Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1948, Seite 129

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland], 2. Jahrgang 1948, Seite 129 (NJ SBZ Dtl. 1948, S. 129); maßnahmen erkannt wurde, zahlenmäßig am geringsten in Sachsen, am höchsten in Mecklenburg. Die verhältnismäßig große Zahl von „Minderbelasteten“ in Mecklenburg zeigt, daß dort schon bei der Vorbereitung der Verfahren keine gute Arbeit geleistet worden ist; sie zeigt weiter mangelnde Verantwortungsfreudigkeit der Richter, die auf der einen Seite Vertagungen (wegen der Notwendigkeit der Beschaffung weiterer Beweise) vermeiden wollen, auf der anderen Seite aber Einstellungen (mangels ausreichender Beweise) scheuen; sie zeigt endlich, daß häufig noch die Tatsache verkannt wird, daß nach Sinn und Zweck des Befehls 201 die Gruppe der Minderbelasteten sich im wesentlichen aus „herabgestuften Belasteten“ zusammensetzt und sich deshalb als die Gruppe der Ausnahmefälle darstellt. Die zahlenmäßige Prüfung der Auswirkung des Amnestiebefehls 43 ergibt im ganzen ein befriedigendes Bild. Aus Sachsen-Anhalt, das die Amnestie auf die unter den Befehl 201 fallende Personen erst jetzt anzuwenden beginnt, liegen Zahlen noch nicht vor. In den übrigen Ländern machen die amnestierten Na-zisten im Durchschnitt etwas mehr als ein Prozent der Gesamtzahl aller Amnestierten aus, wobei der Prozentsatz am günstigsten in Sachsen und in Brandenburg ist. Es muß mit allem Nachdruck; betont werden, daß die Amnestie nicht zu einer Laxheit in der Anwendung des Befehls 201 führen darf und nicht zur Unterstützung mangelnder Arbeitsfreudigkeit der Richter dienen kann. Es geht nicht an, daß ein Gericht sich die Erledigung einer Strafsache durch oberflächliche Anwendung der Amnestie erleichtert. Soweit die Gerichte selbst über die Anwendung der Amnestie zu befinden haben, muß, wie bereits gesagt, auch dann ein Strafurteil ergehen, wenn das Gericht auf weniger als ein Jahr Gefängnis erkennen will; dieses Urteil kann dann von der Staatsanwaltschaft angefochten werden; soweit die Amnestiekommissionen entscheiden, besteht das Verbot der Amnestierung von Hauptschuldigen schlechthin. Erinnert sei auch an das Beschwerderecht der Staatsanwaltschaft gegen Amnestieentscheidungen an den Justiz- und Innenminister. Das Recht der Staatsanwaltschaft zur Einlegung von Rechtsmitteln gegen unzulängliche Urteile ist zugleich eine unabweisbare Pflicht. Meine Damen und Herren! Wenn ich mich in folgendem mit einer Analyse der Rechtsprechung der deutschen Gerichte unserer Zone zum Befehl 201 befasse, so muß ich einige grundsätzliche Bemerkungen vorausschicken. Das bisherige deutsche Strafrecht trägt im wesentlichen den Charakter eines Individual-Strafrechts. Der Begriff des Bandenverbrechens ist in Deutschland, soviel ich sehe, seit Feuerbach nicht mehr wissenschaftlich erörtert worden. Der wesentliche Sinn und Zweck des Befehls 201 besteht aber gerade darin, die verbrecherische Gesinnung des Täters innerhalb des Verbrecherkollektivs der Nazibande zu erfassen und den Täter wegen seiner Mitwirkung im Rahmen des an Deutschland und an der Welt begangenen Massenverbrechens zu bestrafen. Für die deutschen Begriffsjuristen scheint ein Abgehen von dem herkömmlichen Maßstab einer individualisierenden Betrachtungsweise sehr schwer zu sein. Das zeigt sich, wie bei den eingangs erörterten Fragen zum Kontroll-ratsgesetz 10, so auch bei der Anwendung des Befehls 201 und der Direktive 38. Der Denunziant begeht kein „Erfolgsdelikt“ im herkömmlichen Sinne, bei dem ihm die Tatsache, daß sein Opfer sich retten oder gerettet werden konnte, zugute zu halten wäre, sondern eben eine Denunziation, eine im Rahmen des organisierten Massenterrors der Nazis besonders verabscheuungswürdige Tat, deren strafrechtliche Würdigung nicht, wie das zuweilen immer noch geschieht, von dem mehr oder weniger großen Maß des Leides abhängig gemacht werden kann, das dem denunzierten Opfer zugefügt wurde. Dieser Gesichtspunkt ist richtig erkannt und gut heraiÄgearbeitet in einem Urteil der Kleinen Strafkammer in Chemnitz vom 16.1.1948 in der Sache Wendenkopf. Schlecht dagegen war in diesem Punkt die Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Halle, ganz besonders ein durch diese Rechtsprechung bedingtes Urteil des Landgerichts in Dessau in der Strafsache gegen Schlaak, in dem die auf Grund der Denunziation erlittene Strafe des Denunzierten (er war zum Tode verurteilt worden, hatte aber insgesamt nur ein Jahr und acht Monate gesessen) als die „obere Grenze der Strafe für den Denunzianten“ bezeichnet wird. Dieses arme Opfer, dieser Milchhändler Werner, der von einer Kundin denunzieat worden war, war bei mir; die Erschütterung dieses Mannes über das Urteil gegen seine Denunziantin hat mich geradezu überwältigt. Der Mangel des Nachweises, daß der Angeklagte ein konkretes Einzelverbrechen begangen hat, ist kein Hindernis, ihn mit voller Schwere des Gesetzes, ja noch schwerer zu treffen, als den einen oder anderen Einzeltäter, wenn der Angeklagte an der Organisierung und Planung beteiligt war, aus der die zahlreichen Einzelverbrechen erwuchsen. Das wird von den Gerichten vielfach nicht beachtet. Wer sich an einem nazistischen Kollektivverbrechen beteiligte, kann sich nicht darauf berufen, daß nicht er, sondern ein anderer unmittelbar gegen das Opfer tätig war, während er selbst „nur“ durch „Postenstehen“, „Absperrmaßnahmen“ und dergleichen, also scheinbar mehr pas s i v beteiligt gewesen sei; dem Wesen des Kollektivverbrechens mit den dabei möglichen vielfältigen Betätigungsformen widerspricht es entschieden, hier den Schuldgehalt verschieden zu bemessen. Lassen Sie mich nunmehr aus der Fülle der Einzelfälle zunächst einige gute Urteile hervorheben. Ich sprach schon von der führenden Stellung, die das Oberlandesgericht Dresden in der Rechtsprechung zum Kontrollratsgesetz 10 eingenommen hat. Den genannten Urteilen sei das Urteil dieses Gerichts vom 18. 7. 1947 (N Jur 1947/48 S. 311) hinzugefügt, in dem der Grundsatz ausgesprochen ist: Wer sich durch leichtfertige Plauderei über das, was ein Antifaschist gesagt oder getan hat, selbst in die Lage brachte, von den Nazibehörden in dem gegen den Antifaschisten eingeleiteten Verfahren als Belastungszeuge vernommen zu werden, kann sich heute nicht auf den „Notstand“ berufen, er habe zur Vermeidung eigener Nachteile dort „die reine Wahrheit sagen müssen“. Ähnlich hat die Große Strafkammer in Meiningen am 9. 7.1947 in der Sache gegen Gerstenbach richtig entschieden, daß derjenige, der antifaschistische Äußerungen eines Dritten an die Frau eines Nazi-Funktionärs weitererzählte, als Denunziant bestraft werden muß, weil er damit rechnen mußte und damit gerechnet hat, daß gegen den Antifaschisten vorgegangen werde. Gut und beispielhaft waren das Verfahren und das Urteil in dem in weitesten Kreisen bekanntgewordenen und unter außerordentlicher Beteiligung der Bevölkerung durchgeführten Prozeß gegen die berüchtigten Naziverbrecher Meinshausen und Malitz in Görlitz. ) Zu den ausgesprochen schlechten Urteilen gehört das Urteil der Kleinen Strafkammer in Chemnitz, die ich gerade vorhin lobend erwähnte, in der Strafsache gegen Kirchner. Dort wird als notwendiges Merkmal für die Annahme eines „Menschlichkeitsverbrechens“ gefordert, daß die Tat „einen größeren Personenkreis, ein größeres Gebiet oder wichtige Einrichtungen“ betrifft oder daß sie „von einer gewissen geschichtlichen Bedeutung“ ist; ein Vater, der seinen Sohn den Nazi-Mördern auslieferte, mag keine dieser Voraussetzungen erfüllt haben, ein Menschlichkeitsverbrecher aber ist er doch. Schlecht ist auch ein Urteil der Kleinen Strafkammer des Landgerichts Magdeburg, das einen wegen schlechter Behandlung ausländischer Arbeiter Angeklagten freispricht mit der Begründung: Eine gegen die Arbeiter wegen ihrer Verfehlungen erstattete Anzeige bei den Nazibehörden hätte noch viel schlimmere Folgen für diese gehabt. Fehler bei der Urteilsformel kommen immer wieder vor. Noch vor kurzem las ich einen Urteilstenor, in dem der Angeklagte als „Minderbelasteter“ eingestuft und einer Bewährungsfrist von zwei Jahren unterworfen, zugleich aber angeordnet wird, daß das Verfahren „eingestellt“ werde und daß die „Kosten die Staatskasse“ zu tragen habe. Auch bei der Einstufung begegnet man oft schweren Fehlern. Ich will hier nicht entscheiden, ob die häufige Herabstufung der Angeklagten mehr auf einer fehlsamen zu hohen Einstufung durch die Untersuchungsorgane oder mehr auf die mildere Be- 129;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland], 2. Jahrgang 1948, Seite 129 (NJ SBZ Dtl. 1948, S. 129) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland], 2. Jahrgang 1948, Seite 129 (NJ SBZ Dtl. 1948, S. 129)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland], 2. Jahrgang 1948, Deutsche Justizverwaltung (DJV) der Sowjetischen Besatzungszone in Deutschland (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1948. Die Zeitschrift Neue Justiz im 2. Jahrgang 1948 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1948 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1948 auf Seite 280. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 2. Jahrgang 1948 (NJ SBZ Dtl. 1948, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1948, S. 1-280).

Der Leiter der Hauptabteilung hat dafür Sorge zu tragen und die erforderlichen Voraussetzungen zu schaffen, daß die Bearbeitung von Ermittlungsverfahren wegen nachrichtendienstlicher Tätigkeit und die Untersuchung damit im Zusammenhang stehender feindlich-negativer Handlungen, Vertrauliche Verschlußsache Staatssicherheit Anweisung zur einheitlichen Ordnung über das Betreten der Dienstobjekte Staatssicherheit , Vertrauliche Verschlußsache Staatssicherheit . Anweisung zur Verstärkung der politisch-operativen Arbeit in Operativ-Gruppen Objektdienststellen Vertrauliche Verschlußsache Staatssicherheit Richtlinie des Ministers für die Planung der politisch-operativen Arbeit in den Organen Staatssicherheit - Planungsrichtlinie - Vertrauliche Verschlußsache Staatssicherheit Die Bewaffnung der Angehörigen - insbesondere des Wach-und Sicherungsdienstes - hat auf der Grundlage des Bewaffnungsplanes der Abteilung zu erfolgen. Die Bewaffnung und materiell-technische Ausrüstung des Wach- und Sicherungsdienstes in den Abteilungen Grundsätze des Wach- und Sicherungs- dienstes - Aufgaben des Wachschichtleiters, Aufgaben des Stellvertreters des Wachschichtleiters, Aufgaben und Befugnisse des Wach-. und Sicherungsdienstes Einsatzformen des Wach- und Sicherungsdienstes sind: Die gesetzlichen Bestimmungen wie Strafgesetz, Strafprozeßordnung, Strafvollzugs- und Wiedereingliederungsgesetz; Befehle und Anweisungen des Ministers für Staatssicherheit, des Leiters der Bezirksverwaltungen Verwaltungen und des Leiters der Diensteinheit - der Kapitel, Abschnitt, Refltr., und - Gemeinsame Anweisung über die Durch- Refltr. führung der Untersuchungshaft - Gemeinsame Festlegung der und der Refltr. Staatssicherheit zur einheitlichen Durchsetzung einiger Bestimmungen der Untersuchungshaftvollzugsordnung in den Untersuchungshaftanstalten Staatssicherheit - Vertrauliche Verschlußsache Gemeinsame Festlegung der Leitung des der НА und der Abteilung zur Sicherstellung des Gesundheitsschutzes und der medizinischen Betreuung ,V -:k. Aufgaben des Sic herungs- und Köhtroll- Betreuer Postens, bei der BbälisTerung des. Auf - nähmeweitfatrön:s - Aufgaben zur Absicherung der Inhaftier- Betreuer innerhalb und außerhalb der Untersuc hungshaftanstalt Anforderungen, die Sicherheit und Ordnung bei der Absicherung und Beaufsichtigung von. - Absicherung der weiblichen bei Betreuer Maßnahmen zur Aufrechterhaltung von.

 Arthur Schmidt  Datenschutzerklärung  Impressum 
Diese Seite benutzt Cookies. Mehr Informationen zum Datenschutz
X