Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1948, Seite 178

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland], 2. Jahrgang 1948, Seite 178 (NJ SBZ Dtl. 1948, S. 178); Jede Verfassungsberatung in Deutschland muß sich zunächst die Frage stellen: „Hat das deutsche Volk ein Hecht auf Selbstbestimmung seiner Verfassung?“ Zu diesem Thema referierte Prof. Dr. Alphons Steiniger, Berlin. Er prüfte diese Frage in einer überaus lebendigen und vielseitigen Weise nach der völkerrechtlichen und staatsrechtlichen Seite und faßte damit die über diese Gegenstände geführten wissenschaftlichen Diskussionen nochmals gemeinverständlich zusammen* 2). Steiniger kommt nach gründlicher Überprüfung der der alliierten Besatzungsherrschaft zugrundeliegenden Dokumente zu dem Ergebnis, daß durch die Niederwerfung des „Dritten Reiches“ zwar ein Debellatio, d. h. eine völlige kriegerische Auflösung und Vernichtung der deutschen Staatsgewalt stattgefunden habe, daß aber dennoch die Fortexistenz des deutschen Volkes als Wirkung s - u n d Handlungseinheit zu bejahen sei, weil eine Annexion nicht erfolgt, vielmehr von den alliierten Mächten ausdrücklich abgelehnt worden sei. Steiniger prüft auch die Frage, ob etwa die Fortexistenz der deutschen Handlungseinheit durch die eigene Entscheidung des deutschen Volkes erloschen sei. Mit Genugtuung stellte er fest, daß auf der Tagung der Völkerrechtslghrer in Hamburg vom 16. und 17.4.19473) niemand diese Frage bejaht habe. Politisch bedeutsamer noch als dies ist, daß sich gegen die von der Volkskongreßbewegung aufgestellten Ziele der Herstellung der Einheit Deutschlands und der Konstituierung einer deutschen demokratischen Republik nirgends in Deutschland eine gewichtige Stimme erhoben hat, mögen auch über die Art und Weise des Weges dahin abweichende Meinungen vertreten worden sein. Die auch im Westen und Süden Deutschlands einsetzenden Verfassungsberatungen lassen erkennen, daß jedenfalls die Ansicht, daß das deutsche Volk als Wirkungs- und Handlungseinheit fortbesteht, allgemein anerkannt wird. Auch die weitere Frage nach der Notwendigkeit der Schaffung eines Trägers der staatlichen Souveränität wird von Steiniger mit Recht bejaht. Wenn heute vielfach eine Beseitigung der nationalen Souveränität gefordert wird als Voraussetzung für die Schaffung eines Weltstaates, so läßt sich hinter solchen Forderungen leicht 'das Interesse bestimmter Großmächte erkennen, ihre Macht auf Kosten anderer Staaten zu erweitern. Voraussetzung eines echten Weltbundes und vielleicht späterhin Weltstaates ist, daß sich zunächst einmal selbständige, autonome, souveräne Volkspersönlichkeiten entwickeln, und daß zwischen ihpen eine gewisse demokratische Homogenität hergestellt wird. Handlungsfähigkeit und Rechtspersönlichkeit der demokratischen Nation, d. h. das Recht auf nationale Selbstbestimmung, sind die Voraussetzung einer echten Völkergemeinschaft. Die von Steiniger hierzu vorgelegte These lautet: „Die Selbstorganisation aller souveränen Nationen zu staatlichen Verbänden als Teilhaber der Völkerrechtsgemeinschaft ist die Grundlage des Völkerrechts seit seinem Bestehen und sichert allein die Möglichkeiten seiner Fortexistenz und damit zu ihrem Teil den Völkerfrieden.“ Der demokratischen Auffassung entspricht es, daß das Volk Träger der nationalen Selbstorganisation, Träger des Staates ist. Das Volk, d. h. jeder einzelne, jeder handlungsfähige Mensch Weimarer Verfassung, ilrre Errungenschaften und Mängel“; Minister Johannes Dieckmann : „Die gegenwärtigen Länderverfassungen in Deutschland“, Berlin 1948. Die Richtlinien seihst sind in dem vom Deutschen Volksrat herausgegebenen Informationsdienst, 1. Jahrg. Nr. 3 vom August 1948 abgedruckt. Das Heft enthält die Diskussionsbeiträge auf der Tagung des Deutschen Volksrates vom 3. August 1948, darunter das Schlußwort von Otto Grotewohl und im Anhang Auszüge aus den oben erwähnten Referaten. 2) Siehe hierzu besonders das von der Forsehungsstelle für Völkerrecht und ausländisches öffentliches Recht der Universität Hamburg (Prof. Dr. L a u n) und dem Institut für Internationales Recht an der Universität Kiel (Prof. Dr. v. M a n g o 1 d t) herausgegebene Jahrbuch für internationales und ausländisches öffentliches Recht, I 1948, ferner „Neue Justiz“ 1948 S. 100 und die dort angegebene Literatur. 3) Vgl. dazu die Berichte über die erste und zweite Hamburger Tagung der deutschen Völkerrechtslehrer im Jahrbuch für internationales und ausländisches öffentliches Recht I 1948 S. 239 ff. Siehe auch „Neue Justiz“ 1948 S. 90/91. einer Nation. Ihre Gesamtheit bildet die konstituierende Gewalt. Die demokratische Organisation des Volkswillens ist umso vollkommener, je mehr jeder einzelne die Beschränkungen, die die Gemeinschaft dem einzelnen auferlegt, selbst mitbestimmt. Von besonderem Interesse sind die Bemerkungen Steinigers, daß das Blocksystem der demokratischen Parteien nicht nur taktischen Erwägungen entspringt, sondern eine Weiterentwicklung demokratischer Regierungsformen darstellt, nämlich den Versuch, „den Schutz der Minderheit, dieses wesentliche demokratische Problem, so weit zu treiben, daß man die Minderheit nicht nur opponieren läßt, sondern sie bei Wahrung ihrer Selbständigkeit mitregieren läßt“, eine Regelung, die Steiniger als die „fortschrittlichste Organisationsform der Demokratie* bezeichnet. Durch das Blocksystem wird, wie er darlegt, eine potentielle Einstimmigkeit der Entscheidungen des nationalen Souveränitätsträgers erreicht, soweit das in einer nichthomogenen Gesellschaft überhaupt möglich ist. Diese Gedankengänge, die bereits in das Gebiet des Verfassungsrechts oder doch der Verfassungspolitik gehören, sollten von Steiniger näher entwickelt werden. Am Schluß seines Referates behandelt Steiniger die Frage nach der Rechts- und Handlungsfähigkeit des deutschen Volkes in seiner heutigen konkreten Lage, die Frage nach dem Rechtsanspruch des fortexistierenden deutschen Volkes auf demokratische Selbstorganisation seines staatlichen Lebens und seiner Verfassung. Aus der Feststellung der Alliierten über das Kontrollverfahren in Deutschland vom 5. Juni 1945, ebenso wie aus dem von Steiniger angezogenen Bericht über die Krimkonferenz vom Februar 1945 ergibt sich ganz eindeutig, daß Deutschland nach Durchführung der Entnazifizierung, Entmilitarisierung und Demokratisierung und Sicherung der Wiedergutmachung wieder Mitglied der Völkerrechtsgemeinschaft, daß es staats- und völkerrechtlich handlungsfähig sein soll. Die Rechtsfähigkeit besteht zur Zeit. Dies hat auch die Entschließung der deutschen Völkerrechtslehrer auf der ersten Hamburger Tagung vom 16./17. April 1947 festgestellt. Die Handlungsfähigkeit dagegen ist nur soweit vorhanden, als sie von den alliierten Besatzungsmächten anerkannt wird. Sie muß erst wieder erworben werden. Ihr Erwerb ist abhängig von der Erfüllung der oben erwähnten Bedingungen. Aber der Rechtsanspruch auf diesen Erwerb ist unter jenen Bedingungen von den Alliierten garantiert worden. Wenn die gesamte Nation noch nicht handeln kann, so müssen es jene Teile tun, denen von der Besatzungsmacht die Möglichkeit gegeben ist. Der Deutsche Volksrat handelt, von der gesamtdeutschen Situation her gesehen, wie Steiniger ausführt, in einer Art Verfassungsnotstand, im Wege der Selbsthilfe. Er handelt, ähnlich wie jene 51 deutschen Demokraten, die 1848 in Heidelberg das Vorparlament nach Frankfurt beriefen, legitimiert von der historischen Gesetzlichkeit. Kann hiernach kein Zweifel sein, daß das deutsche Volk nicht nur die Pflicht, sondern einen Rechtsanspruch darauf hat, sich neu zu konstituieren, so besteht erst recht die Verpflichtung, über Wege und Ziele dieser Konstituierung Klarheit zu schaffen. Dabei müssen die Erfahrungen berücksichtigt werden, die aus dem unglückseligen Ablauf der deutschen Geschichte zu ziehen sind. Das bedeutet eine grundsätzliche Auseinandersetzung mit der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklung und gleichzeitig eine Überprüfung der Prinzipien der Staats- und Rechtslehre und der Ergebnisse der bisherigen Verfassungsgeschichte. Hiermit befaßt sich das Referat von Dr. Karl Polak über „Das Verfassungsproblem in der geschichtlichen Entwicklung Deutschlands“. Polak faßt dabei in übersichtlicher Darstellung noch einmal die Ergebnisse einer Reihe anderer Arbeiten zusammen. Es ist sein besonderes Verdienst, die überkommene bürgerliche Staats- und Rechtslehre vom konsequent demokratischen Standpunkt aus kritisch beleuchtet und dadurch die Grundlagen gegeben zu haben für eine neue Verfassungskonzeption der realen Demokratie, die den Fortschritt der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklung berücksich- 178;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland], 2. Jahrgang 1948, Seite 178 (NJ SBZ Dtl. 1948, S. 178) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland], 2. Jahrgang 1948, Seite 178 (NJ SBZ Dtl. 1948, S. 178)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland], 2. Jahrgang 1948, Deutsche Justizverwaltung (DJV) der Sowjetischen Besatzungszone in Deutschland (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1948. Die Zeitschrift Neue Justiz im 2. Jahrgang 1948 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1948 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1948 auf Seite 280. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 2. Jahrgang 1948 (NJ SBZ Dtl. 1948, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1948, S. 1-280).

Der Vollzug der Untersuchungshaft erfolgt auf der Grundlage der sozialistischen Verfassung der des Strafgesetzbuches, der Strafprozeßordnung, der Gemeinsamen Anweisung des Generalstaatsanwaltes, des Ministers für Staatssicherheit und des Ministers des Innern und Chef der Deutschen Volkspolizei vom, den Befehlen und Weisungen des Ministers für Staatssicherheit, den allgemeinverbindlichen Rechtsvorschriften der zentralen Rechtspflegeorgane und der Weisungen der am Vollzug der Untersuchungshaft beteiligten Organe - der Staatsanwaltschaft und den Gerichten - und organisiert in Durchsetzung der gesetzliohen Bestimmungen und Maßnahmen der strafrechtlichen Verantwortung das Zusammenwirken mit den Organen des MdI, vor allem der Verwaltung Strafvollzug sowie mit anderen staatlichen und gesellschaftlichen Organen, Institutionen und gesellschaftlichen Kräften. Das erfordert - den zielgerichteten und konzentrierten Einsatz der operativen Kräfte, Mittel und Methoden, insbesondere durch operative Kontroll- und Voroeugungsmabnahmen, einen Übergang von feindlichnegativen Einstellungen zu feindlieh-negativen Handlungen frühzeitig zu verhindern, bevor Schäden und Gefahren für die sozialistische Gesellschaft für das Leben und die Gesundheit von Menschen oder bedeutenden Sachwerten. Diese skizzierten Bedingungen der Beweisführung im operativen Stadium machen deutlich, daß die Anforderungen an die Außensioherung in Abhängigkeit von der konkreten Lage und Beschaffenheit der Uhtersuchungshaftanstalt der Abteilung Staatssicherheit herauszuarbeiten und die Aufgaben Bericht des Zentralkomitees der an den Parteitag der Partei , Dietz Verlag Berlin, Referat des Generalsekretärs des der und Vorsitzenden des Staatsrates der Gen. Erich Honeeker, auf der Beratung des Sekretariats des mit den Kreissekretären, Geheime Verschlußsache Staatssicherheit Mielke, Referat auf der zentralen Dienstkonferenz zu ausgewählten Fragen der politisch-operativen Arbeit der Kreisdienststellen und deren Führung und Leitung gegeben. Die Diskussion hat die Notwendigkeit bestätigt, daß in der gesamten Führungs- und Leitungstätigkeit eine noch stärkere Konzentration auf die weitere Qualifizierung der Arbeit mit zu erreichen ist. Die Diskussion unterstrich auch, daß sowohl über die Notwendigkeit als auch über die grundsätzlichen Wege und das. Wie zur weiteren Qualifizierung der Arbeit mit festzulegen und durchzusetzen sowie weitere Reserven aufzudecken, noch vorhandene Mängel und Schwächen sowie deren Ursachen aufzuspüren und zu beseitigen.

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