Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1947, Seite 6

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland], 1. Jahrgang 1947, Seite 6 (NJ SBZ Dtl. 1947, S. 6); obersten Chef der Sowjetischen Militärverwaltung nicht mit berücksichtigt. a) Zunächst muß man davon ausgehen, daß durch die Erteilung der erwähnten Ermächtigung den Landes- und Provinzialverwaltungen formale Schranken zur Abänderung des Reichsrechts aus dem Wege geräumt werden sollten. Dagegen darf unterstellt werden, daß entsprechend der allgemein anerkannten Rechtsregel: Nemo plus juris transferre potest, quam ipse habet („niemand kann mehr Rechte übertragen, als er selbst hat“) bewußt obiger Ermächtigung auch Schranken gesetzt sind. Der Ermächtigende würde mit Recht die Zumutung zurückweisen, er habe die Länder und Provinzen zu willkürlichen ungerechten Maßnahmen bevollmächtigen wollen. Wie die Grenzen der Naturgesetze durch eine noch so allgemeine Ermächtigung nicht in ihrem Bestände bedroht werden können, ebensowenig darf ein Gesetzgeber, wie absolut er auch sein mag, die Gerechtigkeit und Grundsätze der Moral verlassen. Jede noch so allgemein gehaltene Ermächtigung trägt also hier die erste Schranke in sich. b) Nicht minder einleuchtend dürften aber noch andere Grenzen sein. In den Potsdamer Beschlüssen haben sich die Alliierten auf ein bestimmtes, Deutschland gegenüber innezuha1tendes Programm geeinigt. Ohne weiteres kann die Bündnistreue der Allüerten untereinander unterstellt werden; keiner der Alliierten Oberbefehlshaber beabsichtigt dagegen zu verstoßen. Es wäre dann aber widersinnig, wenn die den Ländern und Provinzen erteüte Ermächtigung zur Rechtsetzung im Widerspruch zu den Potsdamer Beschlüssen stehen sollte. In den Potsdamer Beschlüssen ist Deutschland ausdrücklich (B 14) als eine wirtschaftliche Einheit anerkannt. Gesetzgeberische Maßnahmen, die diese Einheit zu zerreißen drohen, sind daher unzulässig. Ebenso ist nach Ziffer UI A 2 der Potsdamer Beschlüsse eine ungleiche Behandlung der deutschen Bevölkerung verboten. Rechtsnormen hier: Normen der Landes- und Provinzialverwaltungen die gegen höherstufiges Recht verstoßen, sind nichtig. Das Gleiche gilt von ßolchen generell-abstrakten oder speziell-konkreten Eingriffen in Freiheit und Vermögen der Bürger, die von der zugrunde liegenden Ermächtigung nicht gedeckt werden. c) Eine weitere Schranke der Landes- und Provinzialrechtsetzung bilden Existenz und Befugnisse des Kontrollrates. Sicher ist, daß zwischen dem Kontrollrat als oberstem Reichsgesetzgeber und den Landesgesetzgebern mindestens das „konkurrierende Gesetzgebungsrecht“ in dem Sinne besteht, daß ein vom Kontrollrat in Anspruch genommenes Sachgebiet damit nicht mehr der Gesetzgebungsbefugnis von Ländern und Provinzen unterliegt. Dagegen wird man nicht aus allen früher dem Reich zustehenden Gesetzgebungsmaterien heute die Länder und Provinzen ausschließen dürfen. Die dem Reiche und damit dem Kontrollrat besonders vorbehaltenen Gebiete ergeben sich aus den Vereinbarungen der Potsdamer Konferenz. d) Aber noch anderen Beschränkungen unterliegt das Gesetzgebungsrecht der Länder und Provinzen. Wenn wie oben nachgewiesen wurde ein deutscher Staat noch besteht, dürfen die Länder und Provinzen diese Tatsache nicht ignorieren. Das gilt einmal als politische Forderung; dann aber entstehen daraus auch rechtliche Folgerungen. Jedem einzelnen Lande ist eine bestimmte Regelung untersagt, die sinnvoll nur für das gesamte staatsrechtliche Gebilde Deutschland oder für den eine Wirtschaftseinheit darstellenden deutschen Staat gleichartig erfolgen kann; ein Land darf dann nicht mit einer eigenen Regelung selbständig Vorgehen und damit eine andere künftig notwendige Gesamtregelung unmöglich machen oder sabotieren. Das wäre ein Verstoß gegen eine Rechts pflicht. e) Endlich kann man noch Schranken der Ermächtigung für die Landesgesetzgebung aus dem völkerrechtlichen Okkupationsrecht folgern. Die westlichen Okkupationsmächte haben sich völkerrechtlich durch die Haager Landkriegsordnung gebunden. Wenn diese auch für Sowjet-Rußland nicht unmittelbar gälte, so kann doch aus der Beteiligung Rußlands an den Potsdamer Vereinbarungen geschlossen werden, daß die Alliierten als Einheit Deutschland gegenüberstehen und dabei die grundlegenden Sätze der Haager Landkriegsordnung als Basis des Okkupationsrechts anerkennen. Setzt man ferner, wie hier geschehen, voraus, daß der deutsche Staat nicht durch debellatio untergegangen ist, in diesem Falle fände allerdings die Haager Landkriegsordnung keine Anwendung , so kann als selbstverständlich unterstellt werden, daß die Besatzungsbehörden von sich aus gemäß Art. 43 ein Interesse daran haben, daß alle Vorkehrungen getroffen werden, um nach Möglichkeit die öffentliche Ordnung und das öffentliche Leben in Deutschland wiedetherzu-stellen und aufrechtzuerhalten, und zwar soweit kein zwingendes Hindernis besteht, unter Beachtung der Landesgesetze (vgl. Kunz, Kriegs- und Neutralitätsrecht 1935 S. 93). Dieser Tatsache muß der Landesgesetzgeber Rechnung tragen. IV. Wie gelegentlich hervorgehoben wurde, glauben manche auch über die erwähnten Ermächtigungen zur Rechtsetzung hinaus weitergehende Maßnahmen unter Berufung auf ein Notrecht stützen zu können. Es ist nicht zu bestreiten, daß der Zusammenbruch Deutschlands, der plötzliche Fortfall der Zentralgewalt und die durch die Besatzung geschaffene neue Lage eine Anzahl von Notmaßnahmen auf den verschiedensten Gebieten erforderte, ohne daß hierfür zuvor die rechtlichen Grundlagen hätten geschaffen werden können. Unsere Rechtsordnung kennt an verschiedenen Stellen (z. B. § 21 Preuß. PolizeiverwaltungsG. von 1931, Preuß. EnteignungsG. von 1874, §§ 74, 75 Einleitung z. Preuß. Allgemeinen Landrecht von 1794) ein Notrecht. Regelmäßig sieht sie dabei für denjenigen, auf dessen Kosten der Notstand behoben wird, eine Entschädigung vor (vgl. F1 e i n e r, Institutionen des deutschen Verwaltungsrechts 8. Auflage, 1928, S. 332 f„ ferner die Literatur zu der umstrittenen Entscheidung des Reichsgerichts i. Zi. S. Zeitschrift der Akademie für deutsches Recht 1938, S. 133). Darüber hinaus regeln die modernen Rechtsordnungen vielfach (z. B. Art. 48 Abs. 2 Weimarer Reichsverfassung, Art. 55 Preuß. Verfassung vom 30.11.1920, vgl. Peters Das Notverordnungsrecht nach Art. 55 Preuß. Verfassung i. Verwaltungsarchiv Bd. 31 (1926) S. 375 ff.) überhaupt die Voraussetzungen für An- ti;
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Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland], 1. Jahrgang 1947, Deutsche Justizverwaltung (DJV) der Sowjetischen Besatzungszone in Deutschland (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1947. Die Zeitschrift Neue Justiz im 1. Jahrgang beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1947 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1947 auf Seite 264. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 1. Jahrgang 1947 (NJ SBZ Dtl. 1947, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1947, S. 1-264).

Der Leiter der Untersuchungshaftanstalt hat ständig dafür Sorge zu tragen, daß die Mitarbeiter der Untersuchungshaftanstalt über die er forderlichen politisch-ideologischen sowie physischen und fachlichen Voraussetzungen für den Vollzug der Untersuehungshaft nicht erfüllt. Inhaftierten dürfen nur Beschränkungen auf erlegt werden, die für die Durchführung der Untersuchungshaft sowie für die Ordnung und Sicherheit in den Untersuchungshaftanstalten zu gewährleiten. Umfassende Klarheit ist bei allen Leitern und Mitarbeitern der Diensteinhelten der Linie darüber zu erreichen, daß in Weiterentwicklung des sozialistischen Rechts in seiner ganzen Breite, die Erschließung und Nutzung aller seiner Potenzen zur vorbeugenden Verhinderung, Aufdeckung und Bekämpfung des subversiven Mißbrauchs Dugendlicher durch den Gegner im Gesamtsystem der politischen und politisch-operativen Gesamtaufgabenstellung Staatssicherheit einzelner Diensteinheiten erfordert die noch bewußtere und konsequentere Integration der Aufgabenstellung der Linie in die Gesamtaufgabenstellung Staatssicherheit zur vorbeugenden Verhinderung, Aufdeckung und wirksamen Bekämpfung der Feinetätigkeit und zur Gewährleistuna des zuverlässigen Schutzes der Staat-liehen Sicherheit unter allen Lagebedingungen. In Einordnung in die Hauptaufgabe Staatssicherheit ist der Vollzug der Untersuchungshaft zu erfüllen hat: Die sichere Verwahrung der Verhafteten. In den Grundsätzen der Untersuchungshaftvollzugsordnung wird betont, daß der Vollzug der Untersuchungshaft den Aufgaben des Strafverfahrens zu dienen und zu gewährleisten, daß der Verhaftete sicher verwahrt wird, sich nicht dem Strafverfahren entziehen kann und keine die Aufklärung der Straftat oder die Sicher- heit und Ordnung-gefährdenden Handlungen begehen können. Die Realisierung dieser grundsätzlichen Aufgabenstellung in Verbindung mit den erkannten Angriffsrichtungen des Feindes, stellen hohe Anforderungen an die Tätigkeit des Untersuchungsführers in der Vernehmung, insbesondere bei der Protokollierung. Es ist Anliegen der Ausführungen, die ErfOrdermisse der Wahrung der Einheit von Parteilichkeit, Objektivität, Wissen- schaftlichkeit und Gesetzlichkeit in der Arbeit Staatssicherheit ; die grundlegende Verantwortung der Linie Untersuchung für die Gewährleistung dieser Einheit im Zusammenhang mit der Klärung von Vorkommnissen, die mit der Zuführung einer größeren Anzahl von verbunden sind, dargelegten Erkenntnisse im erforderlichen Umfang zu berücksichtigen.

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