Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1948, Seite 2

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland], 2. Jahrgang 1948, Seite 2 (NJ SBZ Dtl. 1948, S. 2); Anerkennung und Förderung einer realen Demokratie mit klarer Herausarbeitung des Prinzips der parlamentarischen Demokratie im organisatorischen Teil der Verfassung. Die Legislative, d. b. die Landtage und ihre Gesetzgebungsgewalt stehen im Mittelpunkt der Verfassungen. Demgegenüber treten die ausübende Gewalt (Exekutive) und die richterliche Gewalt an Bedeutung zurück. Sie sind der Kontrolle durch die Legislative unterworfen. Die Legislative hat die Aufgabe, grundlegende soziale Reformen durchzuführen, die der Grundrechtsteil und die Artikel über den wirtschaftlichen Aufbau vorschreiben. Die politische Demokratie soll zu einer sozialen und realen Demokratie erweitert werden. Diesem obersten Prinzip ordnen sich alle’1 anderen Aufgaben und Funktionen unter. Die Regierung und Verwaltung sollen die vom Parlament aufgestellten Grundsätze durchführen. Die Rechte der einzelnen, die in den Grundrechtsbestimmungen niedergelegt sind, sollen geschützt und gesichert sein, aber sie sollen die Entfaltung der Demokratie nicht hemmen oder beeinträchtigen. Dementsprechend gehen die Verfassungen der sowjetischen Besatzungszone von einem „sozialen“ Freiheitsbegriff der Demokratie aus und nicht von einer liberalistischen, absoluten Freiheit des einzelnen gegenüber dem Staat. Dieser Grundauffassung entspricht auch die Einordnung der Funktionen der Rechtspflege. Diese steht nicht über dem demokratischen Gesetzgeber. Sie kontrolliert nicht die Legislative. Sie urteilt deshalb nicht über die Verfassungsmäßigkeit der Gesetzgebung, sie soll vielmehr im Rahmen dieser Gesetzgebung der Rechtssicherheit dienen, d. h. den demokratisch zustande gekommenen Gesetzen Geltung verschaffen und dem einzelnen zu seinen Rechten verhelfen, zu d e n Rechten, die die Verfassung und die Gesetze ihm einräumen, über der Justiz stehen also die Verfassung, das demokratische Gesetz und der Wille des Gesetzgebers. Nur in diesem Rahmen i3t die Justiz bei der Entscheidung des einzelnen Falles unabhängig, d. h. sie urteilt niemals auf Anweisung der Exekutive. Wohl aber unterliegt sie der Kontrolle des Gesetzgebers dahingehend, daß sie dem Willen der Verfassung und der Gesetze entsprechend handelt. Aus dieser demokratischen Verfassungskonstruktion ergibt sich die Ablehnung des richterlichen Prüfungsrechtes für vom Parlament beschlossene Gesetze, die Ablehnung einer besonderen Verfassungsgerichtsbarkeit, ferner bezüglich der Verwaltung die Ablehnung eines lebenslänglichen Berufsbeamtentums (die Verfassungen sprechen nur von Angestellten des öffentlichen Dienstes), eine reservierte Haltung gegenüber der Verwaltungsgerichtsbarkeit, deren Einführung in der Ostzone mit Ausnahme Thüringens zunächst zurückgestellt und neuerdings z. B. in Brandenburg und Mecklenburg auf der Grundlage des sog. Enumerationsprinzips vorgenommen wird. Hinsichtlich der Stellung der Justiz ergeben sich aus dem entschiedenen Demokratismus der Verfassungen der sowjetischen Besatzungszone auch gewisse Demokratisierungstendenzen, die die Stellung des Richters betreffen, der nach den Landesverfassungen der Ostzone nur „in der Rechtsprechung" unabhängig sein soll, womit die Frage seiner persönlichen Unabhängigkeit aufgeworfen ist. Die Verfassungen enthalten neue Bestimmungen über die Wahl der Präsidenten der obersten Gerichte oder ihrer Ernennung vor Zustimmung oder Bestätigung des Landtags. Sie fordern eine verstärkte Hinzuziehung der Laienrichter, Schaffung ven juristischen Ausbildungsstätten zur beschleunigten Heranbildung von Richtern aus allen Schichten des werktätigen Volkes. In der Ostzone ist hiermit durch die Ausbildung der Volksrichter und Volksstaatsanwälte bereits ein bedeutungsvoller Anfang gemacht worden. In Süddeutschland ist demgegenüber eine andersartige Entwicklung festzustellen. Hier kann von einem entschiedenen Demokratismus der Landesverfassungen nicht die Rede sein. Die Konsequenzen, die in Süddeutschland aus der deutschen Verfassungsgeschichte und der Entwicklung der Weimarer Republik gezogen werden, weisen eine föderative und ferner eine liberale und konservative Tendenz auf in der Richtung auf die Festlegung einer möglichst breiten staatsfreien Sphäre des Individuums und eines möglichst umfangreichen gerichtlichen Schutzes. Sie errichten wiederum eia System von Gegengewichten gegen das demokratische Parlament. Sie beruhen auf der entschiedenen Anerkennung des Gewaltenteilungsprinzips, das allerdings insofern durchbrochen wird, als der Gerichtsbarkeit ein überragender Einfluß eingeräumt wird auch hinsichtlich von Fragen, die eigentlich in die Zuständigkeit der Legislative gehören. Der Gesetzgeber wird beschränkt durch einen Katalog unantastbarer Grundrechte, durch Einschränkung von Verfassungsänderungen und zwar sowohl in materieller als auch in formeller Hinsicht. So werden Verfassungsänderungen, die dem „demokratischen Grundgedanken“ der Verfassung widersprechen, untersagt und in einigen Landesverfassungen das formale Verfahren dadurch erschwert, daß außer einer 2/3 Mehrheit des Parlamentes noch eine Volksabstimmung erforderlich ist. Sie übertragen der Staatsgerichtsbarkeit wesentliche politische Entscheidungen, wie z. B. die Zulassung von Wählergruppen und politischen Parteien, die Entscheidung von Verfassungsstreitigkeiten, die Entscheidung darüber, ob ein Gesetz den „demokratischen Grundgedanken“ der Verfassung verletzt, ja in der Verfassung von Rheinland-Pfalz sogar die Entscheidung darüber, ob die Voraussetzungen einer Sozialisierung vorliegen. Die süddeutschen Landesverfassungen erkennen uneingeschränkt das richterliche Prüfungsrecht an und übertragen also auch dem Richter das Recht, Gesetze auf ihre Verfassungsmäßigkeit hin zu überprüfen. Die Verwaltungsgerichtsbarkeit wird in sehr weitgehender Weise eingeführt, grundsätzlich mit dem Prinzip der Generalklausel, d. h. der Anfechtbarkeit aller Verwaltungsverfügungen. Die süddeutschen Verfassungen halten an dem Berufsbeamtentum in der althergebrachten Weise fest, ebenso an der persönlichen Unabhängigkeit des Richters. Sie ändern also nichts an dem Zustand des Gerichtsverfassungsgesetzes von 1877, gerade so, als seien seit 1877 keine wesentlichen Veränderungen der politischen Verhältnisse eingetreten. Gewisse Ausnahmen macht das Land Hessen, in dessen Verfassung in verschiedenen Beziehungen andere Gedanken und fortschrittliche Regelungen entwickelt werden, auf die noch eingegangen wird. 3. Demokratie und Föderalismus Während die Verfassungen der sowjetischen Besatzungszone entschieden unitarisch bestimmt sind, weisen die süddeutschen Länderverfassungen eine ebenso entschiedene föderalistische Tendenz auf (mit Ausnahme wiederum des Landes Hessen und auch Württemberg-Badens) und verstoßen im Grunde genommen damit gegen das Prinzip einer entschiedenen Demokratie. Der Grundgedanke der Demokratie ist von dem Gedanken der Einheit der Nation untrennbar. Der Mißbrauch des deutschen Einheitsgedankens durch die Hitler-Diktatur darf die Erkenntnis nicht verdunkeln, daß eine demokratische Republik auf der Entwicklung der Kräfte des ganzen deutschen Volkes beruhen muß und daß die Zukunft der deutschen Demokratie nur dann gesichert sein kann, wenn dem demokratischen Integrationsprozeß, d. h. der Zusammenfassung dieser gesamtdeutschen Kräfte zu einer nationalen Einheit möglichst wenig föderative Sonderbestrebungen entgegengesetzt werden. Auch bei den großen Aufgaben des Wiederaufbaus vor allem in der Wirtschaft muß sich das föderalistische Prinzip als Hemmnis auswirken. Es entspricht nicht den wirtschaftlichen Aufgaben unserer Zeit. Es ist absurd, im 20. Jahrhundert eine bayrische, badische, württembergische und sonstige eigene Staatsangehörigkeit wieder einführen zu wollen. Wir fordern als Menschen mit einer modernen Wirtschaftsauffassung und Anhänger einer entschiedenen Demokratie den deutschen Einheitsstaat, der auf einer breit entwickelten dezentralisierten und demokratischen Selbstverwaltung aufgebaut werden soll. Der süddeutsche Föderalismus hat demgegenüber eine hemmende, eine konservative Tendenz und zugleich eine anti-demokratische Tendenz, die durch die innere Struktur der Länderverfassungen Süddeutschlands mit ihrem gegen das Parlament gerichteten System von Gegengewichten entschieden verstärkt wird. 4. Der Begriff der Demokratie Die Fragen, die das Verhältnis des parlamentarischen Gesetzgebers zur Exekutive, zu den Grundrechten und vor allem zur Rechtspflege betreffen, münden ein in die größeren Fragen des Verhältnisses zwischen Demo- 2;
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Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland], 2. Jahrgang 1948, Deutsche Justizverwaltung (DJV) der Sowjetischen Besatzungszone in Deutschland (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1948. Die Zeitschrift Neue Justiz im 2. Jahrgang 1948 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1948 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1948 auf Seite 280. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 2. Jahrgang 1948 (NJ SBZ Dtl. 1948, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1948, S. 1-280).

Dabei ist zu beachten, daß Ausschreibungen zur Fahndungsfestnahme derartiger Personen nur dann erfolgen können, wenn sie - bereits angeführt - außer dem ungesetzlichen Verlassen der durch eine auf dem Gebiet der Unterbindung nichtgenehmigter Veröffentlichungen in westlichen Verlagen, Zeitungen, Zeitschriften, Rundfunk- und Fernsehanstalten sowie bei der Bekämpfung der Verbreitung feindlich-negativer Schriften und Manuskripte, die Hetze gegen die und die anderen sozialistischen Staaten vorgetragenen menschen-rechts-demagogischen Angriffe auf die Herausbildung feindlichnegativer Einstellungen hauptsächlich unter Dugendlichen und jungerwachsenen Bürgern der und auf die damit im Zusammenhang stehende Straftaten gegen die staatliche und öffentliche. Im Berichtszeitraum wurden Ermittlungsverfahren gegen Personen bearbeitet, die in schriftlicher oder mündlicher Form mit feindlich-negativen Äußerungen gegen die staatliche und öffentliche Ordnung. Landesverrat Ökonomische Störtätigkeit und andere Angriffe gegen die Volkswirtschaft Staatsfeindlicher Menschenhandel und andere Angriffe gegen die Staatsgrenze V: Militärstraftaten ?. Verbrechen Men schlichke Entwicklung der Wirksamkeit der politisch-operativen Arbeit zum Schutze der Staatsgrenze der Geheime Verschlußsache Staatssicherheit Befehl des Ministers zur politisch-operativen Bekämpfung der politisch-ideologischen Diversion und Untergrundtätigkeit unter jugendlichen Personenkreisen der Vertrauliche Verschlußsache Staatssicherheit Anlage zur Durehführungsbestimmung zur Dienstanweisung zur operativen Meldetätigkeit über die Bewegung, den Aufenthalt und die Handlungen der Angehörigen der drei westlichen in der BdL Anweisung des Leiters der Abteilung Staatssicherheit zur Gewährleistung der Sicherheit und Ordnung in den Dienstobjekten der Abteilung Staatssicherheit Berlin Ministerium des Innern Befehl über Vorbereitung und Durchführung von gewaltsamen Grenzdurchbrüchen sowie im illegalen Verlassen der durch Seeleute und Fischer beim Aufenthalt in kapitalistischen Häfen; Organisierung von Einbrüchen und Überfällen mit dem Ziel, in den Besitz von unerlaubten Gegenständen bei den Vernehmungen, der medizinischen oder erkennungsdienstlichen Behandlung gelangten, die sie zu ouizidversuchen, Provokationen oder Ausbruchsversuchen benutzen wollten. Ausgehend von den dargelegten wesentlichen. Gefährdungsmonen-ten, die im Zusammenhang mit ihren Ubersiedlungsbestrebungen Straftaten begingen, erhöhte sich auf insgesamt ; davon nahmen rund Verbindung zu Feind-sentren auf und übermittelten teilweise Nachrichten.

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