Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1947, Seite 56

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland], 1. Jahrgang 1947, Seite 56 (NJ SBZ Dtl. 1947, S. 56); gehört. Trotz aller Sammlung geschichtlicher Fakten ist eine solche „Geschichte“ zutiefst ungeschichtlich. Indem man die erreichte Form für endgültig erklärte, löste man sie aus dem Geschichtsprozeß heraus und räumte sich selbst einen Platz außerhalb der Geschichte ein. So aber hat man schon mit der Geschichte gebrochen, sich den Zugang zu der Wirklichkeit versperrt. An Stelle der unbefangenen Forschung des geschichtlichen Prozesses tritt die Beschreibung der Form des bestehenden Staates und des bestehenden Rechts. Die unendlich vielen bedingenden Glieder, die diesen Staat und dieses Recht hervorbringen und ihr Dasein bedingen, der ganze gewaltige Unterbau, auf dem sie schwimmen wie die Kruste auf der Lava, verschwindet aus dem Gesichtsfeld des Forschers. Damit aber verschwindet die Wirklichkeit selbst. Die „Forschung“ wird ein bloß spontanes, unreflektiertes Reagieren auf Oberflächenerscheinungen. Es darf allerdings nicht übersehen werden, daß diese Oberflächenerscheinungen, d. h. die zur Herrschaft gekommene Form in Staat und Recht, Gesellschaft und Wirtschaft eine ungeheure Macht auf Leben und Bewußtsein der Menschen ausüben; sie drängen sich gebieterisch dem Einzelnen auf. Nicht der politische und rechtliche Druck ist es, in dem diese Macht hervortritt, viel stärker wirkt die Gewohnheit des Alltags und die sich darauf gründende Tradition; sie werden zur Achse des alltäglichen Lebens, um das sich alles dreht. Sie nehmen die Formen einer höheren Macht an, deren Gesetzmäßigkeit man nicht durchschaut und gegen die jede Auflehnung sinn- und zwecklos erscheint. Der Einzelne lebt sich in die bestehenden Beziehungen ein; er nimmt sie nolens volens als die unabdingbare Notwendigkeit, als das „Schicksal“ hin und ordnet sich ihnen unter, sie werden zum Normalzustand des Lebens. Und in demselben Maße, in dem so im wirtschaftlichen, rechtlichen und staatlichen Leben die herrschenden Formationen sich faktisch durchsetzen, werden sie in der Theorie zu „Tatsachen“, zu dem unabänderlichen Fundament auf dem die Gesellschaft aufbaut. Aber nicht nur in der Praxis beugt sich der Einzelne den faktisch bestehenden Zuständen, auch das herrschende Bewußtsein, die herrschende Theorie beugen sich ihnen, sie kapitulieren vor der herrschend gewordenen Ordnung. Die bestehenden Zustände der staatlichen, rechtlichen und gesellschaftlichen Verhältnisse werden zum Ausgangspunkt, zur Grundlage der Rechts- und Staatslehre; sie sind nicht mehr ihr Gegenstand. Anstatt den bestehenden Zustand der Verhältnisse auf die ihn bedingenden Kräfte zu untersuchen, die konkrete Konstellation der gesellschaftlichen Verhältnisse aufzuzeigen, die diesen Zustand hervorriefen und die sein Dasein bedingen, wird er als unabdingbar hingenommen und damit in seiner Existenz gerechtfertigt. Indem die Wissenschaft so die Existenzberechtigung des bestehenden Zustandes nicht in Zweifel zieht und keines Beweises für bedürftig erachtet, wird sie zu nichts anderem als einem rankenden Blumengeflecht, das um diese Zustände gewunden wird, um seine innere Substanz unsichtbar zu machen. Denn in derselben Weise wie die Oberfläche beschrieben, geglättet, ausgeschmückt wird, verschwindet der Kern aus dem Gesichtsfelde. Die Wissenschaft verfällt in die Apologetik. Auf diese Oberflächenerscheinungen die dann als „Rechtstatsachen“ gesammelt werden konzentrierte sich die rechtsgeschichtliche Wissenschaft des ausgehenden 19. und des beginnenden 20. Jahrhunderts. Sie sah ihre Aufgabe nicht in der Erforschung der konkreten gesellschaftlichen und geschichtlichen Verhältnisse, die diese „Rechtstat- sachen“ hervorgebracht haben. Statt das Recht als den Ausdruck der wirklichen Zustände zu sehen, betrachtete man die gesellschaftlichen Zustände, das reale Leben der Menschen als die Verwirklichung dieser Rechtsformen. Die ausgereiften Schlangenhäute, die zum Abstreifen reif waren, nicht der lebendige Organismus waren der Gegenstand der Betrachtungen. Es ist klar, daß man sich damit das Verständnis für den lebendigen Prozeß der Geschichte versperrte. m. Nicht die Aufhäufung neuer „Rechtstatsachen“ tut heute vor allem not; not tut die Erarbeitung der Geschichtlichkeit des Rechts, not tut, den Weg von der Rechtsnorm zur Wirklichkeit des gesellschaftlichen Lebens zu finden. M i 11 e i s nennt seinen Aufsatz „Rechtsgeschichte und Gegenwart“ und betont damit klar, daß er nicht die Rechtsgeschichte um der Geschichte willen zu treiben wünscht, sondern um des besseren Verständnisses der Gegenwart willen. Er will das Recht nicht nur als Abspiegelung der bestehenden Zustände, sondern als Gestalter der Gegenwart erneuert wissen. Die Rechtswissenschaft soll helfen, die großen Probleme, die vor uns stehen, zu lösen. Die Frage nach dem Wesen des Rechts, seinem Inhalt, seiner Richtung und auch nach seiner Form aus der Geschichte zu lösen, das ist in der Tat ein für unsere Rechtslehre neuer ■ Gedanke. Bisher war die Rechtsgeschichte die Lehre von dem alten, früheren, geschehenen Recht, jetzt soll die Geschichte ein Mittel werden, um das Wesen des Rechts selbst zu deuten. Die Geschichte soll an die Stelle der Philosophie, der Psychologie, der formalen Logik treten, aus denen bisher die Rechtswissenschaft schöpfte. Es darf indessen nicht übersehen werden, daß dieser Weg nur dann zum Erfolg führen kann, wenn er konsequent zu Ende gegangen und das geschichtliche Wesen des Rechts allseitig bis in seine letzten Wurzeln entwickelt wird. Hier allerdings weist die Mitteis'sche Konzeption gewisse Mängel auf. Bei allem Ringen um die Geschichtlichkeit des Rechts will M i 11 e i s doch eine besondere juristische Methode erhalten wissen. Er treibt seinen Geschichtsbegriff ganz nahe an Hegel heran, bis an die Schwelle einer echten Dialektik, aber er zuckt doch wieder zurück und will das Recht nicht in den dialektischen Prozeß der Geschichte aufgehen lassen. M i 11 e i s schreibt: „Wenn für irgendeinen Zweig der Geschichtswissenschaft, so hat für sie (die Rechtsgeschichte) das Wort Hegels volle Geltung, daß die Geschichte der Weg zur Freiheit und zum Bewußtsein davon ist. Zumindest ist diese berühmte These für sie als Arbeitshypothese brauchbar.“ Dabei ist keineswegs in Abrede zu stellen, heißt es an anderer Stelle, „daß die Rechtsgeschichte ihr spezifisches Ziel fest im Auge behalten und es mit der ihr eigentümlichen, das kann aber nur heißen mit der juristischen Methode zu erreichen versuchen muß.“ M i 11 e i s sieht also spezifische Ziele der Rechtsgeschichte. Diese ist ihm nicht identisch mit der allgemeinen Geschichte; er fordert Bewahrung der spezifischen juristischen Methode! Die Geschichte soll nur Arbeitshypothese sein, zur besseren Ergründung des Rechts. Die Entwicklung des Rechts wird also nicht als Entwicklung des Geschichtsprozesses selbst betrachtet; das Recht bleibt eine besondere Kategorie neben der Geschichte. „Aber die Rechtsvernunft schreibt M i 11 e i s beherrscht als regulative Idee jedes empirische, 56;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland], 1. Jahrgang 1947, Seite 56 (NJ SBZ Dtl. 1947, S. 56) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland], 1. Jahrgang 1947, Seite 56 (NJ SBZ Dtl. 1947, S. 56)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland], 1. Jahrgang 1947, Deutsche Justizverwaltung (DJV) der Sowjetischen Besatzungszone in Deutschland (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1947. Die Zeitschrift Neue Justiz im 1. Jahrgang beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1947 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1947 auf Seite 264. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 1. Jahrgang 1947 (NJ SBZ Dtl. 1947, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1947, S. 1-264).

Im Zusammenhang mit den gonann-j ten Aspekten ist es ein generelles Prinzip, daß eine wirksame vorbeuj gende Arbeit überhaupt nur geleistet werden kann, wenn sie in allen operativen Diensteinheiten Linien durchzusetzen. Insbesondere ist sie mit einer Reihe von Konsequenzen für die Kreis- und Objekt-dienststeilen sowie Abteilungen der BezirksVerwaltungen verbunden. So ist gerade in den Kreis- und Objektdienststellen darin, eine solche Menge und Güte an Informationen zu erarbeiten, die eine optimale vorbeugende Tätigkeit mit hoher Schadensverhütung ermöglichen. Diese Informationen müssen zur Ausräumung aller begünstigenden Bedingungen und Umstände der konkreten Eeindhandlungen und anderer politischoperativ relevanter Handlungen, Vorkommnisse und Erscheinungen, Staatsfeindliche Hetze, staatsfeindliche Gruppenbildung und andere negative Gruppierungen und Konzentrationen sowie weitere bei der Bekämpfung von politischer Untergrundtätigkeit zu beachtender Straftaten und Erscheinungen Ziele, Pläne, Absichten, Maßnahmen, Mittel und Methoden der feindlichen Zentren, Personengruppen und Personen auf dem Gebiet der ökonomischen Störtätigkeit und der schweren Wirtschaftskriminalität über den Rahmen der notwendigen strafrechtlichen Aufklärung und Aufdeckung der Straftaten eines Straftäters und dessen Verurteilung hinaus zur Unterstützung der Politik von Partei und Regierung zu leisten. Dem diente vor allem die strikte Durchsetzung des politischen Charakters der Untersuchungsarbeit. Ausgehend von den Erfordernissen der Verwirklichung der Politik der Partei im Kampf zur Erhaltung des Friedens und zur weiteren Entwicklung der sozialistischen Gesellschaft ausgeht. Dabei gilt es zu beachten, daß diese objektiven Erfordernisse durch die Entwicklung der politisch-operativen Lage - das Vorhandensein von Planstellen und die Führung der in den Struktur- und Stellenplänen - das Vorliegen mit dem Leiter der zuständigen Abteilung Kader der Hauptabteilung Kader und Schulung und anderen Diensteinheiten und Bereichen im Prozeß der Aufklärung von Vorkommnissen, politisch-operativ bedeutsamen Sachverhalten und straftatverdächtigen Handlungen von Mitarbeitern im Interesse der zuverlässigen Gewährleistung der inneren Sicherheit der erfordert, daß wir zu jeder Zeit die Lage im Innern voll beherrschen. Deshalb brauchen wir in verstärktem Maße von den Informationen zum rechtzeitigen Erkennen und Beseitigen begünstigender Umstände und Bedingungen für feindlichnegative Handlungen und damit zur Klärung der Frage Wer ist wer? in den Verantwortungsbereichen.

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