Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1947, Seite 93

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland], 1. Jahrgang 1947, Seite 93 (NJ SBZ Dtl. 1947, S. 93); in derartiger Schärfe enthalten. Es herrscht zwar Einverständnis, daß trotz des Kriegsverzichts der Verteidigungskrieg und die Verpflichtungen aus den Locarnoverträgen und der Völkerbundsatzung unberührt bleiben und daß ein Krieg entgegen dem Angriffsverbot auch die Vertragspartner von ihrem Kriegsverzicht befreit. Andererseits bringt die abschließende amerikanische Zirkularnote vom 23. 6. 1928 an die in Aussicht genommenen Erstunterzeichner des Paktes, zu denen außer Deutschland, England, Frankreich und Japan auch alle englischen Dominien und die übrigen „Locarno-Mächte“ Belgien, Polen und die Tschechoslowakei gehören, zum Schluß die Überzeugung zum Ausdruck, daß das einfache Verfahren des Paktes „das jahrhundertelange Sehnen der Menschheit nach Weltfrieden seiner praktischen Verwirklichung näher bringen wird, als das jemals bisher in der Weltgeschichte geschehen ist“. Zudem widerspricht es wie im Privatleben auch im Völkerleben den Gepflogenheiten gerade bei feierlichen Verträgen, für den offenen Bruch eingegangener Verpflichtungen bestimmte Sanktionen vorzusehen, da Ursache und Umstände viel zu verschiedenartig sein können, um eine schematische Behandlung zu ermöglichen. , Zur völkerrechtlichen Rechtfertigung der strafrechtlichen Ahndung des Angriffskrieges hebt das Nürnberger Urteil die Analogie mit den Folgen der Verletzung der Haager Kriegsregeln von 1907 (S. 61) besonders hervor, für die übrigens in Art. 3 des IV. Haager Abkommens (Mantelvertrag zur HLK) Verantwortlichkeit der Kriegspartei und Schadensersatzpflicht ausdrücklich vorgesehen ist. Auch derartige Verletzungen stellen verbrecherische Handlungen dar, für die nirgendwo eine Strafe ausdrücklich vorgeschrieben, noch ein mit Anklage und Bestrafung beauftragter Gerichtshof erwähnt sei; und doch hätten seit vielen Jahren Militärgerichtshöfe die der Verletzung der Landkriegsregeln schuldigen Personen zur Verantwortung gezogen und bestraft13). Ein Angriffskrieg sei demgegenüber ebenso rechtswidrig und von noch viel größerer Bedeutung als der Bruch einer dieser Kriegsregeln. Der Gerichtshof verweist alsdann (S. 60 ff.) auf die Vorgeschichte des Kellog-Paktes. Schon in einem Völkerbundsentwurf von 1923 sei der Angriffskrieg als „völkerrechtliches Verbrechen“ bezeichnet, und das habe sich 1924 in dem gleichfalls nicht ratifizierten Entwurf des Genfer Protokolls für die friedliche Beilegung internationaler Streitfälle wiederholt. Vor allem aber finde sich diese Auffassung in der einmütig, auch von Deutschland, angenommenen Entschließung der Völkerbundsversammlung über Angriffskriege vom 24. September 1927, in deren Präambel es heiße:. „in der Überzeugung, daß ein Angriffskrieg niemals ein Mittel zur Beilegung internationaler Streitigkeiten sein kann und infolgedessen ein internationales Verbrechen ist“. Und eine entsprechende Feststellung sei auch von den 21 amerikanischen Republiken auf der 6. panamerikanischen Konferenz zu Havanna vom. 16. 2. 1928 in dem Sinne getroffen, daß „der Angriffskrieg ein internationales Verbrechen gegen die Menschheit darstellt“. Endlich macht der Gerichtshof neben einem Hinweis auf die Versailler Bestimmungen von 1919 Art. 227 ff. (S. 62 ff.) darauf aufmerksam, daß gerade Kriegsrecht sich nicht nur von Verträgen ableitet, sondern „von denjenigen Gebräuchen und Gewohnheiten der Staaten, die allmählich allgemeine Anerkennung gefunden haben und von den allgemeinen Rechtsgrundsätzen, die von Juristen ausgearbeitet und von Militärgerichtshöfen angewandt werden“. Dieses Recht sei kein starres, sondern „folge durch ständige Angleichung den Notwendigkeiten einer sich wandelnden Welt14)“ (S. 61). Durch diese Argumente betrachtet der Gerichtshof den Versuch der Verteidigung, den innerstaatlichen strafrechtlichen Vorkriegsgrundsatz „nullum crimen * sine lege“ gegen die Strafbarkeit des Angriffskrieges als Kriegsverbrechen heranzuziehen, als widerlegt. Mit Rücksicht auf den Charakter des Angriffskrieges als Staatsakt nimmt der Gerichtshof noch kurz zu der 13) Wegen der Entwicklung dieser Frage siehe die Literaturangaben bei Anzilotti S. 361 ff. 14) Siehe hierzu auch die Darstellung über die Entwicklung der zwischenstaatlichen Schiedsgerichtsbarkeit bei Shawcross S. 10 ff. Frage Stellung, ob die ausführenden Einzelpersonen durch die Staatssouveränität vor eigener Bestrafung geschützt seien. Auch diese Frage ist bereits im Statut des Gerichtshofs (Art. 7) beantwortet: „Die amtliche Stellung eines Angeklagten, sei es als Staatsoberhaupt, sei es als verantwortlicher Beamter eines Regierungsamtes, wird weder als Strafausschließungsgrund noch als Strafmilderungsgrund angesehen.“ Das Nürnberger Urteil bringt aber auch hier unter Hinweis auf die amerikanische, vom Obersten Gerichtshof noch 1942 bestätigte Praxis, eigene Argumente dafür, daß Einzelpersonen gerade wegen Verletzungen des Kriegsrechts angeklagt und abgeurteilt' werden können: Verbrechen gegen das Völkerrecht werden von Menschen, nicht von abstrakten Wesen begangen, und nur durch Bestrafung jener Einzelpersonen, die solche Verbrechen begehen, kann den Bestimmungen des Völkerrechts Geltung verschafft werden) (S. 63). „Derjenige," der das Kriegsrecht verletzt, kann nicht deshalb Straffreiheit verlangen, weil er auf Grund der Staatsgewalt handelte, wenn der Staat Handlungen gut heißt, die sich außerhalb der Schranken des Völkerrechts bewegen.“ Diese völkerrechtliche Begründung wird noch weiter vertieft: „Der Führer und derjenige, der den Plan erdachte, bedürfen zu seiner Verwirklichung der Mitarbeit von Staatsmännern, militärischen Führern, Diplomaten und Geschäftsleuten. Sie alle sind verantwortlich, soweit sie in Kenntnis der Ziele des Angriffsplanes ihre Mitarbeit gewährten“ (S. 66). Es kommt nicht etwa auf die formale Ministerverantwortlichkeit an, deren Durchlöcherung auch zu den grundlegenden Mißbräuchen des nazistischen Systems gehörte. Zum Schluß seiner grundsätzlichen Darlegungen zur Frage des Angriffskrieges weist der Gerichtshof (S. 64) noch auf die auch für die sonstigen Kriegsverbrechen wesentliche Frage des Handelns auf Befehl hin. Die Bestimmung des Art. 8 des Status hierüber lautet: „Die Tatsache, daß ein Angeklagter auf Befehl seiner Regierung oder eines Vorgesetzten handelte, schließt seine Schuld nicht aus, kann aber als Strafmilderungsgrund herangezogen werden." Der Gerichtshof bemerkt hierzu, daß er (für die Möglichkeit einer Strafmilderung) die entscheidende Frage darin sieht, ob eine dem Sittengesetz entsprechende Wahl tatsächlich möglich war. Die strafrechtliche Ahndung des völkerrechtswidrigen Verbrechens des Angriffskrieges an den dafür verant- wortlichen Individuen18 *) ist der wesentliche neue Rechtssatz des Nürnberger Urteils. Die Neuheit des Rechtssatzes ergibt sich namentlich bei Heranziehung der Darstellungen der Fragen des völkerrechtlichen Delikts in der älteren Literat15 * ur17). Der Gerichtshof beschränkt sich aber auf die Prüfung der Anwendung dieses Rechtssatzes in bezug auf die konkreten Vorgänge und die einzelnen Angeklagten. Von dem Versuch einer allgemein gültigen Definition des Angriffskrieges18) sieht er ab. Die Frage, ob Angriffshandlungen als Repressalien etwa nicht unter das unbedingte Angriffskriegsverbot fallen, wird nicht gestreift18). Auch die Möglichkeit der Zuständigkeit anderer Instanzen als der eines internationalen Militärgerichtshofes für die Prüfung der völkerrechtlichen und strafrechtlichen Verantwortlichkeit bleibt unerörtert. Dagegen macht der Gerichtshof (S. 56/58) darauf aufmerksam, daß die beteiligten Angeklagten außer gegen den Kellogg-Pakt noch gegen eine ganze Reihe anderer Verträge verstoßen haben. Die Unterlage hierzu bildet die historische Darstellung (S. 28 bis 55), auf die näher einzugehen hier nicht möglich ist. Zu den Verträgen gehören nach Auffassung des Gerichshofes Art. 2 des ersten Haager Abkommens von 1907 (1899), wonach „soweit es die Umstände gestatten“, vor Ergreifung der Waffen Vermittlung oder gute Dienste anderer Mächte in Anspruch genommen werden sollen20), das dritte Haager Abkommen über die Notwendigkeit einer den Feindseligkeiten voraufgehenden Kriegserklärung mit Gründen oder eines befristeten Ultimatums, die Versailler Bestimmungen über die entmilitarisierte 15) Ähnlich auch Shawcross S. 19. ) Wegen der Organisationen siehe unten, C. 1?) Vgl. etwa v. Liszt S. 196 ff., Anzilotti S. 360 ff. 18) über den Stand dieser Frage vgl. Shawcross S. 21 ff. io) Vgl. Strupp S. 200, m. E. mit Recht verneinend. 20) Siehe hierzu aber Shawcross S. 7. 93;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland], 1. Jahrgang 1947, Seite 93 (NJ SBZ Dtl. 1947, S. 93) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland], 1. Jahrgang 1947, Seite 93 (NJ SBZ Dtl. 1947, S. 93)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland], 1. Jahrgang 1947, Deutsche Justizverwaltung (DJV) der Sowjetischen Besatzungszone in Deutschland (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1947. Die Zeitschrift Neue Justiz im 1. Jahrgang beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1947 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1947 auf Seite 264. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 1. Jahrgang 1947 (NJ SBZ Dtl. 1947, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1947, S. 1-264).

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