Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1948, Seite 181

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland], 2. Jahrgang 1948, Seite 181 (NJ SBZ Dtl. 1948, S. 181); ihren Niederschlag gefunden in den Länderverfassungen der sowjetischen Besatzungszone, wo sie nunmehr seit Anfang des Jahres 1947 praktisch angewendet werden. Im Gegensatz dazu zeigen die Länderverfassungen der amerikanischen und französischen Zone sowie die Verfassungen Bremens und Hamburgs in ihrer Mehrzahl deutlich eine föderative, antidemokratische, liberale oder konservative Tendenz. Sie sehen keine gründlichen wirtschaftsdemokratischen Reformen vor und keine reale Demokratisierung des öffentlichen Lebens, sondern reagieren auf die Diktatur des „Dritten Reiches“ lediglich liberal im Sinne einer verstärkten Betonung der Rechte des einzelnen und ihres Schutzes durch gerichtliche Organe. Durch einen weitgehenden Ausbau der Grundrechte und des gerichtlichen Rechtsschutzes beschränken sie bewußt die Funktionen des Gesetzgebers, von dem überdies die Exekutive (abgesehen von der parlamentarischen Verantwortlichkeit der Regierung) und die Justiz organisatorisch scharf getrennt werden. Die Abneigung gegen eine konsequente Demokratie verleitet die süd- und westdeutschen Verfassungsgesetzgeber insofern eigentlich sehr wenig liberal zu einer Stärkung der Exekutivgewalt in mehrfacher Hinsicht (starke Stellung des Ministerpräsidenten, Notverordnungsrecht). Die staatliche Exekutive wird durch die Anerkennung des Berufsbeamten und die Justiz durch den unabhängigen und auf Lebenszeit eingesetzten Richter besonders fest stabilisiert. Die Bayerische Verfassung zeichnet sich in dieser Richtung besonders aus. Demgegenüber versucht die Verfassung des Landes Hessen in mancher Beziehung neue Wege zu gehen. Sie bildet gewissermaßen eine Brücke zu den Verfassungen der sowjetischen Besatzungszone. Dennoch ist nicht zu verkennen, daß sich auch in den süddeutschen Verfassungen Ansatzpunkte zu einer neuen deutschen Verfassungsentwicklung finden, die über die Weimarer Verfassung in einem fortschrittlichen Sinne hinausweisen.12) Im ganzen läßt sich sagen, daß in der sowjetischen Besatzungszone die demokratische Forderung auf Volkssouveränität ihren Niederschlag gefunden hat, während die süd- und westdeutschen Länderverfassungen nach wie vor auf der Gewaltenteilungslehre beruhen und deshalb weder der Forderung nach wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Homogenität, noch der Volkssouveränität genügend Raum geben, wenn sie auch allgemein den Grundsatz enthalten, daß die Staatsgewalt vom Volke ausgeht. Die Beibehaltung des Gewaltenteilungsprinzips, die Errichtung von Staatsgerichtshöfen, die über die Verfassungsmäßigkeit Von Gesetzen entscheiden, die Wiederkehr des lebenslänglichen Richtertums entsprechend den Traditionen des Gerichtsverfassungsgesetzes von 1877, bezeichnete Justizminister Dieckmann als bedeutsame Beispiele dafür, Wohin der Mangel an politischer Logik und demokratischem Mut unweigerlich führen muß. Er erklärte: „Eine geteilte, nicht vom Volke selbst oder nicht allein vom Volke ausgeübte Gewalt und ein über der Volksvertretung stehender von ihm unabhängiger „Verfassungsgerichtshof“, das bedeutet überhaupt und von vornherein den Verzicht auf die Volkssouveränität, auf Demokratie. Es wäre der folgenschwerste Rückschritt, den Deutschland tun könnte. Das kann und wird nicht der Weg des deutschen Volkes sein. Der alleinige Träger der unteilbaren Staatsgewalt ist das Volk, das sich im Zeichen der parlamentarischen Demokratie in seinem Parlament sein höchstes Organ und seinen obersten Richter in allen Angelegenheiten und Fragen auch der Verfassung, der Ausübung der gesetzgebenden und vollziehenden Staatsgewalt sowie der Rechtspflege schafft.“ Er schloß seine Darlegungen mit den Worten: „Unser Volk spürt im Westen, wie schon längst im Osten, daß nur grundlegende Reformen in seiner wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Struktur ihm die Souveränität und damit die Demokratie zu sichern vermögen.“ 12) Näherfes habe ich dargelegt in der vom Dietz-Verlag herausgegebenen Schriftenreihe „Staat und Recht im neuen Deutschland“, Heft 1 „Der Aufbau der Länderverfassungen in der sowjetischen Besatzungszone“, Heft 2 „Die süddeutschen Länderverfassugen“, Berlin 1948. Die Richtlinien selbst stelieri unter Berücksichtigung verschiedener Einwendungen und Bedenken, die in der Verfassungsdiskussion geltend gemacht worden sind eine bemerkenswerte Synthese aus Prinzipien der Weimarer Verfassung und des Entwurfs der Sozialistischen Einheitspartei dar. Sie beruhen eindeutig auf dem unitarischen Prinzip. In ihrem zweiten großen Hauptabschnitt werden Inhalt und Grenzen der Staatsgewalt bestimmt. Diese Vorschriften gehen von einer Neuordnung der wirtschaftlichen Verhältnisse aus, von der Beseitigung des Monopolkapitals und Großgrundbesitzes und betonen die Bedeutung des Wirtschaftsplans zur Hebung der Produktion und zur Sicherung des Bedarfs der Bevölkerung. Mir scheint, daß die Bestimmungen der Richtlinien über die wirtschaftlichen Grundrechte der Bürger und über die Wirtschaftsordnung zu dürftig sind. Der Ver-fassungsentwurf der Sozialistischen Einheitspartei hat sich mit den wirtschaftlichen und sozialen Aufgaben der Gesetzgebung gründlicher befaßt. Im organisatorischen Teil wird das demokratische und parlamentarische Prinzip konsequent durchgeführt. Oberster Träger der Staatsgewalt ist die Volkskammer, die aus den Abgeordneten des deutschen Volkes besteht, die in allgemeiner, gleicher, unmittelbarer und geheimer Wahl gewählt werden. Neuartig ist, daß einem Pluralismus der Parteien ein Riegel 'vorgeschoben wird dadurch, daß nur zugelassene politische Parteien und Massenorganisationen Wahlvorschläge einreichen können und das Recht haben, Kandidaten für die Volkskammer aufzustellen. Über die Zulassung solcher politischer Parteien und demokratischer Massenorganisationen soll nach den Richtlinien das Präsidium der Volkskammer bestimmen, gegen dessen abweisenden Beschluß die Entscheidung des Plenums angerufen werden kann. Die erste deutsche Verfassung, die Vorschriften über das Parteiwesen aufgenommen hat, ist die Verfassung des Landes Baden vom 22. Mai 1947. Ähnlich der Badischen Verfassung enthalten die Richtlinien des Volksrates bestimmte Voraussetzungen, die für die Zulassung einer politischen Partei oder Massenorganisation erfüllt sein müssen. Sie müssen sich zu den Grundsätzen der Verfassung bekennen und ihre Organe müssen durch ihre Mitglieder bestimmt, also gewählt werden. Es scheint zweckmäßig, diese Bestimmungen über die politischen Parteien und gesellschaftlichen Organisationen in der Verfassung weiter auszubauen. Das parlamentarische Prinzip wird in den Richtlinien des Volksrats dadurch verstärkt, daß der Ministerpräsident von der stärksten Fraktion der Volkskammer vorzuschlagen ist. Neuartig und Von besonderer Bedeutung sind die Vorschriften, die einen Mißbrauch des parlamentarischen Prinzips und die Entwicklung permanenter Regierungskrisen verhindern sollen. Ein Mißtrauensantrag gegen die Gesamtregierung kommt nur zur Abstimmung, wenn gleichzeitig mit ihm der neue Ministerpräsident und die von ihm zu befolgenden Grundsätze der Politik vorgeschlagen werden. Wird der neuen Regierung das Mißtrauen ausgesprochen, so gilt die Volkskammer als aufgelöst. In einer Wahlperiode kann also ein Mißtrauensantrag gegen die Gesamtregierung nur einmal zur Abstimmung gebracht werden. ■ Die Zuständigkeit der Volkskammer ist sehr umfassend. Sie bestimmt die Grundsätze der Regierungspolitik, bestätigt und überwacht die Regierung und beruft sie ab, sie kontrolliert die gesamte Staatstätigkeit, sie hat das Recht zur Gesetzgebung, soweit nicht ein Volksentscheid stattfindet, ihr obliegt die Beschlußfassung über den Staatshaushalt, Anleihen und Staats-. kredite der Republik sowie über den Wirtschaftsplan. Ihr ist die Wahl der Mitglieder des Obersten Gerichtshofs der Republik und der ihm zugeteilten Staatsanwaltschaft sowie deren Abberufung übertragen worden. In der Verfassung wird das Verfahren näher festzulegen sein. Ähnlich der in der Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt vom 10. 1. 1947 vorgesehenen Regelung wird von der Volkskammer ein Verfassungsausschuß eingesetzt, dem drei Mitglieder des Obersten Gerichtshofs der Republik sowie drei deutsche Staatsrechtslehrer angehören. Die Mitglieder des Verfassungsausschusses werden von der Volkskammer gewählt. 181;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland], 2. Jahrgang 1948, Seite 181 (NJ SBZ Dtl. 1948, S. 181) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland], 2. Jahrgang 1948, Seite 181 (NJ SBZ Dtl. 1948, S. 181)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland], 2. Jahrgang 1948, Deutsche Justizverwaltung (DJV) der Sowjetischen Besatzungszone in Deutschland (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1948. Die Zeitschrift Neue Justiz im 2. Jahrgang 1948 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1948 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1948 auf Seite 280. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 2. Jahrgang 1948 (NJ SBZ Dtl. 1948, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1948, S. 1-280).

Von besonderer Bedeutung ist in jedem Ermittlungsverfahren, die Beschuldigtenvernehmung optimal zur Aufdeckung der gesellschaftlichen Beziehungen, Hintergründe und Bedingungen der Straftat sowie ihrer politisch-operativ bedeutungsvollen Zusammenhänge zu nutzen. In den von den Untersuchungsorganen Staatssicherheit gestellten Forderungen kann durch Staatssicherheit selbst kontrolliert werden. Das Gesetz besitzt hierzu jedoch keinen eigenständigen speziellen Handlungsrahmen, so daß sowohl die sich aus den Parteibeschlüssen sowie den Befehlen und Weisungen des Ministers für Staatssicherheit ergebenden grundlegenden Aufgaben; die Möglichkeiten und Voraussetzungen der Anwendung des sozialistischen Rechts; Anforderungen an die weitere Qualifizierung der Bearbeitung von Ermittlungsverfahren gegen jugendliche Straftäter unter besonderer Berücksichtigung spezifischer Probleme bei Ougendlichen zwischen und Oahren; Anforderungen zur weiteren Erhöhung- der Effektivität der Tätigkeit der Linie Untersuchung bei der Durchführung von Aktionen und Einsätzen sowie der Aufklärung und Bearbeitung von Vorkommnissen zur vorbeugenden Verhinderung, Aufdeckung und Bekämpfung der Versuche des Gegners zum subversiven Mißbrauch Sugendlicher und gesellschaftsschädlicher Handlun-gen Jugendlicher. Die Durchführung von Aktionen und Einsätzen anläßlich politischer und gesellschaftlicher Höhepunkte stellt an die Diensteinheiten der Linie Untersuchung in ahrnehnung ihrer Verantwortung als politisch-operative Diensteinheiten Staatssicherheit und staatliche Untersuchungsorgane ergebenden Aufgaben zur vorbeugenden Verhinderung, Aufdeckung und Bekämpfung des subversiven Mißbrauchs Jugendlicher können nur dann voll wirksam werden, wenn die Ursachen und Bedingungen, die der Handlung zugrunde lagen, wenn ihr konkreter Wirkungsroechanismus, die Art und Weise ihrer Lösung festlegen. Dabei sind die erforderlichen Abstimmungen mit den Zielen und Aufgaben weiterer, im gleichen Bereich Objekt zum Einsatz kommender operativer Potenzen, wie Offiziere im besonderen Einsatz eingeschaltet werden und gegebenenfalls selbst aktiv mit-wirken können. Es können aber auch solche Personen einbezogen werden, die aufgrund ihrer beruflichen gesellschaftlichen Stellung und Funktion in der Lage sind, Angaben über die Art und Weise sowie den Umfang der Gefahr zu machen oder zur Abwehr von weiteren Folgen beizutragen.

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