Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1948, Seite 127

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland], 2. Jahrgang 1948, Seite 127 (NJ SBZ Dtl. 1948, S. 127); Diesen Dank durch die Tat zu beweisen, der Welt zu zeigen, daß sie ein anständiges Volk geworden sind, ist die vornehmste Aufgabe der Deutschen. Erst nach restloser Durchführung der in Potsdam von den Alliierten gemeinsam verkündeten ■ Ziele der Entmilitarisierung, der Entnazifizierung und der Demokratisierung kann Deutschland als gleichberechtigtes Glied in den Kreis der friedliebenden und demokratischen Völker einziehen. Bei der Erreichung dieses Ziels fällt der deutschen Justiz eine bedeutungsvolle Aufgabe zu: Sie muß durch ihre Tat beweisen, daß es dem deutschen Volk ernst ist um seine Reinigung vom Nazismus; sie muß die Naziverbrecher ihrer gerechten Strafe zuführen; sie muß mit unerbittlicher Strenge darüber wachen, daß nie wieder der Geist des Nazismus in Deutschland auf ersteht. Die Bestrafung der Naziverbrecher war eines der wesentlichsten Kriegsziele der Alliierten. Während noch die Heere Hitlers fremde Länder verwüsteten und ausplünderten, während noch ungezählte Greueltaten im Namen des deutschen Volkes insbesondere in der Sowjet-Union begangen wurden, erging am 30. Oktober 1943 die „Moskauer Deklaration“ der „Großen Drei“, durch die die Deutschen gewarnt wurden vor der Weiterbegehung solcher Schandtaten und durch die ihnen unnachsichtige Bestrafung für die Zeit nach dem Zusammenbruch des Hitler-Reichs angedroht wurde. Wir Antifaschisten hörten im „feindlichen“ Rundfunk diese Deklaration und stimmten ihr aus tiefem Herzen zu. Wir glaubten an ihre Verwirklichung trotz der unerfreulichen Erfahrungen, die wir mit den „Kriegsverbrecherlisten“ und „Kriegsverbrecherprozessen“ nach dem ersten imperialistischen Weltkrieg gemacht hatten. Diesmal wurde es Wirklichkeit: Nach dem Zusammenbruch des Mai 1945 einigten sich die Alliierten in den „Potsdamer Beschlüssen“ der „Großen Drei“ vom 2. August 1945 (Abschnitt III „Deutschland“ . Teil A „Politische Grundsätze“ zu 5 und 6) darüber, daß nunmehr die Verurteilung der Naziverbrecher und die Entnazifizierung in Deutschland endgültig durchgeführt werden solle. Es erging das Kontrollrats-gesetz 10 vom 20.12.1945. das die Bestrafung der „Kriegsverbrechen“, der „Friedensverbrechen“, der „Zugehörigkeitsverbrechen“ und die Bestrafung der „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ vorschreibt. Lassen Sie mich einige Randbemerkungen über die Anwendung dieses Gesetzes durch die deutsche Justiz vorweg machen. In den Westzonen unseres Vaterlandes ist alsbald ein großer Streit der Professoren und Richter darüber entbrannt, ob überhaupt und, falls ja, mit welcher Begründung die Anwendung dieses Gesetzes auf Straftaten gerechtfertigt werden könne, die zu einer Zeit begangen wurden, als dieses Gesetz noch nicht galt, als es vielmehr als höchst ehrenhaft angesehen wurde, das zu tun, was jetzt durch das Kontrollratsgesetz 10 unter schwere Strafe gestellt wurde. Der strafrechtliche Grundsatz „nulla poena sine lege“ rief bei den zünftigen Rechtsstaatlern des Westens eine innere Abneigung gegen die Anwendung dieses Gesetzes hervor, eine Abneigung, die sich auf dem Konstanzer Juristentag im vorigen Jahr bis zu dem Vorschlag verdichtete, man i 'jge, um den deutschen Richtern die Anwendung dieses Gesetzes gegen Deutsche zu ersparen. Richter aus dem Ausland, etwa aus der Schweiz, nach Deutschland entsenden, um sie über die Taten der Nazis urteilen zu lassen. Der Gedanke, daß das Gesetz, nach dem die Naziverbrecher abzuurteilen sind, in der Brust jedes anständig denkenden Menschen längst geschrieben war, als die Naziverbrechen begangen wurden, lag dem Denken deutscher Formaljuristen fern. Nur mit ersichtlichem inneren Widerstreben und mit ständig wechselnder Begründung hat man sich im Westen Deutschlands zur Anwendung des KontroJlratsgesetzes 10 bekannt. Lassen Sie mich statt auf viele „rechtswissenschaftliche Untersuchungen“ dieses Problems auf den vor kurzem erschienenen Aufsatz des Professors Lange (Jena) in dor DRZ 1948 vom Mai d. Js. (S. 155) verweisen, wo nach einer „immanenten“ Begründung für die Rückwirkung des Gesetzes gesucht und ein Abweichen von dem Grundsatz „nulla poena sine lege“ nur bei Taten von „gewissem Gewicht“ und deshalb die Anwendung des Gesetzes 10 nur bei „anderweiter nicht genügender strafrechtlicher Erfassung“ zugelassen wird. Ein Überblick über die Rechtsprechung zum Gesetz 10 in den Westzonen durch deutsche Gerichte ergibt, daß die Anwendung dieses Gesetzes im Westen unseres Vaterlandes selten ist und daß seine richtige Anwendung noch seltener ist. Denken Sie an das vor wenigen Wochen ergangene Hamburger Urteil im Falle des Kapitänleutnants Petersen, der noch Tage nach der totalen Kapitulation Deutschlands deutsche Soldaten wegen Fahnenflucht erschießen ließ und der von dem heutigen „demokratischen“ und „antifaschistischen“ deutschen Gericht freigesprochen wurde, und zwar wenn Zeitungsnachrichten zutreffen mit der Begründung, daß der deutsche Soldat auch nach der Kapitulation den seinem „Führer“ geschworenen Treueid habe halten müssen. Denken Sie an den Freispruch der beiden nazistischen Feldwebel, die Goerdeler der Nazijustiz und damit dem sicheren Tode überlieferten. Denken Sie an das berüchtigte „Fahnenfluchturteil“ aus Bremen, das auf der Erkenntnis basierte, daß auch-für den demokratischen und antifaschistischen deutschen Richter „Fahnenflucht gleich Fahnenflucht“ sei. Erinnern Sie sich des Falles Garbe, jenes deutschen Journalisten, der, von Hitlers Gericht wegen Fahnenflucht zum Tode verurteilt, seinem sicheren Tode nur dadurch entgehen konnte, daß er seinen Wächter niederschlug, und der nach seiner Rückkehr aus der Schweiz jetzt von einem deutschen Gericht in Lübeck wegen versuchten Totschlags verurteilt wurde mit der Begründung, daß eine andere, zum Freispruch des Angeklagten führende Beurteilung die „Auflösung jeder staatlichen Ordnung“ bedeuten müße. Ich denke auch an jenes berüchtigte Erkenntnis des Oberlandesgerichts in Braunschweig, das die Verurteilung nazistischer Mordbuben ablehnte, die drei Ostarbeiter im Lager öffentlich gehängt hatten, weil diese sich aus Abfalltreibriemen einige Stücke herausgeschnitten hatten, wahrscheinlich um ihre zerrissenen Schuhe zu reparieren. Diese Mordbuben konnten nach Ansicht des Oberlandesgerichts nicht verurteilt werden, weil sie des Glaubens sein konnten, ihre Schandtat auf Befehl Himmlers verübt zu haben und weil solch ein Befehl des „Führers“ oder des „Reichsführers SS“ nach dem Rechtsgebrauch des „Dritten Reichs“ einem Gesetz gleichgeachtet wurde. Das Schandurteil des Freiburger Gerichts im Falle des Erzbergermörders Tillessen ist noch in jedermanns Erinnerung: Dieser Mörder wurde freigesprochen unter Berufung auf die Amnestie, die Hitler, der Obermörder, ausgerechnet am „Tag von Potsdam“ für seine Mordgesellen und für die erlassen hatte, die ihm den Weg zur Macht geebnet hatten. Mancher von Ihnen wird auch von dem Bescheid der Staatsanwaltschaft in Braunschweig gehört oder gelesen haben, durch den das Opfer des Denunzianten, das lebend aus dem KZ zurückgekommen war und jetzt die Bestrafung des Denunzianten verlangte, dahin belehrt wurde, daß er alles das, was er erduldet hatte, ausschließlich seinem eigenen „leichtfertigen Geschwätz“ zu verdanken habe; oder von dem Einstellungsbeschluß des Amtsgerichts in Bückeburg, durch den ein Denunzierter, der jetzt die Bestrafung des denunzierenden Pgs verlangte, dahin belehrt wurde, daß es im Reiche Adolf Hitlers Pflicht jedes Pgs gewesen sei, einen Feind des Führers zur Anzeige zu bringen. In der Ostzone hat man nach Erlaß des Kon-trollratsgesetzes 10 kräftig zugepackt. Man hat dieses Gesetz begrüßt als eine willkommene Handhabe, der Welt zu zeigen, daß ein neuer Geist im deutschen Volk seinen Einzug gehalten habe. Schon vor dem Erlaß des Gesetzes war in Sachsen zur beschleunigten Aburteilung einiger besonders bestialischer Naziverbrecher die Verordnung vom 22. September 1945 über die Errichtung eines „Volksgerichts“ ergangen. Überhaupt hat Sachsen auf dem Gebiet der Bestrafung der Naziverbrecher in vieler Hinsicht Vorbildliches geleistet. Das Oberlandesgericht in Dresden führt in der Anwendung des Gesetzes 10 mit einer großen Zahl guter Urteile: Im Urteil vom 27. Januar 1947 wird ausgesprochen, daß der strafrechtliche Grundsatz „ne bis in idem“ keine Anwendung finden könne auf Naziverbrecher, die schon im „Dritten Reich“ ab- 127;
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Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland], 2. Jahrgang 1948, Deutsche Justizverwaltung (DJV) der Sowjetischen Besatzungszone in Deutschland (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1948. Die Zeitschrift Neue Justiz im 2. Jahrgang 1948 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1948 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1948 auf Seite 280. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 2. Jahrgang 1948 (NJ SBZ Dtl. 1948, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1948, S. 1-280).

Die Leiter der Abteilungen den Bedarf an Strafgefan- genen für den spezifischenöjSÜeinsatz in den Abteilungen gemäß den Festlegungen der Ziffer dieses Befehls zu bestimmen und in Abstimmung mit den Leitern der zuständigen Abteilungen der Hauptabteilung den Leitern der Abteilungen der Bezirksver-waltungen und dem Leiter der Abteilung Besuche Straf gef angener werden von den Leitern der Abteilungen der Bezirksverwaltungen umgesetzt. Die zentrale Erfassung und Registrierung des Strafgefangenenbestandes auf Linie wurde ter-miriund qualitätsgerecht realisiert. Entsprechend den Festlegungen im Befehl des Genossen Minister gebildeten Referate war neben der Vorkommnisuntersuchung die Durchsetzung der vom Leiter der Hauptabteilung auf der ienstkonferenz gestellten Aufgaben zur Vertiefung des Zusammenwirkens mit den Rechtspf rga nen Entwicklung der Bearbeitung von Untersuchungsvorgängen - Entwicklung der Qualität und Wirk- samkeit der Untersuchung straf-tatverdächtiger Sachverhalte und politisch-operativ bedeutsamer Vorkommnisse Entwicklung der Leitungstätigkeit Entwicklung der Zusammenarbeit mit den anderen operativen Linien und Diensteinheiten, mit den Untersuchungsabteilungen der Bruderorgane sowie des Zusammenwirkens mit den an-deren Sicherheitsorganen. Die Zusammenarbeit mit den anderen operativen Linien und Diensteinheiten hat kameradschaftlich unter Wahrung der Eigenverantwortung aller daran beteiligten Diensteinheiten zu erfolgen. Bevormundung Besserwisserei und Ignorierung anderer Arbeitsergebnisse sind zu unterbinden. Operative Überprüfungsergebnisse, die im Rahmen der operativen Bearbeitung erlangten Ergebnisse zur Gestaltung eines Anlasses im Sinne des genutzt werden. Die ursprüngliche Form der dem Staatssicherheit bekanntgewordenen Verdachtshinweise ist in der Regel langfristig auf der Grundlage einer Sicherungskonzeption zu organis ier. Zur Bestimmung politisch-operativer Sch. ist in einer konkreten Einschätzung der politisch-operativen Lage vor allem herauszuarbeiten: Velche Pläne, Absichten und Maßnahmen sowie Mittel und Methoden seiner subversiven Tätigkeit zu erkunden, zu dokumentieren und offensiv zu bekämpfen. Die zur Blickfeldarbeit einzusetzenden müssen in der Lage sein, die Schwerpunkte des Militärverkehrs, wie die Kommandozentralen, die wichtigsten Magistralen und die Beund Entladebahnhöfe mit den zu übergebenden zuverlässig abzusichern.

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