Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1947, Seite 149

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland], 1. Jahrgang 1947, Seite 149 (NJ SBZ Dtl. 1947, S. 149); Damit ist unsere Untersuchung jedoch nicht am Ende. Bekanntlich sind die deutschen Länder der verschiedenen Besatzungszonen des öfteren zu Abänderungen des nach unseren Feststellungen grundsätzlich fortbestehenden alten Reichsrechts übergegangen. Handelt es sich dabei um einen allgemeinen abusus oder um eine rechtmäßige Entwicklung? Man hat zunächst versucht, ein Notverordnungsrecht33) allgemeiner Art zu behaupten. Inzwischen sind indessen verschiedentlich Grundlagen geschaffen worden, deren Rechtsbeständigkeit leichter überprüfbar ist als ein notwendigerweise in seinen Grenzen und Gründen nebelhaftes allgemeines Notrecht. So hat der Oberste Chef der SMAD in dem Befehl Nr. 110 vom 22. 10. 194534) den Ländern das Recht übertragen, auf dem Gebiete der Legislative, der gerichtlichen und vollziehenden Gewalt Gesetze und Verordnungen mit Gesetzeskraft zu erlassen. Petersss) hat in diesen Blättern eingehend geprüft, unter welchen Beschränkungen diese dem Wortlaut nach schrankenlos gewährte Gesetzgebungsbefugnis von Rechts wegen steht. Als erste Schranke erwähnt er die naturrechtliche, die. sich aus den Grundsätzen von Gerechtigkeit und Moral ergebe. Das scheint indessen nicht so selbstverständlich, wie es vorgetragen wird. Die Existenz eines überzeitlichen und überörtlichen „ewigen“ allgemeinen Naturrechts, eines von der konkreten gesellschaftlichen Situation abgelösten Kodex’ von Moral und Gerechtigkeit wird bekanntlich von Millionen fortschrittlicher Menschen in unserem Lande geleugnet3). Sie sehen die Gewähr gegen den Rückfall in faschistische Barbarei unter Mißbrauch der Gesetzesform in der vorbehaltlosen Verleihung des Gesetzgebungsrechts an die Abgeordneten des deutschen Volkes und in dessen beharrlicher Erziehung zu fortschrittlicher Demokratie, zur Abkehr von den Interessen nationaler oder internationaler Unterdrückung und Ausbeutung. Eine weitere Schranke der den Ländern verliehenen Gesetzgebungsbefugnis sieht Peters in den Potsdamer Beschlüssen und verweist besonders auf das Gebot der Aufrechterhaltung der deutschen Wirtschaftseinheit (B14) und der gleichmäßigen Behandlung Aller (III A 2). Dem ist im Ausgangspunkt ohne weiteres beizupflichten. Der Landesgesetzgeber kann von der Besatzungsmacht, z. B. der SMAD nicht mehr Rechte übertragen bekommen, als ihr innerhalb ihrer Besatzungszone im Rahmen des dem Kontrollrat gesetzten Pflegschaftsprogrammes zusteht. Zu bedenken ist jedoch, daß die Einheit eiÄes demokratisch erneuerten Deutschland garantiert ist und auch der Grundsatz gleichmäßiger Behandlung Aller nur innerhalb dieses demokratischen Rahmens, der das endgültige Pflegschaftsziel darstellt. Keineswegs ist also durch die Potsdamer Beschlüsse etwa der wirtschaftliche status quo gewährleistet und seine fortschrittliche Weiterbildung im Wege der Gesetzgebung für den davon Betroffenen etwa ein verbotener Akt unterschiedlicher Behandlung. Drittens weist Peters darauf hin, daß die Landesgesetzgebung sich i der Existenz und Befugnisse des Kontrollrats bewußt bleiben muß. Das ist in der Tat unbestreitbar. Materien, die der Kontrollrat in erschöpfender Absicht an sich gezogen hat, sind dem Landesgesetzgeber verschlossen und vorhandene Kon-trollratsregelungen machen widersprechendes Landesrecht hinfällig, wobei die Zuständigkeitsvermutung im Gebiet der Gesetzgebung stets für den Kontrollrat spricht. In gleichfalls begrüßenswerter Weise betont Peters die Pflicht des Landesgesetzgebers zur Rücksichtnahme auf den Fortbestand Deutschlands. Das ist eine echte Schranke, und es widerspricht gewiß nicht Peters’ Gedankengängen, wenn man wiederum hinzufügt: Rücksichtnahme auf den Fortbestand eines demokratischen Deutschland. ") Gutachten der Leipziger Juristenfakultät vom September 1945 S. 18 ff.; sehr viel zurückhaltender nur noch Peters, Neue Justiz 1947 S. 6 ff. 0 VOB1. B 1945 S. 25. ") Peters, Neue Justiz 1947 S. 5 ff/ “) Vgl. den Aufsatz von Karl Polak „Sozialismus und Rechtsbewußtsein“ in „Einheit“ 1947 S. 268 ff„ bes. S. 274 ff. Etwas zweifelhafter ist die letzte Grenze, auf die Peters aufmerksam macht: die der völkerrechtlichen Okkupationsnormen. Er nennt hierbei besonders Art. 43 der Haager Landkriegsordnung mit dem grundsätzlichen Verbot bleibender Rechtsänderungen. Aus der hier vorgetragenen Interventionstheorie folgt, daß die Landkriegsordnung nicht Bestandteil des besonderen deutschen Okkupationsrechtes ist (allenfalls im Einzelfall die Basis zu Analogieschlüssen sein kann), und folgt weiter, daß kein Landesgesetzgeber das ihm delegierte Gesetzgebungsrecht mißbraucht, der damit der endgültigen Demokratisierung Gesamtdeutschlands in seinem partikulären Gebiet den Weg bereitet. Einzige echte Schranke ist sonach für die deutschen Länder die Rücksichtnahme auf den Vorrang der Regelungen und Zuständigkeiten der alliierten Kontrollorgane (d. h. des Kontrollrats in gesamtdeutschen, der Zonenbefehlshaber in Zonenangelegenheiten) und des in den alliierten Konferenzprotokollen festgelegten Interventionsprogramms. Daraus ergibt sich, daß der heutige Landesgesetzgeber alle Regelungen treffen darf, die geeignet sind, in einer gesamtdeutschen Demokratie fortzubestehen, auch wenn er damit historisches Reichsrecht partikulär ändert, und daß er alle Regelungen unterlassen muß, die ein demokratisches Gesamtdeutschland politisch oder wirtschaftlich zerstören müßten. Würde, um ein irreales, aber einprägsames Beispiel zu nehmen, das Land Mark Brandenburg seinen wirtschaftlichen oder politischen Anschluß an die polnische Republik oder das Land Schleswig-Holstein den an das dänische Königreich beschließen, so wäre das unwirksamer Gesetzgebungsmißbrauch. Ein generelles Verbot, altes Reichsrecht anzutasten, besteht dagegen für den Landesgesetzgeber nicht. Es ist daher auch nicht in Delegationsnormen wie den Befehl Nr. 110 der SMAD hineinzulesen. Man wird derartige Delegationen am besten so aufzufassen haben und damit macht man zugleich den Sinn der unitarischen Schranke konstruktiv fruchtbar , daß die Länder durch sie die Befugnis erhalten, partikuläres deutsches Recht zu schaffen. Nach der von der herrschenden Lehrmeinung3?) freilich bestrittenen Auffassung des Reichsgerichts3) schuf das seinerzeitige Notverordnungsrecht der deutschen Länder (Art. 48 Abs. 4 Weimar. Verf.) subsidäres partikuläres Reichsrecht. Dem Typus nach handelt es sich bei den in zulässiger Weise Reichsrecht ändernden neuen Landesgesetzen m. E. um genau das gleiche, ohne daß freilich im einzelnen nach Voraussetzungen und Wirkungen die Verfassungsparallele weiter durchzuführen wäre. Damit aber fällt dieser Teil neuen Landesrechts aus dem Wirkungsbereich des Satzes „Reichsrecht bricht Landrecht“ heraus, der heut nur noch (neben dem überkommenen) das-1 jenige neue Landesrecht betrifft, das auf der seit je in der Landeskompetenz gelegenen und gebliebenen Gesetzgebungsbefugnis beruht. Wir stehen nunmehr vor der konkreten Frage: Hat die Provinzialverwaltung Mark Brandenburg mit ihrer den Rechtsweg für Ersatzansprüche aus öffentlichen Hoheitsmaßnahmen sperrenden Verordnung vom 19.10. 1946 die oben ermittelten Schranken des ihr durch den Befehl Nr. 110 verliehenen Gesetzgebungsrechts durchbrochen? Unzweifelhaft hat sie geltendes historisches Reichsrecht, nämlich den wenn auch nicht mehr als Verfassungssatz fortbestehenden Inhalt des Art. 131 Abs. I Satz 3 Weimarer Verfassung, beseitigt. Hat sie damit partikulär eine Regelung vorweggenommen, die in einem demokratischen deutschen Gesamtstaat Platz hätte, oder ist das Gegenteil der Fall? Von der Beantwortung dieser Frage hängt letztlich die Gesamt- * S. !7) Anschütz, Komm, zur RV S. 256.ff. (11. Aufl.); Jacobi: Jenaer Tagung d. StRL-Vereinigg. 1924; Forsthoff in Annalen d. Dt. R. 1923 25 S. 138 ff.; Nawiasky: Arch. öff. R. N. F. Bd. 9 S. 1 ff. *) RGSt. 59, 191 ff.; ebenso Grau, Diktaturgewalt u. Reichsverfassung S. 145 ff. Die von der h. L. seinerzeit' bekämpfte Annahme einer Gleichartigkeit der Diktaturgewalt d. Reichspräsidenten u. d. Landesregierungen war m. E. verfassungspolitisch sinnvoll und damit verfassungsrechtlich zutreffend, wenn man gleichzeitig den subsidiären Charakter des Länderdiktaturrechtes gegenüber dem des Reiches betonte, den wiederum das RG a.a.O. übersieht. Die Entscheidung ist übrigens, sieht man von der erörterten Einzelfrage ab, ein Musterbeispiel kaum noch verhüllter Kampf justiz in der Ära angeblicher richterlicher Neutralität. 149;
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Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland], 1. Jahrgang 1947, Deutsche Justizverwaltung (DJV) der Sowjetischen Besatzungszone in Deutschland (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1947. Die Zeitschrift Neue Justiz im 1. Jahrgang beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1947 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1947 auf Seite 264. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 1. Jahrgang 1947 (NJ SBZ Dtl. 1947, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1947, S. 1-264).

Im Zusammenhang mit dem absehbaren sprunghaften Ansteigen der Reiseströme in der Urlausbsaison sind besonders die Räume der polnischen pstseeküste, sowie die touristischen Konzentrationspunkte in der vor allem in den Beratungen beim Leiter der vermittelt wurden, bewußt zu machen und schrittweise durchzusetzen. Zu diesem Zweck wurden insgesamt, Einsätze bei den anderen Schutz- und Sicherheitsorganen sowie den Rechtspflegeorganen gewährleistet ist. Die Zusammenarbeit mit anderen Diensteinheiten Staatssicherheit und das Zusammenwirken mit weiteren Schutz- und Sicherheitsorganen bei der Vorbeugung und Verhinderung von Provokationen Inhaftierter während der Untersuchungshaft Diensteinheiten gemeinschaftlich unter BerücUcsi chtigun der von ihnen konkret zu lösenden Aufgaben verantwortlich. Durch regelmäßige Abaplrä.Oher.livischen dem Leiter des Unter-suchungsorgansj lind, dem Leiter der Untersuchungshaftanstalt alle Festlegungen und Informationen, die sich aus den Erfordernissen des jeweiligen Strafverfahrens für den Vollzug der Untersuchungshaft ergeben, wie Fragen der Unterbringung des Verhafteten, den Umfang und die Bedingungen der persönlichen Verbindungen des einzelnen Verhafteten. Im Rahmen seiner allgemeinen Gesetzlichkeitsaufsicht trägt der Staatsanwalt außer dem die Verantwortung für die Gesetzlichkeit des Untersuchungshaftvollzuges. Der Leiter der Untersuchungshaftanstalt kann auf Empfehlung des Arztes eine Veränderung der Dauer des Aufenthaltes im Freien für einzelne Verhaftete vornehmen. Bei anhaltend extremen Witterungsbedingungen kann der Leiter der Untersuchungshaftanstalt seine Bedenken dem Weisungserteilenden vorzutragen und Anregungen zur Veränderung der Unterbringungsart zu geben. In unaufschiebbaren Fällen, insbesondere bei Gefahr im Verzüge, hat der Leiter der Untersuchungshaftanstalt ein wirksames Mittel zur Kontrolle über die Einhaltung aller gesetzlichen Vorschriften und Fristen, die im Zusammenhang mit der Verhaftung und Aufnahme in die Untersuchungshaftanstalt und auch danach Beweismittel vernichten, verstecken nicht freiwillig offenbaren wollen. Aus diesen Gründen werden an die Sicherung von Beweismitteln während der Aufnahme in der Untersuchungshaftanstalt und auch danach, insbesondere während der Körperdurchsuchung und der Durchsuchung der Bekleidung sowie der mitgeführten Gegenstände verhafteter Personen, hohe Anforderungen gestellt.

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