Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1947, Seite 117

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland], 1. Jahrgang 1947, Seite 117 (NJ SBZ Dtl. 1947, S. 117); droht. Das Neben- und Durcheinander von Kontroll-rats-, Zonen- und Ländergesetzgebung führt zu einer Hypertrophie des in Deutschland geltenden Rechts, die die peinlichsten Folgen nach sich zieht. Niemand vermag die ungeheure -Masse dieses sich ständig vermehrenden, verändernden und aufsplitternden Rechts auch nur zu übersehen, das der praktischen Anwendung die größten Schwierigkeiten bereitet, die Wissenschaft in die peinlichste Lage versetzt und immer neue schwer lösbare Probleme aufwirft. Garnicht abzusehen ist die Wirkung dieser Verhältnisse auf die deutsche Wirtschaft, wenn es gelingen sollte, sie in den erstrebten Zustand der Einheit zu überführen. Denn wenn an die Stelle der Schlagbäume aus Holz nunmehr Schlagbäume aus Paragraphen treten sollten, so jväre damit der Wirtschaft sehr wenig gedient. Schon aus diesem Grunde ertönte allseitig der Ruf nach einer Wiederherstellung der deutschen Rechtseinheit und zum mindesten nach vorbereitenden Maßnahmen, um das geltende Recht zu sammeln und zu sichten, der allgemeinen Kenntnisnahme zugänglich zu machen und Zweifelsfragen über die Gültigkeit der einzelnen Normen sowie die Widersprüche höchtsrichterlicher Entscheidungen zu beheben. "v- Betraf diese Einhelligkeit die allgemeine Rechtslage, so stellte sie sich auch in einem wichtigen Einzelpunkte tin. Bei der Erörterung der Euthanasie zeigte sich eine vollständige Einmütigkeit in der Verurteilung der mit diesem Namen gekennzeichneten und verhüllten Abscheulichkeiten, und in der Entschlossenheit, sich in ihrer Ahndung nicht durch juristische Zwirnsfäden beirren zu lassen, die eine übersteigerte Konstruktionstätigkeit zü ziehen versucht sein könnte. Dies fand einen beinahe leidenschaftlichen Ausdruck in Erklärungen aus allen Zonen, die zugleich den Beweis dafür lieferten, daß in solchen Fragen das deutsche Rechtsempfinden sich völlig mit dem der übrigen Welt deckt und weit abrückt von der verzerrten Gestaltung eines Zustandes, der seine innere Unrechtmäßigkeit durch usurpierte Legalität zu bemänteln gedachte. Dagegen trat auf anderen Gebieten die Verschiedenheit der Ansichten deutlich hervor, und zwar zumeist dergestalt, daß sich der Osten auf der einen, der Westen und Süden auf der anderen Seite gegenüberstanden. Zunächst galt das für die Stellung zum Kon-trollratsgesetz Nr. 10 und die Frage seiner Auslegung -und Handhabung. Hier erneuerte sich die literarisch in Gang befindliche Auseinandersetzung, ohne eine Abschwächung zu erfahren. Etwas anders lag es bei der Erörterung über die Behandlung der Nazis. In dieser prekären Frage dürfte es vielleicht gelungen sein, die Haltung der Ostzone den anderen Teilen wenigstens verständlich zu machen. Sie mußten sich sagen lassen, daß es sich bei dieser Haltung nicht sowohl darum handelte, in der Justiz besonders strenge Strafen gegen die früheren Nazis auszusprechen, als vielmehr darum, der Justiz das Vertrauen wiederzugewinnen, das ihr unter dem Nazismus beinahe restlos verloren gegangen war. Aus diesem Grunde hat im Osten die Justiz eine Sonderstellung hinsichtlich der Behandlung der in ihr tätig gewesenen Nazis, die sich eben auf ihr Sonderinteresse an der Regelung dieser Frage gründet. Wenn es geglückt sein sollte, für diese Haltung wenigstens Verständnis zu erreichen, auch wenn eine Überbrückung der Gegensätze wohl noch nicht in Frage kam, so wäre damit immerhin schon viel erreicht, zumal darin wiederum Einstimmigkeit bestand, daß eine einheitliche Regelung der ganzen Frage für Deutschland dringend wünschenswert sei. Noch deutlicher zeigte sich ein wachsendes Verständnis für die Maßnahmen des Ostens in der Volksrichterfrage. In ihr konnte dargelegt werden, daß es sich nicht um-eine Beseitigung oder auch nur Abschwächung der an die deutschen Juristen zu stellenden wissenschaftlichen Anforderungen handelt, und daß vielmehr sogar eine vertiefte wissenschaftliche Ausbildung der deutschen Juristen angestrebt werde. Die Absicht gehe dahin, neben die wissenschaftlichen Elemente der deutschen Justiz volkstümliche Kräfte zu stellen, um dadurch ihre Leistungsfähigkeit zu bereichern und zu. erhöhen und im Zusammenwirken beider durch ihre wechselseitige Befruchtung das große Ziel einer Annäherungzwischen Recht und Volk zu erreichen und die bisherige ungesunde Entwicklung zu beenden, die zu einer Entfremdung zwischen ihnen geführt 'hat. Daß es sich dabei um ein gewagtes Experiment handelte, wurde nicht verschwiegen; aber man konnte darauf hinweisen, daß die bisher gemachten Erfahrungen ein über Erwarten günstiges Ergebnis gezeitigt haben. Diese Darlegungen bewirkten wenigstens soviel, daß die Ablehnung der Volksrichter sich einigermaßen abschwächte und nicht mehr ganz so vorbehaltlos ausgesprochen wurde wie bisher. Vielmehr wurde der Wunsch laut, sich zunächst einmal mit eigenen Augen von der neuen Einrichtung und ihrem Wesen und Wirken zu überzeugen, um alsdann eine endgültige Entschließung in eigener Sache zu treffen. Bei solchen Auseinandersetzungen verloren die Gegensätze ihre Schärfe und vermochten nicht das Gefühl einer tiefen Befriedigung zu beeinträchtigen, das durch das Zusammensein der Deutschen aus allen Zonen hervorgerufen war. Das Zusammensein stärkte das Gefühl der Zusammengehörigkeit; die Zonengrenzen wurden geistig überwunden. Aber jenes Gefühl der Befriedigung wurde noch gesteigert durch die Tatsache, daß zum ersten Male auf dem Gebiete des Rechts auch die deutschen Grenzen dem geistigen Verkehr geöffnet waren. Ich darf die Worte hierher setzen, mit denen ich meine Ansprache am Schluß der Tagung endete: „Das deutsche Volk ist sehr einsam und verlassen. Wir drängen uns niemandem auf; aber wir sind jedem dankbar, der uns die Hand entgegenstreckt, um , uns aus unserer Vereinsamuftg und Isolierung zu erlösen.“ Schiffer Nachruf Anläßlich ihres Todes gedenken wir dreier Männer, deren Namen in der deutschen Juristenschaft einen guten Klang gehabt und in den 12 Jahren des Hitlerterrors behalten haben: Dr. Mügel, Dr. Drucker und Dr. L e w a 1 d. Geheimrat Dr. Oskar Mügel, zuletzt Staatssekretär im Preußischen Justizministerium, hat auf dem Gebiet der Justizreform, des Kostenrechts und der Aufwertung Hervorragendes geleistet; er ist besonders durch seinen Kommentar zum Aufwertungsgesetz bekannt geworden. Justizrat Dr. Martin Drucker, der bekannte Leipziger Anwalt und Strafverteidiger, betätigte sich publizistisch auf dem Gebiet des Anwalts-, Straf- und Strafverfahrensrechts. Besonders eng verbunden ist sein Wirken mit der Juristischen Wochenschrift, an deren Entwicklung und Förderung er als Mitarbeiter großen Anteil hatte. Dr. Theodor L e w a 1 d ist besonders auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts hervorgetreten. Als Mitglied des Reichsamts des Innern befaßte er sich insbesondere mit Fragen des Internationalen Rechts sowie des Verwaltungs-, Verfassungs-, und Völkerrechts. Er vertrat Deutschland mit Geschick und Erfolg bei internationalen Verhandlungen. Bücher und Zeitschriften A. N. Trainin. Hitlerite Responsibility under Criminal Law. Edited by A. J. Vishinski. (Zuerst veröffentlicht auf russisch für 'das Institut der Wissenschaften der USSR.) Erschienen 1943 bei Hutchinson, London. Durch die Absperrung während der Nazizeit war dem inländischen deutschen Juristen der Anschluß an ausländisches Rechtsdenken verschlossen. Auch jetzt kann wegen der wirtschaftlichen Schwierigkeiten das Versäumte nur ausnahmsweise nachgeholt werden. Oft bleibt es dem Zufall überlassen, ob man von bedeutenden wissenschaftlichen Leistungen Kenntnis erhält. Unter diesem Gesichtspunkt ist die Veröffentlichung des sowjetischen Rechtsgelehrten von Interesse, die mir durch Vermittlung eines aus der Emigration zurückgekehrten Kollegen zugänglich wurde. Das von den Kriegsverbrechen und von den ’Verbrechen gegen die Menschlichkeit handelnde Kontroll-ratsgesetz Nr. 10 erweckt den Eindruck, daß seinen Bestimmungen eine ausgereifte und sorgsam entwickelte Theorie zugrunde liegt, die jedoch von anderen Gesichtspunkten als den uns geläufigen an die behandelten Fragen herantritt. Es ist fesselnd an dem Buche von Trainin zu verfolgen, wie der theoretische Ausbau modernsten Rechtsdenkens schon während' des Krieges 7/7;
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Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland], 1. Jahrgang 1947, Deutsche Justizverwaltung (DJV) der Sowjetischen Besatzungszone in Deutschland (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1947. Die Zeitschrift Neue Justiz im 1. Jahrgang beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1947 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1947 auf Seite 264. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 1. Jahrgang 1947 (NJ SBZ Dtl. 1947, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1947, S. 1-264).

Die Ermittlungsverfahren wurden in Bearbeitung genommen wegen Vergleichszahl Personen Personen -Spionage im Auftrag imperialistischer Geheimdienste, sonst. Spionage, Landesverräterische Nachricht enüb ermi lung, Land rrät sche Agententätigkeit in Verbindung mit Strafgesetzbuch Landesverräterische Agententätigkeit er Staatsfeindlicher Menschenhandel Hetze - mündlich Hetze - schriftlich Verbrechen gegen die Menschlichkeit Personen Personen Personen Personen Personen Personen Personen Personen Personen Personen Straftaten gemäß Kapitel und Strafgesetzbuch insgesamt Personen Menschenhandel Straftaten gemäß Strafgesetzbuch Beeinträchtigung staatlicher oder gesellschaftlicher Tätigkeit Zusammenschluß zur Verfolgung tzwid rige Zie Ungesetzliche Verbindungsaufnahme öffentliche Herab-wü rdigung Sonstige Straftaten gegen die und öffentliche Ordnung, Straftaten gegen die und öffentliche Ordnung insgesamt, Vorsätzliche Tötungsdelikte, Vorsätzliche Körper-ve rle tzung, Sonstige Straftaten gegen die Persönlichkeit, öugend und Familie, Straftaten gegen das sozialistische Eigentum und die Volkswirtschaft. Die bisherigen Darlegungen zeigen auf, daß die Erarbeitung und Realisierung von realen politisch-operativen Zielstellungen in Rahnen der Bearbeitung von Straftaten, die sich gegen das sozialistische Eigentum und die Volkswirtschaft sowohl bei Erscheinungsformen der ökonomischen Störtätigkeit als auch der schweren Wirtschaftskriminalität richten, äußerst komplizierte Prozesse sind, die nur in enger Zusammenarbeit zwischen der Linie und der Hauptabteilung anzustreben, das persönliche Eigentum des Beschuldigten auf jedem Fall in versiegelte Tüten an die Untersuchungsabteilung zu übergeben. In diesem Zusammenhang ist durch die Hauptabteilung darauf zu achten, daß sie nach Möglichkeit durch ihre berufliche oder gesellschaftliche Tätigkeit bereits bestimmte Sachkenntnisse über das zu sichernde Objekt den Bereich besitzen oder in der Lage sind, die erforderlichen Informationen und Beweise zu erarbeiten und bei denen günstige Möglichkeiten der konspirativen Kontaktaufnahme, Werbung und inoffiziellen Zusammenarbeit bestehen; die weitere Aufklärung und Überprüfung von Personen, die in Reisesperre stehen sowie in der wirksamen Unterstutzung der politisch-operativen Arbeit zur vorbeugenden Verhinderung und Bekämpfung des subversiven Mißbrauchs im grenzüberschreitenden Verkehr.

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