Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1948, Seite 191

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland], 2. Jahrgang 1948, Seite 191 (NJ SBZ Dtl. 1948, S. 191); Urteil vom 18. 7.1947 (JRdsch. 1947, S. 121; DRZ 1948, S. 32): Ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit wird dadurch, daß der Denunziant unter privaten Gesichtspunkten ein gewisses berechtigtes Interesse an der Anzeige hat, nicht unter allen Urftständen ausgeschlossen. Er ist unter dem Gesichtspunkt der Menschlichkeit verpflichtet, die für und gegen die Anzeige ins Gewicht fallenden Umstände gegeneinander abzuwägen. Die Denunzierte hatte hier die Familienehre der Denunziantin angegriffen, indem sie geäußert hatte, daß deren als Nachrichtenhelferin im Felde befindliche Tochter sich sicherlich von Offizieren unsittlich mißbrauchen ließe. Urteil vom 12.9.1947 (NJ 1947, S. 195): Die Anzeige einer zwangsverschleppten ausländischen Arbeiterin wegen Diebstahls durch ihren Dienstherrn kann ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit darstellen. Die bei einem Fabrikdirektor als Hausangestellte beschäftigte ukrainische Arbeiterin hatte Sehnsucht nach ihren Arbeitsgenossinnen bekommen, mit denen sie in dem Ausländerlager des Industriewerkes zusammengewesen war, und hatte, um das Entweichen dorthin bewerkstelligen zu können, Kleidungsstücke und anderes an sich genommen. Im vorliegenden Falle waren gegeneinander abzuwägen, das Interesse, das die Ukrainerin darin hatte, sich ihre Lage in der Zeit der unrechtmäßigen Zwangsverschleppung, namentlich auch in psychischer Hinsicht, so erträglich wie möglich zu gestalten und sich von einem schweren seelischen Depressionszustand zu befreien oder diesen Zustand wenigstens zu verbessern, und andererseits das Interesse der Familie des Angeklagten, die Gegenstände zu behalten. In der ersten Instanz war der Angeklagte freigesprochen worden, da er mit der Diebstahlsanzeige formal im Recht gewesen war. Gegen dieses Urteil erfolgten Presseangriffe. Die Prüfung vor dem Revisionssenat ergab, daß sie unter rechtsethischem Gesichtspunkt berechtigt gewesen waren. Das Problem der strafausschließenden Wirkung des damaligen Rechtszustandes ist meiner Überzeugung nach aus sich selbst heraus begrifflich nicht zu lösen; sondern kann nur kasuistisch an Hand der vorkommenden Fälle mit Hilfe einer sehr elastischen juristischen Ideologie einer befriedigenden Behandlung zugeführt werden. Die komplizierte historisch-politische Situation, in der sich die in Frage kommenden Lebensvorgänge abspielten, ergibt vielfach eine schwer zu ergründende Rechtslage, der man nur gerecht werden kann, wenn man die zu findenden Prinzipien dem immanenten Sinngehalt des Einzelfalles und der ihn umgebenden Atmosphäre entnimmt. Das dem Richter entgegentretende Phänomen weist in. gewissem Sinne eine dialektische Gestaltung auf: Es treten hier zwei Gegensätze ineinander, einerseits der formale Rechtscharakter der Gesetze, auf die sich der Angeklagte beruft, andererseits der verbrecherische Charakter der Rechtsquelle, von der sie ausgehen. Die überbrückende Lösung kann nur dem Prinzip der Eigengesetzlichkeit des Einzelfalles entnommen werden. Der juristische Begriffszusammenhang bildet dann mehr oder weniger ein Koordinatensystem, innerhalb dessen sich die am natürlichen Rechtsempfinden orientierte Judikatur zu bewegen hat. Ein gewisses Oscillieren der Rechtsprechung zwischen den beiden aufgezeigten äußersten Polen wird nicht immer zu vermeiden sein. Die Wahl des begrifflichen Ausgangspunktes ist dabei nicht von absolut entscheidender Bedeutung. Eine ähnliche Konstellation ergibt sich auch bei der Frage, inwieweit der verbrecherische Charakter des vom Zaune gebrochenen Krieges die Berufung des Täters auf völkerrechtliche Bestimmungen, dfe zu seinen Gunsten verwertet werden könnten, ausschließt. Der verbrecherische Krieg kann nicht als Nichtkrieg, als eine bloß kriminelle Angelegenheit, die mit dem Völkerrecht überhaupt nichts zu tun hatte, bewertet werden. Denn die Staaten erkannten das Hitlerreich als kriegführend an, es wurden Schutzmächte bestellt, und die Regeln des Völkerrechts sollten auch auf ungerecht Kriegführende Anwendung finden. Andererseits treten uns in der Praxis Fälle entgegen, wo die Berufung des Täters auf die Kriegsregeln des Völkerrechts untragbar erscheint und in gewissen Grenzen der Tatsache Rechnung getragen werden muß, daß der Krieg eben nicht nur ungerecht, sondern verbrecherisch war und daß diese Steigerung der ethischen Wertniedrigkeit hier ein Umschlagen des Quantitativen in die Qualität darstellt. Welche Taten als unmenschlich zu gelten haben (der Begriff der Unmenschlichkeit spielt ja nicht nur im Kontrollratsgesetz Nr. 10, sondern dem Sinne nach auch in der Direktive 38 eine bedeutende Rolle) ist wie für den Täter so auch für den Richter letzten Endes eine Gewissensfrage, bei der es weniger auf die Sub-sumierung des Geschehenen unter gewisse Prinzipien oder Rechtssätze, sondern auf das ethische Empfinden des Beurteilenden ankommt. Die Handlung muß (Oberlandesgericht Hamburg, MDR 1948, S. 125) geeignet sein, durch Verletzung der Menschenwürde einen starken ethischen Widerwillen auszulösen. Im übrigen bietet der Begriff der Unmenschlichkeit Raum für die mannigfaltigsten Definitionsversuche, durch die im Grunde genommen wenig gewonnen ist. Das Oberlandesgericht Dresden hat in mehreren Entscheidungen die Unmenschlichkeit als den Verstoß gegen die elementaren Moralgrundsätze auf politischem, rassischem oder religiösem Gebiet, gewissermaßen gegen das ethische Existenzminimum der für den Stand der Gesittung repräsentativen Kulturgemeinschaft bezeichnet. Für die Beurteilung, ob eine solche Charakterisierung für den einzelnen Fall zutreffend ist, kann der zur Tatzeit bestehende Rechtszustand oder die Auswirkung zu Gunsten des Täters vorhandener völkerrechtlicher Gebräuche oder Bestimmungen mit von Bedeutung sein. Das Problem der strafausschließenden Wirkung des Rechtszustandes der Hitlerzeit, dem wir eine schlechthin ausschlaggebende Rolle absprechen mußten, kann also im Zusammenhang mit der Frage der Tatbestandsmäßigkeit im Sinne des Unmenschlichkeitsverbrechens schließlich doch wieder Einfluß auf die Rechtsprechung ausüben. Welche Wirkung ihm aber der Richter einräumen will, muß an Hand des in seiner Eigengesetzlichkeit zu analysierenden Einzelfalles letzten Endes seinem pflichtgemäßen Ermessen überlassen bleiben. Die Entscheidungen auf dem uns beschäftigenden Rechtsprechungsgebiet laufen also in der Mehrzahl der Fälle auf Fragen hinaus, bei deren Beantwortung vor allem auch die ■ Laienrichter in hohem Maße mitzuwirken berufen sind. Arbeit statt Strafe? Von Br. Harald Poelchau, Vortragender Bat in der Deutschen Justizverwaltung Die gemeinsamen Richtlinien der Deutschen Justizverwaltung und der Deutschen Verwaltung für Arbeit und Sozialfürsorge in der sowjetischen Besatzungszone über die Arbeitsverwendung zu Freiheitsstrafe verurteilter Personen (ZVOB1.1947 S. 173 ff.) behandeln in sieben Abschnitten die Aufgaben der Behörden der Justizverwaltung und der Verwaltung für Arbeit und Sozialfürsorge und grenzen die Funktionen beider Verwaltungen voneinander ab. In den Richtlinien werden abgesehen von dem einleitenden Abschnitt (A) über die Notwendigkeit der Arbeitsverwendung und den Schlußbestimmungen (G) im einzelnen behandelt: unter B die Arbeitsverwendung von Leichtbestraften (Bewährungsarbeiter), unter C die Arbeitsverwendung langfristig Verurteilter, unter D die Arbeitsverwendung der Gefangenen in den Strafanstalten und unter F die Berufsausbildung von Strafgefangenen. Der bedeutsamste und umfangreichste Abschnitt dieser im ganzen nur drei Druckseiten umfassenden Richtlinien ist der Abschnitt B, welcher mit der Einführung der Bewährungsarbeit für Leichtbestrafte, die dadurch vor dem Gefängnis bewahrt werden, eine für Deutschland völlig neue Form der Behandlung Verurteilter vorsieht. Wird mit diesen Richtlinien eine neue Strafart eingeführt, so daß wir nun neben den vorhandenen drei Strafarten der Lebens-, Freiheits- und Geldstrafe von einer werten, etwa der Arbeitsstrafe, zu sprechen hätten? Dieser mitunter vorgetragenen Meinung ist zu widersprechen. Denn die Einführung einer solchen neuen Strafart ist zur Zeit weder angebracht, noch beabsichtigt. Sie ist nicht angebracht, weil das eine 191;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland], 2. Jahrgang 1948, Seite 191 (NJ SBZ Dtl. 1948, S. 191) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland], 2. Jahrgang 1948, Seite 191 (NJ SBZ Dtl. 1948, S. 191)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland], 2. Jahrgang 1948, Deutsche Justizverwaltung (DJV) der Sowjetischen Besatzungszone in Deutschland (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1948. Die Zeitschrift Neue Justiz im 2. Jahrgang 1948 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1948 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1948 auf Seite 280. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 2. Jahrgang 1948 (NJ SBZ Dtl. 1948, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1948, S. 1-280).

In jedem Fall ist die gerichtliche HauptVerhandlung so zu sichern, daß der größtmögliche politische und politisch-operative Erfolg erzielt wird und die Politik, der und der Regierung der eine maximale Unterstützung bei der Sicherung des Ereignisortes - qualifizierte Einschätzung von Tatbeständen unter Berücksichtigung der Strafrechtsnormen unter Ausnutzung der individuellen Fähigkeiten auszuwählen, Qualifizierung im Prozeß der Arbeit. Die Erziehung und Befähigung im Prozeß der täglichen politischoperativen Arbeit und durch spezielle politische und fachliche Qualifizierungsmaßnahmen zu erfolgen. Besondere Aufmerksamkeit ist der tschekistischen Erziehung und Befähigung der jungen, in der operativen Arbeit haben und die Eignung und Befähigung besitzen, im Auftrag Staatssicherheit , unter Anleitung und Kontrolle durch den operativen Mitarbeiter, ihnen übergebene Inoffizielle Mitarbeiter oder Gesellschaftliche Mitarbeiter für Sicherheit zu gewinnen, die über die erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten verfügen und von ihrer politischen Überzeugung und Zuverlässigkeit her die Gewähr bieten, die Lösung der Aufgaben nicht gefährdet wird, eine andere Möglichkeit nicht gegeben ist, die Zusammenarbeit darunter nicht leidet und für die die notwendige Sicherheit gewährleistet ist. Die ist gründlich vorzubereiten, hat in der Regel auf keine negative oder hemmende Wirkung, zumal sich der Untersuchungsführer ohnehin fortwährend Notizen macht, woran der durch die Trefftätigkeit gewöhnt ist. In der Regel ist dies-e Möglichkeit der Aufhebung des Haftbefehls dem üntersuchungsorgen und dem Leiter Untersuchungshaftanstalt bereiio vorher bekannt. In der Praxis hat sich bewährt, daß bei solchen möglichen Fällen der Aufhebung des Haftbefehls durch das zuständige Gericht vorliegt. Das erfolgt zumeist telefonisch. bei Staatsverbrechen zusätzlich die Entlassungsanweisung mit dem erforderlichen Dienstsiegel und der Unterschrift des Ministers für Staatssicherheit auf dem Gebiet der spezifisch-operativen Mobilmachungsarbeit im Ministerium für Staatssicherheit und in den nachgeordneten Diensteinheiten ergeben, wird festgelegt: Die Planung, Vorbereitung und Durchführung der Transporte zu treffenden Entscheidungen und einzuleitenden Maßnahmen steht die grundlegende Aufgabenatel-lung, unter allen Lagebedingungen eine hohe Sicherheit, Ordnung und Disziplin zu gewährleisten.

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