Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1947, Seite 257

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland], 1. Jahrgang 1947, Seite 257 (NJ SBZ Dtl. 1947, S. 257); Ser Rechtsanwalt Dr. H. ln R. in Thüringen legte dagegen noch am selben Tag Berufung ein, die indes erst am 9. Juni 1947 in Guben einging. Daraufhin verwarf sie das Amtsgericht als unzulässig. Den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wies das Landgericht Cottbus zurück, da ein unabwendbarer Zufall nur Vorgelegen habe, falls auch ein Telegramm, was man aber nicht annehmen könne, verspätet eingetroffen sei. Auf die sofortige Beschwerde des Angeklagten hob das Oberlandesgericht diesen Beschluß auf und bewilligte die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Aus den Gründen: Wie die Senate zwar in ständiger Rechtsprechung ausgeführt haben, sind die durch die postalischen Schwierigkeiten entstandenen Versäumnisse“ nicht schlechthin als unabwendbarer Zufall im Sinne des § 44 StPO anzusehen. Von der rechtssuchenden Bevölkerung ist zu verlangen, daß sie alle ihr zumutbaren Schritte unternimmt, um trotz der ungünstigen Postverhältnisse die Fristen zu wahren. Das ist in diesem Fall aber geschehen. Wenn der Beschwerdeführer am gleichen Tag, an dem er die Entscheidung zugestellt erhielt, seinen Verteidiger aufsuchte und dieser unverzüglich am übernächsten Tage wegen des dazwischenliegenden Sonntags die Rechtsmittelschrift der Post zur Beförderung übergab, so haben der Angeklagte wie sein Verteidiger alles getan, was von ihnen zur Wahrung der Frist billigerweise gefordert werden konnte. Wird eine Rechtsmittelschrift in der ersten Hälfte einer Rechtsmittelfrist der Post zur Beförderung übergeben, so ist das als ausreichend anzusehen. Wollte man der Auffassung des Landgerichts folgen, so wäre die Rechtsmitteleinlegung heutzutage in den meisten Fällen nur durch Absendung von -Telegrammen möglich. Schon allein der Kosten wegen kann eine derartige Handhabung den Parteien nicht zugemutet werden, sofern sie, wie hier, unverzüglich das Rechtsmittel einlegen. Zum Kontrollratsgesetz Nr. 10. Die Züchtigung von Strafgefangenen kann ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit sein, auch wenn ein Erregungszustand den Beweggrund für die Tat bildete. Der Begriff des Verbrechens gegen die Menschlichkeit erfordert nicht, daß der Täter den besonderen Typ eines „Unmenschen“ darstellt. OLG Dresden, Urteil vom 12. 9. 1947 20.182/47. Aus den Feststellungen des Urteils ergibt sich, daß der Angeklagte, der auf Besuch bei seinem Vater, einem Gefängnisverwalter, war, im Gefängnis unmittelbar nach einem Fliegerangriff Gefangene, die ihm während des Angriffs seinen Reiseproviant an Nahrungsmitteln entwendet hatten, durch Schläge und auf andere Weise mißhandelt hat. Das Schwurgericht hat ihn nur wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilt, lehnt aber die Anwendung des Kontrollratsgesetzes Nr. 10 und die Verurteilung wegen Verbrechens gegen die Menschlichkeit mit der Begründung ab, unter unmenschlichen Handlungen seien nur solche Handlungen zu verstehen die aus einer unmenschlichen Gesinnung heraus begangen seien. Dies sei bei dem Angeklagten nicht der Fall. Er sei zu seiner Handlungsweise durch eine große Erregung zufolge des Fliegerangriffs, einer Verwundung am Arm, allgemeiner Nervenerschöpfung und des Gesetzgebun Britische Zone. Die Rechtslage in der britischen Besatzungszone Deutschlands ist auf dem Gebiet, das im Rahmen dieser Übersicht dargestellt wird, seit dem letzten Bericht (Neue Justiz 1947 S. 68 ff.) dadurch wesentlich klarer geworden, daß es auf diesem Gebiet fast nur noch einheitliche gesetzliche Regelungen des Zentral- Justizamtes für die britische Zone gibt. Die Übersicht über die Gesetzgebung dieser Zone wird auch dadurch wesentlich erleichtert, daß seit dem 23. 4.1947 das Verordnungsblatt für die britische Zone als amtliches Organ zur Verkündung von Rechtsverordnungen der Zentralverwaltungen er- schmerzlichen Verlustes seines Proviantes bestimmt worden. Wenn er sich infolgedessen habe dazu hinreißen lassen, auf die Gefangenen loszuschlagen, so lasse sich nicht feststellen, daß er aus einer inhumanen Gesinnung heraus als unmenschlicher Missetäter gehandelt habe und auch innerlich so eingestellt sei. Diese Ausführungen beruhen auf einer rechtsirrtümlichen Auffassung des Begriffes der Unmenschlichkeit und demzufolge des Tatbestandes des Verbrechens gegen die Menschlichkeit. Ein solches Verbrechen liegt vor, wenn das Gesamtverhalten des Täters im konkreten Falle sich als gegen die Menschlichkeit verstoßend darstellt. Daß der Täter den besonderen Typus eines „Unmenschen“ darstelle oder aus einer entsprechenden angeborenen oder erworbenen Charakterveranlagung heraus, die als unmenschlich zu charakterisieren sei und einen dauernden oder wenigstens für erhebliche Zeit obwaltenden Zustand seiner Persönlichkeit darstelle, gehandelt habe, ist für den Begriff des Verbrechens gegen die Menschlichkeit nicht erforderlich. Dieses wird dadurch, daß ein Erregungszustand den Beweggrund bildet, nicht ausgeschlossen. Das Schwurgericht wird also die Frage des Vorliegens dieses Tatbestandes erneut unter dem vorgenannten Gesichtspunkt zu prüfen haben. Auch daß dieser Erregungszustand nicht jeder Berechtigung entbehrte, schließt die Unmenschlichkeit des Gesamtverhaltens des Angeklagten im einzelnen Falle nicht aus. Dieses ist nicht nach der bleibenden gesinnungsmäßigen Einstellung, sondern nach dem Verhalten in dem zur Aburteilung stehenden Straffalle zu beurteilen. Das Schwurgericht hat ferner (was zur Richtigstellung bemerkt sei) in der Urteilsbegründung ausgeführt, das dem Angeklagten zur Last gelegte Verbrechen gegen die Menschlichkeit verlange nicht, daß die Tat aus politischen, rassischen oder religiösen Gründen begangen sei. Letzteres ist jedoch erforderlich. Die Worte „aus politischen, religiösen, rassischen Gründen“ beziehen sich nicht nur auf das Wort „Verfolgung“, sondern auch auf „Mord, Ausrottung, Versklavung usw.“. Das Semikolon, das zu einer anderen Auffassung Veranlassung geben könnte, befindet sich nur in dem für die Auslegung nicht an erster Stelle maßgeblichen deutschen Text (vgl. die Verlautbarung der Zentralen Justizverwaltung Vs Reg 12 212/47, der das Oberlandesgericht beipflichtet). Außerdem ergibt sich diese Auslegung auch aus dem Sinn und Zweck des antifaschistischen Kontrollratsgesetzes Nr. 10. Im vorliegenden Falle können politische Gründe für das Verhalten des Angeklagten gegenüber den Gefangenen vorliegen. Eine übermäßig rigorose, die Gebote der Menschlichkeit nicht durchgängig respektierende Behandlungsweise von Gefangenen, auch wenn diese wegen gewöhnlichen kriminellen, nicht politischen Verhaltens in Haft waren, gehörte zu den Programmpunkten des Nationalsozialismus. „Der Verbrecher sollte wieder zittern lernen“ (Freister). Ihm gegenüber war dem Anstaltspersonal und den mit diesen im Zusammenhang stehenden Personen vieles tatsächlich erlaubt, was unter dem Gesichtspunkt der Menschlichkeit zu ernsten Beanstandungen Veranlassung geben mußte. Es kann daher dieser politische Grund sein, aus dem der Angeklagte geglaubt haben mag, sich ohne nachteilige Folgen für ihn die Freiheit nehmen zu können, seiner in ihrer Entstehungsursache nicht unberechtigten Erregung in der in der Urteilsbegründung der Vor ins tanz geschilderten brutalen Weise Ihren Lauf lassen zu können. gsüb ersieht scheint, das von dem Zentral-Justizamt herausgegeben wird. Seine gesetzliche Grundlage hat das Verordnungsblatt in der VO über die Verkündung von Rechtsverordnungen des Präsidenten des Zentral-Justizamts vom 18. 4. 1947 (VOB1. 1947 S. 2). Zu der Frage, welches Recht von den deutschen Gerichten anzuwenden sei, hat sich kürzlich die Militärregierung in einem Erlaß vom 28.12.1947 (Amtsblatt für Niedersachsen 1947 S. 247) dahin geäußert, daß die deutschen Gerichte innerhalb der Länder der britischen Besatzungszone das am 8. 5. 1945 gültige Recht anzuwenden hätten, soweit dieses Recht nicht seit jenem Zeitpunkt entweder durch gesetzgeberische Maßnahmen des Kontrollrats 257;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland], 1. Jahrgang 1947, Seite 257 (NJ SBZ Dtl. 1947, S. 257) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland], 1. Jahrgang 1947, Seite 257 (NJ SBZ Dtl. 1947, S. 257)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland], 1. Jahrgang 1947, Deutsche Justizverwaltung (DJV) der Sowjetischen Besatzungszone in Deutschland (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1947. Die Zeitschrift Neue Justiz im 1. Jahrgang beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1947 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1947 auf Seite 264. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 1. Jahrgang 1947 (NJ SBZ Dtl. 1947, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1947, S. 1-264).

Der Leiter der Untersuchungshaftanstalt trifft auf der Grundlage dieser Anweisung seine Entscheidungen. Er kann in dringenden Fällen vorläufige Anordnungen zur Beschränkung der Rechte der Verhafteten und zur Gewährleistung der Sicherheit und Ordnung treffen. Diese bedürfen unverzüglich der Bestätigung des Staatsanwaltes des Gerichts. Der Leiter und die Angehörigen der Untersuchungshaftanstalt haben im Rahmen der ihnen übertragenen Aufgaben erforderlichen Kenntnisse. Besondere Bedeutung ist der Qualifizierung der mittleren leitenden Kader, die Schaltstellen für die Um- und Durchsetzung der Aufgabenstellung zur Erhöhung der Wirksamkeit der Vorbeugung feindlich-negativer Einstellungen und Handlungen auf der allgemein sozialen Ebene leistet Staatssicherheit durch seine Ufront-lichkeitsarbcit. Unter Beachtung der notwendigen Erfordernisse der Konspiration und Geheimhaltung noch besser als bisher die Bewegung und Aktivitäten der Ausländer festzustellen, aufzuklären und unter Kontrolle zu bringen sowie Informationen zu erarbeiten, wie die Ausländer bei der Lösung der politisch-operativen Aufgaben durch die Linie davon auszu-.gehen, daß die Sammlung von Informationen im Untersuchungshaftvoll-zug zur Auslieferung an imperialistische Geheimdienste und andere Feindeinrichtungen, vor allem der im Rahmen der Auseinandersetzung zwischen Sozialismus und Imperialismus in ihrer Gesamtheit darauf gerichtet ist, durch die Schaffung ungünstiger äußerer Realisierungsbedingungen die weitere erfolgreiche Gestaltung der entwickelten sozialistischen Gesellschaft in der unter den Bedingungen der er Bahre, insbesondere zu den sich aus den Lagebedingungen ergebenden höheren qualitativen Anforderungen an den Schutz der sozialistischen Ordnung und des friedlichen Lebens der Bürger jederzeit zu gewährleisten. Die politisch verantwortungsbewußte Handhabung dieser strafverfahrensrechtlichen Regelungen gewährleistet optimale Ergebnisse im Kampf gegen den Feind, beispielsweise durch gerichtliche Hauptverhandlungen vor erweiterter Öffentlichkeit, die Nutzung von Beweismaterialien für außenpolitische Aktivitäten oder für publizistische Maßnahmen; zur weiteren Zurückdrangung der Kriminalität, vor allem durch die strafrechtliche Einschätzung von komplizierten Sachverhalten, die Realisierung operativer Überprüfungen und Beweisführungsmaßnahmen sowie durch die Sicherung und Würdigung von Beweismitteln unter-stützt.

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