Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1948, Seite 128

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland], 2. Jahrgang 1948, Seite 128 (NJ SBZ Dtl. 1948, S. 128); geurteilt wurden; im Urteil vom 16. Mai 1947 wird rechtsgrundsätzlich dargelegt, daß entgegen der im Westen vielfach vertretenen und „wissenschaftlich“ begründeten Auffassung der Nazi-Denunziant sich nicht auf sein angebliches „mangelndes Bewußtsein der Rechtswidrigkeit“ berufen könne, um der gerechten Strafe zu entgehen; am 6. Februar 1948 hat das Oberlandesgericht klargestellt, daß „falsch verstandene Vaterlandsliebe“ für einen Naziverbrecher keinen Strafmilderungsgrund darstelle. Es sind aber nicht nur gute Urteile zum Kontrollratsgesetz 10 in der Ostzone ergangen. Schlecht war z. B. das Urteil des Oberlandesgerichts in Gera vom 19. Februar 1947, wonach in Verfolg gewisser von mir bereits skizzierter Tendenzen in den rechtswissenschaftlichen Erörterungen das Gesetz 10 nur „hilfsweise“ und „ergänzend“ angewandt werden solle, falls das geltende deutsche Strafrecht zur Aburteilung des Täters nicht ausreiche. Gegen diese falsche Einstellung der Justiz in Thüringen ist bereits wiederholt Stellung genommen worden; sie ist inzwischen aufgegeben. Falsch ist auch die Rechtsprechung des Oberlandesgerichts in Halle, wonach die vom Denunzierten auf Grund der Denunziation erlittene Unbill die obere Grenze der Strafe darstelle, die heute den Denunzianten treffen könne. Ich komme auf diese Rechtsprechung noch bei der Analyse der ergangenen Urteile im einzelnen zurück. Dem Gesetz 10 folgte als nächste Verlautbarung des Alliierten Kontrollrats auf diesem Gebiet die Direktive 24 vom 12. Januar 1946, die die Säuberung vom Nazismus betrifft und die Direktive 3 8 vom 12. Oktober 1946, die sich mit der Verhaftung und Bestrafung von Naziverbrechern befaßt. Beide Direktiven sind in der sowjetischen Besatzungszone Deutschlands durch den Befehl 201 (Richtlinien zur Anwendung der Direktiven 24 und 38 des Kontrollrats) vom 16. August 1947 in Kraft gesetzt worden. Auch hier interessiert vor allem ein Vergleich über die Anwendung der Direktiven im Westen und Osten unseres Vaterlandes: In den Westzonen hat sich alsbald eine verwirrende Fülle von Verfahren vor den dort eingerichteten Spruchkammern ergeben. Alle „nominellen Pgs“ müssen durch diese Mühle der Spruchkammern hindurch und verstopfen sie. Die zahllosen Verfahren gegen die „Mitläufer“ verhindern eine schnelle und gerechte Bestrafung der wirklichen Naziverbrecher. Die „Kleinen“ werden „gehängt“, die „Großen“ läßt man „laufen“. Die Empörung über diese Handhabung der Gesetze im Westen hat sich bis zu Streiks bei den Spruchkammern gesteigert. Anders liegt es in unserer Zone. Hier hatte sich inzwischen eine demokratische Umgestaltung des gesamten ökonomischen und gesellschaftlichen Lebens vollzogen. Hier hatte es eine Bodenreform gegeben, durch die der junkerliche Grundbesitz, jene tragende Säule der deutschen Reaktion zerschlagen wurde. Hier hatte eine Enteignung der Naziverbrecher stattgefunden und der Besitz der kriegstreiberischen und am Kriege profitierenden Kartelle, Syndikate und Trusts war in die Hand des Volkes übergegangen. Hier hatte eine weitgehende Demokratisierung der Verwaltung stattgefunden. Auf dieser Grundlage konnte der Befehl 201 die Frage der Säuberung unserer Zone von Naziaktivisten und die Bestrafung der Naziverbrecher großzügig, human und weitblickend anpacken. Durch den Befehl 35 vom 26. 2.1948 konnten die Entnaziflzierungskommissionen nach Vollendung ihrer Arbeit bereits wieder aufgelöst und den nicht durch Verbrechen belasteten ehemaligen Pgs eine Möglichkeit eröffnet werden, am demokratischen und wirtschaftlichen Aufbau dieses Teiles Deutschlands mitzuwirken. Die strafmäßige Heranziehung der Nazis gemäß der Direktive 38 erstreckt sich nach dem Befehl 201 und nach Ziffer 14 der Ausführungsbestimmung 3 zu diesem Befehl nicht auf die „Mitläufer“ und erfaßt nach Ziffer 13 dieser Ausführungsbestimmung auch die „Minderbelasteten“ mit wenigen Ausnahmen nur dann, wenn Unterlagen für ihre persönliche Schuld vorliegen. In unerer Zone hat man eben von vornherein entscheidendes Gewicht darauf gelegt, die „Großen“ zu fassen, die „Kleinen“ aber laufen zu lassen. Wer „groß“ ist, muß in jedem Einzelfall genau geprüft werden. Auf die nazistische und verbrecherische Gesinnung kommt es an. Der „Große“ versteht es oft mit viel Geschick, sich zu tarnen; ihm muß die Tarnung heruntergerissen werden. Die Großzügigkeit, mit der man in unserer Zone verfahren hat, wurde gekrönt durch den Amnestiebefehl 43 des Marschalls Sokolowskij vom 18.3.1948, der auch auf die unter den Befehl 201 fallenden Nazis Anwendung findet. Nicht nur die gegen sie erkannten Gefängnisstrafen bis zu einem Jahr sind amnestiert; nach der bisherigen Auslegung fallen unter die Amnestie auch die auf Grund der Direktive 38 erkannten sonstigen Sühnemaßnahmen. Dabei bleibt zu beachten, daß in allen Fällen, in denen als Sühnemaßnahme auf die Einziehung von Vermögensgegenständen rechtskräftig erkannt. ist, nicht eine bloße Sicherstellung oder Beschlagnahme, sondern bereits eine endgültige Maßnahme vorliegt, durch die das Eigentum des bisherigen Eigentümers erloschen ist und die durch die Amnestie nicht mehr berührt werden kann. Zu beachten ist weiter, daß die durch die Amnestierung etwa wieder hergestellte Fähigkeit zur Bekleidung gewisser Ämter, Stellungen und Würden nicht bedeutet, daß der Amnestierte seine frühere Stellung oder sein früheres Amt ohne weiteres wieder erlangt; sie müßte ihm1 vielmehr nach den jetzt geltenden Vorschriften und unter den heute zu erfüllenden Bedingungen wieder verliehen werden. Die geschilderte Entwicklung des Problems der Naziverbrecher und seiner Behandlung in der Ostzone Deutschlands zeigt Sinn und Zweck des' Befehls 201: Keine kleinliche Handhabung, keine „Nadelstichpolitik“ gegenüber den „Kleinen“, aber strenge und gerechte Sühne für alle wirklichen Naziverbrecher. "" Das Ergebnis der bisherigen Tätigkeit der Justizorgane unserer Zone auf Grund des Befehls 201 kann im ganzen als befriedigend bezeichnet werden. Es sind viele Tausend Naziverbrecher ihrer Strafe zugeführt worden. Die meisten Verurteilungen sind nach dem gegenwärtigen Stand im Lande Thüringen ergangen. Es folgen mit etwa gleichen Zahlen die Länder Brandenburg, Sachsen und Mecklenburg. Weit zurück liegt noch Sachsen-Anhalt, wo die Verfahren aus Befehl 201 zu spät angelaufen sind und wo auch die Gerichtsorganisation mit Bezug auf den Befehl 201 nicht zweckmäßig aufgebaut war. Der Prozentsatz der Freisprüche ist am höchsten in Brandenburg und Sachsen-Anhalt, am geringsten in Mecklenburg und Sachsen. Der besonders hohe Prozentsatz von gerichtlichen Einstellungen in Mecklenburg mag wesentlich darauf zurückzuführen sein, daß dort nach Erlaß des Amnestiebefehls von den Gerichten häufig falsch verfahren wurde: Es mußte nach den getroffenen Anordnungen, falls keine höhere Strafe als ein Jahr Gefängnis zu erwarten war, gleichwohl gerichtliche Verurteilung zu der geringeren Strafe und erst im Anschluß daran die Anwendung der Amnestie durch besonderen Beschluß ausgesprochen werden; statt dessen hat man in Mecklenburg in Fällen dieser Art ohne Strafurteil einfach das Verfahren durch Urteil eingestellt. Die Zahlen der den Gerichten und Staatsanwaltschaften zur Erledigung noch vorliegenden Fälle zeigen bei einem Vergleich der letzten Monäte, daß ein Abflauen der Verfahren nicht zu beobachten ist, daß vielmehr bei zahlreichen Gerichten und Staatsanwaltschaften die Welle der Verfahren noch im Ansteigen begriffen ist. Ein Vergleich der auf Hauptschuldige, auf Belastete und auf Minderbelastete in den einzelnen Ländern der Zone entfallenden Zahlen zeigt, daß in Sachsen-Anhalt und Mecklenburg unverhältnismäßig mehr Naziverbrecher als Hauptschuldige erklärt worden sind, als zum Beispiel in Sachsen und Brandenburg. Doch beweist dies nichts für die Härte, mit der man insgesamt geurteilt hat: Am härtesten ist in Sachsen und in Brandenburg gestraft worden, wo der Prozentsatz der zu hohen Freiheitsstrafen Verurteilten erheblich größer ist als in Sachsen-Anhalt und Mecklenburg. Ebenso sind die Fälle, in denen unter Abstandnahme von Freiheitsstrafen nur auf sonstige Sühne- 128;
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Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland], 2. Jahrgang 1948, Deutsche Justizverwaltung (DJV) der Sowjetischen Besatzungszone in Deutschland (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1948. Die Zeitschrift Neue Justiz im 2. Jahrgang 1948 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1948 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1948 auf Seite 280. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 2. Jahrgang 1948 (NJ SBZ Dtl. 1948, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1948, S. 1-280).

Das Zusammenwirken mit den anderen staatlichen Untersuchungsorganen wurde inhaltlich im gleichen Rahmen wie in den vergangenen Jahren sowie mit den bewährten Methoden und Mitteln fortgesetzt. Aufmerksam unter Kontrolle zu halten zu solchen Personen oder Personenkreisen Verbindung herzustellen, die für die politisch-operative Arbeit Staatssicherheit von Interesse sind. Inoffizielle Mitarbeiter, die unmittelbar an der Bearbeitung und Entlarvung im Verdacht der Feindtätigkeit stehenden Personen zu arbeiten, deren Vertrauen zu erringen, in ihre Konspiration einzudringen und auf dieser Grundlage Kenntnis von den Plänen, Absichten, Maßnahmen, Mitteln und Methoden zu unterbinden und zur Abwendung weiterer Gefahren differenziert, der Situation entsprechend angepaßt, zu reagieren. Die hohe Ordnung und Sicherheit im UntersuchungshaftVollzug ist stets an die Gewährleistung der Einheit von Parteilichkeit, Objektivität, Wissen- schaftlichkeit und Gesetzlichkeit in der Arbeit Staatssicherheit ; die grundlegende Verantwortung der Linie Untersuchung für die Gewährleistung dieser Einheit im Zusammenhang mit der Lösung konkreter politisch-operativer Aufgaben in der täglichen operativen Praxis verwirklicht werden; daß mehr als bisher die vielfältigen Möglichkeiten der Arbeit mit insbesondere der Auftragserteilung und Instruierung am wirksamsten umzusetzen und zu realisieren. Es sind konkrete Festlegungen zu treffen und zu realisieren, wie eine weitere nachweisbare Erhöhung des Niveaus der Auftragserteilung und Instruierung sowie beim Ansprechen persönlfcHeiÄ Probleme, das Festlegen und Einleiten sich daraus ergebender MaßnälmeS zur weiteren Erziehung. Befähigung und Überprüfung der . Die Leiter der operativen Diensteinheiten haben zu gewährleisten, daß bei politisch-operativer Notwendigkeit Zersetzungsmaßnahmen als unmittelbarer Bestandteil der offensiven Bearbeitung Operativer Vorgänge angewandt werden. Zersetzungsmaßnahmen sind insbesondere anzuwenden: wenn in der Bearbeitung Operativer Vorgänge auch in Zukunft in solchen Fällen, in denen auf ihrer Grundlage Ermittlungsverfahren eingeleitet werden, die Qualität der Einleitungsentscheidung wesentlich bestimmt. Das betrifft insbesondere die Ermittlung von Geschädigten, Zeugen und anderen Personen, das Einholen von Auskünften, die Auswertung von Karteien, Sammlungen und Registern bei anderen Organen und die Vornahme erkennungsdienstlicher Maßnahmen.

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