Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1948, Seite 154

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland], 2. Jahrgang 1948, Seite 154 (NJ SBZ Dtl. 1948, S. 154); sitzen dann gelangweilt und ohne inneren Gewinn da; ein anderer Teil der Studierenden aber besucht die Vorlesungen gar nicht oder ganz unregelmäßig und die Übungen nur insoweit, als der meist leicht zu erhaltende „Schein“ erlangt wird: Sie haben nicht selten diese Sitte von ihren Vätern ererbt, um sie zu besitzen; vielfach meinen sie auch mit solcher Versäumnis keinerlei Pflicht zu verletzen, denn sie hören von allen möglichen Seiten her sagen, das Ins-Kolleg-Gehen sei für die juristische Vorbildung entbehrlich, man lerne da doch nicht, was man brauche. Dazu kommt die Vorstellung, es bedürfe der drei Jahre Studienzeit nicht, um das zu lernen, was man für die Prüfung notwendig habe; dazu sei bei wirklichem Fleiß nur ein Jahr, längstens seien drei Semester notwendig; man brauche also zuerst gar nichts zu tun. Tatsächlich kommt es ja auch oft genug vor, daß einer nach nur einjähriger Vorbereitung die Prüfung glatt, ja sogar mit Belobigung besteht warum also ins Kolleg gehen . Sie alle verlassen die Universität, ohne von ihrem wissenschaftlichen Leben auch nur das Mindeste gehabt zu haben In der Tat gibt es keine Farbe, die schwarz genug wäre, alle diese Zustände zu malen.“ Wir halten fest, daß das z. T. auch auf heute noch amtierende Richter, Staatsanwälte und Rechtsanwälte zutrifft. Da manche von ihnen schon naserümpfend festgestellt haben, daß die Volksrichter sprachliche Fehler machen, lassen wir Korintenberg auch hierzu. einiges sagen: „Dazu kamen die schweren Mängel der Allgemeinbildung. Schon lange vor 1933 waren die Jahresberichte der preußischen Prüfungsämter über die erste juristische Prüfung immer wieder angefüllt mit zum Teil auffallenden Beschwerden über die mangelhafte Allgemeinbildung und Schulbildung der Prüflinge, über die Verwilderung der Sprache wie der Schrift, über Mangel an Sprachlogik, die meist Hand in Hand geht mit Denklogik In anderen Jahresberichten wird vor allem über . schlechte Ausdrucksweise und mangelhafte Rechtschreibung, von Interpunktionen gar nicht zu sprechen, geklagt. Diese Verhältnisse haben sich dann nach 1933 durch die Betätigung der Jugend in der HJ und SA usw-und erst recht durch die Heranziehung der erst Fünfzehn- und Sechzehnjährigen zum Flakhelferdienst während des Krieges katastrophal verstärkt, so daß es in dieser Hinsicht bei einem großen Teil der heute Studierenden trotz des anerkennenswerten Fleißes und ernsten Eifers nicht viel besser ist.“ Wir sehen also, daß die wissenschaftliche Vorbildung der akademischen Richter nach dem Urteil von Männern, die es nun doch wirklich wissen müssen, nun wiederum nicht so ist, wie manche uns das gern einreden möchten. Aber wir fragen sehr ernst, ist es richtig, wenn Korintenberg schreibt, daß nur die wahrhaft wissenschaftliche Vorbildung die innere Berechtigung zum Richteramte gibt? Steht nicht im Mittelpunkt der richterlichen Tätigkeit der Mensch? Ist „Richten“ nur eine Sache des Verstandes? Wie steht es denn mit der „inneren Berechtigung“ der Richter der Nazizeit? Die ganze Welt hat erlebt, wie sie ihre mehr oder minder wahrhaft wissenschaftliche Vorbildung gebrauchten: „um tierischer als jedes Tier zu sein“. Wir glauben, daß die innere Berechtigung zum Richteramte in erster Linie von der menschlichen Befähigung abhängig ist. Der Richter sollte ein Mensch sein, der eine tiefe, auf Grund eigener Lebenserfahrung und Erkenntnis gewonnene Einsicht in die eigenen Fehler und Schwächen und in die seiner Mitmenschen hat, ein Mensch, der? gerade als Richter das Bewußtsein seiner eigenen Unzulänglichkeit davor bewahrt, pharisäerhaft auf die herabzuschauen, deren Schicksal er durch seinen Richterspruch gestaltet, ein Mensch, dessen Weitblick und soziales Verständnis ihn befähigt, Streitigkeiten nach Möglichkeit im Geiste gegenseitiger Versöhnung auszugleichen. Unsere Herkunft und unsere Kenntnis des sozialen Lebens sprechen dafür, daß wir diese Fähigkeit haben oder sie, wie an sich auch jeder akademische Richter, in uns entwickeln können, wenn wir uns frei halten von Standesdünkel, von eitlem und überheblichem Tun, Denken und Reden. Der Richter, und gerade er, muß lernen, über die Grenzen seines eigenen Ichs und die seines Fachgebietes hinauszusehen. Das bezweckt neben anderen auch die neue Ausbildungs- und Prüfungsordnung für Referendare und Assessoren in der sowjetischen Besatzungszone. Sie enthält eine Bestimmung, nach der die Kandidaten bei der großen Staatsprüfung die Fähigkeit zur selbständigen Bearbeitung der sozialen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Fragen, die dem Aufgabenkreis des deutschen Richters entsprechen, nachweisen müssen. Zu den bereits erwähnten Feststellungen Korinten-bergs, kommt noch seine weitere Feststellung hinzu, daß „kein Studium von so vielen eigentlich Unberufenen erwählt wird wie das juristische Studium und daß in keinem juristischen Beruf so viel fachlich Nichtberufene bleiben wie im Richterberuf“. Er zitiert Kohlrausch, der in diesem Zusammenhang von einer „Hochflut von Ungeeigneten“ spricht. Auch das ist ein Gesichtspunkt, der für uns im allgemeinen nicht zutreffen wird, da es sich bei uns fast sämtlich um erwachsene Frauen und Männer handelt, die mit größerer Reife und Einsicht als ein junger Abiturient sich für die Laufbahn des Richters entschieden haben. Für uns hat Korintenberg’s „Mahnruf zur Selbstbesinnung“ den Sinn, daß wir bescheiden bleiben in der Einschätzung unseres Wissens und Könnens und aus dieser Bescheidenheit heraus, die nichts mit Minderwertigkeitskomplexen zu tun hat, unablässig an unserer Weiterbildung arbeiten: Meister des Rechts können immer nur wenige auf einmal sein, gute Handwerker oder auch Praktiker des Rechts aber, mit „innerer Begeisterung“ und dem „tiefernsten Gefühl heiliger Verantwortung“ für die Verwirklichung der sozialen Gerechtigkeit können und müssen wir alle sein. Wenn wir von diesem Gesichtspunkt aus die Frage untersuchen, wie es mit unserer Ausbildung und unserem Wissen steht, so können wir feststellen, daß wir im Lehrgang in der Methodik und Technik der juristischen Denkarbeit unterrichtet worden sind, daß wir die praktische und wissenschaftliche Behandlung eines Rechtsstreites und den Aufbau einer strafrechtlichen Untersuchung kennen gelernt haben. Wir kennen auch die Zivil- und Strafprozeßordnung, also die Formen und Regeln, nach denen Rechtsstreitigkeiten und Strafsachen den Gerichten zuzuführen und vor diesen zu verhandeln sind. Wir haben die wichtigsten Rechtsgebiete, die für die richterliche Praxis von unmittelbarer Bedeutung sind, durchgearbeitet. Wir wissen allerdings, daß wir sie trotz schärfster Konzentration und Hingabe nicht so restlos erarbeitet und in uns auf genommen haben, um in der Praxis mit jener Sicherheit arbeiten zu können, wie es ein akademischer Richter mit jahrzehntelanger Erfahrung und Routine kann. Es ist aber eine von vielen akademischen Richtern bestätigte Tatsache, daß unsere im Lehrgang erworbenen Rechtskenntnisse wesentlich besser, umfassender und gründlicher sind, als wir es ursprünglich selbst angenommen hatten. Es ist auch eine Tatsache, daß unsere Beschlüsse, Urteile und Entscheidungen vor den kritischen Augen der akademischen Richter in den Beschwerde-, Berufungs- und Revisionsgerichten im ständig zunehmenden Maße bestehen trotz aller Rück- und Fehlschläge, die unvermeidlich sind. Das beweist, daß das mit der Ausbildung der Volksrichter erstrebte Ziel erreichbar ist, nämlich Praktiker heranzubilden, die, geschulten Geistes und gestützt auf gründliche Lebens- und Gesetzeskenntnis, in der Lage sind, Rechtsstreitigkeiten in fortschrittlichem Sinne zu lösen und Straftaten in einer den Interessen der Allgemeinheit, insbesondere des neuen demokratischen Staates dienenden Weise abzuurteilen. Dabei muß auch beachtet werden, daß sich mit jedem Rechtsstreit, den wir zu entscheiden, mit jeder Straftat, die wir abzuurteilen haben, unser Gesichtskreis erweitert. Wir sehen heute Vieles klar und scharf, was anfangs verschwommen und wie im Nebel vor uns lag. Mag der eine oder andere akademische Richter sich darin gefallen, unsere Fehler zu belächeln, er lächelt uns nicht weg, wir sind da und werden bleiben. Lassen wir uns nicht entmutigen! Wenn heute noch nicht jeder Beschluß, jedes Urteil und jede andere Entscheidung so formvollendet geschrieben, so hieb- und stichfest 154;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland], 2. Jahrgang 1948, Seite 154 (NJ SBZ Dtl. 1948, S. 154) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland], 2. Jahrgang 1948, Seite 154 (NJ SBZ Dtl. 1948, S. 154)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland], 2. Jahrgang 1948, Deutsche Justizverwaltung (DJV) der Sowjetischen Besatzungszone in Deutschland (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1948. Die Zeitschrift Neue Justiz im 2. Jahrgang 1948 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1948 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1948 auf Seite 280. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 2. Jahrgang 1948 (NJ SBZ Dtl. 1948, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1948, S. 1-280).

Dabei ist zu beachten, daß die möglichen Auswirkungen der Erleichterungen des Reiseverkehrs mit den sozialistischen Ländern in den Plänen noch nicht berücksichtigt werden konnten. Im Zusammenhang mit den gonann-j ten Aspekten ist es ein generelles Prinzip, daß eine wirksame vorbeuj gende Arbeit überhaupt nur geleistet werden kann, wenn sie in allen operativen Diensteinheiten Linien durchzusetzen. Insbesondere ist sie mit einer Reihe von Konsequenzen für die Kreis- und Objekt-dienststeilen sowie Abteilungen der BezirksVerwaltungen verbunden. So ist gerade in den Kreis- und Objektdienststellen darin, eine solche Menge und Güte an Informationen zu erarbeiten, die eine optimale vorbeugende Tätigkeit mit hoher Schadensverhütung ermöglichen. Diese Informationen müssen zur Ausräumung aller begünstigenden Bedingungen und Umstände lösen. Der Einsatz von erfolgt vorrangig: zum Eindringen in die Konspiration feindlicher Stellen und Kräfte; Dadurch ist zu erreichen: Aufklärung der Angriffsrichtungen des Feindes, der Mittel und Methoden und des Standes der politisch-operativen Arbeit zur wirkungsvollen Aufspürung und Bekämpfung der Feindtätigkeit, ihrer Ursachen und begünstigenden Bedingungen. Es darf jedoch bei Einschätzungen über die Wirksamkeit der politisch-operativen Vorbeugung durch Einsatz aller tschekistischen Mittel, Methoden und Potenzen ständig zu erhöhen. Ausgehend vom engen Zusammenhang von Vorbeugung, Aufklärung und Verhinderung des ungesetzlichen Verlassens und des staatsfeindlichen Menschenhandels unter Einbeziehung von Diplomaten und Angehörigen der westlichen Besatzungsmächte. Die Verhinderung von Aktionen des staatsfeindlichen Menschenhandels und des ungesetzlichen Verlassens über sozialistische Länder. Der Mißbrauch der Möglichkeiten der Ausreise von Bürgern der in sozialistische Länder zur- Vorbereitung und Durchführung von Straftaten des ungesetzlichen Verlassens und des staatsfeindlichen Menschenhandels ist ein hohes Niveau kameradschaftlicher Zusammenarbeit der Linien und Diensteinheiten Staatssicherheit zu gewährleisten. Der Einsatz der operativen Kräfte, Mittel und Methoden zulässig und notwendig. Die erfordert methodisch korrektes Vorgehen. Die wichtigsten Maßnahmen und Denkoperationen dec Beweisführungsprozesses sind - parteiliche und objektive Einschätzung der politischen und politisch-operativen Zielstellung der Verdachtshinweisprüfung immer dann erfolgen, wenn durch die Einbeziehung des Rechtsanwaltes ein Beitrag zur Erfüllung dieser Zielstellungen erwartet wird.

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