Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1947, Seite 182

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland], 1. Jahrgang 1947, Seite 182 (NJ SBZ Dtl. 1947, S. 182); meisten anderen Handlungen Hirnverietzter, besonders aber bei solchen, denen kein System, keine vorherige methodische intellektuelle Überlegung zugrunde liegt, wird der Gutachter verminderte Zurechnungsfähigkeit im Sinne des § 51 Abs. 2 feststellen müssen, die entweder auf einem organisch bedingten Erregungszustand oder auf einem Denkkurzschluß beruht, bei dem der Impuls zur Handlung so spontan ist, daß er nicht erst durch das kritische Bewußtsein gehemmt wird. Dazu ist zu bemerken, daß nur eine psychologische Untersuchung diese feinen Störungen des Denk- und Urteilsvermögens aufdeGken kann und daß der Hirnverletzte selbst in den seltensten Fällen versuchen wird, sich mit der Hirnverletzung zu entschuldigen, da ihm häufig die Krankheitseinsicht und auch die Einsicht in seine Wesens- und Charakterveränderungen fehlen. Bei Bagatellfällen, besonders aber bei Heftigkeitsdelikten im öffentlichen Verkehr und an öffentlichen Stellen sollte man von Bestrafung absehen, da das grobe, rücksichtslose Verhalten des Publikums und der öffentlichen Angestellten allzu häufig den Hirnverletzten herausfordem. In anderen Fällen ist es aus psychologischen Grundsätzen notwendig, eine kleine Strafe zu verhängen, aber zugleich eine Bewährungsfrist zu bewilligen. Diese Strafe mit Bewährungsfrist wird wie ein Damokles-Schwert über dem Hirnverletzten schweben und ihm bei weiteren Versuchungen zu Heftigkeitsreaktionen eine Hemmung auferlegen. Das Erlebnis der Strafverfolgung und des Prozesses allein bedeuten für den Hirnverletzten einen starken Schock, der sich körperlich und psychisch sehr ungünstig auf sein Allgemeinbefinden auswirkt. Einen noch verheerenderen Einfluß hat die Haft auf den Hirnverletzten. Da er sich vielfach nicht allein helfen kann und der Fürsorge und Betreuung im täglichen Leben bedarf, verkümmert er in der Haft und kommt in eine Protestneurose herein. Vor allem aber steigern sich die pathologischen Reizerscheinungen durch die seelischen und körperlichen Einflüsse der Haft, so daß diese zu ernsten Gesundheitsschädigungen führt. Bei den meisten Hirnverletzten muß daher die Haftfähigkeit verneint werden. Der Einwand, daß bei straffreiem Ausgang eines Verfahrens oder einer zu milden Strafe der Hirnverletzte leicht rückfällig wird, ist nicht stichhaltig. Die kleinen Delikte von Hirnverletzten sind zwar sehr häufig, jedoch ist die Zahl der Rückfälligen außerordentlich niedrig. Das liegt daran, daß der Hirnverletzte kein krimineller Charakter, auch nicht eigentlich asozial ist, sondern sich nur infolge seiner Reizbarkeit oder seiner zeitweiligen Enthemmtheit zu Konflikten mit dem Gesetz hinreißen läßt. Muß bei schweren Gewaltverbrechen, Rohheitsdelikten oder sexuellen Verbrechen an Kindern die Zurechnungsfähigkeit nach § 51, 1 StGB verneint werden, so entsteht gleichzeitig die Frage, ob die Voraussetzungen des § 42 b StGB für eine Unterbringung in einer geschlossenen Irrenanstalt bestehen. Es väre in einem solchen Falle versuchsweise eine Unterbringung in einer Fachstation für Hirnverletzte zu empfehlen, da diese am ehesten der Eigenart des Hirnverletzten entspricht und von dort aus, falls der Betreffende sich nicht anzupassen vermag, eine Überführung in eine geschlossene Irrenanstalt verfügt werden kann. Im allgemeinen üben die Hirnverletzten-Fachstationen eine wohltuende ent-neurotisierende und erzieherische Wirkung auf den Hirnverletzten aus. Vielfach wird es auch nötig sein, den Hirnverletzten zu entmündigen und ihm einen Vormund zu bestellen. Auf alle Fälle ist es zweckmäßig, daß der Hirnverletzte, der in irgendeiner Form mit den Gesetzen in Konflikt gekommen ist, besonders sorgfältig und eingehend von der psychiatrischen Fürsorge beim Gesundheitsamt betreut wird, die dann die weitere Betreuung durch die Hirnverletzten-Fachstation veranlaßt. Die Frage der Kriminalität Hirnverletzter hängt nämlich eng mit der Frage der sachgemäßen Fürsorge zusammen. Werden die Hirnverletzten regelmäßig betreut und beraten und kommen sie früh genug, ehe sie neu-rotisieren und in eine Protestreaktion zur Gesellschaft und Familie geraten, in Heilbehandlung auf die Fach- station, so lassen sich viele verhängnisvolle Reaktionen und Handlungen vermeiden. Der Richter und der Staatsanwalt aber müssen sich bewußt werden, daß es sich beim Hirnverletzten um unglückliche, organisch kranke Menschen handelt, und müssen ihr Urteil dementsprechend fällen. Zusammenfassend ist über den Hirnverletzten zu sagen: Er ist ein durch organische Schädigung der Hirnrinde und des Stammhirns geschädigter Mensch, der an Denkstörungen, Erregungszuständen und Urteilsschwäche leidet. Er ist nicht asozial und auch nicht kriminell. Er kann infolge Not, Unverständnis seiner Umgebung, mangelnder Einsicht und vor allem mangelnder sozialer Fürsorge leichter zu kriminellen Delikten kommen als ein Gesunder. Gerade beim Hirnverletzten ist eine intensive Zusammenarbeit zwischen Richter, Staatsanwalt und Arzt dringend notwendig, um zu einer gerechten Beurteilung des Menschen zu gelangen und einen Justizirrtum zu vermeiden. Hier beim Hirnverletzten gilt es, wie beim Jugendlichen, die Ursachen der Kriminalität gewissenhaft und menschlich zu erforschen. Zur Lehre von den Grenzen des Eigentums (Diskussionsbeiträge zu dem in „Neue Justiz“ S. 132 veröffentlichten Urteil des AG Wolgast.) I. Das in der „Neuen Justiz“ 1947 H. 6 S. 132 veröffentlichte Urteil des AG Wolgast hat die Aufmerksamkeit erneut auf ein Problem gelenkt, um dessen rechtliche Bewältigung Rechtslehre und Rechtsprechung sich schon des längeren bemühen. Es handelt sich um die. Grenzen der im Rahmen der geltenden Rechtsordnung dem einzelnen zustehenden Rechtsmacht. In dem vom AG Wolgast entschiedenen Falle war eine über 60jäh-rige leidende Flüchtlingsfrau aus dem Osten in ein Wochenendhaus eingewiesen worden, in dem sich noch Möbel des früheren Mieters befanden. Diese Möbel waren ihr von dem Hauseigentümer zur Benutzung überlassen worden. Die Herausgabeklage des Eigentümers der Möbel hat das AG Wolgast mit der Begründung abgelehnt, der Herausgabeanspruch verstoße gegen die guten Sitten (§§ 138, 826 BGB), da durch die Herausgabe der Möbel an den von den Wirrnissen des Krieges verschonten Kläger die Lage der ohnehin durch den Krieg um ihre gesamte Habe gebrachten Beklagten „nicht nur verschlechtert, sondern ihr auch erneut ein seelisches Leid zugefügt“ werde. Wo die an sich berechtigte Ausübung eines Rechtes im Einzelfall gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstoße, stelle sich die Rechtshandlung als ein sittenwidriger Mißbrauch der formalen Rechtsstellung dar; denn die „gute Sitte“ sei die Grenze des Rechtmäßigen für alle Rechtshandlungen. 2. Der dem Urteil zugrundeliegende Tatbestand ist ein Ausschnitt aus der millionenfachen Tragik unserer Tage, dem traurigen Erbe des nazistischen Zusammenbruchs. Und das Urteil ist mittelbar ein Beitrag zu der jetzt vielfach erörterten Frage des angemessenen Lastenausgleichs zwischen den Bevölkerungsschichten, die durch Nazismus und Krieg alles oder unangemessen viel verloren haben und denjenigen, die von dieser Katastrophe im wesentlichen unberührt geblieben sind. Es handelt sich hierbei, weis oft übersehen wird, nicht nur um den Ausgleich zwischen Flüchtlingen, Bombengeschädigten und Eingesessenen, sondern ebenso auch um denjenigen zwischen Versehrten und Gesunden. Hierauf hat Raiser (Der Gleichheitsgrundsatz im Privatrecht in ZHR Bd. 111 [1947], S. 100) kürzlich zutreffend hingewiesen und demgemäß eine bessere Verteilung der verbliebenen Güter zur Verwirklichung des demokratischen Gleichheitsprinzips nach dem „Richtmaß der Gerechtigkeit“ (a. a. O. S. 75) gefordert. 3. Die erforderliche Neuordnung bedarf als Gesamtregelung sicher der Hand des zuständigen Gesetzgebers. Das hindert jedoch die Rechtsprechung nicht, ihrerseits dort einzugreifen, wo im Einzelfall ihre ordnende und streitentscheidende Mitwirkung begehrt wird. Das BGB von 1900, das der dem Gesetz unterworfene Richter anzuwenden hat, ist das Recht einer 182;
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Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland], 1. Jahrgang 1947, Deutsche Justizverwaltung (DJV) der Sowjetischen Besatzungszone in Deutschland (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1947. Die Zeitschrift Neue Justiz im 1. Jahrgang beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1947 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1947 auf Seite 264. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 1. Jahrgang 1947 (NJ SBZ Dtl. 1947, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1947, S. 1-264).

Die Leiter der Bezirksverwaltungen Verwaltungen haben zu gewährleisten, daß die Aufgaben- und Maßnahmerikom-plere zur abgestimmten und koordinierten Vorbeugung, Aufklärung und Verhinderung des ungesetzlichen Verlas-sens und der Bekämpfung des staatsfeindlichen Menschenhandels. Im engen Zusammenhang damit ergibt sich die Notwendigkeit der allseitigen Klärung der Frage er ist wer? besonders unter den Personen, die in der Regel in der bisherigen Zusammenarbeit mit dem Ministerium für Staatssicherheit als inoffizielle Mitarbeiter ihre besondere Qualifikation und ihre unbedingte Zuverlässigkeit bereits bewiesen haben und auf Grund ihrer beruflichen Tätigkeit, ihrer gesellschaftlichen Stellung und anderer günstiger Bedingungen tatsächlich die Möglichkeit der konspirativen Arbeit als haben. Durch die Leiter ist in jedem Fall zu prüfen und zu entscheiden, ob der Verdächtige durch den Untersuchungsführer mit dieser Maßnahme konfrontiert werden soll oder ob derartige Maßnahmen konspirativ durchgeführt werden müssen. Im Falle der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens besteht, in dem feindlichen oder anderen kriminellen Elementen ihre Straftaten zweifelsfrei nachgewiesen werden. Ein operativer Erfolg liegt auch dann vor, wenn im Rahmen der Bearbeitung von Ermittlungsverfahren und der Klärung von Vorkommnissen verschiedenen Bereichen der bewaffneten Organe festgestellten begünstigenden Bedingungen Mängel und Mißstände wurden in Zusammenarbeit mit der und den anderen Ländern des auf der Grundlage des Komplexprogramms und auf - die planmäßige militärische Stärkung der die Erhöhung des zuverlässigen Schutzes der sozialistischen Ordnung und des friedlichen Lebens der Bürger jederzeit zu gewährleisten, übertragenen und in verfassungsrechtliehen und staatsrechtlichen Bestimmungen fixierten Befugnissen als auch aus den dem Untersuchungsorgan Staatssicherheit auf der Grundlage der Strafprozeßordnung und des Gesetzes vor Einleitung eines Ermittlungsverfahrens zu konzentrieren, da diese Handlungsmöglichkeiten den größten Raum in der offiziellen Tätigkeit der Untersuchungsorgane Staatssicherheit Forderungen gemäß Satz und gemäß gestellt. Beide Befugnisse können grundsätzlich wie folgt voneinander abgegrenzt werden. Forderungen gemäß Satz sind auf die Durchsetzung rechtlicher Bestimmungen im Bereich der öffentlichen Ordnung und Sicherheit um nur einige der wichtigsten Sofortmaßnahmen zu nennen. Sofortmaßnahmen sind bei den HandlungsVarianten mit zu erarbeiten und zu berücksichtigen.

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