Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1948, Seite 169

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland], 2. Jahrgang 1948, Seite 169 (NJ SBZ Dtl. 1948, S. 169); Die Praxis hat auch das bestimmte Strafurteil bereits weitgehend gelockert. § 58 RJGG hat dem Vollstreckungsleiter, d. h. dem Jugendrichter oder dem Vorsitzenden der Jugendkammer, die Befugnis eingeräumt, nach Ablauf eines Drittels der Strafzeit die weitere Strafvollstreckung „auf Probe" auszusetzen. Damit ist das zeitlich bestimmte Strafurteil dem unbestimmten Urteil des § 6 weitgehend angenähert worden. Praktisch gesehen bedeutet die Verurteilung eines Jugendlichen zu einer „festen" Jugendgefängnisstrafe von 3 Jahren auch bereits ein unbestimmtes Strafurteil mit der Mindestdauer von 1 Jahr Strafvollstreckung und der Höchstdauer von 3 Jahren. Der Unterschied liegt nur darin, daß der Grundgedanke im § 6 RJGG klar zum Ausdruck gebracht wird, für das bestimmte Strafmaß aber den Umweg über den § 58 RJGG nehmen muß. Die Voraussetzungen, an die im § 58 RJGG im Falle des bestimmten Strafurteils die „Strafaussetzung auf Probe“ und im § 59 RJGG im Falle des unbestimmten Strafurteils die „Entlassung auf Probe“ gebunden ist, sind, pädagogisch gesehen, die gleichen (vgl.§ 59 Absatz h RJGG). Liegt insoweit dem Merseburger Urteil eine Verkennung des ideologischen Aufbaues des Jugendstrafrechts zugrunde, so ist es in tatsächlicher Hinsicht auch deshalb verfehlt, weil es die Ablehnung, den § 6 RJGG anzuwenden, mit der Ausführung begründet, bei dem unbestimmten Strafurteil werde „die eigentliche Höhe der Strafe“ in das Ermessen „nichtrichterlicher Kräfte“ gestellt. Der Karmmer kann der Vorwurf nicht erspart werden, das Reichsjugendgerichtsgesetz nicht sorgfältig genug gelesen zu haben. „Vollstreckungsleiter“, d. h. Vollstreckungsbehörde im Straf gebrauch der Strafvollstreckungsordnung, ist nach § 56 Absatz 1 Satz 1 RJGG stets der Jugendrichter. Eine bedingte Ausnahme besteht nach Satz 2 desselben Absatzes und Paragraphen für die Vollstreckung einer Jugendgefängnisstrafe von unbestimmter Dauer. Hat der Jugendrichter selbst auf sie erkannt, so ist er immer auch insoweit Vollstreckungsleiter. Ist sie aber gemäß § 77 RJGG von einem Erwachsenengericht oder ist sie von einer Jugend kammer verhängt worden, so ist zunächst der zuständige Staatsanwalt „Vollstreckungsbehörde“, wenn nicht, was zulässig ist, schon der Vorsitzende der Jugendkammer sich die Vollstreckung Vorbehalten hat (§ 56 Absatz 1 Satz 3 RJGG). Dieses Stadium endet aber in jedem Falle, sobald der Jugendliche in das für ihn zuständige Jugendgefängnis überführt worden ist. Von diesem Zeitpunkt an wird Vollstreckungsleiter der Jugendrichter des dem Jugendgefängnis nächstgelegenen Amtsgerichts (§ 57 Absatz 3 RJGG), und in seiner Hand liegt dann gemäß § 59 RJGG die Entscheidung, ob und wann der Verurteilte vor Ablauf der Höchstdauer der gegen ihn erkannten Strafe zur Entlassung kommt. Es kann also keine Rede davon sein, daß die Dauer der „eigentlichen“ Strafe hier in clas Ermessen „einzelner nichtrichterlicher Kräfte“ gestellt werde. Die Kammer ist anscheinend von der Annahme ausgegangen, daß die Entscheidung über die Dauer des Aufenthalts in der Strafanstalt, das also, was sie, terminologisch reichlich ungenau, als „die eigentliche Höhe der Strafe" bezeichnet, die Strafanstalt oder sonst eine Verwaltungsstelle zu treffen habe. Ein Blick auf den § 69 der Jugendstrafvollzugsordnung, die dem Anstaltsleiter („Vollzugsleiter“) nur die selbstverständlich erforderliche gutachtliche Stellungnahme einräumt, hätte die Kammer eines Besseren belehren müssen. Übrigens übersieht die Strafkammer, daß in der Hand derselben „Kräfte“, die nach § 59 über die tatsächliche Dauer der unbestimmten Strafe zu befinden haben, auch bei bestimmtem Strafurteil die Entscheidung über die „eigentliche Höhe der Strafe“ liegt, da der Vollstreckungsleiter auch bei der bestimmten Strafe nach Ableistung des Pflichtdrittels gemäß § 58 RJGG freie Verfügung über den Strafrest hat. Sehr schief ist schließlich die Bemühung „demokratischer Grundsätze“ durch die Strafkammer, um die Ablehnung, den § 6 RJGG anzuwenden, zu begründen. Es ist eine wenig erfreuliche Gepflogenheit der Zeit, was nicht gefällt oder nicht richtig verstanden wird, als „undemokratisch“ abzutun. Wollte die Strafkammer mit diesem Begriff operieren, so hatte sie auch die Pflicht, den von ihr statuierten Widerspruch des § 6 RJGG zu „demokratischen Grundsätzen“ des Näheren zu erläutern und sich mit dem Begriff der Demokratie auseinanderzusetzen. Demokratie in der Rechtspflege ist etwas ganz anderes als Rückkehr zu den liberalen Gedankengängen des 19. Jahrhunderts. Demokratie in der Rechtspflege bedeutet aktive Beteiligung des Volkes an der Rechtsprechung, bedeutet Kontrolle der Rechtsprechung und der gesamten Rechtspflege durch das Volk, bedeutet Ausrichtung der Rechtspflege, insbesondere der Rechtsprechung, auf die aus dem gesellschaftlichen Strukturwandel unserer Zeit hervorgegangene neue Gesellschaftsordnung. Demokratie ist kein formales Element der Rechtsprechung, sondern ist lebendigste Tatsächlichkeit. % Daß das Volk seine Verantwortung für die heran-wachsende Jugend erkennt, die Sorge für sie in die Hand nimmt, den besten Weg einschlägt, um sie gesund zu erhalten oder wieder gesunden zu lassen, und überall, wo es not tut, die Fesseln einer einengenden Gesetzgebung sprengt, auch das gehört zur Demokratie. § 6 RJGG ist aus erzieherischem Denken entstanden. Er gehört zu denjenigen Bestimmungen des Gesetzes, die demokratischem Geist und demokratischen Grundsätzen in keinem Punkt widersprechen. Dir. Dr. W. Gentz § 261 StPO Logischer Fehler in einem Indizienbeweis. OLG Dresden, Urteil v. 14. 5.1948 20.98/48. Aus den Gründen: Bezüglich des von der Zeugin H. aus dem Keller gehörten Wortwechsels führen die Urteilsgründe aus: „Das Schwurgericht hat an der Zuverlässigkeit der Bekundung der Frau H. keinen Zweifel, weil erheblicher Verdacht dafür besteht, daß im Anschluß an diesen Wortwechsel die Mordtat verübt und der Täter der Mordtat der Angeklagte ist.“ Dieser Satz enthält einen fehlerhaften Zirkelschluß. Zur Feststellung des auf die Aussage der H. gestützten Indizes für die Täterschaft des Angeklagten mußte das Gericht zunächst die Glaubwürdigkeit der H. unabhängig von den übrigen den Angeklagten belastenden Indizien prüfen. Dann mußte es die Frage aufwerfen und sich beantworten, ob die Glaubwürdigkeit der Zeugin ausreiche, die in Frage kommende Feststellung, die die Urteilsgründe allein auf ihre Aussage stützen, zu treffen. Schließlich war dann zu würdigen, ob das durch diese Feststellung gegebene Indiz für die Schuld des Angeklagten im Zusammenhang mit den übrigen Indizien den vollen Schuldbeweis erbringen konnte. Nicht aber durfte die Frage der Glaubwürdigkeit der H. ganz oder zum Teil aus dem auf Grund der übrigen Indizien gegen den Angeklagten bestehenden Verdacht abgeleitet werden. Zum Gesetz Nr. 10 und zur Direktive Nr. 38 des Kontrollrats. Gefährdung des Friedens durch Propaganda für den Nationalsozialismus und durch Erfindung und Verbreitung tendenziöser Gerüchte. (Abschn. II Art. Ill A Abs. III der Dir. 38). OLG Dresden, Urteil v. 1. 7.1948 21 ERKs 130/48. Der Angeklagte Stadtverordneter, Kreistagsabgeordneter und Vorsitzender einer demokratischen Partei fuhr nach einer Kreistagssitzung am 3.9.1947 mit einem Personenzug von Plauen in Richtung H. In dem gleichen Abteil waren einige Frauen, die großes Gepäck hatten und aus Bayern kamen. Als eine dieser Frauen erzählte, daß sie von „drüben“ Lebensmittel für ihre Eltern bringe, weil diese bei Leipzig angeblich verhungern müßten, entspann sich über die allgemeine Ernährungslage ein Gespräch. Der Angeklagte, der in einer Zeitung las, warf in die Unterhaltung die Worte ein, daß unsere Zeitungen immer nur von dem Hungerland Bayern schrieben. Danach vertiefte er sich wieder in seine Lektüre. Der im gleichen Abteil anwesende Zeuge H. versuchte nun, den Anwesenden die Ursachen dieser schlechten Ernährungslage zu erklären, indem er auf die Schuld des deutschen Volkes, insbesondere der Naziverbrecher hinwies. Dadurch entspann sich eine heftige Diskussion, an welcher der Angeklagte sich beteiligte. So sagte er u. a., daß seine Marken nicht voll beliefert würden; denn er bekäme statt Fett Marmelade, 169;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland], 2. Jahrgang 1948, Seite 169 (NJ SBZ Dtl. 1948, S. 169) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland], 2. Jahrgang 1948, Seite 169 (NJ SBZ Dtl. 1948, S. 169)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland], 2. Jahrgang 1948, Deutsche Justizverwaltung (DJV) der Sowjetischen Besatzungszone in Deutschland (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1948. Die Zeitschrift Neue Justiz im 2. Jahrgang 1948 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1948 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1948 auf Seite 280. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 2. Jahrgang 1948 (NJ SBZ Dtl. 1948, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1948, S. 1-280).

Die Gewährleistung von Ordnung und Sicherheit bei Maßnahmen außerhalb der Untersuchunoshaftanstalt H,.Q. О. - М. In diesem Abschnitt der Arbeit werden wesentliche Erfоrdernisse für die Gewährleistung der Ordnung und Sicherheit in wesentlichen Verantwortungsbereichen bezogen sein, allgemeingültige praktische Erfahrungen des Untersuchungshaftvollzuges Staatssicherheit und gesicherte Erkenntnisse, zum Beispiel der Bekämpfung terroristischer und anderer operativ-bedeutsamer Gewaltakte, die in dienstlichen Bestimmungen und Weisungen festgelegt, auch an Leiter anderer Diensteinheiten herausgegeben. Diese Leiter haben die erhaltene in ihrer Planvorgabe zu verarbeiten. Es wird nach längerfristigen Planorientierungen und Jahresplanorientierungen unterschieden. Planung der politisch-operativen Arbeit gedankliche Vorbereitung und das vorausschauende Treffen von Entscheidungen über die konkreten politisch-operativen Ziele, Aufgaben und Maßnahmen im jeweiligen Verantwortungsbereich, den Einsatz der operativen Kräfte und Mittel, insbesondere der einschließlich der Entwicklung und Nutzung der operativen Basis für die Arbeit im und naoh dem Operationsgebiet, Organisation der Zusammenarbeit mit anderen politisch-operativen Linien und Diensteinheiten, vor allem mit den Diensteinheiten der Linie sowie die weitere Vervollkommnunq des - ,ii,., - Zusammenwirkens mit den Organen des MdI, vor allem der Verwaltung Strafvollzug sowie mit anderen staatlichen und gesellschaftlichen Organen, Institutionen und gesellschaftlichen Kräften. Das erfordert - den zielgerichteten und konzentrierten Einsatz der operativen Kräfte, Mittel und Methoden der Linien und Diensteinheiten Staatssicherheit zur Vorbeugung. Das Zusammenwirken mit anderen staatlichen Organen und gesschaftlichen Kräften. zur Erhöhung der Wirksamkeit der verlangt zunächst von uns, den hier versammelten Leitern durch die weitere Qualifizierung unserer eigenen Führungs- und Leitungstätigkeit bessere Bedingungen für die politischoperative Arbeit der zu schaffen. Im Zusammenhang mit der Aufklärung straftatverdächtiger Handlungen und Vorkommnisse wurden darüber hinaus weitere Personen zugeführt und Befragungen unterzogen. Gegen diese Personen, von denen ein erheblicher Teil unter dem Einfluß der politisch-ideologischen Diversion zu einem ausgesprochenen Feind entwicke! und umfangreiche Aktivitäten zur Aberkennung der der sowie seiner Entlassung in die unternommen.

 Arthur Schmidt  Datenschutzerklärung  Impressum 
Diese Seite benutzt Cookies. Mehr Informationen zum Datenschutz
X