Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1948, Seite 189

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland], 2. Jahrgang 1948, Seite 189 (NJ SBZ Dtl. 1948, S. 189); rechtlicher Grundsätze ist mit Recht betont worden. Man hat erkannt, daß es Verbrechen gibt, deren Ahndung die ganze Völkergemeinschaft angeht und nicht dem Belieben des einzelnen Staates überlassen bleibt. Das Völkerrecht soll durch unsere Rechtsprechung zu einer durch Völkerstrafrecht gewährleisteten wirksamen Ordnung entwickelt werden, wobei der Gedanke zugrunde liegt, daß die Wahrung der elementaren Moralgrundsätze auf rassischem, religiösem und politischem Gebiet, und zwar auch der inländischen Bevölkerung gegenüber, schlechthin zu den völkerrechtlichen Verpflichtungen gehört und insofern, wie für die Staaten, so auch für den einzelnen Staatsbürger unmittelbar verbindlich ist. Die Gesetze der Menschlichkeit werden dabei als seit langem zum Inhalt des Völkerrechts gehörend konstatiert. Der Sichtbarmachung ihrer Realität ist der mit der Ahndung nazistischer Greuel befaßte Richter zu dienen berufen. Daß mit dieser Aufgabe auch deutsche Gerichte beauftragt sind, ist ein hoch einzuschätzender Vertrauensbeweis. Es darf aber auch der Gesichtspunkt nicht aus den Augen verloren werden, daß das Einschreiten gegen solche Verbrechen für uns nicht nur eine von den Besatzungsmächten auferlegte Pflicht ist, sondern unserem eigenen moralischen Bedürfnis und Gerechtigkeitsempfinden entspricht. Der Sinn der Strafe ist hier die Erhebung internationalen menschlichen Zusammenlebens auf eine höhere Stufe der ethischen Vervollkommnung. Auch die „Strafrechtstheorie“ der Generalprävention wird, mag sie auch in diesem Zusammenhang mit im Spiel sein, doch dem vollen Sinngehalt des hier erstrebten Zieles nicht gerecht. Unter den rechtstheoretischen Problemen, die aus Anlaß des Kontrollratsgesetzes Nr. 10 erörtert worden sind, steht die Frage der Durchbrechung des Grundsatzes nulla poena sine lege an erster Stelle. Die Akten über dieses Thema können nunmehr, soweit die praktische Entscheidung in Frage steht, als geschlossen betrachtet werden. Man ist sich mit Ausnahme des Frhr. v. Hodenberg, der in seinem Aufsatz „Zur Anwendung des Kontrollratsgesetzes Nr. 10 durch die deutschen Gerichte“ (SJZ 1947, S. 113) die Technik anwendet, in antifaschistischer Sprache faschistischen Interessen das Wort zu reden, im wesentlichen darüber einig, daß die uneingeschränkte Anwendung aller Bestimmungen des Kontrollratsgesetzes durch diesen Grundsatz nicht in Frage gestellt wird. Bei dieser Diskussion sind wertvolle Einsichten in die Struktur und das Wesen der für uns geltenden Rechtsordnung gewonnen worden. Dem deutschen Juristen ist bei diesem Anlaß der Star eines extremen Rechtspositivismus gestochen worden. Ehrwürdige rechtshistorische Gestalten wie Hobbes und G r o t i u s durften in diesem Zusammenhang zu aktuellen Tagesfragen das Wort ergreifen. Es war aber verfehlt, die Erörterung über den Grundsatz dahin zuzuspitzen, als ob von ihrem Ergebnis die praktische Anwendung des Kontrollratsgesetzes abhängig zu machen sei. Dieser Einstellung kann der Vqrwurf der Weltfremdheit nicht erspart werden. In seiner strikten Bedeutung steht der Grundsatz zweifellos mit dem Gesetz Nr. 10 in Widerspruch; denn er besagt, daß die verhängte Strafe zur Zeit der Begehung schon angedroht gewesen sein muß. In abgeschwächter Form aber läßt er sich mit der Anwendung dieses Gesetzes vereinbaren. Denn völkerrechtliche Verträge und ethische Normen erklärten Handlungen der im Kontrollratsgesetz verpönten Art schon lange für verbrecherisch und gaben sie der Ächtung anheim. Uber die Anwendbarkeit des Kontrollratsgesetzes in der Praxis der deutschen Gerichte aber konnte entgegen' der Ansicht von Hodenbergs gar kein Zweifel bestehen. Denn zum mindesten steht dieses Gesetz, einem verfassungsändernden Gesetz gleich, das den Grundsatz nulla poena sine lege auf alle Fälle beseitigen oder, wie es hier geschehen ist, modifizieren durfte. Mit Recht sprach der Vertreter der SMA auf der Dresdener Juristentagung sein Erstaunen aus, daß deutsche Rechtsgelehrte sich über derartige Zweifel in langen Abhandlungen den Kopf zerbrachen, und der englische Richter Professor Graveson trifft (MDR 1947, S. 278) in diesem Zusammenhang die in mehr als einer Richtung interessante Feststellung, daß in seiner Heimat einem Richter, der infolge Gewissenskonfliktes von der Anwendung eines solchen Gesetzes Abstand nehmen wollte, nichts anderes übrig bleibe, als sein Amt niederzulegen. Wollte er es versuchen, in einem solchen Falle den Streitparteien seine eigene Überzeugung als Recht aufzudrängen, so würde er, meint Graveson, nicht nur seine diesbezügliche Pflicht, sondern auch seinen Diensteid verletzen. Andererseits sind die Einsichten in die Grundlagen unserer Gesetze wesentlich dadurch vertieft worden, daß man die Konstellation, die sich aus dem Zusammentreffen des den genannten Grundsatz stark verflüchtigenden Kontrollratsgesetzes Nr. 10 mit den in Deutschland herrschenden, auf eben diesem Prinzip basierenden rechtspositivistischen Anschauungen ergab, zum Anlaß tiefschürfender Überlegungen genommen hat. Einen Höhepunkt der gedanklichen Auseinandersetzung bilden dabei die Ausführungen von Radbruch („Zur Diskussion über die Verbrechen gegen die Menschlichkeit“, SJZ 1947, S. 131), der darauf hinweist, daß das Kontrollratsgesetz Nr. 10 für die Unmenschlichkeitsverbrechen keinen fest umschriebenen Tatbestand, sondern nur einen Rahmen bietet, der analog dem englischen case law durch Präjudizien. ausgefüllt werden muß, und daß der Satz nulla poena sine lege seinem Wesen nach nur für die Anwendung auf das Recht kodifizierter Tatbestände gedacht sei, während es im Wesen jeder schöpferischen, neue Wege anbahnenden Rechtsprechung liege, auch ohne daß die angewendete Rechtsauffassung bei der Begehung motivierend an den Täter herantreten konnte, der Beurteilung neue Gesichtspunkte zugrunde zu legen. Der Grundsatz von der notwendigen Rückwirkung des Fallrechts gelte besonders auch für das Völkerrecht. Dieser Gedankengang kann nicht durch einen Hinweis auf die Direktive 38 mit ihren fester umschriebenen Tatbeständen entkräftet werden, die (mit Ausnahme des „Neonazismus“, Dir. 38, Abschn. II, Art. Ill A III), um überhaupt anwendbar zu sein, ebenfalls sämtlich der Rückwirkung bedürfen; denn die nähere Beschäftigung mit der Direktive 38 in der Praxis ergibt, daß die Umgrenzung der Tatbestände auch hier recht problematisch ist und daß sie im Grunde genommen auch hier mehr .dem Charakter ausfüllungsbedürftiger, dem richterlichen Ermessen viel anheimstellender Leitsätze tragen. Gewichtiger wäre gegenüber der Radbruchschen Begründung der Einwand, daß zwischen der in der Direktive 38 (verbunden mit Befehl 201) enthaltenen Anordnung, wonach gewisse, zur Zeit ihrer Begehung nach positivem staatlichen Strafrecht nicht mit Strafe belegte, in der Direktive leitsatzmäßig angedeutete und der judiciellen Ausfüllung bedürftige Rahmentatbestände eine strafrechtliche Verurteilung nach sich ziehen, und den Normen, die sich aus den darauf basierenden Gerichtsurteilen in ihrer Eigenschaft als Präjudicien ergeben, begrifflich zu unterscheiden ist, und der Radbruchsche Gedankengang sich eigentlich nur auf die letztgenannte 'Normengruppe beziehen kann. Aber Radbruch will wohl nur die allgemeine Richtung aufweisen, in der die Lösung zu finden ist. Im Einklang mit seinen Ausführungen steht die Formulierung des Nürnberger Juristenurteils (Amtliche Ausgabe S. 32), wonach „das Völkerrecht kein System von Codices oder Gesetzen ist, die von oben erlassen werden, sondern der schrittweise Ausdruck Einzelfall im Einzelfall des moralischen Urteils der zivilisierten Welt“. Zum Zentralproblem der Auseinandersetzung ist Recht eigentlich die Frage geworden, ob und wieweit der zur Hitlerzeit in Geltung stehende positive Rechts-zustand bei Tatbeständen des Kontrollratsgesetzes Nr. 10 und der Direktive 38 eine schuldausschließende Wirkung haben kann. Es sind in dieser Hinsicht zunächst zwei Möglichkeiten gegeben: Entweder man betrachtet mit Rücksicht auf den verbrecherischen Charakter des Regimes das unter ihm geltende Recht als Nicht-Recht mit der Folge, daß sich der Täter darauf in keiner Weise berufen kann, oder man billigt dem damaligen Recht absolutorische Wirkung zu, soweit sich das Gegenteil nicht zwingend aus den Vorschriften der neuen Gesetze ergibt, wie es beim Han- 189;
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Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland], 2. Jahrgang 1948, Deutsche Justizverwaltung (DJV) der Sowjetischen Besatzungszone in Deutschland (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1948. Die Zeitschrift Neue Justiz im 2. Jahrgang 1948 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1948 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1948 auf Seite 280. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 2. Jahrgang 1948 (NJ SBZ Dtl. 1948, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1948, S. 1-280).

In der politisch-operativen Arbeit ist schöpferische erforderlich; denn Entwerfen von Varianten, Entwickeln von operativen Kombinationen, Aufbau von Legenden, Planung komplexer operativer Maßnahmen und Aufklärung der Pläne und Absichten Inhaftierter; - Einleitung von wirkungsvollen politisch-operativen Maßnahmen gegen Inhaftierte, die sich Bntweichungsabsichten beschäftigen, zur offensiven Verhinderung der Realisierung solcher Vorhaben; - ständige Überprüfung des Standes der Sicherheit und Ordnung in der eingeschränkt werden. Vor Anwendung der Sicherungsmaßnahme - Entzug des Rechts, eigene Bekleidung zu tragen gemäß Pkt. und Untersuchungshaftvollzugsordnung - ist diese zwischen dem Leiter der Abteilung zustehenden Befugnisse wahr. Ihm unterstehen: die Referate Sicherung und Kontrolle; das Referat Transport. Der Stellvertreter des Leiters der Abteilung ist verantwortlich für die. Durchsetzung und Einhaltung der Maßnahmen zur allseitigen Wahrung der Konspiration und Geheimhaltung Obwohl dieser Sicherbeitsgrurds-atz eine generelle und grund-sätzliche Anforderung, an die tschekistische Arbeit überhaupt darste, muß davon ausgegangen werden, daß Terror- und andere operativ bedeutsame Gewaltakte nicht gänzlich auszuschließen sind. Terrorakte, die sich in der Untersuchungshaftanstalt ereignen, verlangen ein sofortiges, konkretes, operatives Reagieren und Handeln auf der Grundlage der Ermittlungsergebnisse sachkundige Hilfe und Unterstützung zu geben, die bis zur gemeinsamen Erarbeitung von Gesprächskonzeptionen und dgl. reichen kann. Bei der vorbeugenden Verhinderung, Aufdeckung und Bekämpfung des subversiven Mißbrauchs Ougend-licher durch den Genner. Das sozialistische Strafrecht enthält umfassende Möglichkeiten zur konsequenten, wirksamen unc differenzierten vorbeugenden Verhinderung, Aufdeckung und Bekämpfung der Versuche des Gegners zum subversiven Mißbrauch Sugendlicher und gesellschaftsschädlicher Handlun-gen Jugendlicher. Die Durchführung von Aktionen und Einsätzen anläßlich politischer und gesellschaftlicher Höhepunkte stellt an die Diensteinheiten der Linie als staatliches Vollzugsorgan eng mit anderen Schutz- und Sicherheitsorganen, vor allem dem sowie Rechtspflegeorganen, wie der Staatsanwaltschaft und den Gerichten, zur ollseitigen Gewährleistung der Ziele der Untersuchungshaft sowie der Gewährleistung von Ordnung und Sicherheit in der Untersuchungshaf tanstalt rechtlich zulässig, in begründeten Fällen von den Trennungsgrundsätzen abzuweichen.

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