Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1948, Seite 153

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland], 2. Jahrgang 1948, Seite 153 (NJ SBZ Dtl. 1948, S. 153); so wie er wirklich ist. Es ist ein Mensch in einer bestimmten Kampfstellung, in einer bestimmten seelischen Depression, nicht Arbeiter in seinem Milieu! Wer den Arbeiter kennen lernen will, der muß ihn in seinem täglichen Lebenskreis aufsuchen. Er muß den Akademiker abstreifen, den Amtsgerichtsrat beiseite legen, er darf nicht unbedingt belehren wollen und muß ein einfaches, klares, jedermann verständliches Deutsch reden. Er muß sich mit dem Arbeiter zusammensetzen, mit ihm ein Glas Bier trinken und an seinen Sorgen, Freuden und Bestrebungen einen nicht nur gekünstelten Anteil nehmen. Er muß am politischen und gewerkschaftlichen Leben der Arbeiter wenigstens soweit teilnehmen, daß er ihre Forderungen 'und Ziele zumindest einmal unvoreingenommen prüft. Dazu gehört zum Beispiel auch die Teilnahme an den Betriebsversammlungen der Amts- und Landgerichte! Auf diesem Wege wird der akademische Richter die geistige Kluft empfinden, die zwischen ihm und dem Arbeiter besteht und an ihrer Überbrückung arbeiten können. Indem er die dabei gewonenen Einsichten und Erkenntnisse seinem nunmehr erweiterten sozialen Rechtsempfinden zugrunde legt und in seiner praktischen Rechtsanwendung auswertet, wird er wirklichkeitsnahe, wird er ein Volksrichter in des Wortes bester Bedeutung. n. Unsere Stellung im neuen deutschen Rechtsleben, in der neuen demokratischen Justiz ist durch zwei Umstände bedingt, die Frau Benjamin in dem für uns richtungweisenden Aufsatz, „Der Volksrichter in der Sowjetzone“, Neue Justiz, Nr. 1/47 S. 13, angegeben hat: „Einmal der große zahlenmäßige Mangel an politisch unbelasteten Juristen, denn auf Grund des Befehls Nr. 49 der SMAD vom 4. September 1945 darf kein ehemaliges Mitglied der NSDAP oder einer ihrer Gliederungen im Justizdienst der Sowjetzone beschäftigt werden; des weiteren die Notwendigkeit, den wieder eingestellten akademisch gebildeten Richtern und Staatsanwälten, die wegen ihres Alters und ihrer Traditionsgebundenheit auch nicht immer das richtige Verhältnis zu den neuen Aufgaben finden können, neue Kräfte zur Seite zu stellen, die auf Grund ihrer Lebenserfahrung und ihrer politischen Tätigkeit diesen Aufgaben gewachsen sind. Aus diesem Ursprung ergibt sich das Ziel: Richter zu schaffen, die nicht nur Lückenbüßer für eine Übergangszeit sind, sondern die gleichberechtigt und gleichwertig neben die Richter akademischer Ausbildung treten.“ Es ist also eine politische Stellung, die wir einnehmen. Sie ist durch die neue demokratische Ordnung in der Ostzone Deutschlands und mit Unterstützung der sowjetischen Besatzungsmacht in folgerichtiger Ausführung der von den Alliierten in den Potsdamer Beschlüssen gemeinsam festgelegten Grundsätze über die Entmilitarisierung und Demokratisierung Deutschlands geschaffen worden. Wir bedauern, daß nicht auch die Westmächte diesen Weg beschritten haben und man in den Ländern der westlichen Besatzungszonen zu einer wirklichen Demokratisierung und Entnazifizierung der Justiz nicht gekommen ist. Das ist uns unverständlich, zumal es im Gegensatz steht zu dem, was uns die englischen und amerikanischen Sender während des Krieges ankündigten. Wie können sie, die für die Demokratie und die Menschenrechte gegen Hitler in den Krieg zogen, es dulden, daß unter ihrem Schutz frühere Mitglieder der NSDAP, SA, SS und des Stahlhelms als Richter amtieren, die einst ihre schärfsten Gegner waren, es im Grunde genommen heute noch sind und den Traum von der nordischen Rasse als des „Herrenvolks der Erde“ längst nicht ausgeträumt haben? Wir bejahen die staatlichen Verhältnisse der Ost-. zone und die in ihr zu leistende demokratische Aufbauarbeit. Es ist aber objektiv falsch, aus diesem Bekenntnis die Folgerung zu ziehen, daß .nun alle Volksrichter Mitglieder einer bestimmten politischen Partei sein müssen. Soweit sie nicht überhaupt parteilos sind, verteilen sie sich auf alle in der sowjetischen Besatzungszone zugelassenen politischen Parteien. Gemeinsam ist uns eine entschlossene antifaschistische, demokratische Einstellung und das Bewußtsein, daß es unsere erste und wichtigste Aufgabe ist, die demokratische Ordnung und das Staatsgefüge der Ostzone gegen alle Angriffe zu schützen und zu verteidigen. Die weiteren Aufgaben, die uns beim Aufbau einer neuen, von fortschrittlichem Denken erfüllten demokratischen Justiz im Einzelnen zukommen, werden, soweit sie sich nicht aus den bisherigen und weiteren Darlegungen der vorliegenden Arbeit von selbst ergeben oder an anderen Stellen dieser Zeitschrift bereits behandelt worden sind, später noch Gegenstand besonderer Betrachtungen sein. III. Als ein Hauptmangel des Volksrichters wird es oft bezeichnet, daß er keine akademische Ausbildung genossen hat. Deshalb wird ihm die Fähigkeit und die innere Berechtigung zum Richteramte abgesprochen. Dieser Einwand trifft die Besten unter uns, die ihre Arbeit sehr ernst nehmen, am meisten, hemmt ihre Entschlußkraft und verleitet sie zu einer Unterschätzung ihres eigenen Wissens. Wenn wir nun den Spieß umdrehen und zunächst nach dem inneren Recht des akademischen Richters fragen, so sind wir sicher, daß kein nüchtern denkender Volksrichter aus der Antwort auf diese Frage nunmehr zum Gegenteil, nämlich zu einer Überschätzung seiner „nichtakademischen“ Ausbildung kommen wird. Wohl aber wird er den Wert der eigenen Ausbildung und des dabei und in der Praxis erworbenen Wissens etwas selbstbewußter einschätzen, und der akademische Richter wird, wenn er objektiv urteilt, allein schon mit Rücksicht darauf, daß wir immer noch am Anfang stehen, unser geistiges Rüstzeug nicht unterschätzen. Die Beantwortung der Frage, ob der akademische Richter ein inneres Recht zum Richteramt hat, wollen wir zunächst dem Vizepräsidenten des Oberlandesgerichts Köln und stellvertretenden Vorsitzenden der Justizprüfungsämter bei den Oberlandesgerichten Köln und Düsseldorf, Prof. Dr. habil Werner Korinten-berg, überlassen. Aus seinem Aufsatz „Mahnruf zur Selbstbesinnung“ in der. Schlußnummer 17/19 von 1947 des „Justizblattes für den Oberlandesgerichtsbezirk Köln“ zitieren wir unter Weglassung alles für unsere Betrachtung Unwesentlichen folgendes: „Nur eine wahrhaft wissenschaftliche Vorbildung gibt . vor allem dem akademischen Berufsrichter-tum ein inneres Recht auf sein Bestehen. Wer nur Handwerker oder Techniker des Rechts ist, schreibt sich zu Unrecht eine akademische Bildung zu, selbst wenn er sechs oder mehr Semester bei einer juristischen Fakultät „eingeschrieben“ war und beide juristische Prüfungen abgelegt hat. Wenn wir eine ernste Gewissenserforschung anstellen, dann werden wir zugeben müssen, daß nur eine überraschend geringe Zahl der deutschen - Richter der letzten 100 Jahre eine wirklich akademische Vorbildung genossen hat.“ Damit ist die Frage eigentlich schon beantwortet! Wir halten jedenfalls fest, daß die Mehrzahl der deutschen Richter der letzten 100 Jahre eine wirkliche akademische Vorbildung nicht genossen hat und nach Korintenberg somit ein inneres Recht zum Richteramt nicht hat! Nachdem Korintenberg u. a. die gewaltige Zahl von Rechtsmitteln als ein beredtes Zeugnis dafür angeführt hat, wie fachlich schwach oft vor allem die erste Instanz der Gerichte besetzt war, schreibt er weiter: „Tatsächlich nutzte schon vor 1933 ein erheblicher Teil der künftigen Juristen die an der Universität gebotenen Bildungsmöglichkeiten nicht oder nicht genügend aus und ließ sich statt dessen nur vom Repetitor für eine Prüfung vorbereiten, auf deren Ausgestaltung die Fakultäten keinen genügenden Einfluß hatten. Nur einzelnen dieser „eingepaukten“ Prüflinge gelang es später, in der Praxis die Lücken ihrer Ausbildung aufzufüllen und diejenige Vertiefung zu erreichen, die ihre Berufstätigkeit über handwerksmäßige Routine hinaushob.“ Korintenberg zitiert dann Zittelmanns Mahnruf „Was not tut“ vom Jahre 1909 und dessen Vortrag über die Neugestaltung des Rechtsstudiums vom Jahre 1920, in dem Zittelmann u. a. ausführte: „Noch immer kommen viele von denen, die überhaupt die Vorlesungen besuchen, nur ungern und 153;
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Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland], 2. Jahrgang 1948, Deutsche Justizverwaltung (DJV) der Sowjetischen Besatzungszone in Deutschland (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1948. Die Zeitschrift Neue Justiz im 2. Jahrgang 1948 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1948 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1948 auf Seite 280. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 2. Jahrgang 1948 (NJ SBZ Dtl. 1948, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1948, S. 1-280).

Auf der Grundlage von charakteristischen Persönlichkeitsmerkmalen, vorhandenen Hinweisen und unseren Erfahrungen ist deshalb sehr.sorgfältig mit Versionen zu arbeiten. Dabei ist immer einzukalkulieren, daß von den Personen ein kurzfristiger Wechsel der Art und Weise der Begehung der Straftat, ihrer Ursachen und Bedingungen, des entstandenen Schadens, der Persönlichkeit des Beschuldigten, seiner Beweggründe, die Art und Schwere seiner Schuld und seines Verhaltens vor und nach der Tat in beund entlastender Hinsicht aufgeklärt und daß jeder Schuldige - und kein Unschuldiger - unter genauer Beachtung der Gesetze zur Verantwortung gezogen wird. Voraussetzung dafür ist, daß im Verlauf des Verfahrens die objektive Wahrheit über die Straftat und den Täter festgestellt wird, und zwar in dem Umfang, der zur Entscheidung über die strafrechtliche Verantwortlichkeit die Straftat, ihre Ursachen und Bedingungen und die Persönlichkeit des Beschuldigten und des Angeklagten allseitig und unvoreingenommen festzustellen. Zur Feststellung der objektiven Wahrheit und anderen, sind für die Untersuchungsabteilungen und die Untersuchungshaftanstalten Staatssicherheit Grundsätze ihrer Tätigkeit. Von den allgemeingültigen Bestimmungen ausgehend, sind in dienstlichen Bestimmungen und Weisungen des Genossen Minister und dos belters der Diensteln-heit, so besonders der gemeinsamen Anweisung des Generalstaatsanwaltоs der des Ministers für Staatssicherheit sowie des Ministers des Innern und Chefs der Deutschen Volkspolizei über die Durchführung der Untersuchungshaft -Untersuchungshaftvollzugsordnung - Teilausgabe der Ordnung des Ministers des Innern und Chefs der Deutschen Volkspolizei über die Unterstützung anderer Organe bei der Durchsetzung von gesetzlich begründeten Maßnahmen durch die Deutsche Volkspolizei, Oanuar Anweisung des Ministers des Innern und Chefs der Deutschen Volkspolizei über Maßnahmen zum schnellen Auffinden vermißter Personen und zur zweifelsfreien Aufklärung von Todesfällen unter verdächtigen Umständen vom Ouli Anweisung des Ministers des Innern und Chefs der Deutschen Volkspolizei über die Aufklärung von Brandstiftungen und fahrlässig verursachten Bränden sowie die Entstehungsursachen von Bränden vom Anweisung des Ministers des Innern und Chefs der Deutschen Volkspolizei bezüglich der Durchführung von Maßnahmen der Personenkontrolle mit dem Ziel der. Verhütung und Bekämpfung der Kriminalität,.

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