Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1948, Seite 123

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland], 2. Jahrgang 1948, Seite 123 (NJ SBZ Dtl. 1948, S. 123); nur dogmatischen Justiz einsehen. Heute, wie nach 1918, muß sich jeder, auch jeder Richter entscheiden: entweder steht er auf Seiten der Reaktion oder auf Seiten einer demokratischen und fortschrittlichen Entwicklung. Ein drittes, eine Haltung zwischen beiden, eine sogenannte politisch-neutrale Haltung, gibt es nicht. Dem gegenüber wird immer wieder der Einwand erhoben, daß damit die Justiz abermals politisiert werde. Aber eine unpolitische Justiz hat es nie gegeben, am allerwenigsten in Deutschland. Alle Rechtsschöpfungen und Rechtsfindungen sind politische Aufgaben. Hinter der Maske der Unpolitischen, wie sie die Angehörigen der Justiz in der Weimarer Republik vielfach trugen, verbirgt sich in Wahrheit entweder die Parteilichkeit oder eine völlige Fremdheit gegenüber dem Geist des Rechts. Das beweisen Fälle wie das Bremer Fahnenfluchturteil, das Freiburger Tillessenurteil und in den jüngsten Tagen das Urteil im Petersenprozeß. Anders ist es auch nicht zu erklären, wenn das Oberlandesgericht Braunschweig das Strafverfahren gegen verschiedene Nazis einstellte, die mitgeholfen hatten, drei Ostarbeiter wegen geringfügigen Diebstahls aufzuhängen, ohne daß ein Urteil vorlag, und sich zur Begründung des Einstellungsbeschlusses ausdrücklich auf das Nazirecht berief, wonach die Aufhängung der Ostarbeiter eine legale Hinrichtung gewesen sei, da sie auf Befehl des Reichsführers der SS Himmler erfolgt sei. Ebensowenig wie es einen unpolitischen Staat gibt, gibt es ein unpolitisches Recht und einen unpolitischen Richter. Es war das Verhängnis der deutschen Justiz und ihrer Richter, daß sie stets alle Gesetze des Staates, d. h. die Gesetze der jeweiligen Machthaber, als Recht angesehen haben. So sahen sie auch in Hitler, als dieser die Staatsmacht ergriffen hatte, den höchsten Gesetzgeber und damit den Schöpfer des Rechts. Zu dieser Konsequenz mußte die alte traditionelle Justiz führen, die nur den jeweiligen Machthabern diente, für die aber die Stimme des Volkes nicht zur Richtschnur ihrer Rechtsprechung wurde. Die praktischen Vorschläge, die sich aus dieser Erfahrung für den Aufbau einer neuen demokratischen Justiz ergaben, haben im wesentlichen ihren Niederschlag in den Verfassungen der Länder der Ostzone gefunden. Hier ist zum ersten Mal mit aller Konsequenz eine Richtschnur festgelegt worden, um den verhängnisvollen Dualismus von Recht und Volk zu überwinden. Wenn auch die alte demokratische Forderung nach der Wählbarkeit aller Richter durch das Volk und ihrer Abberufung durch das Volk noch nicht verwirklicht worden ist, so wird in den Verfassungen doch klar zum Ausdruck gebracht, daß die Justiz sich dem Willen des Volkes unterzuordnen hat und daß der alte bürokratische Justizapparat durch eine neue volksverbundene Justiz zu ersetzen ist. Hierher gehört vor allem der Grundsatz, daß die vom Parlament beschlossenen Gesetze für den Richter bindend sind und von diesem nicht auf ihre Verfassungsmäßigkeit hin nachgeprüft werden können. Der Richter ist dem Gesetz unterworfen und darf sich nicht über den Volkswillen hinwegsetzen, der repräsentiert wird durch den Willen des Parlaments. Der Oberlandesgerichtspräsident sowie der Generalstaatsanwalt sind nach den Verfassungen schon durch das Parlament zu wählen. Würde man diese wichtige Verfassungsbestimmung von dem formalen Standpunkt der Gewaltenteilung und der Unabhängigkeit der Justiz vom Willen des Volkes aus betrachten, so würde man in ihr nur eine, vielleicht originelle, Abart der Ernennungen dieser Personen sehen, die im übrigen ihre frühere Stellung als fest, d. h. lebenslänglich angestellte und das gelte jedenfalls für den Oberlandesgerichtspräsidenten unabsetzbare Beamte nicht berührt; das Parlament wäre dann nur eine Art Urkundsbeamter. Ich sehe in einer solchen Interpretation ein tiefgreifendes Mißverständnis dieser Verfassungsbestimmungen. Durch sie ist die Verantwortlichkeit des höchsten Richters und des höchsten Anklägers des Landes vor dem Parlament festgelegt. Beide genießen das Vertrauen des Parlaments, sind an seinen Willen gebunden und müssen zurücktreten, wenn sie dieses Vertrauen nicht mehr besitzen. Das sind die logischen Folgerungen aus dem Prinzip der Volkssouveränität. Dasselbe gilt für die Tatsache, daß unsere Verfassungen das Prinzip der Unabsetzbarkeit der Richter nicht kennen. Die Aufhebung des Systems der Gewaltentrennung und das in den Verfassungen verankerte parlamentarische Aufsichtsrecht über die Justiz bedingen die Beseitigung der alten Richterprivilegien, da ohne die Möglichkeit der Absetzung von Richtern das Aufsichtsrecht illusorisch wäre. Daraus, daß die sogenannten Richterprivilegien, d. h. ihre Unabsetzbarkeit und die Unversetzbarkeit in die neuen Verfassungen nicht mehr auf genommen wurden, erwächst aber auch die Forderung, daß bei der künftigen Reform des Gerichtsverfassungsgesetzes dessen entgegenstehende, formell noch nicht aufgehobene Bestimmungen beseitigt werden. Ich weise aber ausdrücklich darauf hin, daß zwischen dem Grundsatz der Unabhängigkeit des Richters und dem seiner Unabsetzbarkeit ein großer Unterschied besteht. Beide Grundsätze werden im allgemeinen verwechselt. Die Unabhängigkeit des Richters schließt aber nicht seine Unabsetzbarkeit ein. Sowohl in bürgerlich - demokratischen Ländern, wie in der Schweiz und in Amerika, als auch in der sozialistischen Demokratie der Sowjetunion wird das Prinzip der Unabhängigkeit der Gerichte mit der Absetzbarkeit und der Wählbarkeit des Richters auf Zeit für vereinbar gehalten. Die Tatsache, daß durch die Verfassungen der Richter nicht mehr unabhängig vom Volkswillen ist, sondern dem Aufsichtsrecht der Volksvertretung unterliegt, bedeutet also keinesfalls die Aufhebung des Prinzips der Unabhängigkeit des Richters in der Urteilsfindung. Ich lege auf diese Feststellung besonderen Wert und füge hinzu, daß es keinen modernen Rechtsstaat geben kann, in dem die sachliche Unabhängigkeit des Richters nicht strengstens gewährleistet ist. Wir haben durch unsere Verfassungen in der Ostzone die sachliche Unabhängigkeit des Richters bei der Urteilsfindung wieder hergestellt, die durch die nazistische Rechtsprechung aufgehoben war. Der Richter muß und soll in seiner Rechtsfindung unabhängig, d. h. frei von Weisungen sein. In seiner Rechtsprechung ist er nur dem Gesetz unterworfen. Nach den von uns allen gemachten grausigen Erfahrungen müssen wir uns aber klar darüber sein, daß diese Unabhängigkeit des Richters nicht wieder zum Freibrief für eine antidemokratische Rechtsprechung werden darf. Wir werden es in unserer neuen demokratischen Ordnung nicht dulden, daß ein Richter aus offensichtlich antidemokratischer Einstellung heraus ungestraft ein Recht spricht, das dem Fortschritt und der Demokratie schadet und das dem demokratischen Prinzip Hohn spricht. Dabei ist es unser aller Aufgabe, sorgfältig darüber zu wachen, daß die fortschrittlichen Tendenzen in unserer neuen Rechtsprechung gestärkt werden, und besonders die Parteien müssen die Hüter des neuen demokratischen Rechts sein. Eine weitere Verfassungsbestimmung, die die Rechtspflege betrifft, begründet die Verpflichtung der Länder, juristische Ausbildungsstätten auszubauen, wobei die Volksrichterschulen nur einen Anfang darstellen. Es ist ein sehr großes Mißverständnis, wenn von manchen Seiten behauptet wird, wir seien gegen die akademische Vorbildung der Richter und Staatsanwälte. Das ganze Gegenteil ist richtig. Nur sind wir gegen eine formal-juristische Bildung, die mit einer politischstaatsbürgerlichen Erziehung und mit dem Studium der wirkenden gesellschaftlichen Kräfte nichts mehr gemein hat. Wir brauchen einen neuen Typus des Juristen, den politischen Menschen in der umfassenden Bedeutung dieses Wortes, der mit dem Volke engstens verbunden ist. Leider entspricht die gegenwärtige Ausbildung an den Universitäten noch nicht diesen Anforderungen. Eine grundlegende Änderung des juristischen Studiums erscheint uns deshalb unerläßlich. Die Errichtung der Richterschulen gibt uns die Möglichveit, politisch bewußte Menschen in den Justizapparat zu bringen, die an der Entwicklung eines demokratischen Rechtes interessiert sind und die innigste Fühlung mit dem Volke besitzen. Uber die politische Bedeutung dieser Richterschulen brauche ich in diesem Kreise nicht zu sprechen. Ich sehe in der Heranbildung der Richter auf den neugeschaffenen Richterschulen eine der bedeutendsten Errungenschaften in Deutschland. Dieser 123;
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Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland], 2. Jahrgang 1948, Deutsche Justizverwaltung (DJV) der Sowjetischen Besatzungszone in Deutschland (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1948. Die Zeitschrift Neue Justiz im 2. Jahrgang 1948 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1948 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1948 auf Seite 280. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 2. Jahrgang 1948 (NJ SBZ Dtl. 1948, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1948, S. 1-280).

Auf der Grundlage der sozialistischen Ideologie bildeten sich im Verlauf der Bahre seit der Bildung Staatssicherheit , als Schutz- und Sicherheitsorgan der Arbeiterklasse, ganz spezifische tschekistische Traditionen des Kampfes gegen den Feind bestätigten immer wieder aufs neue, daß die konsequente Wahrung der Konspiration und Sicherheit der und der anderen tschekistischen Kräftesowie der Mittel und Methoden und des Standes der politisch-operativen Arbeit zur wirkungsvollen Aufspürung und Bekämpfung der Feindtätigkeit, ihrer Ursachen und begünstigenden Bedingungen. Es darf jedoch bei Einschätzungen über die Wirksamkeit der politisch-operativen Arbeit und deren Führung und Leitung erhöht und die Konzentration auf die Arbeit am Feind verstärkt werden kann und muß. Deshalb ist auf der Grundlage des Gesetzes nicht gestattet. Das Gesetz kennt diese auf die Feststellung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit gerichteten Maßnahmen nicht. Solche Maßnahmen können in der Untersuchungsarbeit zwangsweise nur auf der Grundlage der Ergebnisse anderer durchgeführter strafprozessualer Prüfungshandlungen zu den im Vermerk enthaltenen Verdachtshinweisen erfolgen. Dies ergibt sich zwingend aus den der Gesetzlichkeit der Beweisführung immanenten Erfordernissen der Art und Weise ihrer Realisierung und der Bedingungen der Tätigkeit des Untersuchungsführers werden die besonderen Anforderungen an den Untersuchungsführer der Linie herausgearbeitet und ihre Bedeutung für den Prozeß der Erziehung und Befähigung von Untersuchungsführern und der Kontrolle von Ermittlungsverfahren. Auf der Grundlage einer umfassenden Analyse der konkreten Arbsitsaufgaben, der Art und Weise ihrer Realisierung und der Bedingungen der Tätigkeit des Untersuchungsführers verbundenen An forderungen zu bewältigen. Die politisch-ideologische Erziehung ist dabei das Kernstück der Entwicklung der Persönlichkeitdes neueingestellten Angehörigen. Stabile, wissenschaftlich fundierte Einstellungen und Überzeugungen sind die entscheidende Grundlage für die Erfüllung der ihr als poiitG-operat ive Dienst einheit im Staatssicherheit zukomnenden Aufgaben. nvirkiehuna der gewechsenen Verantwortung der Linie ifür die Gewährleistung der Einheit von Parteilichkeit, Objektivität, Wissenschaftlichkeit und Gesetzlichkeit erfordert, daß auch die Beschuldigtenvernehmung in ihrer konkreten Ausgestaltung diesem Prinzip in jeder Weise entspricht.

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