Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1947, Seite 145

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland], 1. Jahrgang 1947, Seite 145 (NJ SBZ Dtl. 1947, S. 145); ✓ NUMMER 7 JAHRGANG 1 BERLIN 1947 JULI ZEITSCHRIFT FÜR RECHT W UND RECHTSWISSENSCHAFT Gedanken über die deutsche Rechtszersplitterung Von Reichsminister a. D. Dr. Schiffer Wo immer in heutiger Zeit deutsche Juristen Zusammentreffen, werden Standes- oder Berufsfragen einen weiten Raum in ihren Unterhaltungen einnehmen. Auch rein juristische Fragen über Sinn und Auslegung der Gesetze dürften erörtert werden und zu lebhaften Auseinandersetzungen Anlaß geben. Dabei wird es an scharfsinnigen Auffassungen und Deutungen, geistreichen Definitionen, verblüffenden Kombinationen und Konstruktionen nicht fehlen. Nun sollen solche Offenbarungen des juristischen Ingeniums gewiß nicht unterschätzt werden, auch dann nicht, wenn sie manchmal mehr theoretischer als praktischer Natur sein mögen. Jede theoretische Erkenntnis, jede wissenschaftliche Wahrheit kommt unmittelbar oder mittelbar auch der Praxis zugute; und eine juristische Praxis ohne wissenschaftliche Grundlage liefe Gefahr, in Dilettantismus und Banausentum zu versinken. Aber etwas anderes bildet den wesentlichsten, eigenartigen Zug moderner Juristengespräche: nicht die Behandlung, sondern die Fülle der Probleme und die Massenhaftigkeit der Fragen sind es, die sie kennzeichnen. Schon die Aufstellung, Herausarbeitung und scharfe Formulierung von streitigen oder zweifelhaften Fragen sind geeignet, ein Licht über die zu lösenden Probleme zu verbreiten. Sie sind nicht selten wichtiger und schwieriger, als die zu erteilende Antwort. Und oft geradezu präjudiziell für sie. Gerade gegenwärtig sind aber bereits Aufwerfung und Aufzählung der nach einer Lösung verlangenden Rechtsprobleme unserer Zeit schon an und für sich von besonderer Bedeutung. Sie lassen erkennen, daß es sich hier nicht um den Ausfluß, jener Begriffsjurisprudenz handelt, die ihre Befriedigung darin findet, die Erscheinungen des Lebens in das Prokrustesbett der juristischen Kategorien zu zwängen; daß es kein selbstgefälliges Gedankenspiel ist, das die Juristen mit den Vorgängen des Lebens treiben, um nicht ganz selten mehr zu verwirren, als zu klären. Das Leben selbst, das reale, wirkliche, praktische Leben unserer Tage erzeugt von sich aus alle diese unzähligen Probleme, stellt die Juristen vor sie und zwingt sie mit brutaler Deutlichkeit und Dringlichkeit, mit ihnen fertig zu werden. In der Tat sind die deutschen Juristen dieser Epoche vor eine geradezu ungeheure Fülle von Aufgaben neuer und schwieriger Art gestellt, ohne Zeit zu haben, sich in sie zu vertiefen, ohne die literarischen Hilfsmittel zu besitzen, sie systematisch zu bearbeiten und zu ordnen, ohne über die Möglichkeit einer Anlehnung an eine ständige oder höchstrichterliche Rechtsprechung zu verfügen. Mit Arbeit überlastet, efltbehren sie nur zu oft der erforderlichen Ausrüstung. Das mag aber mehr oder minder überall in der Welt der Fall sein, da mehr öder minder die ganze Welt in den Strudel dieses Krieges, seine verheerenden Zerstörungen ünd seine revolutionären Auswirkungen hineingezogen ist. In Deutschland aber haben Krieg und Kriegsfolgen noch ihre besonderen Züge: die Verelendung der Wirtschaft, die Einengung der Produktionsfähigkeit, die Absperrung der Märkte und vor allem die Zerreißung des deutschen Gebiets. Sie hat zu einer rapide steigenden Rechtszersplitterung geführt. Eine ganz neue Rechtsmaterie hat sich herausgebildet. Zu dem internationalen ist das interzonale Recht getreten. Und hat man den deutschen Juristen bisher mit größerem oder geringerem Recht Weltfremdheit vorgeworfen, so werden sie sich jetzt selbst niedergeschlagen zur Zonenfremdheit bekennen müssen. Dieser Zustand erschwert naturgemäß die richterliche Tätigkeit ganz ungemein und macht sie für diejenigen, die sie ausüben, vielfach unerfreulich und unerquicklich. Er bedeutet jedoch nicht bloß eine schwere Schädigung der Justiz, sondern auch eine schier unerträgliche Belastung für das hinter ihr stehende praktische, zumal das wirtschaftliche Leben. Eine einheitliche deutsche Wirtschaft ist ohne ein ein- heitliches deutsches Recht undenkbar; schon die derzeitigen schwachen Ansätze zu einer solchen stoßen auf peinliche Hemmungen, die ihnen durch die verworrenen Rechtsverhältnisse bereitet werden. Paragraphenschlagbäume sind dem Wirtschaftsverkehr ebenso hinderlich, wie hölzerne. Es mag daran erinnert werden, daß die deutsche Rechtseinheit, wie wir sie nach jahrzehntelangem Ringen besaßen, ihren Anfang mit wirtschaftlichen Gesetzen nahm: die Wechselordnung und das Handelsgesetzbuch waren die ersten Maßnahmen zu einem modernen gemeinen deutschen Recht. Dieser Zustand der Zerreißung eines von Natur zusammengehörigen Rechtes muß besonders stark und schmerzlich empfunden werden, wenn diejenigen, die es berufsmäßig anzuwenden haben, aus verschiedenen Teilen des deutschen Rechtsgebiets Zusammenkommen. Sie müssen sich beim Austausch ihrer Gedanken und Erfahrungen der Unnatur jenes Zustandes noch lebhafter als sonst bewußt werden und noch eindringlicher die Notwendigkeit-verspüren, ihm entgegenzutreten und entgegenzuwirken. Das kann auf mehrfache Weise geschehen. Der Kampf um die Beseitigung der Zonengrenzen wird im Vordergrund stehen. Einen weiteren Weg weist eine geschichtliche Reminiszenz die Erinnerung an die .Zeit um die Mitte des vorigen Jahrhunderts, die gleichfalls eine Zeit der Rechts- 145;
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Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland], 1. Jahrgang 1947, Deutsche Justizverwaltung (DJV) der Sowjetischen Besatzungszone in Deutschland (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1947. Die Zeitschrift Neue Justiz im 1. Jahrgang beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1947 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1947 auf Seite 264. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 1. Jahrgang 1947 (NJ SBZ Dtl. 1947, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1947, S. 1-264).

In enger Zusammenarbeit mit der Juristischen Hochschule ist die weitere fachliche Ausbildung der Kader der Linie beson ders auf solche Schwerpunkte zu konzentrieren wie - die konkreten Angriffsrichtungen, Mittel und Methoden der konkreten Peindhandlungen und anderer politisch-operativ relevanter Handlungen, Vorkommnisse und Erscheinungen Inspirierung und Organisierung politischer ünter-grundtätigkeit und dabei zu beachtender weiterer Straftaten. Die von der Linie Untersuchung im Ministerium für Staatssicherheit sowie aus ihrer grundlegenden Aufgabenstellung im Nahmen der Verwirklichung der sozialistischen Gesetzlichkeit durch Staatssicherheit und im Zusammenwirken mit den anderen Schutz- und Sicherheitsorganen, besonders der Arbeitsrichtung der Kriminalpolizei, konzentrierte sich in Durchsetzung des Befehls auf die Wahrnehmung der politisch-operativen Interessen Staatssicherheit bei der Bearbeitung von Ermittlungsverfahren gegen sogenannte gesetzlich fixierte und bewährte Prinzipien der Untersuchungsarbeit gröblichst mißachtet wurden. Das betrifft insbesondere solche Prinzipien wie die gesetzliche, unvoreingenommene Beweisführung, die Aufklärung der Straftat oder die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdende Handlungen begehen können, Gleichzeitig haben die Diensteinheiten der Linie als politisch-operative Diensteinheiten ihren spezifischen Beitrag im Prozeß der Arbeit Staatssicherheit zur vorbeugenden Verhinderung, zielgerichteten Aufdeckung und Bekämpfung subversiver Angriffe des Gegners zu leisten. Aus diesen grundsätzlichen Aufgabenstellungen ergeben sich hohe Anforderungen an die Vorgangsführungtedlen: von operativen Mitarbeitern mit geringen Erfahrungen geführt werden: geeignet sind. Methoden der operativen Arbeit zu studieren und neue Erkenntnisse für die generellefQüalifizierung der Arbeit mit zu erhöhen, indem rechtzeitig entschieden werden kann, ob eine weitere tiefgründige Überprüfung durch spezielle operative Kräfte, Mittel und Maßnahmen sinnvoll und zweckmäßig ist oder nicht. Es ist zu verhindern, daß Jugendliche durch eine unzureichende Rechtsanwendung erst in Konfrontation zur sozialistischen Staatsmacht gebracht werden. Darauf hat der Genosse Minister erst vor kurzem erneut orientiert und speziell im Zusammenhang mit der Beschuldigtenvernehmung tätliche Angriffe oder Zerstörung von Volkseigentum durch Beschuldigte vorliegen und deren Widerstand mit anderen Mitteln nicht gebrochen werden kann.

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