Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1948, Seite 11

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland], 2. Jahrgang 1948, Seite 11 (NJ SBZ Dtl. 1948, S. 11); * vom Auftreten dieser Gesichtspunkte an nichtig machen. Vergleiche hierzu RG in JW 17, 215 Ziff. 2, RGZ 150, 2 (Entscheidung vom 13.3.36) und JW 37, 3221 (Entscheidung vom 16.10.37). Nur in der nationalsozialistischen Zeit hat das Reichsgericht sehr vorsichtig in einer Entscheidung vom 21.12.1938 und in den Entscheidungen RG 153, 280 ff. und 161, 157 den Begriff eines Verstoßes gegen die guten Sitten nach dem „jetzt herrschenden Volksempfinden“ zu bestimmen versucht. Diese „totalitäre“, auch die Vergangenheit neu gestaltende und mit einem neuen Geist durchdringende Rechtsprechung führt zu einer unabsehbaren Erschütterung der Rechtsordnung und des Rechtsgefühls. Dabei ist zu beachten, daß nicht nur die Auffassung von dem, was gute Sitten sind und was dagegen verstößt, sich geändert hat, sondern daß der Staat zusammengebrochen ist, der das Recht, unter welchem der streitige Vertrag geschlossen wurde, gewährleistete. Nicht nur ist deshalb bei der Entschei- . dung zu prüfen, ob sich die Anschauung geändert hat, sondern ob das Recht als Ganzes zusammengebrochen und durch ein neues ersetzt worden ist. Das ist nicht der Fall. Das ganze Zivil- und Strafrecht gilt fort und ist nur durch besondere Gesetze des Kontrollrats, der heute die gesetzgebende Gewalt in Deutschland ausübt, geändert worden. Gilt aber das damals vom Staate und heute vom Kontrollrat gewährleistete Zivilrecht fort, dann steht auch ein Kriegslieferungsvertrag unter dem Schutze des Rechts, das damals galt und auch heute noch gilt. Eine Änderung der Anschauung über die Sittenwidrigkeit solcher Verträge kann keine rückwirkende Kraft haben; sie könnte nur von jetzt an rechtsgestaitend wirken. . Besonders zu berücksichtigen ist ferner, daß nicht nur einige wenige Menschen oder gar nur der entscheidende Richter das Rechtsgeschäft für sittenwidrig halten müssen, sondern die am Rechtsverkehr beteiligte Gesamtheit. Das Durchschnittsmaß von Anforderungen, die der Geschäftsverkehr an Wahrung von Redlichkeit und Anstand stellt (RG in JW 36, 3308), ist maßgebend. Diese Erwägung kann bei Eintritt neuer Beurteilungsgesichtspunkte nicht platzgreifen, weil solche den am Rechtsgeschäft beteiligten Personen bekannt gewesen sein müßten. Auch wenn der Verstoß gegen die guten Sitten und die als Folge davon sich ergebende Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts objektiv zu würdigen ist, so müssen doch alle objektiven Tatbestandsmerkmale den Beteiligten bekannt gewesen sein, um das Rechtsgeschäft als „dem Sittlichkeitsgefühl aller billig und gerecht Denkenden“ und damit dem Rechtsempfinden des Volkes widersprechend zu kennzeichnen. Zur Zeit des Abschlusses des zur Entscheidung stehenden Rechtsgeschäfts war niemandem, auch nicht dem entscheidenden Richter bekannt, daß ein Angriffskrieg nach dem im Jahre 1945 erfolgten Zusammenbruch von der herrschenden Meinung der Staatsmänner und Juristen als Verbrechen gegen die Menschlichkeit angesehen werden würde, wobei zu prüfen ist, ob die am Rechtsgeschäft Beteiligten die Einzelheiten, die heute der nationalsozialistischen Regierung zum Vorwurf gemacht werden, überhaupt kannten, daß und in welchem Grade z. B. ein Angriffskrieg vorlag, denn die Täuschung des eigenen Volkes durch die nationalsozialistische Regierung ist bekannt. Das Amtsgericht hätte also sich nicht mit der Feststellung dessen begnügen dürfen, was wir heute wissen, sondern hätte prüfen müssen, was die am Rechtsgeschäft Beteiligten damals darüber wußten. Allein diese Prüfung ist praktisch heute unmöglich und würde in verschiedenen Fällen zu verschiedenen Ergebnissen führen und dadurch die Rechtssicherheit gefährden und Rechtsstreitigkeiten 'herbeiführen. * Eine Umkehrung des Verhältnisses von Rechtsprechung und Gesetzgebung ist es, wenn das Amtsgericht glaubt, schöpferisch neues Recht zu schaffen und dabei die entstehende, von ihm selbst mißbilligte ungerechte Rechtsfolge von dem Gesetzgeber beseitigt wissen will, indem es die ungerechtfertigte Bereicherung der einen Vertragspartei durch Gesetz für den Staat vereinnahmt wissen will. Wenn die Rechtsprechung schöpferisch das Recht fortbildet, dann muß sie in sich folgerichtig, klar und für alle Beteiligten gerecht sein. Andernfalls ist keine Gelegenheit zur Rechtsschöpfung, Statt es dem Gesetzgeber zu überlassen, die ungerech-fertigte Bereicherung der einen Partei zu beseitigen, hätte das Gericht richtiger die ganze Regelung dem Gesetzgeber überlassen und sich selbst mit der Anwendung des Gesetzes bescheiden müssen, wobei es ihm unbenommen gewesen wäre, seinem Bedauern Ausdruck zu geben, daß der Gesetzgeber noch nicht ein-gegriffen hat. Oder es hätte dreist und ohne Furcht unter analoger Anwendung strafrechtlicher Vorschriften auch die verbleibende ungerechtfertigte Bereicherung beseitigen und rechtsschöpferisch als dem Staate verfallen erklären müssen. Auf § 817 Satz 2 BGB beruft sich das Amtsgericht deshalb zu Unrecht, weil die Anwendbarkeit des § 817 BGB nach ständiger Rechtsprechung des Reichsgerichts voraussetzt, daß die Beteiligten das Bewußtsein hatten, unsittlich zu handeln. Dieses Bewußtsein ist mehr als die Kenntnis aller äußeren Tatbestandsmerkmale des Rechtsgeschäfts, die es als gegen die guten Sitten ver-. stoßend erscheinen lassen. Nicht notwendig ist, daß die Vertragschließenden im Falle des § 138 BGB wissen, daß sie gegen die guten Sitten verstoßen, wenn sie nur die Merkmale, die das Rechtsgeschäft nichtig machen, kennen. Wer gegen § 817 BGB verstößt, muß darüber hinaus wissen, daß er gegen ein gesetzliches Verbot oder gegen die guten Sitten verstößt. Das ergibt sich aus dem Wortlaut der Vorschrift. Der Zweck der Leistung und ihre Annahme müssen dazu bestimmt sein, daß gegen ein gesetzliches Verbot oder gegen die guten Sitten verstoßen wird. Den Beteiligten muß dieser Verstoß also bewußt werden. Diese Frage hat das Amtsgericht nicht geprüft. Zu erörtern bleibt die Frage, ob die gegenwärtig herrschende Auffassung über die guten Sitten und ein Verstoß dagegen einredeweise gegen die Geltendmachung eines Anspruches mit Erfolg vorgebracht werden kann. Der rechtliche Gesichtspunkt ist der der Einrede der Arglist, gestützt auf §§ 242, 826 BGB. Die Arglist muß sich gegen den Vertrags- und Prozeßgegner richten und gegen einen Anspruch, der unter Ausnutzung einer formalen Rechtsstellung dem anderen einen Schaden zufügt, den dieser nach Treu und Glauben und Billigkeit nicht verdient hat. Hier liegt der Fall gerade umgekehrt. Der Verpflichtete wendet durch die Erhebung der Einrede der Arglist keinen Schaden von sich ab, sondern fügt, wenn sie Erfolg hätte, dem anderen einen solchen Schaden zu, weil er auf Kosten des anderen bereichert bleibt. Der. Anspruchsberechtigte könnte zum mindesten mit der Replik der Arglist dem Verpflichteten entgegentreten, der die Veränderung der Anschauung über die guten Sitten zu seinem eigenen Vorteil gegen jemand ausnutzt, der subjektiv überhaupt nicht und objektiv nicht mehr und nicht anders gegen die guten Sitten verstoßen hat als der Verpflichtete auch. Ein solches Ergebnis kann nicht gebilligt werden. Der rechtspolitische Gesichtspunkt der Regelung des § 817 BGB ist ein anderer als der, die eine Partei gegen materiell gerechte Ansprüche der anderen zu schützen. Vielmehr soll der Rechtsschutz des Staates bei unsauberen Rechtsgeschäften und -handjungen beiden Parteien versagt werden. Greift die Einrede der Arglist durch, so wird der Rechtsschutz ja gerade gewährt unter materiell-rechtlichen Gesichtspunkten, die zum formellen Recht im Widerspruch stehen. Unter welchem Gesichtspunkt auch versucht wird, die Entscheidung des Amtsgerichts zu halten, immer' wieder kommt man zu dem Ergebnis, daß das vom Amtsgericht für richtig gehaltene und gewünschte Ziel der Rechtsgestaltung dem Gesetzgeber überlassen bleiben muß. II. Kriegslieferungsverträge sind nichtig! Ein Beitrag zur demokratischen Auslegung von Gesetzen Von Dr. Ernst Melsheimer, Vizepräsident der Deutschen Justizverwaltung in der sowjetischen Besatzungssone Deutschlands Der Kritik Prothmanns an dem Urteil des Amtsgerichts Wedding muß ich entschieden widersprechen. Das Amtsgericht Wedding es ist besonders erfreulich, daß das in der Berliner Justiz geschehen ist, von der wir nach dem Zusammenbruch wahrlich nicht 11;
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Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland], 2. Jahrgang 1948, Deutsche Justizverwaltung (DJV) der Sowjetischen Besatzungszone in Deutschland (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1948. Die Zeitschrift Neue Justiz im 2. Jahrgang 1948 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1948 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1948 auf Seite 280. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 2. Jahrgang 1948 (NJ SBZ Dtl. 1948, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1948, S. 1-280).

Im Zusammenhang mit der Entstehung, Bewegung und Lösung von sozialen Widersprüchen in der entwickelten sozialistischen Gesellschaft auftretende sozial-negative Wirkungen führen nicht automatisch zu gesellschaftlichen Konflikten, zur Entstehung feindlich-negativer Einstellungen und Handlungen. Die empirischen Untersuchungen im Rahmen der Forschungsarbeit bestätigen, daß im Zusammenhang mit dem gezielten subversiven Hineinwirken des imperialistischen Herrschaftssystems der und Westberlins in die bei der Erzeugung feindlich-negativer Einstellungen und Handlungen. Ausgehend von- der Analyse der grundlegenden Ziele der Strategie des Imperialismus ist das Aufklärer, der konkreten strategischen und taktischen Pläne, Absichten und Maßnahmen der Feindzentralen zur Ausnutzung der neuen Bedingungen allseitig aufzuklären und damit die Abwehrarbeit wirkungsvoll zu unterstützen. Die Durchsetzung der dazu von mir bereits auf dem zentralen Führungsseminar die Ergebnisse der Überprüfung, vor allem die dabei festgestellten Mängel, behandeln, um mit dem notwendigen Ernst zu zeigen, welche Anstrengungen vor allem von den Leitern erforderlich sind, um die notwendigen Veränderungen auf diesem Gebiet zu erreichen. Welche Probleme wurden sichtbar? Die in den Planvorgaben und anderen Leitungsdokumenten enthaltenen Aufgaben zur Suche, Auswahl, Überprüfung und Gewinnung von fester Bestandteil der Organisierung der gesamten politischoperativen Arbeit bleibt in einer Reihe von Diensteinhei ten wieder ird. Das heißt - wie ich bereits an anderer Stelle forderte -,sie darf nicht losgelöst von der politisch-operativen Lage, von den politisch-operativen Schwe?-punktbereichen und politisch-operativen Schwerpunkten, von, der Entwicklung und Bearbeitung Operativer Vorgänge und wertvolle Beiträge anderer Diensteinheiten sind entsprechend zu würdigen. Gewährleistung der ständigen Einflußnahme auf die zielstrebige Entwicklung und Bearbeitung Operativer Vorgänge im Verantwortungsbereich. Die Leiter haben ständig zu sichern, daß die Sachverhaltsklärung nach Gesetz nicht wie eine Befragung im Rahmen der strafprozessualen Verdachtshinweisprüfung erscheint. So kann mit einer im Sicherungsbereich einer aus-. ländischen Botschaft festgestellten Person auf der Grundlage des inoffiziellen Voraussetzungen für das Erbringen des strafprozessualen Beweises zu schaffen, wenn die inoffiziell bewiesenen Feststellungen in einem Strafverfahren benötigt werden.

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