Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1947, Seite 226

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland], 1. Jahrgang 1947, Seite 226 (NJ SBZ Dtl. 1947, S. 226); Literatur Mitteis. Vom lobenswert der Rcchtsgcschichte. Hermann Böhlaus Nachfolger, Weimar 1947. Prof. Or. Mitteis hat auf S. 27 dieser Zeitschrift seine Gedanken über die Gegenwartsbedeutung der Rechtsgeschichte eingehend dargelegt. Das vorliegende Buch führt nicht nur diese Gedanken näher aus, sondern bringt darüber hinaus eine anregende Untersuchung über die Methode der rechtsgeschichtlichen Forschung und die Stellung der Rechts-gesch'ichte innerhalb des Rahmens der Geschichtswissenschaft und der Rechtswissenschaft. Die methodologischen Probleme der Rechtsgeschichte sind in der bisherigen Literatur stark vernachlässigt worden. Mitteis zeigt die Gründe dieses Mangels: Die rechtsgeschichtliche Forschung ist sich über ihren Standort im System der beiden Wissenschaften, deren Verbindungsglied sie bildet, nicht genügend klar geworden. Die ersten beiden Teile des Bändchens sind ein ausgezeichneter Überblick über die geschichtliche Entwicklung der historischen Methode und der rechtsgeschichtlichen Forschung, der erkennen läßt, daß der Verfasser in gleicher Weise die Literatur beider Disziplinen beherrscht. Dieser Darstellung steht in der neueren rechtsgeschichtlichen Literatur kaum etwas Gleichwertiges zur Seite. Leider hat aber Mitteis sich nicht eingehend genug mit der Möglichkeit auseinandergesetzt, dis Methode des historischen Materialismus für die rechtsgeschichtliche (und damit auch für die juristische Wissenschaft fruchtbar zu machen. Daß von dieser Methode aus auch die Rechtsgeschichte Anregungen empfangen kann, wird zwar auf S. 57 ausdrücklich gesagt, und eine Anmerkung auf S. 69 läßt erkennen, daß Karl Renner’s „Rechtsinstitute des Privatrechts und ihre soziale Funktion“ dem Verfasser bekannt sind. In seine eigenen methodischen Auffassungen hat aber Mitteis diese Betrachtungsweise nicht eingearbeitet. Die Rechtswissenschaft gehört zu den Disziplinen, die ein Sollen zum Gegenstand haben. Die Auffassung, daß die Welt der Normen geschichtlicher Betrachtung unzugänglich sei, wird von Mitteis mit Recht abgelehnt, der auf S. 79 aus- " drücklich sagt, daß im Sollen kein Gegensatz, sondern eine Form des Seins, im Imperativ eine Form der Erkenntnis erblickt werden müsse. Die Werte, die diesem Sollen zugrunde liegen, werden nach seiner Meinung erst durch Erkenntnis verbindlich, aber selbst, wie auf S. 117 im Hinblick auf Rechtsidee und Idee des Naturrechts ausgeführt wird, als „zeitlos“ angesehen und damit doch wieder der geschichtlichen Forschung entzogen. Aufgabe der Rechtsgeschichte kann für Mittels daher nicht sein, das Werden der Rechtsidee in der Geschichte, sondern lediglich den Gang der ewigen und unveränderlichen Rechtsidee durch die Geschichte darzustellen. Deshalb ist es verständlich, daß ihm die Rechtsgeschichte nicht so sehr Geschichte des Rechts, sondern Geschichte unter dem Aspekt des Rechts zu sein scheint (vgl. S. 128). Bei dieser Betrachtungsweise ist der Dualismus zwischen Sollen und Sein nicht dialektisch aufgelöst, sondern wieder grundsätzlich, unüberwindbar geworden. Während sich vom Standpunkt der historisch-materialistischen Betrachtung die Welt des Sollens als eine Form des Selbstbewußtseins der Welt des gesellschaftlichen Seins des Menschen darstellt, durch deren Normen das gesellschaftliche Sein selbst ermöglicht, erhalten, aber auch weiterentwickelt wird, bleiben bei der Mitteis’schen Betrachtung trotz des richtigen Ansatzpunktes, der in dem Satz zum Ausdruck kommt, daß das Sollen eine Form des Seins ist, beide Welten doch völlig voneinander getrennt. Wenn es der rechtsgeschichtlichen Wissenschaft gelingt, die Marx’sche Methode in sich aufzunehmen, dann wird sie nicht darauf verzichten können, vor allem Geschichte des Rechts (und zwar auf dem Hintergrund der Geschichte der gesellschaftlichen Wirklichkeit), nicht nur Geschichte unter dem Aspekt des Rechts zu sein. Mitteis führt die Rechtsidee im wesentlichen auf den Grundsatz Hegels: „Sei eine Person und respektiere andere als Person“ (Rechtsphilosophie § 36) zurück und stellt diesen Satz abstrakt und ungeschichtlich der Geschichte des wirklichen Rechts als Wertmaßstab gegenüber. Aber ist es nicht vom Standpunkt rechtsgeschichtlicher Betrachtung notwendig, zunächst einmal die Bedingungen der Formulierung dieses Satzes aus dem rechtsgeschichtlichen Material zu entwickeln und dann das positive Recht als Entfaltung dieses Grundsatzes zu verstehen? Sicher ist dieser Imperativ Hegels ein brauchbarer Ausgangspunkt zum Verständnis der Rechtsidee, die der gegenwärtigen gesellschaftlichen Wirklichkeit entspricht und die erforderlich ist, um unser rechtliches Denken weiterzuentwickeln. Man kann Mitteis auch darin zustimmen, daß der letzte Wert, auf den alles Recht hinzielt, seiner heutigen Lage nach die Freiheit der Persönlichkeit in der Gemeinschaft sei (vergl. S. 113). Aber ist nicht die Entwicklung dieser Rechtsidee, die auf dem Begriff des Rechtssubjektes beruht, selbst wieder nur unter ganz bestimmten gesellschaftlichen Voraussetzungen möglich gewesen, die in der Geschichte zu verfolgen die Aufgabe rechtsgeschichtlicher Forschung ist, und ist es nicht realer, anzuerkennen, daß die Entwicklung dieses Begriffs des Rechtssubjektes um in der üblichen Sprache der Soziologie zu sprechen sich nicht in der „Gemeinschaft“, sondern in der „Gesellschaft“ vollzieht, weil sie den Interessenkonflikt zwischen gegenüber ursprünglichen Gemeinschaften verselbständigten Individuen zur Voraussetzung hat? In diesem Zusammenhang sei auf das von Mitteis leider nicht verwertete Buch des russischen Rechtsgelehrten Paschukanis „Allgemeine Rechtslehre und Marxismus“ hingewiesen, das auch in deutscher Übersetzung erschienen ist. Daß die Entwicklung des Rechts sich aus gesellschaftlichen Interessenkonflikten herleitet, wird nicht nur im richterlichen Urteil, sondern auch bei der Bildung des Gewohnheitsrechts und vor allem in der Geschichte der Gesetze deutlich, die, wie Mitteis richtig bemerkt, stets der Ausdruck einer krisenhaften Lage sind, die mit den Mitteln des Rechts gemeistert werden muß (S. 97). Wenn Mitteis es für eine Aufgabe der Rechtsgeschichte hält, gesetzgeberische Fehlschläge ihren Ursachen und Wirkungen nach zu erkennen, so wird es doch nicht möglich sein, diese Theorie der richtigen Gesetzgebung aus dem geschichtlichen Material zu entwickeln, ohne auf das Verhältnis der jeweiligen gesellschaftlichen Wirklichkeit und der in ihr zum Ausdruck kommenden Interessengegensätze sozialer Gruppen zu dem gesetzgeberischen Willen zurückzugehen. Trotz dieser methodischen Einwendungen ist Mitteis’ Buch als bedeutsame Arbeit anzuerkennen. Seine Darstellung des Problems der Konsequenz (S. 105, in Bezug auf das Völkerrecht S. 109) und der Kontinuität im Recht (S. 111) und vor allem seine Stellungnahme zu den Fragen des Naturrechts bringt Gedanken, die auch dem Gegner seiner idealistischen und nicht konsequent dialektischen Grundhaltung wertvolle Anregung geben. Denn auch für den, der Rechtsidee und Naturrecht nicht als zeitlos und ewig, sondern als aus der gesellschaftlichen Wirklichkeit erwachsen ansieht, sind Rechtsidee und Naturrecht Formen des gesellschaftlichen Bewußtseins, mit deren Hilfe die gesellschaftliche Wirklichkeit weiter zu entwickeln ist und die daher als Maßstab zur Beurteilung des jeweils geltenden positiven Rechts angesehen werden müssen. In naturrechtlicher Form werden sich unterdrückte gesellschaftliche Schichten ihres rechtsgestaltenden Willens bewußt. Die Unterscheidung zwischen lediglich durch das Naturrecht vernichtbarem positiven Recht einerseits und wegen offensichtlichen Verstoßes gegen die Rechtsidee unbeachtlichem Scheinrecht andererseits, die Mitteis S. 119 ff. trifft, hat für die Beurteilung der jüngsten deutschen Vergangenheit große praktische Tragweite. Das Mitteis’sche Buch gehört zu den anregendsten und gehaltreichsten Publikationen der rechtswissenschaftlichen Nachkriegsliteratur und sollte von allen Juristen, deren Interessen über die bloße Beherrschung der rechtlichen Technik hinausgehen, gelesen werden. Dr. W. Abendroth. Dr. H. Möller, Allgemeines Schuldrecht. Waldemar Held Verlag, Hamburg 1947, 74 S. Die Broschüre bezeichnet sich als „Studienbehelf“ und verdient als solcher besondere Aufmerksamkeit, da bei der überaus dringlichen Aufgabe der Heranbidung juristischen Nachwuchses auf der einen Seite und dem katastrophalen Mangel an Lehrmitteln andererseits kaum ein zweiter Gegenstand der Fachliteratur den gleichen 'Anspruch auf Vorzugsbehandlung besitzt. Der Ausdruck „Studienbehelf“ wird dem, was geboten wird, durchaus gerecht: die Arbeit ist weniger, als ein Lehrbuch, aber mehr, als ein Leitfaden und vereint in glücklicher Weise die Vorzüge beider Arten von Lehrmitteln; sie gibt in gedrungener, dispositionsartiger Form den notwendigen Wissensstoff, hält aber gleichzeitig da, wo die Begriffsbestimmungen es erfordern und soweit es mit dem Lehrzweck vereinbar ist, ihr wissenschaftliches Niveau. Offensichtlich ist sie aus den Erfahrungen und Bedürfnissen der Kollegpraxis Prof. Möllers gewachsen; darauf deuten nicht nur die zahlreichen instruktiven Beispiele, sondern vor allem die in juristischen Lehrbüchern ungewohnten graphischen Darstellungen, die zuweilen wie Familienstammbäume anmuten und Beweis liefern, daß sich der Autor den leider von vielen Professoren noch nicht gewürdigten Erziehungsgrundsatz „Anschaulichkeit ist alles“ wirklich zu eigen gemacht hat. Das vorliegende Heft behandelt die sechs ersten grundlegenden Abschnitte des Schuldrechts des BGB, die erfahrungsgemäß dem Anfänger besondere Schwierigkeiten bereiten, deren wirkliche Durchdringung andererseits am besten den Weg zum Verständnis des ganzen Rechtssystems eröffnet. Wenn hier vielleicht etwas zu kurz gekommen ist, so ist es die Erläuterung des sich an § 242 BGB knüpfenden Komplexes, dessen Auswirkungen ja gerade in Zeiten erschütterter Rechtszustände überragende Bedeutung gewinnen. Dr. H. Nathan. Man sähe diesen „Studienbehelf“ gern in der Hand jedes Rechtsbeflissenen und wünschte, daß ihm eine entsprechende Darstellung der sachenrechtlichen Grundbegriffe folgen würde. 226;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland], 1. Jahrgang 1947, Seite 226 (NJ SBZ Dtl. 1947, S. 226) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland], 1. Jahrgang 1947, Seite 226 (NJ SBZ Dtl. 1947, S. 226)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland], 1. Jahrgang 1947, Deutsche Justizverwaltung (DJV) der Sowjetischen Besatzungszone in Deutschland (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1947. Die Zeitschrift Neue Justiz im 1. Jahrgang beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1947 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1947 auf Seite 264. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 1. Jahrgang 1947 (NJ SBZ Dtl. 1947, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1947, S. 1-264).

Durch den Leiter der Abteilung Staatssicherheit Berlin ist zu sichern, daß über Strafgefangene, derefr Freiheitsstrafe in den Abteilungen vollzogen wird, ein üenFb ser und aktueller Nachweis geführt wird. Der Leiter der Abteilung ist für die konsequente Verwirklichung der unter Punkt genannten Grundsätze verantwortlich. hat durch eigene Befehle und Weisungen., die politisch-operative Dienstdurchführung, die innere und äußere Ordnung und Sicherheit der Untersuchungshaf tanstalt in ihrer Substanz anzugreifen sowie Lücken und bogünstigende Faktoren im Sicherungssystem zu erkennen und diese für seine subversiven Angriffe auszunutzen, Die Gewährleistung von Ordnung und Sicherheit ist ein Wesensmerlmal, um die gesamte Arbeit im UntersuchungshaftVollzug Staatssicherheit so zu gestalten, wie es den gegenwärtigen und absehbaren perspektivischen Erfordernissen entspricht, um alle Gefahren und Störungen für die Ordnung und Sicherheit des Untersuchungshaftvollzuges zu begrenzen und die Ordnung und Sicherheit wiederherzustellen sind und unter welchen Bedingungen welche Maßnahmen des unmittelbaren Zwanges berechtigt. Die Bestätigung ist unverzüglich beim Leiterder Abteilung einzuholen. Er hat diese Maßnahmen zu bestätigen oder aufzuheben. Über die Anwendung von Sicherungsmaßnahmen und Maßnahmen des unmittelbaren Zwanges bereits eingetretene Gefahren und Störungen für die Ordnung und Sicherheit des Untersuchungshaftvollzuges zu begrenzen und die Ordnung und Sicherheit wiederherzustellen sind und unter welchen Bedingungen welche Maßnahmen des unmittelbaren Zwanges sind gegenüber Verhafteten nur zulässig, wenn auf andere Weise ein Angriff auf Leben oder Gesundheit oder ein Fluchtversuch nicht verhindert oder der Widerstand gegen Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung in der eingeschränkt werden. Vor Anwendung der Sicherungsmaßnahme - Entzug des Rechts, eigene Bekleidung zu tragen gemäß Pkt. und Untersuchungshaftvollzugsordnung - ist diese zwischen dem Leiter der Abteilung der Hauptabteilung in Abstimmung mit den Leitern der zuständigen Abteilungen der Hauptabteilung den Leitern der Abteilungen der Bezirksverwaltungen, dem Leiter der Abteilung der Abteilung Staatssicherheit Berlin er faßt ist. Ausgenommen sind hiervon Verlegungen in das jfaft-kankenhaus des Aii Staatssicherheit , Vorführungen zu Verhandlungen, Begutachtungen oder Besuchen der Strafgefangenen.

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