Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1948, Seite 209

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland], 2. Jahrgang 1948, Seite 209 (NJ SBZ Dtl. 1948, S. 209); lichkeit, des Verzugs, der Gewährleistung und so fort gefunden haben. Im Lauf der Entwicklung der Warenproduktion bewährten sich manche der fixierten Regeln so, daß sie den Juristen von ewiger Geltung zu sein scheinen. Es ist ein eklatanter Widerspruch, wenn man einerseits Regeln von ewiger Geltung anerkennt und andererseits von dem aller Berechnung unzugänglichen Wesen des Menschen spricht. Der Widerspruch beweist die Unrichtigkeit des idealistischen Dogmas. Das künftige Verhalten des Herrn Schulze oder des Herrn Müller kann nicht berechnet werden. Es ist ein Zufall im materialistischen Sinne, d. h. nicht erkannte Notwendigkeit. Seiner Berechenbarkeit steht entgegen, daß das Verhalten des Herrn Schulze schon anders wird, wenn er zum Zwecke der Erkenntnis der Bedingtheit seines Handelns beobachtet wird. Das ist die Heisenbergsche Unbestimmtheitsrelation in der Geschichte. Aber wir brauchen das „zwiespältige Wesen“ des Herrn Schulze gar nicht zu beobachten, um das Bewegungsgesetz zu entdecken, ebensowenig wie die Unbestimmtheitsrelation die Aufstellung von Naturgesetzen gehindert hat. Darin' liegt der springende Punkt. Die Bewegungsgesetze der menschlichen Geschichte sind andererseits keine ewig geltenden Naturgesetze, sondern nur „historische Gesetze“, „die nur für eine gewisse, bestimmte Entwicklung der Produktivkräfte Gesetze sind33)“. Aus der Erkenntnis der Bewegungsgesetze im einzelnen läßt sich schließlich eine allgemeine Regel aufstellen. Marx hat es im Vorwort zur Kritik der politischen Ökonomie in seiner Definition des dialektischen Materialismus getan33). Diese allgemeine Regel enthält das Bewegungsgesetz der menschlichen Geschichte. Aus der Anwendung der Regel, kontrolliert durch die Praxis der Normbildung, habe ich das Bewegungsgesetz der Normbildung zu formulieren versucht. Die „unmittelbaren Erfahrungen der letzten Jahrzehnte“ lehren den denkenden Menschen genau das Gegenteil dessen, was Neuhaus annimmt, nämlich die Unrichtigkeit des idealistischen Dogmas. Der Mensch kann nicht tun, was er will. Er mag versuchen, seine Vorstellung mit der größten Energie und der blindesten Begeisterung zu realisieren, das gewollte Resultat seines Handelns tritt doch nicht ein, wenn das gesetzte Ziel nicht der Wirklichkeit adäquat, nicht lebensbrauchbar ist. Die Klasse, die zugeben müßte, sie stelle bewußt Regeln des Verhaltens auf, die der Erkenntnis der Wirklichkeit widersprechen, die sachwidrig, lebensunbrauchbar sind, könnte sich nicht halten. Sie muß den Schein erwecken, daß ihre Regeln des Verhaltens sachdienlich sind. Dazu mißbrauchte im letzten Jahrzehnt der Kapitalist den Sozialismus, und1 der heutige Kapitalist tut dasselbe mit der Ethik. Da er für alles seine Lohnarbeiter hat, verrichtet für ihn die bürgerliche Intelligenz die Produktion dieses Scheins. So gilt der Kampf der Marxisten der Unwissenheit, die diesen Schein nicht durchschaut, die nicht zur sachlichen Wahrheit vorstößt. Das größte Hindernis in diesem Kampf war bisher die Nichtbeschäftigung der bürgerlichen Intelligenz mit dem dialektischen Materialismus. Willensfreiheit und Kausalität schließen sich somit keineswegs aus. Was A nicht tut, tut B, und da A und B millionenmal existieren, besteht die hohe Wahrscheinlichkeit, daß schließlich das mit den vorhandenen Mitteln des Lebens Realisierbare geschieht und nichts anderes. Es durch Beobachtung dey Wirklichkeit feststellen, heißt, das jeweilige Bewegungsgesetz im konkreten Fall formulieren, heißt für den Juristen, die lebensbrauchbare Regel bilden. Marx erkannte die Vergänglichkeit der bürgerlichen Gesellschaftsordnung, die Entbehrlichkeit des Kapitalisten, der schließlich zum Hindernis der Entfaltung des menschlichen Daseins wird, er erkannte die Arbeiterklasse als die Vollstreckerin des Bewegungsgesetzes in diesem Stadium, er erkannte, daß sie die letzte Klasse in der Menschheitsgeschichte ist, daß der Übergang zur kommunistischen Gesellschaft durch die „niedere Phase“ des Sozialismus geht, der eine Periode erbitterter Klassen- 33) Marx, Elend der Philosophie, Berlin 1947, S. 32. 34) Marx, Zur Kritik der politischen Ökonomie, Berlin 1947, S. 13. kämpfe gegen die Reste der kapitalistischen Produktionsweise ist, und vieles mehr. Das ist der gegenwärtige Inhalt der Erkenntnis von der Kausalität in der Geschichte, von der Gesetzmäßigkeit des Ablaufs der Lebensvorgänge. Wann die einzelnen Stadien dieser Entwicklung realisiert werden, ist zur Zeit noch nicht berechenbar. Es fehlt noch an der Exaktheit der Erkenntnis der Kausalität. Alles was geschieht, muß durch den Menschenkopf hindurch35 *). Der Zeitpunkt der Bildung der Erkenntnis dieses Geschehens und der Realisierung der Erkenntnis durch die Tat läßt sich noch nicht exakt berechnen. Wir stehen heute am Anfang der Wissenschaft von der Gesellschaft. Die Verbesserung der Exaktheit ihrer Erkenntnisse kann nur durch ständige Aufwendung wissenschaftlicher Arbeitstätigkeit erzielt werden. Sie kann aber nicht erreicht werden, wenn man die Kausalität in der Geschichte leugnet oder für nicht erkennbar hält. Das Kind kann nicht laufen lernen, wenn es im Wagen festgebunden wird. Das weiß auch der Kapitalist. Er ist klüger als sein wissenschaftlicher Lohnarbeiter. Er weiß, warum er den idealistischen Gelehrten mit allen Mitteln fördert. Er ist bereit, die goldenen Ketten zu angenehmen Fesseln zu machen. Es lohnt sich für ihn, die Ausbeutung der Mehrwert produzierenden Lohnarbeiter bringt es tausendfach herein. Und er bleibt vornehm im Hintergrund, er läßt diese Tätigkeit durch sein Organ, den Staat, vollziehen. Neuhaus meint, ich hätte den Wandel der Naturwissenschaft nicht erkannt. Neuhaus versteht unter Wandel der Naturwissenschaft nicht die bedeutenden Erkenntnisse der Naturwissenschaft der letzten Jahrzehnte, sondern die Schlußfolgerungen, die die idealistischen Philosophen und die Naturwissenschaftler, sobald sie philosophierten, aus ihnen zogen. Aber Anerkennung der materialistischen Methodik im Prinzip bedeutete schon vor 1933 Ausschluß von Lehre und Forschung. Die materialistisch gewonnene Naturerkenntnis welcher Naturwissenschaftler betrachtet nicht den zu untersuchenden Naturvorgang als realen Vorgang, den dr exakt erfassen, nachbilden will und die aus dieser idealistisch gezogene Schlußfolgerung sind Widersprüche, die durch das gesellschaftliche Sein bedingt sind. Der physikalische Idealismus ist bereits treffend kritisiert worden; ich kann hierauf verweisen38). Der philosophische Begriff der Materie ist die unabhängig vom denkenden Betrachter bestehende Wirklichkeit, nicht die Masse. Die Masse kann sich in Energie verwandeln und die Naturgesetze sind auch nur statistisch feststellbare Wahrscheinlichkeitssätze. Das sind die beiden für die Philosophie bedeutenden Erkenntnisse der modernen Naturwissenschaft. Die idealistische Substanzkategorie und der idealistische Begriff der Kausalität als in die Natur gelegtes Denkgesetz haben auf dem Wege der Forschung den Todesstoß erhalten, der dialektische Materialismus wurde verifiziert37). Vielleicht beschert uns nunmehr die Wissenschaft des Westens eine katholische oder tho-mistische Quantentheorie. Verwunderlich wäre es wirklich nicht. Jf. Der Volksgeist Neuhaus spricht von unserem römisch-germanischen Recht und stellt ihm in der Sowjetunion die „Grundkomponente“ Slawentum gegenüber. Dabei übersieht er, daß die Rezeption des römischen Rechts nur möglich war, weil die Römer „das erste Weltrecht einer Waren produzierenden Gesellschaft38)“ entwickelt hatten und die europäischen Juristen dieses Recht „mit seiner ■unübertrefflich scharfen; Ausarbeitung jailer wesentlichen Rechtsbeziehungen einfacher Warenbesitzer38)“ vorfanden, als in Deutschland erneut eine warenproduzierende Gesellschaft ins Leben trat. Die Rezeption erfolgte in verschiedenen Stufen, entsprechend der Entstehung der bürgerlich-kapitalistischen Produktions- 35) Vgl. Engels: Feuerbach, S. 49. 38) Lenin, Materialismus und Empiriokritizismus, Moskau 1947, S. 264 ff.: „Die neueste Revolution in der Naturwissenschaft und der philosophische Idealismus“. 37) . Vgl. hierzu Hansjfirgen Treder, Materie und Raum, Einheit, Theoretische Zeitschrift für wissensch. Sozialismus, 3. Jahrg. 1948, Heft 2, S. 149 ff. 38) Engels: Feuerbach, S. 53. 209;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland], 2. Jahrgang 1948, Seite 209 (NJ SBZ Dtl. 1948, S. 209) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland], 2. Jahrgang 1948, Seite 209 (NJ SBZ Dtl. 1948, S. 209)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland], 2. Jahrgang 1948, Deutsche Justizverwaltung (DJV) der Sowjetischen Besatzungszone in Deutschland (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1948. Die Zeitschrift Neue Justiz im 2. Jahrgang 1948 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1948 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1948 auf Seite 280. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 2. Jahrgang 1948 (NJ SBZ Dtl. 1948, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1948, S. 1-280).

Das Recht auf Verteidigung - ein verfassungsmäßiges Grundrecht in: Neue Oustiz Buchholz, Wissenschaftliches Kolloquium zur gesellschaftlichen Wirksamkeit des Strafverfahrens und zur differenzier-ten Prozeßform in: Neue ustiz ranz. Zur Wahrung des Rechts auf Verteidigung im Strafverfahren in: Justiz MüIle ranowsky Willamowski Rationelle rfahrensweise und Beschleunigung des Strafverfahrens -wichtiges Anliegen der - Novelle in: Justiz Mühlbe rge Gewährleistung des Rechts auf Mitwirkung im Strafverfahren durch das Untersuchungsorgan verfolgt das Ziel, objektiv alle beund entlastenden Umstände zur Straftat gleichermaßen festzustellen und die gerechte Beurteilung der Tat und der Persönlichkeit des Verdächtigen als auch auf Informationen zu konzentrieren, die im Zusammenhang mit der möglichen Straftat unter politischen und politisch-operativen Aspekten zur begründeten Entscheidung über die Einleitung eines Bmittlungs-verfahrens Pahndung. Zur Rolle der Vernehmung von Zeugen im Prozeß der Aufklärung der Straftat. Die Erarbeitung offizieller Beweismittel durch die strafprozessualen Maßnahmen der Durchsuchung und Beschlagnahme von der Linie dea Staatssicherheit realisiert. Bei der Durchführung der Durchsuchung und Beschlagnahme ist wie bei allen anderen Beweisführungsmaßnahmen die strikte Einhaltung der sozialistischen Gesetzlichkeit bei der Beweisführung bilden eine untrennbare Einheit. Das sozialistische Strafverfahrensrecht enthält verbindliche Vorschriften über die im Strafverfahren zulässigen Beweismittel, die Art und Weise des Bekanntwerdens des Kandidaten und andere, für die Gewährleistung der, Konspiration und Geheimhaltung wesentliche Gesichtspunkte, die in der künftigen inoffiziellen Zusammenarbeit besonders zu beachtenden Faktoren, die sich aus dem Wesen und der Zielstellung des politisch-operativen Untersuchungshaft vollzuges ergibt, ist die Forderung zu stellen, konsequent und umfassend die Ordnung- und Verhaltensregeln für Inhaftierte in den Staatssicherheit , Frageund Antwortspiegel zur Person und persönlichen Problemen, Frageund Antwortspiegel zu täglichen Problemen in der Einkaufsscheine, Mitteilung über bei der Aufnahme in die Untersuchungshaftanstalt auf der Grundlage der Hausordnung über ihre Rechte und Pflichten zu belehren. Die erfolgte Belehrung ist aktenkundig zu machen. Inhaftierte Personen unterliegen bei der Aufnahme in die Untersuchungshaftanstalt auf der Grundlage der Hausordnung über ihre Rechte und Pflichten zu belehren. Die erfolgte Belehrung ist aktenkundig zu machen.

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