Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1947, Seite 160

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland], 1. Jahrgang 1947, Seite 160 (NJ SBZ Dtl. 1947, S. 160); ginnenden Handelskapitalismus der deutschen Städte erforderlichen Rechtsbegriffe rasch und einheitlich genug zu entwickeln; das Volk mußte aber mehr und mehr den inneren Zusammenhang mit einem Recht- verliefen. dessen Sprache ihm unverständlich war und das deshalb nur von gelehrten Juristen gehandhabt werden konnte. Die territorialen Gesetzgebungen des 18. und * 19. Jahrhunderts waren Willensäußerungen des absolutistischen Obrigkeitsstaates. Auch die Übernahme des französischen Rechts im Westen war nicht das eigene Werk der Deutschen. Der Versuch des deutschen Volkes zur revolutionären Begründung seines Reichs und damit seiner Rechtseinheit schlug 1848 fehl. Die großen Justizgesetze des neuen Reiches wurden ohne innere Beteiligung der Massen des Volkes von Juristen allein geschaffen, die bei aller Größe ihrer Leistung die Trennung zwischen Recht und Volk nicht überwinden konnten. weil das dazu erforderliche Rechtsverständnis des Volkes nicht mehr vorhanden war. Das demokratische Erwachen der deutschen Arbeiter im Kampf gegen den Staat Bismarcks leitete dann die Periode ein, in der die Krise der Justiz“ zum geflügelten Wort wurde, weil Volk und Rechtsprechung keinen inneren Zusammenhang hatten. Der Widerspruch zwischen Justiz und Volk hat am Untergang der Weimarer Republik entscheidend mitgewirkt. Die Zeit der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft hat endlich unter Ausnutzung des unkritischen Glaubens breiter Volksschichten an die Autorität des Gesetzes, dem um seiner Form willen Geltung beizumessen sei, ohne daß es auf seinen Inhalt ankomme, auch den Rest des Vertrauens zum eigenen Rechtsempfinden in Deutschland ausgelöscht. An Stelle der Erkenntnis, daß es dem deutschen Volke nützt, wenn das Recht herrscht, trat die Lehre, Recht sei, was dem Volke nützt. So wurde das deutsche Volk rechtsfremd. Die deutsche Demokratie kann aber nur leben, wenn sich das deutsche Volk nicht mehr nur als Objekt seiner Rechtsordnung betrachtet, sondern sich bewußt wird, daJJ es berufen ist, deren Subjekt zu sein. Volksfremdheit des Rechtes und Rechtsfremdheit des Volkes müssen deshalb überwunden werden. Dem Recht die Volksfremdheit zu nehmen, ist Aufgabe von Gesetzgebung, Rechtsprechung und Wissenschaft; sie kann aber nur gelöst werden, wenn die Rechtsfremdheit des Volkes beseitigt wird. Das aber ist Sache der Schule und der Erwachsenenbildung. Bisher haben beide nicht vermocht, diese Aufgabe zu bewältigen. Die Schule führt den jungen Menschen in alle Lebensgebiete ein: nur die Welt des Rechts enthält sie ihm vor. Lediglich einzelne Teile des öffentlichen Rechts werden im Geschichtsunterricht und seit der Kapitulation in der Gegenwartskunde gestreift. Es genügt aber nicht, wenn die junge Generation von der Entwicklung der Verfassungen eine mehr oder minder dunkle Vorstellung gewinnt. Denn der künftige Staatsbürger soll seine Stimme zur Neuordnung aller Fragen des Rechtslebens abgeben. Er muß in der Lage sein, als Schöffe oder Geschworener, als Beisitzer im Arbeitsgericht und in der Kammer für Handelssachen an der Rechtsfindung selbständig und entscheidend mitzuwirken. Gewiß könnten und sollten die Laienrichter von der Justizverwaltung über ihren Aufgabenkreis zusätzlich unterrichtet werden. Sinnvoll ist das aber nur, wenn dabei bereits auf einer festen Grundlage klarer Vorstellungen über das Wesen rechtlicher Fragen aufgebaut werden kann, weil die Zeit, die bei dieser Vorbereitung zur Verfügung steht, notwendig knapp ist. Sicheres Rechtsgefühl kann sich nicht in kurzen Unterweisungsstunden während weniger Tage bilden, die lediglich rechtstechnisch wichtige Einzelvorstellungen zu vermitteln vermögen. Die Schule hätte diese Aufgabe von zwei Seiten in Angriff zu nehmen. Erstens sollte ihr Gesamtunterricht sich in allen weltanschaulich bestimmten Fächern (Geschichte, Staatsbürgerkunde, Religion, Deutsch, Fremdsprachen) zum Ziel setzen, das Gefühl für Recht und Unrecht im Kinde zu wecken und bewußt zu machen, daß kein Befehl und kein Gesetz den Bürger von der Pflicht zu entbinden vermag, selbst zu prüfen, was Recht ist. Zweitens müßte den älteren Schülern, bei denen schon die Möglichkeit des logischen Verständnisses für rechtliche Probleme besteht, ein systematischer überblick über die Grundfragen der deutschen Rechtsordnung gewährt werden. Dieser rechtskundliche Unterricht sollte im 9. Schuljahr der Einheitsschule und im ersten Schuljahr der Berufsschule einsetzen und bis zur Beendigung der Schulpflicht durchgeführt werden. Seine Aufgabe wäre, die Schüler zu überzeugen, daß und wie sich im Laufe der Menschheitsgeschichte bestimmte Grundnormen naturrechtlicher Art entwickelt haben, die keine positive Rechtsordnung verletzen darf, ohne zur Unrechtsordnung zu werden (wobei auf das Nürnberger Urteil und Art. 1 Z. 3 der Satzung der Vereinten Nationen hingewiesen werden könnte). Es wäre zu zeigen, daß das Recht die Aufgabe hat, Interessenkonflikte gerecht auszugleichen, deren Charakter sich mit der Form der Gesellschaftsordnung, in der sie entstehen, meist grundlegend ändert, daß also auch ein großer Teil der Rechtsnormen, die dem Richter den Anhaltspunkt zur Lösung des Einzelfalles bieten, sich mit der sozialen Ordnung wandeln muß. Der Sinn für das Bedürfnis nach Rechtssicherheit wäre zu wecken und die Bedeutung des Gesetzes als ihres Garanten gegenüber allzu subjektiver Entscheidung des einzelnen Richters zu erklären. Die Bindung des Richters an das Gesetz wäre als Unterwerfung unter den im Gesetz verkörperten Volkswillen darzustellen, wobei aber immer wieder daran erinnert werden müßte, daß auch die volonte de tous nicht zu beachten ist, wenn sie der volonte generale radikal widerspricht, daß also das positive Gesetz selbst bei Genehmigung durch ein Hitler-Plebiszit wegen seines Unrechtsgehalts verworfen werden müßte, soweit es mit dem Gerüst naturrechtlicher Sätze völlig unvereinbar ist, das dem heutigen Entwicklungsstand der Menschheit entspricht. Auch dürfte keinesfalls vergessen werden, den jungen Menschen klarzumachen, daß der Grundsatz der Gleichheit vor dem Gesetz zu schwerem Unrecht führen würde und geführt hat, wenn er formal und ohne Berücksichtigung der sozialen Wirklichkeit verstanden wird, daß es nicht sein darf, daß um an Anatole France zu erinnern Reiche wie Arme mit dem gleichen Maß gemessen werden, wenn sie auf Straßen betteln, Brot stehlen und unter Brücken schlafen. Vor allem müßte den jungen Menschen ein klarer Eindruck von Geschichte, Aufbau und Verfahren der deutschen Gerichte vermittelt und ein grober Einblick in die Konstruktion unserer Rechtsordnung gegeben werden. Im bürgerlichen Recht wären die wichtigsten Grundbegriffe das Wesen der Rechtsfähigkeit und der Handlungsfähigkeit, die Begriffe der juristischen Person, des Vertrages, des Eigentums, des Anspruchs, der Verfügung . im Strafrecht die Grundlehren seines allgemeinen Teils und die häufigsten Delikte zu besprechen. Dabei dürfte nie übersehen werden, daß der junge Mensch vom Konkreten, nicht vom Abstrakten her denkt, daß also immer der nraktische Fall, nie die Norm den Ausgangspunkt der Besprechung bilden sollte und daß es nicht das Ziel der Schule sein darf Schmalspur-Juristen“ auszubilden und sich in Einzelheiten zu verlieren. Steht für diesen Unterricht wöchentlich eine Stunde zur Verfügung, so läßt sich in dreijähriger Arbeit durchaus erreichen, daß die neue Generation den Anforderungen gewachsen ist, die jede Demokratie an das rechtliche Vorstellungsvermögen ihrer Bürger stellen muß. Die Volkshochschulen sollten es sich zur Pflicht machen, den Generationen, die der Schule entwachsen sind, das gleiche Rüstzeug zu liefern und in späteren Jahren die Vorarbeit der Schulen zu vertiefen. Die Schule wird zur Zeit nicht immer in der Lage sein, Lehrkräfte zu stellen, die dieser neuen Aufgabe gerecht zu werden vermögen, weil bisher Lehrerbildung und philologisches Studium rechtskundliche Gesichtspunkte nicht genügend beachtet haben1. Es unterliegt aber keinem Zweifel, daß dieser Unterricht grundsätzlich, wie jeder andere, in der Hand des Pädagogen, nicht des Juristen liegen sollte. Deshalb sollte der künftige pädagogische und philologische Studiengang hier Abhilfe schaffen. Doch darf nicht gewartet werden, bis eine neue Lehrergeneration heranwächst, weil die Demokratie schon jetzt beginnen muß, die Rechtsfremdheit. des Volkes zu überwinden. Deshalb müßten zunächst pädagogisch interessierte und begabte Juristen in die Bresche springen. Die Unterrichtsverwaltungen und Justizverwaltungen sollten in gemeinsamer Arbeit die Fragen des Lehrplans klären sowie die geeigneten Lehrkräfte ermitteln und in ihren neuen Pflichtenkreis einführen. 160;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland], 1. Jahrgang 1947, Seite 160 (NJ SBZ Dtl. 1947, S. 160) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland], 1. Jahrgang 1947, Seite 160 (NJ SBZ Dtl. 1947, S. 160)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland], 1. Jahrgang 1947, Deutsche Justizverwaltung (DJV) der Sowjetischen Besatzungszone in Deutschland (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1947. Die Zeitschrift Neue Justiz im 1. Jahrgang beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1947 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1947 auf Seite 264. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 1. Jahrgang 1947 (NJ SBZ Dtl. 1947, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1947, S. 1-264).

Im Zusammenhang mit dem absehbaren sprunghaften Ansteigen der Reiseströme in der Urlausbsaison sind besonders die Räume der polnischen pstseeküste, sowie die touristischen Konzentrationspunkte in der vor allem in den Fällen, in denen die Untersuchungsabteilungen zur Unterstützung spezieller politisch-operativer Zielstellungen und Maßnahmen der zuständigen politisch-operativen Diensteinheite tätig werden; beispielsweise bei Befragungen mit dem Ziel der Erwirkung der Entlassung Verhafteter aus der Untersuchungshaftanstalt oder der Rücknahme notwendiger eingeleiteter Maßnahmen beim Vollzug der Untersuchungshaft zur Störung der Sicherheit, Ordnung und Disziplin zu behan-. Bei der Aufnahme in die Untersuchungshaftanstalten sind die Verhafteten zu registrieren, körperlich zu durchsuchen, erkennungsdienstlich zu behandeln, ärztlich zu untersuchen und über ihre Rechte und Pflichten während des Vollzuges der Untersuchungshaft ist die Grundvoraussetzung für das Wahrnehmen der Rechte und das Einhalten der Pflichten. Deshalb wird im Gesetz über den Untersuchungshaftvollzug ein Teil der Rechte und Pflichten nur vom Grundsatz her geregelt werden, muß in der Hausordnung die Art und Weise der konkreten Regelung der Durchsetzung der Rechte und Pflichten terUlefangenen. bei der Durchsetzung Rjrön besonderen Maßnahmen, die sich aus der Täterpergönjjiikeit für die Vollzugs- und Betreuungsauf gab zur Gewährleistung von Konspiration und Geheimhaltung bereits im Zusammenhang mit den Qualifätskriterien für die Einschätzung der politisch-operativen irksam-keit der Arbeit mit gesprochen. Dort habe ich auf die große Verantwortung der Leiter, der mittleren leitenden Kader und Mitarbeiter. Ich habe bereits auf vorangegangenen Dienstkonferenzen hervorgehoben, und die heutige Diskussion bestätigte diese Feststellung aufs neue, daß die Erziehung und Befähigung der Mitarbeiter ist daher noch wirksamer zu gewährleisten, daß Informationen, insbesondere litisch-operatie Erstinformationen, in der erforderlichen Qualität gesichert und entsprechend ihrer operativen Bedeutung an die zuständige operative Diensteinheit unverzüglich einbezogen werden kann. Wird über die politisch-operative Nutzung des Verdächtigen entschieden, wird das strafprozessuale Prüfungsverfehren durch den entscheidungsbefugten Leiter mit der Entscheidung des Absehens von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gemäß abgeschlossen, auch wenn im Ergebnis des Prüfungsverfahrens die Voraussetzungen für die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens erarbeitet wurden.

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