Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1948, Seite 17

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland], 2. Jahrgang 1948, Seite 17 (NJ SBZ Dtl. 1948, S. 17); beide Arten der Vernehmung In geeigneten Fällen Erfolg haben können. Aber vom vemehmungstechnischen Standpunkt aus sind gegen sie Bedenken geltend zu machen. Die erste und die dritte Vernehmungsart werden Erfolg nur bei solchen Beschuldigten haben, die sich leicht einschüchtem lassen. Sie gehen von der Annahme aus, daß der Beschuldigte auch tatsächlich schuldig ist. Auch wenn die Verdachtsgründe noch so schwerwiegend erscheinen, ist diese Annahme aber, wie die Erfahrung zeigt, keineswegs immer begründet. In solchen Fällen besteht aber' besonders bei der dritten Vemehmungsart die Gefahr, daß ein falsches Geständnis abgelegt wird, das entweder später mit Erfolg widerrufen wird oder zu einem Fehlurteil führen kann. Es ist daher m. E. ratsam, sich auf die zweite Vernehmungsart zu beschränken. Auch Dietrich, der als beobachtender Psychologe zahlreichen Vernehmungen der Leipziger Kriminalpolizei beigewohnt hat, warnt davor, die Unsicherheit des Beschuldigten auszunutzen. Er sagt, die Beobachtung lehre, daß die Erwartung, auf diese Weise leichter ein Geständnis zu erzielen, im allgemeinen enttäuscht werden). Dagegen hält er es auf Grund seiner Erfahrung für zweckmäßig, wenn der Vernehmende in geeigneten Fällen dem Beschuldigten von Zeit zu Zeit zeigt, daß er seiner Darstellung nicht glaubt. Dadurch werde der Beschuldigte aus seiner bisherigen Sicherheit herausgerissen. Sein Verteidigrungsschwung lasse immer mehr nach, die Verteidigung werde sprunghaft und pariere kurzsichtig nur noch den einzelnen Hieb, ohne die Gesamtlage zu beachten. Wenn man in diesem Zustand dem Beschuldigten goldene Brücken baue, schreite er in vielen Fällen zum Geständnis. Im Gegensatz zu der Reaktion des Schuldigen sei die Reaktion des Unschuldigen eine ganz andere: „Bei ihm wächst die Entschlossenheit der Abwehr, je heftiger er vom Beamten bedrängt wird. Gar nicht selten zeigt sich der Unschuldige dabei aufsässig und wird sogar ausfällig Stößt er nun immer weiter auf Widerstand, so kann auch der Unschuldige, besonders wenn er keine neuen Beweispunkte mehr vorzubringen vermag, es aufgeben, sich zu verteidigen. Er tut das aber in anderer Weise als jener: Mit einem Schlage hört er auf, Widerstand zu leisten. Mit dem verbittert-gelassenen Grollen eines letzten Protestes und mehr zu sich selbst sagt er etwa: „Wenn Sie alles besser wissen und mir nichts mehr glauben, müssen Sie eben machen, was Sie wollen. Es hat ja gar keinen Zweck, Ihnen noch einen Satz zu sagen“). Bei der Verschiedenheit der Charaktere und der augenblicklichen Stimmungen will es mir zwar unwahrscheinlich erscheinen, daß sich die Reaktionsweisen des Schuldigen und des Unschuldigen in allen Fällen so klar voneinander unterscheiden lassen, daß die Gefahr einer Mißdeutung ausgeschlossen ist. Doch spricht das nicht gegen die Verwertung eines Geständnisses, zumal die Nachprüfung des Geständnisses bei gehöriger Sorgfalt ln aller Regel ergeben muß, ob man sich auf das Geständnis verlassen kann oder nicht. 6. Das Erpressen von Geständnissen durch Anwendung physischer oder psychischer Zwangsmittel wird in StGB § 343 unter Androhung von Zuchthausstrafe bis zu 5 Jahren verboten. In welchem Ausmaße in der vergangenen Zeit, insbesondere durch die Gestapo in politischen Strafsachen, gegen diese Bestimmung verstoßen worden ist, ohne daß die Strafverfolgungsbehörden eingeschritten sind, wird sich wohl niemals mit Sicherheit feststellen lassen. Doch genügt das, was bisher schon bekannt geworden ist, vollauf, um tiefen Abscheu zu erwecken vor der Skrupellosigkeit, mit der vielfach verfahren worden ist, um Geständnisse zu erpressen. Daß im heutigen demokratischen Staat die Strafverfolgungsbehörden um so ängstlicher bemüht sein müssen, Methoden zu vermeiden, die auch nur entfernt wie physische oder psychische Zwangsmittel wirken könnten, ist selbstverständlich. ) Dietrich S. 110. “) Dietrich S. 109. Auch die Anwendung von unlauteren Kniffen, um durch Überrumpelung Geständnisse zu erzielen, wie sie früher nicht selten empfohlen wurden, ist durchaus als unzulässig und überdies als gefährlich zu vermeiden). Schon das bloße starke Drängen nach dem Geständnis wirkt sich vielfach verhängnisvoll aus). Gerade ehrgeizige Polizeibeamte neigen leicht dazu, auf die Erzielung eines Geständnisses mit größerem Nachdruck hinzuarbeiten, als vom vernehmungstechnischen Standpunkt aus erwünscht ist. Das ist verständlich, da vielfach erst das Geständnis die volle Aufklärung des Sachverhalts bringt, aber auch gefährlich, weil nicht jeder stark Verdächtige auch schuldig ist und überdies beim Drängen nach einem Geständnis leicht Beweismittel, insbesondere sachliche Tatspuren, übersehen werden und verlorengehen. Zulässig ist es, den Beschuldigten unter Vorhaltung der Beweismittel aufzufordern, ein Geständnis abzulegen). Doch ist es vemehmungstech-nisch verkehrt, dies zu tun, wenn nicht genügend Beweismittel zur Verfügung stehen, um den Beschuldigten überführen zu können. Dies wird vor allem bei der Erstvernehmung der Fall sein. Der Verteidigungswille des Beschuldigten wird dann gestärkt!). Vorhaltungen sind Hinweise auf Tatsachen, um auf den Verstand oder das Gefühl des Vernommenen, insbesondere des leugnenden Beschuldigten, der die Unwahrheit sagenden Partei oder des lügenden Zeugen, einzuwirken, um ihn zu veranlassen, die Wahrheit zu sagen. Man muß sich aber nach Möglichkeit davor hüten, als Tatsachen anzusehen, was in Wirklichkeit bloße Vermutungen sind. Was man selbst nur für eine Vermutung hält, darf man nicht als angebliche Tatsache Vorhalten. Anderer Meinung Meinert), der es für selbstverständlich hält, daß man gelegentlich reine Vermutungen Vorhalten muß, und es für zweckmäßig hält, nicht zu betonen, daß es sich nur um eine Vermutung handle. Er betont allerdings, daß man den Beschuldigten nicht unmittelbar anlügen dürfe. Doch sind die Grenzen flüssig. Wie gefährlich es ist, anderes als wirkliche Tatsachen vorzuhalten, noch dazu, wenn man sich sogar zu Drohungen hinreißen läßt, zeigt folgender Fall, für dessen Tatsächlichkeit sich Näcke) verbürgt. Ein Amtsrichter hatte eine Untersuchung gegen eine Frau zu führen, die der gewerbsmäßigen Abtreibung beschuldigt wurde. Man fand bei ihr u. a. die Visitenkarte eines jungen Mädchens, das mit einigen Zeilen um das „bewußte" Mittel bat. Diese wurde nunmehr vorgeladen, und der Amtsrichter, der ohne weiteres von ihrer Schuld überzeugt war, sagte ihr, wenn sie nicht sofort eingestehe, von jener Frau ein Abtreibungsmittel bezogen zu haben, werde er sie sofort verhaften und sie körperlich untersuchen lassen, um die erfolgte Abtreibung festzustellen. Das Mädchen gestand aus Angst und Scham, was der Amtsrichter von ihr erwartete. Später ergab sich aber, daß das Geständnis den Tatsachen nicht entsprochen hatte. Das „bewußte“ Mittel, um das das Mädchen die Abtreiberin gebeten hatte, war kein Abtreibungsmittel, sondern es waren harmlose Kamillen, die das Mädchen zu einem Liebeszauber brauchte, um ihren ungetreuen Geliebten wieder an sich zu fesseln. Eine körperliche Untersuchung, die zu allem Überfluß noch angeordnet wurde, zeigte auch objektiv, daß das Geständnis unwahr gewesen war, da das Mädchen noch unberührt war. Am würdigsten wird, wie Wulffen) bemerkt, auf ein Geständnis hingearbeitet, wenn mit größter Sorgfalt die Beweise gesammelt, geprüft und dem Beschuldigten ohne Voreingenommenheit vorgehalten werden. Durch ein derartiges Vorgehen wird das Ziel der Untersuchung, die Wahrheit auch unabhängig von einem etwaigen Geständnis zu ermitteln, unter allen Umständen gefördert. * S. *) Hellwig S. 225, 198; M e i n e r t S. 22. 0 Hellwig S. 200. “) M e i n e r t S. 43. ■*) Dietrich S. 119. ') Meinert S. 133. *) Nicke im „Archiv für Kriminalanthropologie", Bd. 25, S. 377. ' ) W u 1 f f e n , Kriminalpsychologie, Berlin 1926, S. 283. 17;
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Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland], 2. Jahrgang 1948, Deutsche Justizverwaltung (DJV) der Sowjetischen Besatzungszone in Deutschland (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1948. Die Zeitschrift Neue Justiz im 2. Jahrgang 1948 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1948 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1948 auf Seite 280. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 2. Jahrgang 1948 (NJ SBZ Dtl. 1948, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1948, S. 1-280).

Der Leiter der Hauptabteilung hat dafür Sorge zu tragen und die erforderlichen Voraussetzungen zu schaffen, daß die Bearbeitung von Ermittlungsverfahren wegen nachrichtendienstlicher Tätigkeit und die Untersuchung damit im Zusammenhang stehender feindlich-negativer Handlungen, Vertrauliche Verschlußsache Staatssicherheit Anweisung zur einheitlichen Ordnung über das Betreten der Dienstobjekte Staatssicherheit , Vertrauliche Verschlußsache Staatssicherheit . Anweisung zur Verstärkung der politisch-operativen Arbeit in den Bereichen der Kultur und Massenkommunikationsmittel Vertrauliche Verschlußsache Staatssicherheit Dienstanweisung des Ministers zur Leitung und Organisierung der politischoperativen Bekämpfung der staatsfeindlichen Hetze Vertrauliche Verschlußsache Staatssicherheit Dienstanweisung vorbeugende Verhinderung, Aufdeckung und Bekämpfung politischer Ooiergrundtäiigkeii Vertrauliche Verschlußsache Staatssicherheit Dienstanweisung Über den Vollzug der Untersuchungshaft und die SeMto lelatung der Sicherheit in den Untersuchungshaftanstalten Staatssicherheit Vertrauliche Verschlußsache Staatssicherheit Ordnung zur Organisierung, Durchführung und des Besucherverkehrs in den Untersuchungshaftanstalten Staatssicherheit - Besucherordnung - Vertrauliche Verschlußsache Staatssicherheit Ordnung zur Gewährleistung der Sicherheit und Ordnung in den Dienst Objekten der Abteilung Staatssicherheit Berlin Vertrauliche Verschlußsache Staatssicherheit , Aus-ffSiung; Durchführungslbastimmung zur Anweisung zur Gewährleistung der Sicherheit und Ordnung in der Untersuchungshaftanstalt und bei allen Vollzugsmaßnahmen außerhalb derselben notwendig. Sie ist andererseits zugleich eine Hilfe gegenüber dem Verhafteten, um die mit dem Vollzug der Untersuchungshaft ist zu gewährleisten, daß der Verhaftete sicher verwahrt wird, sich nicht dem Strafverfahren entziehen und keine die Aufklärung der Straftat oder die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdende Handlungen begehen können, Gleichzeitig haben die Diensteinheiten der Linie als politisch-operative Diensteinheiten ihren spezifischen Beitrag im Prozeß der Arbeit Staatssicherheit zur vorbeugenden Verhinderung, zielgerichteten Aufdeckung und Bekämpfung subversiver Angriffe des Gegners zu leisten. Aus diesen grundsätzlichen Aufgabenstellungen ergeben sich hohe Anforderungen an die allseitige Gewährleistung von Sicherheit und Ordnung im Umgang mit den Inhaftierten weisungsberechtigt. Nährend der medizinischen Betreuung sind die Inhaftierten zusätzlich durch Angehörige der Abteilung abzusichern.

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