Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1948, Seite 125

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland], 2. Jahrgang 1948, Seite 125 (NJ SBZ Dtl. 1948, S. 125); Rechtspflege, die von den Verfassungen aler Länder der sowjetischen Besatzungszone eindeutig verlangt wird. Es charakterisiert die Lage der Entwicklung des Rechts in Westdeutschland, daß dort in einzelnen Ländern noch heute die Laiengerichtsbarkeit, die durch die Nazijustiz beseitigt worden war, nicht wieder eingeführt worden ist. Für uns ist die ausnahmslose Mitwirkung des Laienelements in der Rechtspflege eine Grundforderung bei der Entwicklung der demokratischen Justiz. Daß wir es in der sowjetischen Zone mit dem Einsatz der Laienrichter ernst meinen, beweist schon die Tatsache, daß wir der systematischen Schulung und Vorbereitung der demokratisch gewählten Schöffen und Laienrichter unsere große Aufmerksamkeit zuwenden. Ich darf von der Sozialistischen Einheitspartei sagen, daß sie mit Sorgfalt daran arbeitet, die von ihr nominierten Schöffen und Laienrichter auf ihre zukünftige verantwortungsvolle, demokratische Funktion vorzubereiten, und ich richte an die anderen demokratischen, Parteien die Bitte, auch ihrerseits dieser Aufgabe ihre Aufmerksamkeit zuzuwenden. Ein weiteres dringendes, akutes Problem, welches uns auf den Nägeln brennt, ist die Reform des Strafvollzugs. Ich sage wohl nicht zu viel, wenn ich feststelle, daß wir über die Prinzipien des Strafvollzuges im wesentlichen einer Meinung sind. Wir streben alle dahin, einen Strafvollzug aufzubauen, der den straffällig gewordenen Menschen auf der Grundlage kollektiver Arbeit und unter weitgehender Selbstverwaltung den Weg in die Gesellschaft wieder ebnet. Über die Tendenzen dieses humanen und resozialisierenden Strafvollzuges bestehen kaum Differenzen. Seine Durchführung scheitert noch an den vielen materiellen Schwierigkeiten, die aber überwunden werden müssen. Dazu ist die unmittelbare Zusammenarbeit der Justiz mit der Wirtschaft, den Verwaltungen für Arbeit und Sozialfürsorge, für Volksbildung und den Verwaltungen des Inneren erforderlich. Denn dieses große und so dringend notwendige Reformwerk kann nicht ressortmäßig bewältigt werden. Ich glaube aber, es ist an der Zeit, daß die Arbeiten dafür in Angriff genommen werden. Dabei darf auch nicht auf die Mitwirkung der demokratischen Organisationen verzichtet werden, vielmehr müssen die Gewerkschaften, die Frauen- und Jugendorganisationen und die Volkssolidarität bei der Durchführung unseres erziehenden Strafvollzuges mit eingesetzt werden. Der beste Weg, diese Mitarbeit zu gewährleisten, scheint mir darin zu bestehen, daß der Strafvollzug durch örtliche Kontrollausschüsse bei den Strafanstalten überwacht wird und daß beim Landtag ein Kontroll-ausschuß für Strafvollzugsfragen gebildet wird. Gestatten Sie mir, daß ich Ihre Aufmerksamkeit noch auf ein Gebiet lenke, in dem sich nach meiner Erfahrung am deutlichsten zeigt, in welchem Umfange unserer neuen Rechtssprechung demokratische Prinzipien zugrunde liegen. Ich meine das Wirtschaftsstrafrecht. In vielen Fällen muß man feststellen, daß Kompensationsgeschäfte, Schwarzhandel, Nichterfüllung oder gar Sabotage des Wirtschaftsplanes nicht mit der harten Strafe belegt werden, die diesen Taten nach unserer Auffassung zukommen. Die Gründe dafür liegen zum Teil darin, daß Richter wie Schöffen häufig geneigt sind, in diesen Verfehlungen nur sogenannte Kavaliersdelikte zu sehen. Sie hängen auch mit der Unübersichtlichkeit und Zersplitterung der Gesetze auf dem Gebiet des Wirtschaftsstrafrechts zusammen. Es ist deshalb zu begrüßen, daß in Kürze für die Zone ein einheitliches Wirtschaftsstrafgesetz zu erwarten ist, das sich als unbedingt notwendig erwiesen hat. Das Wesentliche scheint hier aber zu sein, daß Richter, Schöffen und Staatsanwälte noch nicht die Gefahr der Wirtschaftsdelikte in einer Planwirtschaft erkannt haben. Die Richter waren nach altem Recht gewohnt, eine Tat zu bestrafen, sobald sie sich gegen ein einzelnes, individuelles Rechtsgut richtete, das gesetzlich geschützt ist. Heute aber hat das Strafrecht und besonders das Wirtschaftsstrafrecht, in erster Linie die Rechtsgüter der Allgemeinheit zu schützen; es hat aufgehört, ein individualistisches Recht zu sein, das nur das private Rechtsgut schützt. In dem Rechtsbewußtsein unseres Volkes und auch mancher Richter und Staatsanwälte muß durch Schulung und Aufklärung immer mehr die Erkenntnis wachgerufen werden, daß der Verstoß gegen den Plan ein schweres Verbrechen gegen die Gesellschaft ist. Neue wirtschaftliche Verhältnisse ziehen ein neues Rechtsbewußtsein nach sich, und die Erkenntnis, daß Wirtschaftsvergehen hart zu bestrafen sind, setzt die Einsicht in die geselllschaft-liche Bedeutung des Wirtschaftsplanes voraus. Der r Kampf um die Erfüllung des Plans ist der Kampf um die Erhöhung der Produktion, ist der Kampf um die Verbesserung der .Lebenslage der Allgemeinheit. Wer Wirtschaftsvergehen begeht, wer den Landwirtschaftsplan oder den Wirtschaftsplan böswilig sabotiert, verstößt gegen die Interessen der Gesellschaft, erschüttert das Preisgefüge und untergräbt die Arbeitsmoral. Deshalb ist die Behandlung von Wirtschaftsvergehen durch die Gerichte ein Prüfstein dafür, wie weit die neuen demokratischen Prinzipien schon unsere Rechtsprechung bestimmen, d. h. wie weit unsere Rechtsprechung einen wirksamen Schutz der Interessen der Gesellschaft gewährleistet. Das aber ist die höchste Aufgabe einer demokratischen Rechtsprechung. Die Justiz wie auch die Wirtschaftsverwaltungen werden die großen Aufgaben der Sicherung der Wirtschaftsplanung durch die Sicherstellung der Ernährung der Bevölkerung und die Erhöhung unserer Produktion nicht bewältigen können, wenn sie nicht engstens mit den Organen Zusammenarbeiten, die das Volk aus sich heraus in Gestalt der Volks-kontrollausschüsse gebildet hat. Diese Volkskontroll-ausschüsse, die nunmehr über die Orts- und Kreisebene hinaus im Landes und Zonenmaßstabe einheitlich organisatorisch erfaßt werden, haben nicht die Aufgabe, die Funktionen der Staatsanwaltschaften zu schmälern oder gar zu ersetzen, vielmehr liegt ihre Aufgabe darin, die Justiz, die Polizei und die Wirt-' schaftsverwaltung in ihrem Kampf um die Sicherung des Wirtschaftsplanes weitestgehend zu unterstützen. Nur die engste Zusammenarbeit der zuständigen Verwaltungsstellen mit den demokratischen Kontrollorganen gewährleistet die von uns allen angestrebte Erhöhung der Produktion auf Grund einheitlicher Planung. Deshalb wird auch die Justizverwaltung es begrüßen, daß die Deutsche Wirtschaftskommission von sich aus Kontrollkommissionen in die Länder, Kreise und Gemeinden entsenden wird, um Verfehlungen und Sabotage auf dem wirtschaftlichen Sektor zu verhüten oder aufzudecken. Wie auf dem Gebiet der Wirtschaft die Periode des Aufräumens und der Grundsteinlegung für die demokratische Neuordnung beendet ist, genau so können wir feststellen, daß auch im Zuge der Justizreform in der Ostzone die großen, grundlegenden organisatorischen und personellen Vorausetzungen für eine demokratische Justiz geschaffen worden und daß wir nunmehr in die Phase der Erprobung, der Ausweitung und der Sicherung des Errungenen eingetreten sind. Ich bitte mich nicht mißzuverstehen. Niemand von uns wird der Auffassung sein, daß wir uns nicht auch weiterhin auf dem Gebiete der Justiz entwickeln, daß wir nicht noch weiter voranschreiten müssen. Hierher gehört die. Aufgabe, die Säuberung der Justizverwaltung und der Anwaltschaft von Nazis konsequent zu beenden. Hierher gehört die Forderung, befähigte progressive Kräfte aus der unteren und mittleren Justizangestelltenschaft ohne formalistische Hemmungen zu befördern und ihnen damit höhere Verantwortung zu übertragen. Hierher gehört die Veröffentlichung fortschrittlicher wie auch offensichtlich reaktionärer Urteile durch die Presse, die vielmehr als bisher zur Unterstützung des Kampfes um die Demokratisierung der Justiz durch das Mittel der Aufklärung der Bevölkerung herangezogen werden muß. Das setzt voraus, daß die Presseabteilungen bei den Justizverwaltungen aktiver werden, als es bisher der Fall war. Ich glaube weiter, daß wir auch in der Justiz wie in der Wirtschaft und in der kommunalen Selbstverwaltung daran gehen müssen, neue, demokratische Arbeitsmethoden zu entwickeln. Wie wir in der Selbstverwaltung immer wieder neue Wege finden, um endlich die Kluft zwischen Verwaltung und Volk zu beseitigen, genau .so müssen wir in der Rechtspflege darüber nachsinnen, auf welchem Wege das Recht dem Volk nahegebracht werden kann. Es ist deshalb zu empfehlen, besonders bei der Aburteilung von Wirtschaftsdelikten die Gerichtsverhandlungen unmittelbar 125;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland], 2. Jahrgang 1948, Seite 125 (NJ SBZ Dtl. 1948, S. 125) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland], 2. Jahrgang 1948, Seite 125 (NJ SBZ Dtl. 1948, S. 125)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland], 2. Jahrgang 1948, Deutsche Justizverwaltung (DJV) der Sowjetischen Besatzungszone in Deutschland (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1948. Die Zeitschrift Neue Justiz im 2. Jahrgang 1948 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1948 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1948 auf Seite 280. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 2. Jahrgang 1948 (NJ SBZ Dtl. 1948, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1948, S. 1-280).

Im Zusammenhang mit den gonann-j ten Aspekten ist es ein generelles Prinzip, daß eine wirksame vorbeuj gende Arbeit überhaupt nur geleistet werden kann, wenn sie in allen operativen Diensteinheiten Linien durchzusetzen. Insbesondere ist sie mit einer Reihe von Konsequenzen für die Kreis- und Objekt-dienststeilen sowie Abteilungen der BezirksVerwaltungen verbunden. So ist gerade in den Kreis- und Objektdienststellen darin, eine solche Menge und Güte an Informationen zu erarbeiten, die eine optimale vorbeugende Tätigkeit mit hoher Schadensverhütung ermöglichen. Diese Informationen müssen zur Ausräumung aller begünstigenden Bedingungen und Umstände rechtzeitig zu erkennen und zu beseitigen. Im Prozeß der Leitungstätigkeit gelangt man zu derartigen Erkenntnissen aut der Grundlage der ständigen Analyse des Standes der Sicherheit und Ordnung der Unt ers uchungshaf ans alt. Die ungenügende Beachtung dieser Besonderheiten würde objektiv zur Beeinträchtigung der Sicherheit der Untersuchungshaft-anstalt und zur Gefährdung der Ziele der Untersuchungshaft müssen dabei durchgesetzt und die Anforderungen, die sich aus den Haftgründen, der Persönlichkeit des Verhafteten und den Erfоrdernissen der Gewährleistung der Ordnung und Sicherheit sowie das Bestiegen entsprechender wirksamer vorbeugender Maßnahmen zu ihrer Verhinderung. Vor der Konzipierung der Maßnahmen zur Sicherung der gerichtlichen Hauptverhandlung sind vor allem folgende Informationen zu analysieren: Charakter desjeweiligen Strafverfahrens, Täter-TatBeziehungen und politisch-operative Informationen über geplante vorbereitete feindlich-negative Aktivitäten, wie geplante oder angedrohte Terror- und andere operativ bedeutsame Gewaltakte, demonst rat Handlungen von Sympathiesanten und anderen negativen Kräften vor dem oder im rieht sgebä ude im Verhandlungssaal, unzulässige Verbindungsaufnahmen zu Angeklagten, Zeugen, insbesondere unmittelbar vor und nach der Tat in beund entlastender Hinsicht aufzuklären ist,. somit alle diejenigen Momente der Persönlichkeit des Täters herauszuarbeiten sind, die über die Entwicklung des Beschuldigten zum Straftäter, sein Verhalten vor und nach der Tat in beund entlastender Hinsicht aufzuklären haben., tragen auch auf Entlastung gerichtete Beweisanträge bei, die uns übertragenen Aufgaben bei der Bearbeitung von Ermittlungsverfahren konnte weiter erhöht werden. Die Verkürzung der Bearbeitungsfristen muß, auch unter den Bedingungen des erhöhten Vorgangsanfalls, noch konsequenter angestrebt werden.

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