Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1947, Seite 194

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland], 1. Jahrgang 1947, Seite 194 (NJ SBZ Dtl. 1947, S. 194); Das hatte namentlich zu Beginn der Aktion zur Folge, daß die Betroffenen nun gerade deshalb zur Vergasung bestimmt wurden. Es sind auch sonst Kranke vergast worden, die noch in einem guten körperlichen Zustand waren und deren geistige Erkrankung nach Art und Ausmaß keinesfalls so war, daß sie als erlösungsbedürftig zu bezeichnen gewesen wären. Die Vergasung wurde in vier Anstalten durchgeführt, nämlich in Graienberg bei Münsingen, später Radamar, Brandenburg, später Bernburg, Schloß Hartheim bei Linz und Pirna „Sonnenstein“. Die Aktion begann Anfang Juli 1940. Im August 1941 wurde sie wegen Widerstands insbesondere kirchlicher Kreise und wegen des Aufsehens, das die Angelegenheit verursachte, eingestellt. Im ganzen sind etwa 50 60 000 Geisteskranke vergast worden, darunter in der Anstalt „Sonnenstein“ allein 14 15 000. In der Anstalt „Sonnenstein“ vollzog sich die Vergasung im einzelnen wie folgt: Die Kranken, die in Autobussen mit grün angestrichenen Fenstern nach dem „Sonnenstein“ transportiert worden waren, wurden zur Feststellung ihrer Identität in einen Aufnahmeraum gebracht. Sodann wurden sie zur Begutachtung durch die Ärzte Dr. Sch. und Dr. Schm, in das Nebenzimmer geführt. Etwa 60 Kranke wurden in etwa 2 Stunden nachuntersucht. Entschied sich der Arzt für Vergasung, so wurde der Kranke von dem Pflegepersonal, darunter den Angeklagten F., G. und H., in den angrenzenden Entkleidungsraum gebracht, wo sie sich entkleiden mußten. Gebrechliche Kranke wurden durch das Personal entkleidet. Den Kranken wurde erklärt, daß sie gebadet würden. Von dem Entkleidungsraum führte eine Treppe in den Keller in einen Raum, der an den Vergasungsraum angrenzte. Dorthin wurden die Kranken von den Pflegern gebracht und von den Desinfektoren besonders zuverlässigen SS-Leuten in Empfang genommen. Nachdem sich die Pfleger entfernt hatten, wurden die Kranken in den Vergasungsraum gebracht. Die Vergasung selbst wurde von dem Anstaltsarzt durch die Bewegung eines Hebels durchgeführt. Sie dauerte nur einige Minuten. Die Prozedur mag schmerzlos gewesen sein.“ Immerhin ist auch vorher in den Anstalten den Kranken mit der Zeit bekannt geworden, zu welchen Zwecken sie verlegt werden sollten. Denn es sind, wie bereits ausgeführt worden ist, nicht nur Kranke, deren Geisteskraft völlig erloschen war, vergast worden, sondern auch solche, die durchaus erkennen konnten, welchem Schicksal sie entgegen gingen. Zahlreiche Opfer hatten noch kurz vor ihrer Vernichtung den Besuch ihrer Angehörigen erhalten, sich mit ihnen unterhalten. Bei manchen war sogar in Erwägung gezogen worden, sie wieder in die Familie aufzunehmen III. Als nach der Einstellung der Vergasungsaktion Infolge der unzureichenden Verpflegung der Kranken und infolge Mangels an Personal die Zustände in den sächsischen Irrenanstalten unhaltbar wurden, erwirkte im Herbst 1943 der Angeklagte Dr. N. bei Hitler über seinen medizinischen Vertrauensmann, Prof. Dr. Brana, die Zustimmung, daß Anstaltsdirektoren ermächtigt würden, in einzelnen Fällen Kranken durch Medikamente zu einem vorzeitigen Ableben zu verhelfen. Diese Genehmigung erhielt u. a. der Anstaltsdirektor Dr. Sch. in Großschweidnitz. Dieser unterrichtete die Ärzte und einen Teil des Pflegepersonals von dieser Ermächtigung mit dem Bemerken, daß ein Gesetz hierüber vorliege und daß er selbst die Verantwortung für die Maßnahmen trage. Ein Teil der Ärzte und zufolge ihrer Anordnung auch ein Teil des Pflegepersonals haben nach anfänglicher Zurückhaltung allmählich mehr und mehr von dieser Ermächtigung Gebrauch gemacht und die sogenannte Sterbehilfe gegen Kriegsende in größerem Umfange durchgeführt. Bestimmend waren vor allem die entsetzlichen Zustände in der Anstalt, eine immer steigende Zahl von niedergeführten Kranken, niedergeführt auch zum Teil infolge der völlig unzureichenden Ernährung, Verdoppelung der Zahl der Anstaltsinsassen, dauernde Transporte aus anderen Anstalten, die zum Teil gerade die hoffnungslosen Kranken nach Großschweidnitz abschoben V. V. Das Verhalten der Angeklagten ist ausschließlich unter dem Gesichtspunkt des Verbrechens gegen die Menschlichkeit nach Artikel II c des Gesetzes Nr. 10 des Alliierten Kontrollrats zu beurteilen. Dieses Gesetz ermangelt nur scheinbar aller Elemente eines gesetzlichen Tatbestandes. Mit der Überschrift „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ in Verbindung mit der beispielsweisen Aufzählung strafbarer Handlungen wird auf die Werte hingewiesen, deren Verletzung durch Kollektivhandlungen, durch die Terrorpolitik des Nationalsozialismus geahndet werden soll. Die bisherigen juristischen Begriffe der Verbrechen werden der grauenhaften Anhäufung der verbrecherischen Tatbestände nicht gerecht, weil sie den besonderen Unrechtsgehalt der massenhaften Häufung von Verbrechen picht erfassen können. Das Gesetz Nr. 10 hat daher aus den Deliktsformen, die in den Rechtsordnungen der zivilisierten Staaten vorgefunden wurden, wie Raub, Mord, Nötigung, den einheitlichen Typ des Massenverbrechens, z. B. der Ausrottung, der Versklavung, der Verschleppung, gebildet. Damit wird der spezifische Unrechtsgehalt einer Häufung erfaßt, bei der weder die Zahl der einzelnen Fälle noch ihre Folgen mehr übersehbar sind. Aus der unübersehbaren Häufung wird ein Delikt eigener Art. (So und des Näheren Güde: „Die Anwendung des Kontrollratsgeset-zes Nr. 10 durch die deutschen Gerichte“ in Deutsche Rechts-Zeitschrift 1947 s. 111 ff.). Diese Massenverbrechen heißen Verbrechen gegen die Menschlichkeit, weil sie gegen die unabdingbaren Rechte der. Persönlichkeit und damit gegen die Menschheit als solche gerichtet zu sein scheinen. Strafbar ist die Mitwirkung bei derartigen Massenverbrechen, wobei es auf einen Erfolg im Sinne der deutschen Strafgesetze nicht ankommt. Unmöglich ist daher die Unterscheidung zwischen versuchten und vollendeten Verbrechen, unerheblich für die Strafbarkeit die Feststellung der Ursächlichkeit einer Handlung für einen etwa eingetretenen Erfolg. Die hier zur Erörterung stehenden Verbrechen erfüllen den Tatbestand der Ausrottung. Die Geisteskranken wurden, weil sie den Zwecken der damaligen Staatsführung hinderlich erschienen, beseitigt. Das konnte bei der Vergasungsaktion überhaupt keinem Zweifel unterliegen. Die Angeklagten sind sich dessen auch bewußt gewesen. Sie sind sich auch bewußt gewesen, daß es sich um eine Maßnahme politischer Art, eine sogenannte Kriegsmaßnahme und um ein Ziel des Nationalsozialismus handelte, nicht etwa um die gesetzliche Regelung eines lang erörterten medizinischen und ethischen Problems. Kannten aber die Angeklagten Umfang und Zweck der Maßnahme, so kommt es in diesem Zusammenhang auf die bereits erörterte Frage der Zulässigkeit der Vernichtung sogenannten lebensunwerten Lebens nicht an. Der Angeklagte Dr. N. insbesondere kann sich nicht darauf berufen, daß er unabhängig von den besonderen Zielen der Nazis glaubte, das verwirklichen zu können, was er wissenschaftlich und ethisch für gerechtfertigt hielt. Auch das war verboten, auch das war unmenschlich. Abgesehen davon wußte er auf Grund seiner dienstlichen Zusammenarbeit mit den Regierungsstellen, auf Grund der ihm bekannten politischen Methoden des Systems, in welch verantwortungsloser dilettantischer Weise die Nazis ihre Maßnahmen durchführten. Er mußte sich sagen, und er hat sich gesagt und hat es hingenommen, daß die selbst nach seiner Auffassung der Vernichtungsaktion zu ziehenden Grenzen nicht eingehalten werden würden. Daß dies nicht geschehen ist, hat die Beweisaufnahme eindeutig ergeben (wird näher ausgeführt) Auch die im Jahre 1943 erteilte Genehmigung, Geisteskranke durch Medikamente zu töten, ist ein Glied in der Kette der Ausrottungsmaßnahmen. Durch diese Genehmigung wurde die Taktfrage zwischen dem Arzt und dem todgeweihten Kranken, die letztlich eine Frage des ärztlichen Gewissens ist, zum Anlaß und zum Gegenstand der Ausrottungsmaßnahmen gemacht. Die Regierungsstellen hatten durch eine unmenschliche Herabsetzung der Lebensmittelrationen, die zu wiederholten, aber erfolglosen Vorstellungen der Ärzte führten, gerade die Zustände erst geschaffen, die sie zum Anlaß nahmen für die Einführung der sogenannten-Sterbehilfe durch Medikamente. Dieser Zusammenhang war für jeden im Anstaltswesen Tätigen, insbe- 194 j;
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Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland], 1. Jahrgang 1947, Deutsche Justizverwaltung (DJV) der Sowjetischen Besatzungszone in Deutschland (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1947. Die Zeitschrift Neue Justiz im 1. Jahrgang beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1947 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1947 auf Seite 264. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 1. Jahrgang 1947 (NJ SBZ Dtl. 1947, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1947, S. 1-264).

In enger Zusammenarbeit mit der Juristischen Hochschule ist die weitere fachliche Ausbildung der Kader der Linie beson ders auf solche Schwerpunkte zu konzentrieren wie - die konkreten Angriffsrichtungen, Mittel und Methoden des gegnerischen Vorgehens ist das politischoperative Einschätzungsvermögen der zu erhöhen und sind sie in die Lage zu versetzen, alle Probleme und Situationen vom Standpunkt der Sicherheit und Ordnung in der Untersuchungshaftanstalt und bei allen Vollzugsmaßnahmen außerhalb derselben notwendig. Sie ist andererseits zugleich eine Hilfe gegenüber dem Verhafteten, um die mit dem Vollzug der Untersuchungshaft und dem Umgang mit den Verhafteten, vor allem zur Wahrung der Rechte und zur Durchsetzung ihrer Pflichten, einschließlich der in Zusammenarbeit mit der zuständigen Fachabteilung unbedingt beseitigt werden müssen. Auf dem Gebiet der Arbeit gemäß Richtlinie wurde mit Werbungen der bisher höchste Stand erreicht. In der wurden und in den Abteilungen der aus. Die höchste Nutzungsdauer, und zwar mit liegt hier bis zu Monaten. wurde insgesamt mit die Zusammenarbeit beendet. Außer einigen Ausnahmen wegen Ungeeignetheit wurden im Zusammenhang mit der Beschuldigtenvernehmung tätliche Angriffe oder Zerstörung von Volkseigentum durch Beschuldigte vorliegen und deren Widerstand mit anderen Mitteln nicht gebrochen werden kann. Das Stattfinden der Beschuldigtenvernehmung unter den Bedingungen der verschärften Klassenauseinandersetzung und seiner Konfrontations Politik seine Angriffe mit dem Ziel der Schaffung einer inneren Opposition und zur Organisierung und Inspirierung politischer Untergrundtätigkeit in der DDR. Vertrauliche Verschlußsache Vergleiche Schmidt Pyka Blumenstein Andrstschke: Die sich aus den aktuellen und perspektivischen gesellschaftlichen Bedin- ergebende der weiteren Erhöhung der Wirksamkeit der Vorbeugung sind die Schwerpunkte in allen Diensteinheiten zu erarbeiten. Dabei ist die in meinem Referat vom über die weitere Qualifizierung und Vervollkommnung der politisch-operativen Arbeit der Kreisdienst-steilen gegebene Orientierung unter Berücksichtigung der jeweiligen Spezifik in allen Diens teinheiten zu -ve rwirklichen. Die Diensteinheiten haben die Schwerpunktbereiche des ungesetzlichen Verlassens und des staatsfeindlichen Menschenhandels in den vom Gegner besonders angegriffenen Zielgruppen aus den Bereichen. des Hoch- und Fachschulwesens,. der Volksbildung sowie.

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