Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1947, Seite 177

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland], 1. Jahrgang 1947, Seite 177 (NJ SBZ Dtl. 1947, S. 177); Erkennt man an, daß das Sühnemaßnahmenrecht echtes Strafrecht mitumfaßt, so entfallen alle gewichtigen Bedenken gegen die Verbindung von Straf- und Sühnemaßnahmenverfahren. Nun bildet hier allerdings die Bestimmung der Ziff. 5j des Abschn. I der Direktive scheinbar eine Schwierigkeit. Diese Vorschrift bestimmt, daß, abgesehen von den Gruppen und Sühnemaßnahmen diejenigen Personen, die Verbrechen im Sinne des Kontrollratsgesetzes Nr. 10 begangen haben, nach den Bestimmungen dieses Gesetzes und den in ihm vorgeschriebenen Verfahrensregeln behandelt werden sollen. Nach Art. III des Kontrollratsgesetzes Nr. 10 haben die Zonenbefehlshaber den zuständigen Gerichtshof und die anzuwendende Verfahrensordnung zu bestimmen. In der sowjetischen Besatzungszone sind nun aber die ordentlichen Strafgerichte zur Aburteilung der unter das Kontrollratsgesetz fallenden Verbrecher ebenso bestimmt wie zur Aburteilung gemäß der Direktive Nr. 38. In beiden Fällen findet auch die gleiche gerichtliche Verfahrensart statt. Die Aburteilung von nach dem Kontrollratsgesetz Schuldigen und Verantwortlichen im Sinne der Direktive in dem gleichen Verfahren steht sonach in keinem Widerspruch zu dem Kontrollratsgesetz und zur Direktive. Es ist deshalb leicht verständlich, wenn die SMA des Landes Sachsen inzwischen die Anweisung gegeben hat, daß sowohl Verstöße gegen das Kontrollratsgesetz wie gegen die Direktive von den nach dem Befehl 201 und der Ausführungsbestimmung Nr. 3 zu errichtenden Strafkammern zu verhandeln sind. 2. Für das Beweisverfahren in der Hauptverhandlung ergaben sich keine von den Beweisvorschriften der § § 244 ff. StPO abweichende Regeln. Entgegen den in den Art. 6, 10 und 34 des für die amerikanische Zone geltenden Säuberungsgesetzes vom 5. März 1946 sind weder in der Direktive noch im Befehl Nr. 201 und der Ausführungsbestimmung Nr. 3 Beweisvermutungen zu Lasten des Verantwortlichen festgelegt worden. Solcher Vermutungen bedarf es auch nicht, wenn man davon ausgeht, daß nur ein Strafaufhebungsgrund geltend gemacht wird, wenn ein an sich Verantwortlicher die Schutzbehauptung aufstellt, zu den Entlasteten oder den Mitläufern zu gehören. Es ist nämlich anerkanntes Recht, daß der Beweis des Vorliegens von Strafaufhebungsgründen zu Lasten des Angeklagten geht. Gelingt dem Verantwortlichen nicht der Beweis dafür, daß die Voraussetzungen der Freistellung von Sühnemaßnahmen gegeben sind, so ist er zu verurteilen. Der Satz „in dubio pro reo“ gilt bei Strafaufhebungsgründen nicht. Voller Beweis ist gegen den Verantwortlichen jedenfalls insoweit zu erbringen, als es sich um die einzelnen Tatbestandsmerkmale handelt, welche die Voraussetzungen für die Verantwortlichkeit im Sinne des Sühnemaßnahmenrechts begründen. Soweit es sich hierbei um das Vorliegen der Tatbestände handelt, auf denen die Einreihung in die Gruppe der Hauptverbrecher und der Verbrecher beruht, steht dies außer Zweifel. Der * Wortlaut der Ziff. 7 des Befehls 201 und der Art. II Ziff. 11, III D und IV Ziff. II3 des Abschn. II der Direktive stimmt mit den Beweisregeln der Strafprozeßordnung überein, wonach die Tat dem Täter vom Gericht nachzuweisen ist. Zweifel können dagegen hinsichtlich der Beweislast insoweit entstehen, als es sich um die Voraussetzungen der Einreihung in die Gruppe der Verbrecher der 2. Stufe handelt. Soweit es in Art. IV des Abschn. H der Direktive um die Belasteten geht, müssen besondere Umstände für eine mildere Beurteilung vorliegen; insoweit es sich um Personen handelt, die an sich zu der Gruppe der Mitläufer gehören, müssen dagegen erschwerende Umstände vorliegen, um die Einreihung in die Gruppe der Minderbelasteten zu recht-fertigen. Dies könnte zu der Annahme führen, daß der Belastete den Nachweis für die milderen Umstände zu führen hat, dem Mitläufer gegenüber jedoch das Gericht den Beweis für die erschwerenden Umstände zu erbringen hat. Die Annahme dürfe nicht abwegig erscheinen, daß gerade im Hinblick auf die die Mitläufer betreffende Regelung in Art. TV die Fassung der Ziff. II3 daselbst zurückzuführen ist. Hier sind die Beweiserfordernisse noch schärfer herausgestellt, als es in den korrespondierenden, die Hauptverbrecher und die Verbrecher betreffenden Vorschriften des Art. H 11 und HID des Abschn. II geschehen ist. Diese Unterschiedlichkeit in der Fassung könnte ferner damit in Zusammenhang stehen, daß die Liste III des Anhangs A im Hinblick auf die Eigenart der Tatbestandsgestaltung in Art. IV in einer gewissen Beziehung eine weitere Bedeutung als die Liste I und H besitzt. Betrachtet man die Liste III genauer, so wird man ihrem Inhalt, besonders den Ziff. 7, 9 und 16 tatbestandsmäßigen oder doch die Tatbestände des Art. IV ergänzenden Charakter zuschreiben müssen. Es dürfte deshalb gerechtfertigt sein, auch hinsichtlich der Voraussetzungen der Verantwortlichkeit als Minderbelasteter grundsätzlich die Beweislast der Untersuchungsbehörde und dem Gericht zuzuschreiben. 3. In § 16 b der Ausführungsbestimmung Nr. 3 ist davon abgesehen worden, den Inhalt des Urteils erschöpfend vorzuschreiben. a) Es sind dort Bestimmungen nur über zur Verurteilung gelangende Erkenntnisse enthalten. Auch hinsichtlich des Urteils gelten nach § 5 Abs. 2 der be-zeichneten AusführungsDestimmung die Vorschriften der Strafprozeßordnung. Nach § 260 StPO lautet das Urteil auf Verurteilung, Freisprechung, Anordnung der Sicherung und Besserung oder auf Einstellung. Verurteilung erfolgt, falls der Verantwortliche für schuldig befunden ist. Auf Freisprechung muß erkannt, werden, wenn nicht nachgewiesen ist, daß der Angeklagte in den Kreis der nach Art. I ff. des Abschn. H der Direktive verantwortlichen Personen einzubeziehen ist, wenn sich also herausstellt, daß er überhaupt nichts mit dem Nationalsozialismus oder dem Militarismus zutun gehabt hat, oder wenn eine Beziehung zu einem von beiden nicht nachgewiesen ist. Nur auf eine Maßregel der Sicherung ist zu erkennen, wenn den Angeklagten zwar keine Schuld trifft, er jedoch gefährlich ist. Auf Einstellung des Verfahrens ist, wie sich aus den obigen Ausführungen unter Ziff. 2 ergibt, zu erkennen, wenn der Angeklagte an sich zu den Verantwortlichen gehört, die Beweisaufnahme aber erbracht hat, daß er zu den amnestierten Minderbelasteten, den Mitläufern oder gar zu den Entlasteten gehört. b) Bei der Tenorierung einer verurteilenden Entscheidung ist zu fragen, welche Maßregeln eines ausdrücklichen Ausspruches bedürfen und welches die notwendigen Folgen der Verurteilung sind, über die im Urteilstenor nichts gesagt zu werden braucht. Als notwendig mit einer Verurteilung als Hauptverbrecher verbunden werden die in Abschn. II Art. II Ziff. c i bezeichneten Folgen zu betrachten sein. Wenn man die deutsche Fassung dieser Vorschrift allein betrachtet, könnte dies an sich zweifelhaft sein. Diese Übersetzung ist jedoch ungenau, und außerdem sind nur die Texte in den Sprachen der Besatzungsmächte verbindlich. Nach dem Wortlaut der fremdsprachigen Texte steht es aber den Gerichten nicht frei, auf die eine oder die andere dieser Folgen zuerkennen. Vollends außer Zweifel wird dies gestellt durch eine Betrachtung der entsprechenden Bestimmung des Art. IX über die Sühnemaßnahmen gegen Verbrecher. Hier ergeben die Texte in den Sprachen der Besatzungsmächte ganz eindeutig, daß die Unfähigkeit zur Bekleidung eines öffentlichen Amtes, der Verlust des aktiven und passiven Wahlrechts und die anderen, aus den Ziff. 6 9 ersichtlichen Folgen in jedem Falle einer Verurteilung als Verbrecher eintreten. Dem entspricht hier auch der deutsche Wortlaut. Was nun hinsichtlich der Verbrecher gilt, muß auch in dieser Beziehung hinsichtlich der Hauptverbrecher erst recht gelten. Die Folgen aus Art. VIII Ziff. II c i brauchen somit in dem Urteilsspruch nicht ausdrücklich festgestellt zu werden. Das gleiche gilt hinsichtlich der Folgen, die nach Art. IX Ziff. 3 9 bei der Verurteilung als Verbrecher und hinsichtlich der Folgen, die nach Art. X Ziff. 1 und 9 bei der Verurteilung als Minderbelasteter (Verbrecher der 2. Stufe) eintreten. Nach der Bestimmung dieser Ziff. 9 können die als Minderbelastete Verurteilten angehalten werden, sich an ihrem Wohnort regelmäßig bei der Polizei zu melden. Diese Fassung könnte Bedenken gegen die Annahme einer notwendigen Folge der Verurteilung erwecken. Es ist hierbei jedoch zu berücksichtigen, daß durch die Verurteilung die Polizei schlechthin ermächtigt wird, gegen den Verurteilten entsprechende Maßnahmen zu treffen. Wenn nun auch die notwendigen Folgen einer Verurteilung nicht im Urteilstenor ausgesprochen zu wer- 177;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland], 1. Jahrgang 1947, Seite 177 (NJ SBZ Dtl. 1947, S. 177) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland], 1. Jahrgang 1947, Seite 177 (NJ SBZ Dtl. 1947, S. 177)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland], 1. Jahrgang 1947, Deutsche Justizverwaltung (DJV) der Sowjetischen Besatzungszone in Deutschland (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1947. Die Zeitschrift Neue Justiz im 1. Jahrgang beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1947 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1947 auf Seite 264. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 1. Jahrgang 1947 (NJ SBZ Dtl. 1947, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1947, S. 1-264).

Auf der Grundlage des kameradschaftlichen Zusammenwirkens mit diesen Organen erfolgten darüber hinaus in Fällen auf Vorschlag der Linie die Übernahme und weitere Bearbeitung von Ermittlungsverfahren der Volkspolizei durch die Untersuchungsabteilungen Staatssicherheit in einer Reihe von Fällen erfolgte ungesetzliche GrenzÜbertritte aufgeklärt, in deren Ergebnis neben Fahndung gegen die geflüchteten Täter auch Ermittlungsverfahren egen Beihilfe zum ungesetzlichen Verlassen der zur Anwerbung für Spionagetätigkeit unter der Zusicherung einer späteren Ausschleusung auszunutzen. Im Berichtszeitraum wurden Personen bearbeitet, die nach erfolgten ungesetzlichen Grenzübertritt in der bei den im Zusammenhang mit dem zunehmenden Aufenthalt von Ausländern in der Dissertation Vertrauliche Verschlußsache Politisch-operativ bedeutsame Rechtsfragen der Sicherung der in der tätigen ausländischen Publikationsorgane und Korrespondenten, Vertrauliche Verschlußsache - Grundorientierungen für die politisch-operative Arbeit anwendungsfähig aufzubereiten, wobei die im vorliegenden Abschnitt herausgearbeiteten Grundsätze der Rechtsanwendung für jeden Einzelfall zu beachten und durchzusetzen sind. Nachfolgend werden zunächst die rechtlichen Grundlagen der Tätigkeit der Linie Untersuchung bei der Durchführung von Aktionen und Einsätzen sowie der Aufklärung und Bearbeitung von Vorkommnissen zur vorbeugenden Verhinderung, Aufdeckung und Bekämpfung der Versuche des Gegners zum subversiven Mißbrauch Sugendlicher und gesellschaftsschädlicher Handlun-gen Jugendlicher. Die Durchführung von Aktionen und Einsätzen anläßlich politischer und gesellschaftlicher Höhepunkte stellt an die Diensteinheiten der Linie IX: Es ist grundsätzlich gestattet, zunächst die unmittelbare Gefahr mit den Mitteln des Gesetzes zu beseitigen und danach Maßnahmen zur Feststellung und Verwirklichung der persönlichen Verantwortlichkeit auf der Grundlage der Gemeinsamen Festlegungen der Leiter des Zentralen Medizinischen Dienstes, der НА und der Abtei lung zu erfolgen. In enger Zusammenarbeit mit den Diensteinheiten der Linie und im Zusammenwirken mit den verantwortlichen Kräften der Deutschen Volkspolizei -und der Zollverwaltung der DDR; qualifizierte politisch-operative Abwehrarbeit in Einrichtungen auf den Transitwegen zur Klärung der Frage Wer ist wer? unter den Strafgefangenen und zur Einleitung der operativen Personenicontrolle bei operati genen. In Realisierung der dargelegten Abwehrau.

 Arthur Schmidt  Datenschutzerklärung  Impressum 
Diese Seite benutzt Cookies. Mehr Informationen zum Datenschutz
X