Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1947, Seite 132

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland], 1. Jahrgang 1947, Seite 132 (NJ SBZ Dtl. 1947, S. 132); halb von 2 Tagen, wie im Nürnberger Prozeß weiter festgestellt worden 1st, etwa 40 000 jüdische Einwohner Deutschlands, die auf Grund Ihrer Vermögensverhältnisse besonders herausgesucht waren, verschleppt. Im Laufe von einigen Wochen wurde dann ein wesentlicher Teil der eingesperrten Personen wieder entlassen. Bei ihrer Entlassung wurde ein großer Teil von ihnen in Verhandlungen mit Gestapo-Beamten ausdrücklich verpflichtet, Deutschland so schnell wie möglich zu verlassen und ihre bisher nicht erfaßten Vermögensstücke (Grundstücke, Fabriken und Geschäfte) in kürzester Zeit zu veräußern und diese Veräußerung den zuständigen Stellen der Gestapo mitzuteilen. Es wurde ihnen ausdrücklich wiederholt angedroht, daß sie, wenn sie dieser Anordnung innerhalb bestimmter Fristen nicht nachgekommen sein würden, mit einer erneuten Verhaftung und Verschleppung in ein Konzentrationslager zu rechnen hätten. Diesem Vorgehen entsprechend wurde etwa in der gleichen Zeit unter dem Schein der Legalität die Verordnung über den Einsatz jüdischen Vermögens vom 3. 12. 1938 erlassen, in der die bereits illegal ausgesprochenen Drohungen in mehr oder weniger versteckter Weise wiederholt wurden und durch welche die mit Hilfe der zunächst durchgeführten Terrorakte eingeleitete Liquidierung des jüdischen Vermögens in Deutschland in die äußere Form des Gesetzes und der Legalität übergeführt werden sollte- Unter diesen tatsächlichen Umständen blieb der betroffenen Gruppe nichts anderes übrig, als sich ihres nicht transferierbaren Vermögens zu entledigen und so schnell wie möglich Deutschland zu verlassen. Seit dem November 1938 bestand daher eine von dritter Seite ausgesprochene Androhung schwerster übel gegen die betroffenen Kreise, durch die ihre Willensentschließungen auf den in Frage kommenden wirtschaftlichen Gebieten in dieser bestimmten Richtung entscheidend beeinflußt waren. Der erkennende Senat ist der Auffassung, daß der 8. und 9. November 1938 als Stichtag anzusehen ist, nämlich als der Zeitpunkt, von dem ab, wenn nicht im Einzelfall aus besonderen Gründen eine abweichende Beurteilung am Platze ist, vermutet werden muß, daß die Angehörigen der betroffenen Gruppe bei Veräußerung von Vermögensstücken, die nicht ins Ausland transferiert werden konnten, unter dem Einfluß des gegen sie eingeleiteten Zwanges gehandelt haben. Die Antragsgegnerin hat, um dieser Auffassung zu begegnen, darauf hingewiesen, daß die Verordnung über den Einsatz jüdischen Vermögens vom 8. 12. 1938 eine gesetzliche Maßnahme sei, und daß der in ihr angeordnete Zwang daher nicht widerrechtlich sein könne. Demgegenüber ist darauf hinzuweisen, daß der erkennende Senat - trotzdem die Gesetze des alliierten Kontrollrats, durch die die Gesetze der Hitlerregierung aufgehoben sind, grundsätzlich keine rückwirkende Kraft haben an seiner bereits früher ausgesprochenen Auffassung (Beschluß des Senats vom 24. 12. 1945 2 W. 4. 45) festhält, wonach diese Verordnung als unwirksam anzusehen ist, weil sie ihrem Inhalt nach den allgemein anerkannten Grundsätzen jeglichen Rechts widerspricht und daher als so unsittlich zu betrachten ist, daß ihr Verbindlichkeit nicht zukommen kann. Der erkennende Senat hält die deutschen Gerichte selbst für berechtigt und verpflichtet, die nationalsozialistische Gesetzgebung von dem dargelegten Gesichtspunkt aus einer Nachprüfung zu unterziehen, gleichgültig, ob das einzelne in Frage kommende Gesetz von dem allierten Kontrollrat oder einer der alliierten Militärregierungen aufgehoben worden ist. Die Auffassung des Senats scheint inzwischen gebilligt worden zu sein, was insbesondere daraus hervorgeht, daß gegenüber einem Freiburger Gericht, welches das Strafverfahren gegen einen der Mörder des Ministers Erzberger eingestellt hat, die Unterlassung dieser ihm als obliegend erachteten Prüfung von der zuständigen amtlichen Stelle gerügt worden ist. Der von dieser Verordnung ausgehende psychische Zwang muß daher als widerrechtlich erachtet werden. Indessen kommt es für die Entscheidung des vorliegenden Falles auch in seiner generellen Bedeutung auf die Entscheidung der Frage, ob die Verordnung vom 3- 12. 1938 ein rechtswirksames Gesetz war oder mcht, nicht an. Denn, die wesentlichen und tiefer greifenden Zwangsmaßnahmen und Drohungen gegen die betroffene Gruppe in Deutschland lagen außerhalb dieser Verordnung. Sie bestanden in den oben beschriebenen Aktionen, die seitens der zuständigen Regierungsstellen im Verwaltungswege angeordnet und, wie festgestellt, durch eine Reihe ihr zur Verfügung stehender Polizei- und Parteiorganisationen ohne jede formale Rechtsgrundlage durchgeführt worden waren. Diese Stellen und Organisationen waren sich der Widerrechtlichkeit ihres Vorgehens auch voll bewußt. Das ergibt sich unter anderem daraus, daß die Aktion des 8. und 9. November 1938, obwohl sie, wie einwandfrei festgestellt worden ist, unter Benutzung des aufgebauten Apparates auf die exakteste Weise durchgeführt worden ist, dem deutschen Volk sowohl wie dem Ausland gegenüber als eine spontane Bewegung der angeblich empörten Volksmassen hingestellt wurde. Die durch diese zweifelsfrei widerrechtlichen Maßnahmen erzeugte Unsicherheit der Betroffenen und die dadurch bewußt hervorgerufene Erwartung bevorstehender noch größerer übel schufen die psychische Zwangslage, aus der heraus die betroffenen Kreise veranlaßt wurden, sich ihres Vermögens zu entledigen. Diese Drohungen, die auf eine Veräußerung der später in der Einsatzverordnung vorn 3. 12. 1938 aufgeführten Vermögensgegenstände abzweckte, sind, wie die Antragstellerin glaubhaft ausgeführt hat, auch im vorliegenden Falle für ihre Willensentschließungen kausal gewesen. Anm.: Diese grundlegende Entscheidung ist bereits in 8JZ 1947 S. 257 veröffentlicht und von R o emer eingehend, gewürdigt. D. Red. §§ 138, 826 BGB. Die Geltendmachung des Eigentumsanspruchs auf Herausgabe von Sachen gegen Flüchtlinge kann gegen die guten Sitten verstoßen. AG Wolgast, Urteil vom 21. 5.1947 4 0 54/46. Die Beklagte war als Flüchtling in ein Wochenendhaus eingewiesen worden, das der Kläger früher gemietet hatte und in dem sich noch Sachen von ihm befanden. Diese waren nunmehr von dem Eigentümer des Hauses der Beklagten zur Benutzung überlassen worden. Der Kläger verlangt jetzt Herausgabe der Sachen. Das AG hat die Klage abgewiesen. Aus den Gründen: Die Beklagte, die über 60 Jahre alt und leidend ist, ist Flüchtling aus Hinterpommern. Sie hat ihre ganze Habe durch den Krieg verloren. Der Kläger dagegen hat durch den Krieg nichts verloren. Er besitzt in Greifswald seine Wohnung und sein Geschäft. Wenn er jetzt die Sachen von der Beklagten herausverlangt, dann würde er im Falle seines Obsiegens der Beklagten, die ohnehin durch den Krieg bettelarm geworden ist, einen großen Schaden zufügen. Das tiefe Leid, das die Flüchtlinge auf ihrer Flucht erfahren mußten, wird nicht allein durch den Gram um die verlorene Heimat genährt und verstärkt, sondern auch dadurch, daß die mittellosen und bemitleidenswerten, von Haus und Hof gejagten Landsleute fast nirgends gern gesehen werden. Geringschätzig wird sehr oft auf sie, die bisher allein die größten Lasten des Krieges schuldlos tragen mußten, herabgesehen. Durch die Herausgabe der Möbel an den von den Wirrnissen des Krieges verschonten Kläger würde die Lage der Beklagten nicht nur verschlechtert, sondern ihr auch erneut ein seelisches Leid zugefügt werden. Der von dem Kläger geltend gemachte Anspruch auf Herausgabe der Sachen, verstößt daher gegen die guten Sitten (§§ 138, 826 BGB). Die „gute Sitte“ ist die Grenze des Rechtmäßigen für alle Rechtshandlungen. Wo die an sich berechtigte Ausübung eines Rechts im Einzelfall gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt, stellt sich die Rechtshandlung als ein sittenwidriger Mißbrauch der formalen Rechtsstellung dar. Dies ist hier der Fall. Anmerkung: Die von sozialem Verständnis zeugende Entscheidung beansprucht allgemeines Interesse. Hinsichtlich ihrer rechtlichen Begründung dürfte sie Anlaß zur Diskussion bieten. D. Red. 132;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland], 1. Jahrgang 1947, Seite 132 (NJ SBZ Dtl. 1947, S. 132) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland], 1. Jahrgang 1947, Seite 132 (NJ SBZ Dtl. 1947, S. 132)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland], 1. Jahrgang 1947, Deutsche Justizverwaltung (DJV) der Sowjetischen Besatzungszone in Deutschland (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1947. Die Zeitschrift Neue Justiz im 1. Jahrgang beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1947 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1947 auf Seite 264. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 1. Jahrgang 1947 (NJ SBZ Dtl. 1947, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1947, S. 1-264).

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