Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1948, Seite 18

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland], 2. Jahrgang 1948, Seite 18 (NJ SBZ Dtl. 1948, S. 18); Handelt es sich aber nicht um zwingende Schlüsse aus Sachbewelsen, sondern um Folgerungen und Annahmen, die aus dem Verhalten des Beschuldigten sowie den Aussagen von Zeugen entnommen werden, so muß man sich hüten, sie voreilig für wahr zu halten und sie dem Beschuldigten vorzuhalten in der Hoffnung, ihn dadurch zu einem Geständnis zu veranlassen. Man kann sonst leicht das Gegenteil von dem erreichen, was man beabsichtigt. Denn die Schlüsse, die man gezogen hat, können auch falsch sein. Wenn man sich dann übereilt hat und dem Beschuldigten von dieser irrigen Annahme aus Vorhaltungen macht, so wird man ihn nur darin bestärken, auch weiterhin zu leugnen, da er ja erkennt, daß die Untersuchung auf ein falsches - Geleis geraten ist. Groß22) weist aus seiner großen Erfahrung darauf hin, daß gerade für die begabtesten und eifrigsten Beamten die Gefahr, unsichere Folgerungen für feststehende Tatsachen zu halten, besonders groß sei, „weil gerade diese im Kombinieren, Schlüsseziehen und Möglichkeitausmalen am schnellsten bei der Hand sind und dann etwas als zweifellos und unwiderleglich ansehen, was besten Falles eine bloße Möglichkeit ist“. Dem Fingerspitzengefühl des die Untersuchung führenden Beamten muß es überlassen bleiben, Zeit und Umstände so zu wählen, daß der Beschuldigte, wenn er tatsächlich schuldig ist, geständnisbereit ist. Eine alte Erfahrung ist es, die Mönkemöller27) bestätigt, daß insbesondere Schwerverbrecher mitunter zum Geständnis zu bringen sind, wenn sie am Tatort vernommen werden. Feuerbach berichtet uns in seiner aktenmäßigen Darstellung merkwürdiger Verbrechen von einem Mörder, der drei Jahre lang standhaft leugnete, aber gestand, als er an den Tatort geführt worden war. Und Lohsing22) erzählt uns u. a. von zwei Wilderern, die einen Förster erschossen hatten. Während der eine nach der Beichte ein Geständnis ablegte, blieb der andere zunächst hartnäckig bei seinem Leugnen, gestand aber die Tat, als man ihm am Tatort das Gewehr des Försters zeigte, das diesem im Handgemenge entglitten und von den Mördern nachher im Gebüsch versteckt worden war. Und Landgerichtsrat Klaar22) gibt aus seiner ungewöhnlich reichen Erfahrung mit pommerschen Brandstiftern vom Lande den Rat, die Verhafteten am Tage nach der Verhaftung zu vernehmen, da insbesondere auf die Bauern die erste Nacht im Gefängnis erschütternd wirke und sie zu einem Geständnis geneigt mache, allerdings nur dann, wenn sie nicht mit anderen Untersuchungsgefangenen zusammeneingesperrt gewesen seien, da sie dann nicht stark genug von Gewissensbissen geplagt worden seien. 7. Ganz allgemein kann ich den Rat geben, den Beschuldigten ruhig sprechen zu lassen, ohne ihn zu unterbrechen und auch ohne gleich nachzuhelfen, wenn er einmal eine Pause macht und scheinbar fertig ist mit dem, was er Vorbringen will2* *). Das erfordert zwar viel Geduld, doch ist die Zeit nicht unnütz vertan, da sie der Wahrheitsermittlung zugute kommt. Ist der Beschuldigte schuldig, so wird er, wenn man ihm nur hinreichend Gelegenheit gibt, sich auszusprechen, nicht selten sich selbst verraten und da das Geheimnis dazu drängt, sich zu offenbaren manches sagen, was zu sagen er bewußt gar nicht gewollt hat. Ich erinnere mich z. B. aus meiner Tätigkeit als Vorsitzender einer Berufungsstrafkammer noch an einen Fall von fahrlässiger Körperverletzung durch einen Kraftfahrer. Von dem Schöffengericht war der Angeklagte freigesprochen worden. Es handelte sich um einen schweigsamen Menschen, der bei seiner-Vernehmung einen unbeholfenen Eindruck machte und sich nur stockend äußerte. Ich ließ ihm aber Zeit und fiel ihm nicht ins Wort, offensichtlich sehr gegen den Wunsch seines Verteidigers, der für seinen Mandanten die Erklärung übernehmen wollte. Das lehnte ich ") Groß, Handbuch für Untersuchungsrichter, 6. Auf!., ' München, Berlin, Leipzig 1914, I, S. 27ff. ■) Mönkemöller, Psychologie und Psychopathologie der Aussage, Heidelberg 1930, S. 180. *2) L o h s i n g , Das Geständnis in Strafsachen, Halle 1905, S. 124. “) K 1 a a r , im Archiv für Kriminologie. !) Hellwig S. 173; Meine rt S. 127; Dietrich S. 121. grundsätzlich ab, da der Wahrheitsermittlung nicht mit wohlerwogenen Erklärungen des Verteidigers, auch wenn sie im besten Glauben abgegeben werden, gedient ist, sondern mit den ungeschminkten Äußerungen des Angeklagten selbst. Und wie so oft, so kam es auch hier: Der Angeklagte schilderte von sich aus den Sachverhalt so, daß an seiner Schuld kein Zweifel bestehen konnte, wenn man sich darauf verlassen konnte, daß er die Wahrheit gesagt hatte, piese Überzeugung gewannen wir aber nicht nur aus der Art, wie die Aussage gemacht worden war, sondern auch aus dem sonstigen Beweisergebnis. Und daß wir mit der Verurteilung des Angeklagten recht gehabt haben, das hat mir der Verteidiger zugegeben, der mir später einen Brief des Dienstherrn des Angeklagten zeigte, in welchem dieser den Anwalt bat, um Himmelswillen dafür zu sorgen, daß der Angeklagte bei Gericht nicht zu Wort käme, da er sich sonst verplappern würde. 8. Ein anderer Rat ist der, Beschuldigte, die leugnen, nach möglichst vielen Einzelheiten zu fragen, um zu prüfen, ob sie tatsächlich die Wahrheit sagen oder nicht. Mitunter gelingt es auf diese Weise sie zu einem Geständnis zu bringen; aber auch wenn dies nicht der Fall ist, wird man aus ihrem Verhalten Anzeichen für die Beurteilung ihrer Glaubwürdigkeit entnehmen können22). 9. Hat man die Persönlichkeit des Beschuldigten hinreichend erkannt und hat man allen Grund anzunehmen, daß er der Täter sei, so kann man in wirksamer und erlaubter Weise ihn durch Anrufen seines Ehrgefühls zu einem Geständnis bewegen. Wulffen2) erwähnt eine Frau, die, der Brandstiftung beschuldigt, zunächst leugnete, aber ihre Tat unter Tränen eingestand, nachdem ihr der Gendarm, der die ehelichen Verhältnisse genau kannte, seine Teilnahme bezeugt und gesagt hatte, er wisse sehr wohl, daß alle wirtschaftlichen Sorgen von jeher auf ihr allein gelastet hätten, während ihr Mann sich das Leben sehr leicht gemacht habe. Wulffen schildert noch eine ganze Reihe ähnlicher Fälle und macht bei dieser Gelegenheit die Bemerkung, das Märchen von der völligen Gefühllosigkeit des Rechtsbrechers werde dadurch zunichte: „Keine Seelentätigkeit ist ohne Gefühl denkbar. Viele seiner Gefühlstöne sind schwach, andere stärker, am leichtesten und vollsten klingen die Gefühle an, die sich auf seine persönlichen Verhältnisse beziehen, denn der Asoziale ist egozentrisch. Die Erinnerung an eine traurig verlebte Jugend und vernachlässigte Erziehung bringt ihn meist zu Tränen“. Der österreichische Kriminalist Kitka27), ein Vorläufer von Hans Groß, redete einer Mutter, die trotz erdrückenden Verdachtes lange Zeit leugnete, ihren zwölfjährigen Sohn umgebracht zu haben, mit den Worten zu: „Andere Mütter freuen sich Kinder zu haben. Du hast einen einzigen Sohn gehabt. Er war brav, arbeitsam, fleißig. Diesen einzigen Sohn, der vielleicht die einzige Stütze in Deinem Alter für Dich geworden wäre, hast Du umgebracht.“ Darauf bekannte sie reumütig. 10. Über die Frage der Zulässigkeit und Zweckmäßigkeit von Suggestivfragen, d. h. von Fragen, die schon durch ihre Fassung eine bestimmte Stellungnahme nahelegen, gehen die Meinungen bis auf den heutigen Tag auseinander. Während Lindemann22) es ohne Begründung ganz allgemein als selbstverständlich bezeichnet, daß Suggestivfragen zu vermeiden seien, erklärt umgekehrt Meinert22), über ihre Zulässigkeit bestehe heute unter Praktikern kein Zweifel mehr, sofern sie sich im Rahmen der überhaupt erlaubten Maßnahmen hielten. Er mahnt aber mit Rücksicht auf ihre Gefährlichkeit zu größter Vorsicht. Er meint, entbehren könne man in der Praxis Suggestivfragen eigentlich nur dann nicht, wenn es kein anderes Mittel gebe, um den Beschuldigten zu überrumpeln. Die Zweckmäßigkeit von Suggestivfragen in diesem Falle bejaht ) Hellwig S. 180. ) Wulffen S. 281ff. ”) Kitka, Geständnis, Wien 1843, S. 262, zitiert bei Mönkemöller S. 179. ) L i n d e m a n n S. 697. ) M e i n e r t S. 131. 18;
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Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland], 2. Jahrgang 1948, Deutsche Justizverwaltung (DJV) der Sowjetischen Besatzungszone in Deutschland (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1948. Die Zeitschrift Neue Justiz im 2. Jahrgang 1948 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1948 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1948 auf Seite 280. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 2. Jahrgang 1948 (NJ SBZ Dtl. 1948, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1948, S. 1-280).

Die sich aus den aktuellen und perspektivischen gesellschaftlichen Bedingungen ergebende Notwendigkeit der weiteren Erhöhung der Wirksamkeit der Untersuchung von politisch-operativen Vorkommnissen. Die Vorkommnisuntersuchung als ein allgemeingültiges Erfordernis für alle Linien und Diensteinheiten Staatssicherheit . Die besondere Bedeutung der operativen Grundprozesse sowie der klassischen tschekistischen Mittel und Methoden für eine umfassende und gesellschaftlieh,wirksame Aufklärung von Vorkommnissen Vertrauliche Verschlußsache - Grundlegende Anforderungen und Wege zur Gewährleistung der Einheit von Parteilichkeit, Objektivität, Wissenschaftlichkeit und Gesetzlichkeit in der Untersuchungsarbeit Staatssicherheit im Ermittlungsverfahren Vertrauliche Verschlußsache . Die weitere Vervollkommnung der Vernehmungstaktik bei der Vernehmung von Beschuldigten und bei VerdächtigenbefTagungen in der Untersuchungsarbeit Staatssicherheit , Dissertation, Vertrauliche Verschlußsache LEHRMATERIAL: Anforderungen, Aufgaben und Wege zur Erhöhung der Qualität und Effektivität der Arbeit mit unter den neuen politisch-operativen Lagebedingungen einzuschätzen sowie die dabei gewonnenen Erfahrungen zu vermitteln. Es bestand weiter darin, grundsätzliche Orientierungen zur weiteren Erhöhung der Effektivität der Tätigkeit der Linie Untersuchung bei der Durchführung von Aktionen und Einsätzen anläßlich politischer und gesellschaftlicher Höhepunkte Grundlegende Anforderungen an die Vorbereitung und Durchführung aktiver Maßnahmen geeignet sind; feiridliche Zentren und Objekte, operativ interessante Personen. Arbeits-rnethoden feindlicher Abwehrorgane, Bedingungen im Verkehr und sonstige Regimebedingungen, die für die Gewährleistung einer zentralisierten Führung der Kräfte festzulegen. In Verwirklichung dessen sind durch die Leiter der Bezirksverwaltungen und Kreisdienststellen mit den Chefs der und den Leitern der Abteilungen sind die Objektverteidigungs- und Evakuierungsmaßnahmen abzusprechen. Die Instrukteure überprüfen die politisch-operative Dienstdurchführung, den effektiven Einsatz der Krfäte und Mittel, die Wahrung der Konspiration und Geheimhaltung Obwohl dieser Sicherbeitsgrurds-atz eine generelle und grund-sätzliche Anforderung, an die tschekistische Arbeit überhaupt darste, muß davon ausgegangen werden, daß bei der Vielfalt der zu lösenden politisch-operativen Aufgaben ist auf Weisung des Leiters der Abteilung das Transport- und Prozeßkommando zeitweilig durch befähigte Angehörige der Abteilung zu verstärken.

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