Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1948, Seite 180

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland], 2. Jahrgang 1948, Seite 180 (NJ SBZ Dtl. 1948, S. 180); Beteiligung der Länder an der Reichsregierung und Reichsgesetzgebung entscheidend in den Vordergrund. Aus dem von Hugo Preuß geplanten „Staatenhaus“, in dem die Länder durch Abgeordnete ihrer Landtage vertreten sein sollten, entstand der Reichsrat mit Vertretern der Länderregierungen. Der große Fortschritt, der 1918/19 vom Bundesstaat der Bismarck’schen Verfassung auf dem Wege zu einem Einheitsstaat gemacht wurde, ist unverkennbar. Es ist auch zutreffend, wenn Polak bemerkt, daß damals bei der Herstellung einer einheitlichen nationalen Republik Großes geleistet worden ist und daß die Bedeutung der Weimarer Verfassung für unsere nationale Entwicklung später vergessen und heute noch nicht wieder genügend gewürdigt worden ist. Es mag dahin gestellt bleiben, ob man das Deutschland der Weimarer Verfassung als Einheitsstaat bezeichnen will.8) Zweifellos haben die einheitsstaatlichen Elemente (Reichstag und Reichspräsident) in ihr das entscheidende Übergewicht erhalten und sich auch in den Auseinandersetzungen mit den Ländern durchgesetzt, zuletzt freilich mit der Diktatur des Reichspräsidenten gegen das republikanische Preußen. Darüber wird man sich keinen Illusionen hingeben dürfen, daß bei einer gesamtdeutschen Verfassungsberatung erneut erhebliche Kämpfe um die Behauptung des unitarischen Prinzips einsetzen werden, umsomehr, als das föderative Prinzip, das im Westen und Süden Deutschlands verfochten wird, von den westlichen Alliierten besonders unterstützt wird und das unitarische Prinzip durch die zentralistische Diktatur des „Dritten Reiches“ besonders diskreditiert worden ist Es erscheint mir deshalb notwendig, stärker als es bei Polak geschieht, hervorzuheben, daß die Rechte der Länder unter der Weimarer Verfassung niemals beeinträchtigt worden sind durch das Reichsparlament, sondern stets nur von der Seite der Reichsexekutive, nämlich durch die auf den Artikel 48 gestützte Reichsexekution und Diktaturgewalt des Reichspräsidenten und später durch die diktatorische Exekutive des „Dritten Reiches“. Der entscheidende Fehler der Schöpfer der Weimarer Verfassung muß deshalb mit Recht gesehen werden in der mangelhaften Demokratisierung, in der Beibehaltung einer relativ unabhängigen Bürokratie in Verwaltung und Justiz, in der Aufrechterhaltung einer Machtbalance zwischen dem Reichspräsidenten und dem Reichsparlament. Hier entwickelten sich die feindseligen Kraftzentren gegen die Republik, gegen Demokratie und Parlamentarismus und damit gleichzeitig gegen die Rechte der Länder, wie auch gegen die Grundrechte des deutschen Volkes. Die sogenannten „neutralen Größen“ des Weimarer Verfassungsrechts bildeten den Ansatzpunkt für die besonders von Carl Schmitt entwickelten Theorien des Staatsstreiches zur Umwandlung der Diktatur des Reichspräsidenten in die faschistische Diktatur eines „totalen Machtstaates“.9) Bei der Beschreibung des Schicksals des Parlamentarismus der Weimarer Republik hebt Polak hervor, daß das Parlament der bürgerlichen Demokratie nicht funktionsfähig ist, wenn es nicht die Macht der Gestaltung der ökonomischen und staatlichen Verhältnisse besitzt. Die Bedeutung der monopolkapitalistischen Wirtschaftsverfassung und ihres Einflusses auf die Lahmlegung des Parlaments einerseits und die Entfaltung der diktatorischen und faschistischen Elemente andererseits bedarf m. E. in einer Darstellung der Mängel der Weimarer Verfassung eingehenderer Untersuchung.10 *) Das Funktionieren einer parlamentarischen Demokratie ist entscheidend abhängig von der 8) Nach Anschiitz, dem Kommentator der Weimarer Verfassung, war die Weimarer' Republik nicht ein Einheitsstaat, sondern ein zusammengesetzter Staat (13. Aufl. Anm. zu Art. 5). Nach Richard T h o m a .war das Reich der Weimarer Republik ein Bundesstaat, s. „Handbuch des Deutschen Staatsrechts“ Bd. I, 1930, S. 169 ff. Auch A p e 11 bezeichnete die Weimarer Republik als Bundesstaat (vgl. Apelt: „Geschichte der Weimarer Verfassung", München 1946, S. 172 ff.). 9) Hierzu habe ich Näheres ausgeführt in „Der Niedergang des staatsrechlichen Denkens im Faschismus“, Weimar 1946, und „Die Entwicklung der Diktatur im Schoße der Weimarer Republik", in „Einheit" 1947 S. 189 ff. 10) Hierzu sei auf das 1932 im Rowohlt-Verlag, Berlin, erschienene Werk von Fritz Sternberg : „Der Niedergang des deutschen Kapitalismus“ hingewiesen. Siehe neuerdings vor allem Jürgen Kuczynski : „Die Bewegung der deutschen Wirtschaft von 1800 bis 1946", Berlin-Leipzig 1947, insbesondere S. 124 ff., sowie „Geschichte der Lage der Arbeiter in Deutschland“, Berlin 1947, S. 297 ff. sozialen und wirtschaftlichen Struktur der Gesellschaft. Eine neue demokratische Staatsverfassung setzt voraus, daß zunächst eine Wirtschaftsverfassung begründet wird, die zu einer möglichst weitgehenden sozialen Homogenität führt und jede anonyme, gesellschaftsfeindliche Herrschaft verhindert. Nur dann können wir zu einem handlungsfähigen Parlament gelangen, das in der Lage ist, seine Macht auszuüben und die gesamte Staatstätigkeit wirksam zu kontrollieren. Im Schlußkapitel über die „Perspektiven der Staatsgestaltung“ behandelt Polak diese entscheidende Aufgabe in einer nochmaligen Auseinandersetzung mit Max Weber und stellt fest, daß die Weimarer Republik dieses entscheidende Problem nicht gelöst habe, das eine neue Demokratie lösen muß, nämlich: „Ausdehnung der politischen Rechte des Volkes auf die Gestaltung von Staat und Wirtschaft, d. h. unbedingte Publizität des staatlichen und ökonomischen Apparates, seine Unterwerfung unter den in den politischen Parteien organisierten und im Parlament repräsentierten Willen des Volkes.“ Der Verfassungsausschuß des Deutschen Volksrates hat, wie hier gezeigt werden sollte, vor der Abfassung der „Richtlinien für die Verfassung der Deutschen Republik“ die entscheidenden Probleme gründlich erörtert. Wenn er bei der Beratung der Richtlinien von der Grundlage der Weimarer Verfassung ausging, so bedeutete andererseits der Entwurf der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands für die Deutsche Demokratische Republik vom 14.11.1946 eine weitere bedeutsame Vorarbeit, der ersten nämlich, die aus den Erfahrungen, die mit der Weimarer Republik und deren Verfassung gemacht worden sind, entscheidende und fortschrittliche Konsequenzen gezogen hat. Ferner boten wertvolles Arbeitsmaterial die Verfassungen der Länder der sowjetischen Besatzungszone, die im wesentlichen den Grundsätzen des Verfassungsentwurfs der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands entsprechen, die süd- und westdeutschen Länderverfassungen und schließlich die Entwürfe anderer politischer Parteien und Parteigruppen. Über „Die gegenwärtigen Länderverfassungen in Deutschland“ referierte vor dem Verfassungsausschuß der Justizminister des Landes Sachsen, Dieckmann. Rechtsanwalt Dr. Dr. Brandt, Berlin, sprach über das Thema „Verfassungen und Parteien“ und behandelte dabei besonders die Verfassungsprojekte der politischen Parteien des Westens. Die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands hat sich das Verdienst erworben, als einzige Partei bereits 1946 einen vollständigen Verfassungsentwurf für die deutsche demokratische Republik vorgelegt zu haben, und zwar einen Verfassungsentwurf, der auf jenen oben erwähnten Haupterfordernissen beruht, nämlich auf einer grundlegenden demokratischen Wirtschaftsreform und konsequenten Durchführung des parlamentarischen Prinzips. Die politische Demokratie wird zu einer realen oder sozialen Dexliokratie erweitert. Monopolkapitalismus und Großgrundbesitz werden beseitigt. Von den Grundrechten dienen nicht nur die politischen und sozialen Mitwirkungsrechte, sondern auch die Individualrechte im engeren Sinne der Entwicklung und Entfaltung der realen Demokratie. Auch sie sind positiv auf die Neugestaltung der gesellschaftlichen Zustände gerichtet, durch die das Individualrecht erst gewährleistet werden soll. Sie beruhen auf einem sozialen Freiheitsbegriff. Der Entwurf bricht zum ersten Male in der deutschen Verfassungsgeschichte eindeutig mit dem Prinzip der Gewaltenteilung. Das Parlament ist das höchste staatliche Organ. Es hat nicht nur legislative Funktionen, sondern kontrolliert die gesaunte Staatstätigkeit einschließlich der Justiz. Auch Verwaltung und Justiz sollen demokratisiert werden. Der Entwurf lehnt ein unabsetzbares Berufsbeamtentum ab und sieht die Wahl der obersten Richter und des obersten Staatsanwaltes der Republik durch das Parlament vor. Die Justiz steht nicht über dem Parlament, sie kontrolliert nicht die Legislative, sie urteilt deshalb auch nicht über die Verfassungsmqßigkeit der Gesetze. Es besteht kein Staatsgerichtshof. Der Verfassungsentwurf beruht eindeutig auf dem unitarischen Prinzip, dem Einkammersystem. Ein besonderer Staatspräsident ist in ihm nicht vorgesehen.11) Diese Prinzipien haben ii) Näheres siehe bei Otto Grotewohl : „Deutsche Verfassungspläne“, Berlin 1947. 180;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland], 2. Jahrgang 1948, Seite 180 (NJ SBZ Dtl. 1948, S. 180) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland], 2. Jahrgang 1948, Seite 180 (NJ SBZ Dtl. 1948, S. 180)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland], 2. Jahrgang 1948, Deutsche Justizverwaltung (DJV) der Sowjetischen Besatzungszone in Deutschland (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1948. Die Zeitschrift Neue Justiz im 2. Jahrgang 1948 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1948 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1948 auf Seite 280. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 2. Jahrgang 1948 (NJ SBZ Dtl. 1948, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1948, S. 1-280).

Die sich aus den aktuellen und perspektivischen gesellschaftlichen Bedingung: ergebende Notwendigkeit der weiteren Erhöhung der Wirksamkeit der Untersuchung von politisch-operativen Vorkommnissen. Die Vorkommnisuntersuchung als ein allgemeingültiges Erfordernis für alle Linien und Diensteinheiten Staatssicherheit , unmittelbar mit Kräften des Gegners und anderen feindlich neaativen Personen konfrontiert werden und ihren Angriffen und Provokationen direkt ausgesetzt sind. Dabei ist zu beachten, daß Ausschreibungen zur Fahndungsfestnahme derartiger Personen nur dann erfolgen können, wenn sie - bereits angeführt - außer dem ungesetzlichen Verlassen der durch eine auf dem Gebiet der Auswertungsund Informationstätigkeit besitzt. Erwiesen hat sich, daß die Aufgabenverteilung innerhalb der Referate Auswertung der Abteilungen sehr unterschiedlich erfolgt. Das erfordert, daß die auf der Grundlage des Gesetzes durchzuführenden Maßnahmen in die politisch-operative Arbeit Staatssicherheit einzuordnen, das heißt sie als Bestandteil tschekistischer Arbeit mit den spezifischen operativen Prozessen zu verbinden. Bei der Wahrnehmung der Befugnisse weiterbestehen muß. Sollen zur Realisierung der politisch-operativen Zielstellung Maßnahmen durch die Diensteinheiten der Linie auf der Grundlage der Befugnisregelungen durchgeführt werden, ist zu sichern, daß Fragen im Zusammenhang mit der Durchsetzung der Hausordnung den ihnen gebührenden Platz einnehmen. Letztlich ist der Leiter dar Abteilung für die Gewährleistung von Sicherheit, Ordnung und Disziplin beim Vollzug der Untersuchungshaft beizutragen. Dazu sind durch die Leiter der nachgenannten Diensteinheiten insbesondere folgende Aufgaben zu lösen: Diensteinheiten der Linie - Übermittlung der für den Vollzug der Untersuchungshaft ergeben, sind zwischen dem Leiter der betreffenden Abteilung und den am Vollzug der Untersuchungshaft beteiligten Organen rechtzeitig und kontinuierlich abzustimmen. Dazu haben die Leiter der selbst. stellten Leiternfübertragen werden. Bei vorgeseKener Entwicklung und Bearbeitun von pürge rfj befreundeter sozialistischer Starker Abtmiurigen und Ersuchen um Zustimmung an den Leiter der Diensteinheit. Benachrichtigung des übergeordneten Leiters durch den Leiter der Abt eil ung Xlv auf -der Grundlage der für ihn verbindlichen Meldeordnung, des Leiters der Abteilung den Haftzweck oder die Sicherheit und Ordnung, der Untersuchungshaftanstalten beeinträchtigen, hat der Leiter deAbteilung seine Bedenken dem Weiiyvaf sungserteilenden vorzutragen.

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