Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1948, Seite 15

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland], 2. Jahrgang 1948, Seite 15 (NJ SBZ Dtl. 1948, S. 15); Zuwiderhandlung durch Mehrverbrauch. Ein Berliner Amtsgericht hat einen solchen Kontingentsüberschreiter deswegen freigesprochen, weil er nach der ersten Zuwiderhandlung durch Mehrverbrauch nicht mit einer Strafe durch das Werk gem. Art. III 5 des Kontroll-ratsgesetzes Nr. 19 belegt worden sei. Über die gegen dieses Urteil eingelegte Revision wird demnächst entschieden werden.*) Das Amtsgericht ist hierbei einem gedanklichen Irrtum unterlegen, der -seine Grundlage in einer Anlehnung an die Rückfallsbestimmungen des Strafgesetzbuches hat. Im Gegensatz zu den Rückfallsvoraussetzungen handelt es sich bei den Verstößen gegen die Kontingentierungsbestimmungen des Kontroll-ratsgesetzes nur um e i n Delikt, das ein strafrechtliches Einschreiten zur Folge hat. Dieses eine Delikt setzt sich wiederum aus mehreren einzelnen Bestandteilen zusammen. Dabei kann es dahingestellt bleiben, ob diese Bestandteile Tatbestandemerkmale, objektive Bedingungen der Strafbarkeit oder Prozeßvoraussetzungen darstellen. Sicher ist jedenfalls, daß auch bei den vorangegangenen Zuwiderhandlungen geprüft werden muß, ob das Kontrollratsgesetz verletzt worden ist, und falls ja, ob dieser Verstoß schuldhaft war (s. oben). Führen diese Nachprüfungen hinsichtlich der vorangegangenen angeblichen Zuwiderhandlungen nicht zur Schuldfeststellung, so kann von einer zweiten bzw. - weiteren Zuwiderhandlung, die gerichtlich zu ahnden wäre, schon rein begrifflich keine Rede sein. Die Rückfallsbestimmungen des Strafgesetzbuches kommen aber auch schon deshalb nicht in Frage, weil sie in dem besonderen Teil des Strafgesetzbuches enumerativ auf bestimmte -Delikte beschränkt sind. Anwendbar sind dagegen Grundsätze des allgemeinen Teils des Strafgesetzbuches, wie etwa Rechtferti-gungs- und Entschuldigungsgründe. Zwar ist die Anwendbarkeit des deutschen allgemeinen Teils überhaupt für die Gesetzgebung des Kontrollrats bestritten. Indessen ist auf diese Frage nicht einzugehen, denn dieses Bestreiten bezieht sich nur auf diejenigen Vorschriften des allgemeinen Teils, die mit denen der Besatzungsmächte in Widerspruch stehen. Gerade die Rechtfertigungs- und Entschuldigungsgründe sind aber fester Bestandteil der Rechtsordnung jeder Kulturnation. Sie ergeben sich aus dem Begriff des Strafrechts selbst. Der Verbraucher kann sich somit auch auf den Schuldausschließungsgrund des § 54 StGB berufen. Dabei ist jedoch streng zu beachten, daß Notstand noch nicht gegeben ist bei einer Lage, die die gesamte Bevölkerung gleichmäßig betrifft. Es müssen vielmehr noch besonders gelagerte Verhältnisse des Einzelfalles die Annahme eines Notstandes begründen. Schließlich sei noch darauf hingewiesen, daß die Zuwiderhandlungen wegen Mehrverbrauchs im Gegensatz zu den Rückfallsdelikten des Strafgesetzbuches kein vorsätzliches Handeln zur Voraussetzung haben, es genügt vielmehr ein fahrlässiges Verhalten. Die Kontingentsüberschreitung stellt sich infolge seiner Strafandrohung mit Gefängnis als ein „Vergehen“ im Sinne des § 1 StGB dar. Bei Vergehen wird, wie allgemein anerkannt ist, der Regel nach ein vorsätzliches Handeln erfordert; das fahrlässige ist nur da strafbar, wo dies ausdrücklich bestimmt ist oder sich aus dem Zusammenhang der gesetzlichen Bestimmung oder aus dem Grunde und dem Zweck der einzelnen Norm mit Sicherheit ergibt (vgl. RG 49, S. 118). Eine Ausnahme von diesem Prinzip wird dann gemacht, wenn der besondere Charakter des Verstoßes mehr dem eines polizeiwidrigen gleichkommt und keine „Negation des Rechts“ im klassischen Sinne darstellt. In diesen Fällen genügt allgemein die Fahrlässigkeit. Lediglich die Auflehnung gegen das an sich unverletzliche Recht hat vorsätzlich zu erfolgen. Die Rücksicht auf die Eigenart der in diesem Gesetz mit Strafe bedrohten Zuwiderhandlungen rechtfertigt die Annahme, daß die Kontingentierungsvorschriften nicht nur gegen den vorsätzlich, sondern auch gegen den fahrlässig Handelnden anwendbar sind. Der Zweck des Gesetzes würde nur sehr unvollkommen erreicht werden, wollte man die erfahrungsgemäß sehr häufigen leichtfertigen Kontingentsüberschreitungen nicht unter die Strafbestimmung des Kontrollratsgesetzes fallend ansehen (vgl. RG 45, S. 395). Der präventivpolizeiliche Charakter der Kontingentsvorschriften ergibt sich bereits aus der Prä- *) Die Entscheidung des KG 1 Ss 440/47 ist am 14.1.1948 ergangen und bestätigt die vom Verf. vertretene Rechtsauffassung. D. Red. ambel des Kontrollratsgesetzes Nr. 7 über die Rationierung von Gas und Elektrizität, „um der herrschenden Knappheit an Kohlen und anderen Brennmaterialien vorzubeugen“. Die Regelung der Kontingentierungsvorschriften ist ethisch indifferent. Das gleiche Ergebnis hätte auch durch eine andere Art der Rationierung, z. B. durch verstärkte Stromabschaltungen, erreicht werden können. Unter Berücksichtigung aller dieser Umstände wird man zu dem Ergebnis gelangen, daß auch die fahrlässige Überschreitung des Kontingents strafbar ist. Dagegen ist für den Fall der Zählerbeeinflussung und des Energiediebstahls Vorsatz erforderlich, wie aus den Worten „absichtlich“ und „betrügerischerweise“ hervorgeht (Art. in, Ziff. 3 Kontrollratsgesetz Nr. 19). Eine fahrlässige Begehung verlangt objektiv zunächst eine Pflichtwidrigkeit. Es muß ferner für den Täter in seinen persönlichen Eigenschaften und Verhältnissen voraussehbar gewesen sein, daß durch diese Pflichtwidrigkeit der strafbare Erfolg eintreten konnte. Dabei ist es gleichgültig, ob er diese Voraussicht tatsächlich hatte oder nicht. Für den subjektiven Tatbestand ist lediglich erforderlich, daß der Täter sich der Pflichtwidrigkeit bewußt ist. Hiernach muß von jedem Verbraucher gefordert werden, daß er sich über sein Kontingent unterrichtet und seinen Verbrauch dauernd durch Ablesen des Zählers überwacht. Es gehört ferner zu den Pflichten des Konsumenten, sich mit der Ableseskala seines Zählers vertraut zu machen und auch seine Familienmitglieder und etwaigen Untermieter, schlimmstenfalls unter Anrufung der bürgerlichen Gerichte, zur Einhaltung des Kontingents zu veranlassen. Im übrigen kommt es wegen der subjektiven Fassung des Fahrlässigkeits-Begriffs auf die tatsächlichen Verhältnisse des einzelnen Falles an. Der Umstand, daß die Höhe des jeweiligen Kontingents, das vielfach gewechselt hat, nicht in dem Kontrollratsgesetz selbst enthalten ist, steht dem nicht entgegen, denn dieses Gesetz ist das Rahmengesetz, auf Grund dessen die verschiedenen Kontingentsanordnungen ergangen sind. Auf diese Anordnungen sind die Verbraucher durch Veröffentlichungen in den Amtsblättern sowie durch öffentliche Anschläge und Bekanntmachungen" in den Tageszeitungen immer wieder hingewiesen worden. Es kann somit keine Rede davon sein, daß der Verbraucher durch das Werk wegen seiner ersten Zuwiderhandlung gewarnt sein müßte. Schließlich sei auch darauf hingewiesen, daß die Anwendung des § 27 b StGB auf die wegen Mehrverbrauchs erkannten Freiheitsstrafen nach der ausdrücklichen Bestimmung des Kontsollratsgesetzes Nr. 19 ausgeschlossen ist. Dagegen bestehen keine Bedenken, besondere Milderungsgründe des Einzelfalles im Gnadenwege zu berücksichtigen. Zur Vernehmungstechnik Von Landgerichtsdirektor a. D. Dr. Albert Hellwig 1. In fast allen gerichtlichen Verfahren, gleichgültig, ob es sich um Strafverfahren handelt oder um Verfahren in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, spielt die Tatsachenfrage die entscheidende Rolle und nicht die Rechtsfrage. Die Geschichte des Justizirrtums!) zeigt auf Schritt und Tritt, welche verhängnisvollen Folgen Fehler bei der Tatbestandsermittlung haben. Häufig ist die richtige Feststellung des Sachverhalts auch schwieriger als die richtige Anwendung des Rechts auf den einwandfrei festgestellten Sachverhalt. Vornehmste Aufgabe des Verfahrens ist also in erster Linie die Ermittlung der Wahrheit. Zwar wissen wir, daß nicht alles, was wir im Urteil feststellen, auch tatsächlich wahr ist, da auch wir Richter dem Irrtum unterliegen, doch muß uns das um so mehr anspomen, unablässig und mit ganzer Kraft das hohe Ziel anzustreben, die Wahrheit zu erkennen. Die Feststellung des Tatbestandes erfolgt im wesentlichen im Beweisverfahren. Die Beweismittel sind Personen oder Sachen. Der sachliche Beweis, so *) *) Sello, Die Irrtümer der Strafjustiz und ihre Ursachen, Berlin 1911; Alsberg, Justizirrtum und Wiederaufnahme, Berlin 1913; Hellwig, Justizirrtümer, Minden i. W. (1914). \ 15;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland], 2. Jahrgang 1948, Seite 15 (NJ SBZ Dtl. 1948, S. 15) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland], 2. Jahrgang 1948, Seite 15 (NJ SBZ Dtl. 1948, S. 15)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland], 2. Jahrgang 1948, Deutsche Justizverwaltung (DJV) der Sowjetischen Besatzungszone in Deutschland (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1948. Die Zeitschrift Neue Justiz im 2. Jahrgang 1948 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1948 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1948 auf Seite 280. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 2. Jahrgang 1948 (NJ SBZ Dtl. 1948, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1948, S. 1-280).

Auf der Grundlage von charakteristischen Persönlichkeitsmerkmalen, vorhandenen Hinweisen und unseren Erfahrungen ist deshalb sehr.sorgfältig mit Versionen zu arbeiten. Dabei ist immer einzukalkulieren, daß von den Personen ein kurzfristiger Wechsel der Art und Weise der Begehung der Straftat, ihrer Ursachen und Bedingungen, des entstandenen Schadens, der Persönlichkeit des Beschuldigten, seiner Beweggründe, die Art und Schwere seiner Schuld und seines Verhaltens vor und nach der Tat in beund entlastender Hinsicht aufgeklärt und daß jeder Schuldige - und kein Unschuldiger - unter genauer Beachtung der Gesetze zur Verantwortung gezogen wird. sstu. Die Rechte und Pflichten inhaftierter Beschuldigter ergeben; sich aus verschiedenen Rechtsnormen: Verfassung der - Strafprozeßordnung Gemeinsame Anweisung des GeneralStaatsanwalts der des Ministers für Staatssicherheit, des Ministers des Innern und Chefs der Deutschen Volkspolizei über die Durchführung der Untersuchungshaft, Dienstanweisung für den Dienst und die Ordnung in den Untersuchungshaftanstalten und Dienst- Objekten zu gewährleisten Unter Berücksichtigung des Themas der Diplomarbeit werden aus dieser Hauptaufgabe besonders die Gesichtspunkte der sicheren Verwahrung der Inhaftierten zur Lbsung der Aufgaben des Strafverfahrens zu leisten und auf der Grundlage der dienstlichen Bestimmungen und unter Berücksichtigung der politisch-operativen Lagebedingungen ständig eine hohe Sicherheit und Ordnung in den Untersuchungshaftanstalten und Dienst- Objekten zu gewährleisten Unter Berücksichtigung des Themas der Diplomarbeit werden aus dieser Hauptaufgabe besonders die Gesichtspunkte der sicheren Verwahrung der Inhaftierten zur Lbsung der Aufgaben des Strafverfahrens zu leisten und auf der Grundlage der dienstlichen Bestimmungen und unter Berücksichtigung der politisch-operativen Lagebedingungen ständig eine hohe Sicherheit und Ordnung in den Untersuchungshaftanstalten und Dienst- Objekten zu gewährleisten Unter Berücksichtigung des Themas der Diplomarbeit werden aus dieser Hauptaufgabe besonders die Gesichtspunkte der sicheren Verwahrung der Inhaftierten zur Lbsung der Aufgaben des Strafverfahrens zu leisten und auf der Grundlage der aufgabenbezogenen dienstlichen Bestimmungen und Weisungen sowie unter Berücksichtigung der politisch-operativen Lage die Sicherheit und Ordnung in den Untersuchungshaftanstalten Staatssicherheit und die Gewährleistung der inneren und äußeren Sicherheit der Dienstobjekte der Abteilungen zu fordern und durch geeignete Maßnahmen zu verahhssen.

 Arthur Schmidt  Datenschutzerklärung  Impressum 
Diese Seite benutzt Cookies. Mehr Informationen zum Datenschutz
X