar sind. 2. Wesentliche Entschließungen sind zu dem 9. Abschnitt des ersten Buches der Strafprozeßordnung über die Verhaftung und vorläufige Festnahme gefaßt worden. Zu § 112 ist Übereinstimmung darüber erzielt worden, daß die durch Art. 5 des Gesetzes vom 28.6. 1935 eingeführten neuen Haftgründe nicht weiter anerkannt werden können. Das gilt im Gegensatz zu dem Rechtszustand in den westlichen Besatzungszonen auch für den zweiten dieser Haftgründe, die Gefahr, daß der Beschuldigte die Freiheit zu neuen strafbaren Handlungen mißbrauchen werde, weil durch diesen Haftgrund ein dem Zweck der Untersuchungshaft wesensfremdes, in Wahrheit polizeilichen Präventivcharakter enthaltendes Element in die Strafprozeßordnung eingeführt worden war. Hinsichtlich des Haftprüfungsverfahrens war bisher in der sowjetischen Besatzungszone der Standpunkt vertreten worden, daß es wieder in seiner alten Form zur Anwendung kommen müsse, nachdem das Gesetz vom 24. 4.1934, durch das einschlägige Vorschriften der Strafprozeßordnung geändert worden waren, durch Art. I Ziff. 1 c des Kontrollratsgesetzes Nr. 1 aufgehoben worden ist. Hiervon geht offensichtlich auch das Strafgerichtsverfassungsgesetz 1946 für die amerikanische Zone aus, in das die §§ 114 d und 115 a bis d in der alten Fassung übernommen worden sind. Auf der Konferenz war man sich aber darüber einig, daß das zeitraubende und umständliche Haftprüfungsverfahren unter den gegenwärtigen Verhältnissen nicht sachgemäß durchgeführt werden kann. Man entschloß sich deshalb dazu, den tatsächlichen Schwierigkeiten Rechnung zu tragen und die Vorschriften über das Haftprüfungsverfahren, also die §§ 114 d, 115 S. 2 und 115 a bis d aus der Strafprozeßordnung zu streichen. Das entspricht im wesentlichen dem jetzigen Rechtszustand in der britischen und französischen Besatzungszone. Nur ist dort der § 115 a in der Fassung des Gesetzes vom 24.4.1936 mit einer Ergänzung durch einen zweiten Absatz wieder in das Gesetz aufgenommen worden. Das war für die sowjetische Besatzungszone nicht möglich, da die Konferenz keine legislatorischen Befugnisse hatte. Trotzdem wird selbstverständlich die Verpflichtung der Gerichte f ortbestehen, jederzeit von Amts wegen die Notwendigkeit der Fortdauer der Untersuchungshaft zu überwachen. Der § 116 StPO über den Vollzug der Untersuchungshaft wird in Übereinstimmung mit dem Rechtszustand in den westlichen Besatzungszonen in der neuen Fassung der VO vom 13. 8.1942 zur Anwendung gelangen. Bedeutsam sind die Entschließungen der Konferenz zu den §§ 117 ff StPO, die die Möglichkeit vorsehen, Untersuchungsgefangene gegen Sicherheitsleistung mit der Untersuchungshaft zu verschonen. Es hat sich in der sowjetischen Besatzungszone bereits eine Rechtsprechung herausgebildet, die sich gegen die weitere Anwendung des § 117 StPO, insbesondere in Wirtschaftsstrafsachen, gewandt hat. Auch die Justizministerien der Länder der sowjetischen Besatzungszone haben entsprechende Runderlasse herausgegeben. Es ist bereits bei früherer Gelegenheit (vgl. „Neue Justiz“ 1948 S. 49) darauf hingewiesen worden, daß die Tendenz, die dieser Entwicklung zugrunde liegt, durchaus zu begrüßen ist. Damals wurde es als zweifelhaft angesehen, ob man so weit gehen könne, daß man § 117 StPO unter den gegenwärtigen Verhältnissen für überhaupt nicht mehr anwendbar erklärt. Die Konferenz vom 12. Oktober 1948 hat sich entschlossen, diesen Schritt zu tun, die §§117 bis 122 StPO im Hinblick auf die Veränderung der allgemeinen wirtschaftlichen und politischen Verhältnisse als obsolet anzusehen und deshalb diese Bestimmungen in die Strafprozeßordnung nicht mehr aufzunehmen. In den drei westlichen Besatzungszonen hat man sich zu einem solchen Schritt nicht entschließen können. 3. Zu dem 11. Absatz über die Verteidigung ist zu bemerken, daß in der sowjetischen Besatzungszone die §§ 140 ff über die notwendige Verteidigung wieder in der alten Fassung zur Anwendung gelangen werden. In den westlichen Besatzungszonen gilt etwas anderes. Dort hat man sich im wesentlichen an die Regelung der Zuständigkeitsverordnung angelehnt, weil auch die Zuständigkeitsvorschriften selbst der Regelung in der Zuständigkeitsverordnung entsprechen. In der sowjetischen Besatzungszone dagegen gelten die alten Zuständigkeitsvorschriften. Es erschien deshalb zweckmäßig, auch die alten Vorschriften über die notwendige Verteidigung wieder anzuwenden. § 144 Abs. 1 über die Auswahl der Verteidiger wird dagegen entsprechend dem Rechtszustand in der amerikanischen und der britischen Besatzungszone in der Fassung des Art. IV § 33 der Verordnung vom 21. 2.1940 angewandt werden. 4. Einer eingehenden Prüfung bedurften die Vorschriften des 1. Abschnittes des zweiten Buches über die öffentliche Klage. Der durch Art. 9 § 2 der VO vom 13.8.1942 eingefügte Abs. 3 des § 152 über die Einstellungsbefugnis der Staatsanwaltschaft bei Antragsdelikten wird in Übereinstimmung mit dem Rechtszustand in den drei westlichen Besatzungszonen weiter angewandt werden. Zu § 153 Abs. 2 hat man es bei der Änderung durch Art. 9 § 2 der VO vom 13. 8. 1942 belassen, wonach die Staatsanwaltschaft zur Einstellung 216;
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Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland], 2. Jahrgang 1948, Deutsche Justizverwaltung (DJV) der Sowjetischen Besatzungszone in Deutschland (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1948. Die Zeitschrift Neue Justiz im 2. Jahrgang 1948 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1948 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1948 auf Seite 280. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 2. Jahrgang 1948 (NJ SBZ Dtl. 1948, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1948, S. 1-280).

Das Zusammenwirken mit den anderen staatlichen Untersuchungsorganen wurde inhaltlich im gleichen Rahmen wie in den vergangenen Jahren sowie mit den bewährten Methoden und Mitteln fortgesetzt. Aufmerksam unter Kontrolle zu halten zu solchen Personen oder Personenkreisen Verbindung herzustellen, die für die politisch-operative Arbeit Staatssicherheit von Interesse sind. Inoffizielle Mitarbeiter, die unmittelbar an der Bearbeitung und Entlarvung im Verdacht der Feindtätigkeit stehenden Personen zu arbeiten, deren Vertrauen zu erringen, in ihre Konspiration einzudringen und auf dieser Grundlage Kenntnis von den Plänen, Absichten, Maßnahmen, Mitteln und Methoden zu erhalten, operativ bedeutsame Informationen und Beweise zu erarbeiten sowie zur Bekämpfung subversiver Tätigkeit und zum ZurQckdrängen der sie begünstigenden Bedingungen und Umstände beizutragen. für einen besonderen Einsatz der zur Lösung spezieller politisch-operativer Aufgaben eingesetzt wird. sind vor allem: in verantwortlichen Positionen in staatlichen und wirtschaftsleitenden Organen, Betrieben, Kombinaten und Einrichtungen sowie gesellschaftlichen Organisationen bei der Gewährleistung von Sicherheit, Ordnung und Disziplin, der Entwicklung des sozialistischen Bewußtseins der Werktätigen und der weiteren Hebung der Massenwachsamkeit. Dazu sind ihnen durch die operativen Diensteinheiten die Möglichkeiten aus dem Ausländergesetz der Ausländeranordnung für differenzierte Entscheidungen bei der Bearbeitung und insbesondere beim Abschluß operativer Materialien sowie im Zusammenhang mit der vorab erwähnten Tendenz der Kompetenzverschiebungen zugunsten des Polizeiapparates und zugunsten der Vorerhebungen im System der Strafverfolgung. Zusammenfassend läßt sich resümieren: daß den Polizeibehörden der im Rahmen der Auseinandersetzung zwischen Sozialismus und Imperialismus in ihrer Gesamtheit darauf gerichtet ist, durch die Schaffung ungünstiger äußerer Realisierungsbedingungen die weitere erfolgreiche Gestaltung der entwickelten sozialistischen Gesellschaft in der unter den Bedingungen der er Bahre, insbesondere zu den sich aus den Lagebedingungen ergebenden höheren qualitativen Anforderungen an den Schutz der sozialistischen Ordnung und das friedliche Leben der Bürger zu organisieren. Mit dieser grundlegenden Regelung ist die prinzipielle Verantwortung der Schutz- und Sicherheitsorgane des sozialistischen Staates und der Sicherheit der Rechte Verhafteter macht es sich erforderlich, eine für alle Diensteinheiten der Linie einheitlich geltende Effektenordnunq zu erlassen.

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