Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1947, Seite 255

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland], 1. Jahrgang 1947, Seite 255 (NJ SBZ Dtl. 1947, S. 255); des allgemeinen Strafrechts erfolgen, „wenn das gesunde Volksempfinden es wegen der besonderen verwerflichen Gesinnung des Täters und wegen der Schwere der Tat fordert“. Da nach Art. II Ziff. 3 der Proklamation Nr. 3 des Alliierten Kontrollrates, die Bestrafung von Handlungen nur im Hinblick auf das in der Nazizeit sogenannte „gesunde Volksempfinden“ nicht mehr statthaft ist, kann dieser letzte Halbsatz des § 20 Abs. 1 RJGG heute in dieser Gestalt nicht mehr zur Anwendung kommen, ebenso wie der Absatz 2 des § 20 RJGG, der den Tätertyp des „abartigen jugendlichen Schwerverbrechers“ betrifft, ohne weiteres ausgeschaltet werden muß, weil er Gedankengänge der Nazizeit enthält, die nach der jetzigen demokratischen Rechtsauffassung keine Geltung zu beanspruchen haben. Es erhebt sich aber die Frage, ob der Absatz 1 des § 20 RJGG in seiner ersten Alternative „war der Jugendliche zur Zeit der Tat sittlich und geistig so entwickelt, daß er einem über 18 Jahre alten Täter gleichgestellt werden kann, so wendet der Richter das allgemeine Strafrecht an“ nicht trotz des in den übrigen Teilen des Paragraphen zum Ausdruck gekommenen nationalsozialistischen Gedankenguts auch heute noch angewendet werden kann. Der Senat bejaht diese Frage. Zwar legt der in den Absatz 1 der genannten Bestimmung hineinverschlungene Hinweis auf das „gesunde Volksempfinden“ den Gedanken nahe, den gesamten Absatz 1 als nazistisch anzusehen. Maßgebend für die Beurteilung der Frage, ob eine Bestimmung, die in einem Teil einen Hinweis auf das „gesunde Volksempfinden“ enthält, im übrigen noch angewendet werden kann, ist aber allein die Entscheidung, ob diese Bestimmung nach ihrem Inhalt und Zweck mit der heutigen demokratischen Rechtsauffassung vereinbar ist oder nicht. Die Bezugnahme des nazistischen Gesetzgebers auf das „gesunde Volksempfinden“ zwingt nicht dazu, den Wortlaut der Bestimmung im Sinne der Ideologie der Nazizeit auszulegen, die ohne Zweifel mit wirklichem Recht und wirklicher Gerechtigkeit unvereinbar war. Wesentlich ist nicht wie das OLG Koblenz (Urt. v. 24. 4. 47 SJZ 47 S. 442) übereinstimmend mit dem OLG Pfalz (Urt. v. 8.1.47, DRZ 47 S. 235) ausführt der Gebrauch des Schlagwortes des „gesunden Volksempfindens“, sondern das, was damit zum Ausdruck gebracht werden sollte, sein sachlicher Inhalt. Das herrschende Volksbewußtsein, das von jeher Quelle des Rechts gewesen ist, muß auch weiterhin bei der Auslegung einer Gesetzesbestimmung maßgebend sein. Danach kann aber der Hinweis auf das „gesunde Volksempfinden“ die Anwendbarkeit einer Bestimmung dann nicht hindern, wenn sie ihrem Inhalt und Zweck nach nicht nationalsozialistisches Gedankengut enthält, sondern umgekehrt im Zuge einer fortschrittlichen Rechtsentwicklung liegt. Der leitende Grundgedanke des § 20 Abs. 1 RJGG ist nicht nazistischer Natur. Die Tendenz, Jugendliche unter bestimmten Voraussetzungen wie Erwachsene zu bestrafen, ist bereits im römischen Recht in dem Satz „malititia supplet aetatem“ zum Ausdruck gekommen und vom Gesetzgeber in die Constitutio Criminalis Cai'olina, ins gemeine Recht wie ins Allgemeine Landrecht aufgenommen worden. Schon deshalb kann.man nicht ohne weiteres sagen, daß die Vorschrift des § 20 Abs. 1 RJGG nationalsozialistischen Charakter hU. Vielmehr ist der Senat der Auffassung, daß der Absatz 1 mit seiner Auflockerung der starren Altersgrenzen des Jugendstrafrechts keine Beziehungen zu nationalsozialistischer Rechtsauffassung erkennen läßt, sondern eine Fortentwicklung jahrhundertelanger Bestrebungen des Gesetzgebers enthält, die heute in erhöhtem Maße den Bedürfnissen unserer demokratischen Rechtsauffassung entspricht. Es ist allgemein bekannt, daß bei jüngeren Menschen die geistige und sittliche Entwicklung in unterschiedlichem Tempo vor sich geht, so daß es unter ihnen eine Gruppe gibt, deren Entwicklung in der Intelligenz-, Empfindungs- und Willenssphäre bereits so abgeschlossen ist, daß sie nicht mehr die Besonderheiten der jugendlichen Altersstufe zeigt. Diese „unjugendlichen Jugendlichen“ haben ihre endgültige Entwicklungsform schon erreicht, sie heben sich vom typischen Jugendlichen scharf ab, der durch seine labile Seelenlage gekennzeichnet wird. Diese Personen in strafrechtlicher Hinsicht den Erwachsenen gleichzustellen, entspricht der Gerechtigkeit und widerspricht dem heute in der Strafrechtspflege allgemein vertretenen Erziehungsgedanken nicht. Für die Verhängung der Strafe bleibt neben dem in den letzten 50 Jahren in den Vordergrund getretenen Prinzip der Spezialprävention der Grundsatz der Generalprävention bestehen. Es muß auch weiterhin Aufgabe der Strafjustiz sein, durch ihre Urteile auf die Gesamtheit einzuwirken. Von diesem Gesichtspunkt aus muß die Möglichkeit, gewisse frühreife Jugendliche wie Erwachsene zu bestrafen, anerkannt werden. Die Bestrafung des Angeklagten N. wegen des von ihm begangenen fortgesetzten schweren Diebstahls nach den Vorschriften des allgemeinen Strafrechts ist daher in Anwendung des § 20 Abs. 1 RJGG zu Recht erfolgt. Anmerkung: Die Entscheidung kann nicht umvidersproclien bleiben. Das Reichsjugendgerichtsgesetz vom 6. November 1943 ist eines der wenigen Hitlergesetze, das in seinen meisten Bestimmungen wie auch in seinen Grundgedanken gegenüber der früheren gesetzlichen Regelung eine fortschrittliche Tendenz aufweist. Es ist ein Beweis dafür, daß sich selbst die Gesetzgeber des dritten Reiches der Entwicklung mancher vordrängender Ideen im Strafrecht nicht widersetzen konnten, und es ist bezeichnend, daß diese Ideen gerade auf dem Gebiet des Jugendstrafrechts zum Durchbruch gelangt sind, das auch schon in anderen Fragen für das allgemeine Strafrecht bahnbrechend gewesen ist. Wegen des im wesentlichen fortschrittlichen Charakters des RJGG wenden die Gerichte in der sowjetischen Besatzungszone mit Recht dieses Gesetz weiter an. Das ist aber nur vertretbar, wenn dabei all die Bestimmungen außer Anwendung bleiben, die typisch nazistischen Gehalt haben und damit beweisen, daß ein Gesetz die politischen Verhältnisse seiner Entstehungszeit doch nicht verleugnen kann. Zu diesen Bestimmungen gehören neben solchen, deren nazistischer Charakter schon wegen ihres Wortlauts außer Zweifel steht (wie §1 Abs. 2)', in erster Linie die, die den persönlichen Geltungsbereich des Gesetzes gegenüber dem bis dahin geltenden Rechtszustand änderten. Das ist einmal § 3 Abs. 2, nach dem Kinder zwischen 12 und H Jahren wie Jugendliche zur Verantwortung zu ziehen sind, „wenn der Schutz des Volkes wegen der Schwere der Tat eine strafrechtliche Ahndung fordert“, und auf der anderen Seite- die hier interessierende Vorschrift des § 20, wonach der Richter gegen Jugendliche unter Umständen das allgemeine Strafrecht anzuwenden, sie also wie Erwachsene zu behandeln hat. Diese Bestimmungen, die im Zusammenhang betrachtet werden müssen, da sie Ausdruck eines Grundgedankens sind, stellen nicht, wie das OLG Gera meint, „eine Fortentwicklung jahrhundertelanger Bestrebungen des Gesetzgebers“ dar, sie entsprechen nicht der Gerechtigkeit und für sie besteht vom Standpunkt einer fortschrittlichen Rechtsprechung kein Bedürfnis. Mögen sie Parallelen im römischen Recht, in der Carolina Karls des Fünften und im Allgemeinen Landrecht des absoluten preußischen Königtums gehabt haben: die deutschen Strafgesetzbücher, die seit Beginn des 19. Jahrhunderts geschaffen worden sind, enthielten sämtlich feste Altersgrenzen für die Bestrafung Jugendlicher und anerkannten das jugendliche Alter als Strafmilderungsgrund, meist mit der Maßgabe, daß die Verhängung der schwersten Strafen gegen Jugendliche unzulässig war (vgl .Berner, Lehrb. des Deutschen Strafrechts, ll.Aufl. 1881, § 138). Das Strafgesetzbuch übernahm diese Grundsätze: gegen die Jugendlichen, die nach den §§ 56 und 57 überhaupt strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden konnten, durfte weder die Todesstrafe, noch eine lebenslängliche Freiheitsstrafe, noch die Zuchthausstrafe verhängt werden. Einen Fortschritt brachte dann auch auf diesem Gebiet das Jugendgerichtsgesetz vom 16. Februar 1923, indem es unter Aufrechterhaltung dieser Strafmildvrungsvorschriften die Strafmündigkeitsgrenze von dem 12. auf das lj. Lebensjahr heraufsetzte. Damit umrde, wie es bei F r a n c k e, Das Jugendgerichtsgesetz, 2. Aufl., Anm. II zu § 1 heißt, „eine tiefbegründete Forderung der Reformbewegung“ erfüllt, die „schon seit vielen Jahren die fast einmütige 255;
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Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland], 1. Jahrgang 1947, Deutsche Justizverwaltung (DJV) der Sowjetischen Besatzungszone in Deutschland (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1947. Die Zeitschrift Neue Justiz im 1. Jahrgang beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1947 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1947 auf Seite 264. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 1. Jahrgang 1947 (NJ SBZ Dtl. 1947, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1947, S. 1-264).

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