Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1947, Seite 10

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland], 1. Jahrgang 1947, Seite 10 (NJ SBZ Dtl. 1947, S. 10); rer Zeit an das Strafrecht dar stellen, sich in allen Entwürfen bis 1932 immer klarer herausgebildet haben, und daß wir deshalb bei den Änderungen, die sich schon für die bescheidenste und vorläufigste Notlösung des Augenblicks nicht umgehen lassen, vielfach auf einen Fundus geprägten Gedankenguts zurückgreifen können. Darin liegt zugleich eine gewisse Verpflichtung, sich technisch insoweit an diesen gesicherten Bestand zu halten. Soweit Gedankengut dieser Entwürfe in der Zwischenzeit zur Gesetzgebung verwendet worden ist und dabei Änderungen erfahren hat, muß es in seinem ursprünglichen Geist wiederhergestellt werden. IV. An welchen Grundsätzen hätte sich ein Gesetz zu orientieren, das den kriminalpolitischen, sozialpolitischen und juristischen Forderungen der Gegenwart genügen soll? Die Entwürfe weisen übereinstimmend gesetzliche Aussprüche über Strafzwecke und Strafzumessungsregeln auf. Hierauf schon heute den Richter festzustellen, erscheint verfrüht. Nur soviel läßt sich sagen: Der Vergeltungs- und Sühnegedanke ist heute nicht mehr alleinige Richtschnur, wie sie noch dem Strafgesetzgeber von 1871 vorschwebte, dergestalt, daß die Strafe jedenfalls mindestens adäquate Vergeltung der Tat sein müsse, ohne Rücksicht auf kriminalpolitische Zweckmäßigkeit. Die Strafrechtsgeschichte des In- und Auslandes hat andererseits aber auch gezeigt, daß er, der Kern jedes echten Strafbegriffs, sich nicht über Bord werfen läßt, wie die „Scuola positiva“ Ferris meinte. Als oberste Abgrenzung der Strafe und Strafbarkeit, als das „gerechte Maß“, wie die Proklamation Nr. 3 des Kontrollrats es vorschreibt, bleibt er für jedes Straf recht und für jedes Straf recht unentbehrlich; wer ihn auch in dieser Funktion aufgibt, löst sich damit von der Idee der Gerechtigkeit. Die praktischen Gesetzgebungen, die die Gedanken Ferris verwirklicht haben, sind auf Grund ihrer sozialpsychologischen Erfahrungen von seinen äußersten Konsequenzen wieder abgekommen oder im Begriff, es zu tun. Die Strafrechtsgeschichte und ebenso die Geschichte der Strafrechtswissenschaft befinden sich insofern heute vielleicht auf einem Kulminationspunkt, jedenfalls aber an einem Wendepunkt. Denn man hat nicht nur die gedanklichen Möglichkeiten, sondern auch deren praktische Erprobung bip zum äußersten vorgetrieben und damit das Feld bis an die letzten Grenzen abgesteckt. Und hierbei hat sich gezeigt, daß das Optimum praktischer Brauchbarkeit jenseits eines bestimmten Grades theoretischer Konsequenz überschritten ist und von da ab wieder abnimmt. Diese Erkenntnis darf heute im Strafrecht, so scheint es uns, allgemein ausgesprochen werden. Sie gilt nicht mehr nur für die Vergeltungsstrafe, sondern auch für jede Zweckstrafe und erst recht für die Ersetzung der Strafe durch andere Maßregeln. Ist das richtig, dann gilt es in Zukunft nicht so sehr extensiv als vielmehr intensiv zu arbeiten, nicht den Stein der Weisen zu suchen, sondern das Arsenal unserer Mittel in der besten und zweckmäßigsten Kombination praktisch anzuwenden. Dabei müssen vor allem die Fortschritte der Kriminologie nutzbar gemacht und die Bestimmungen so gehalten werden, daß sie weiteren Erkenntnissen dieser noch in ihren Anfängen stecken- den Wissenschaft genügend Raum lassen. Es soll in diesem Zusammenhang nicht unerwähnt bleiben, daß wir auf kriminologischem Gebiet sachlich wie organisatorisch vom Ausland noch erheblich zu lernen haben. Mit der Erkenntnis, daß wir von einem kriminalpolitischen Experiment irgendeiner Richtung keine Wunderwirkung mehr erwarten dürfen, soll aber keineswegs der Resignation das Wort geredet werden. Auch wenn es immer wieder die alten Grundfragen des Rechts sind: jede Zeit muß sie neu stellen und nach ihren Maßstäben neu beantworten. Gerade in den Forschungen der letzten Jahre ist ein Gedanke aufgetaucht, der uns die Möglichkeit zu enthalten scheint, kriminalpolitische Zweckmäßigkeit mehr als bisher mit Festhaltung und Vertiefung der Gerechtigkeitsidee zu vereinigen. Die Gerechtigkeit gebietet es, jeden als Persönlichkeit nach seinem Wert zu behandeln. Nicht geboten, ja ungenügend ist es von diesem Standpunkt aus, ihn unter allen Umständen nur nach dem Wert seiner losgelöst betrachteten Einzeltat zu bestrafen. Da, wo die Tat mehr als eine Einzelverfehlung ist, nämlich ein Symptom für eine allgemein verfehlte Einstellung gegenüber der Gesellschaft, beim gefährlichen Gewohnheitsverbrecher, muß der Vergeltungsgedanke als Vergeltung einer Täferschuld, die Strafe als Ahndung des verschuldeten Persönlichkeitsverfalls gefaßt werden. So überwindet der Gedanke der Täterschuld den alten engen Tatschuldgedanken gerade auch von den sittlichen Grundlagen des Strafrechts her und gibt, indem er diese klärt und sichert, zugleich den kriminalpolitischen Zwecken den erforderlichen Spielraum. Wesentlich ist dabei die Erkenntnis, daß es auch innerhalb der kriminalpolitischen Zwecke eine sittliche Rangordnung gibt. Wem es mit der in den letzten zwölf Jahren so oft verhöhnten Würde des Menschen ernst ist, der muß bei aller realistischen Einsicht in die begrenzten Möglichkeiten des Strafrechts den Besserungs- und den Sicherungszweck anders einordnen, als dies seit 1933 geschehen ist. Schon die Umstellung von „Besserung und Sicherung“ bei der Bezeichnung der strafrechtlichen Maßregeln in „Sicherung und Besserung“ beleuchtete die Verkehrung der Wertordnung, aber auch der Zwecke selbst: denn bevor man sichert, muß man zum mindesten an Besserung gedacht haben. V. Im einzelnen ergibt sich aus diesen Erwägungen das folgende: Die Frucht der kriminalpolitischen Reformbestrebungen, die Ergänzung des Strafensystems durch ein System von Maßregeln der Besserung und Sicherung, darf nicht verlorengehen, das Maßregelsystem muß aber von den Überspannungen des Sicherungsgedankens und der Achtlosigkeit gegenüber der Menschenwürde befreit werden, durch die es in der nationalsozialistischen Zeit entstellt wurde. Im Anschluß an den Entwurf von 1927 und die Reichstagsberatungen wären hiernach, wie schon bisher, als bessernde und sichernde Maßregeln die Unterbringung in einer Heil- oder Pflegeanstalt, einer Trinkerheil- oder Entziehungsanstalt, einem Arbeitshaus oder Asyl vorzusehen. Auch die Untersagung der Berufsausübung, die durch das Gewohnheitsverbrechergesetz vom 24. November 1933 eingeführt wurde, wird beizubehalten sein. Denn gerade in den letzten Jahren sind infolge schlechter 10;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland], 1. Jahrgang 1947, Seite 10 (NJ SBZ Dtl. 1947, S. 10) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland], 1. Jahrgang 1947, Seite 10 (NJ SBZ Dtl. 1947, S. 10)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland], 1. Jahrgang 1947, Deutsche Justizverwaltung (DJV) der Sowjetischen Besatzungszone in Deutschland (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1947. Die Zeitschrift Neue Justiz im 1. Jahrgang beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1947 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1947 auf Seite 264. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 1. Jahrgang 1947 (NJ SBZ Dtl. 1947, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1947, S. 1-264).

Die Angehörigen der Linie haben in Vorbereitung des Parte: tages der Partei , bei der Absicherung seiner Durchführung sowie in Auswertung und bei der schrittweisen Verwirklichung seiner Beschlüssen;tsg-reenend den Befehlen und Weisungen des Ministors für Staatssicherheit ergebenden grundlegenden Aufgaben für die Linie Untersuchung zur vorbeugenden Verhinderung, Aufdeckung und Bekämpfung der Versuche des Gegners zum subversiven Mißbrauch Jugendlicher und gesellschaftsschädlicher Handlungen Ougend-licher. Die Befugnisse der Diensteinheiten der Linie Untersuchung zur Rechtsanwendung ergeben sich aus ihrer staatsrechtlichen Stellung und aus ihrer dadurch bestimmten Verantwortung für die Erfüllung der politisch-operativen Aufgaben. Erst aus der Kenntnis der von den jeweils zu lösenden politisch-operativen Aufgaben und wesentlicher Seiten ihrer Persönlichkeit ist eine differenzierte Erziehung und Befähigung der mittleren leitenden Kader und Mitarbeiter die objektive Analyse der Wirksamkeit der Arbeit mit und weiterer konkreter politisch-operativer Arbeitsergebnisse bei der vorbeugenden Verhinderung, Aufdeckung und wirksamen Bekämpfung der Feinetätigkeit und zur Gewährleistuna des zuverlässigen Schutzes der Staat-liehen Sicherheit unter allen Lagebedingungen. In Einordnung in die Hauptaufgabe Staatssicherheit ist der Vollzug der Untersuchungshaft im Staatssicherheit erfolgst unter konsequenter Beachtung der allgemeingültigen Grundsätze für alle am Strafverfahren beteiligten staatlichen Organe und anderen Verfahrensbeteiligten. Diese in der Verfassung der und im in der Strafprozeßordnung , im und weiter ausgestalteten und rechtlich vsr bindlich fixierten Grundsätze, wie zum Beispiel Humanismus; Achtung der Würde des Menschen ein durchgängiges unverbrüchliches Gebot des Handelns. Das Recht Verhafteter auf aktive Mitwi in dem rechtlich gesicherten Rahmen in und die sich daraus für den Untersucht! rkung im Strafverfahren wird vollem Umfang gewährleistet sha tvcIzug ablei Aufgaben zur Gewährlei tung dieses Rechts werden voll sichergestellt. Das Recht auf Verteidigung räumt dem Beschuldigten auch ein, in der Beschuldigtenvernehmung die Taktik zu wählen, durch welche er glaubt, seine Nichtschuld dokumentieren zu können. Aus dieser Rechtsstellung des Beschuldigten ergeben sich für die Mitarbeiter eine Vielzahl von Aufgaben, deren Lösung in der erforderlichen Qualität nur durch die konsequente Anwendung des Schwerpunktprinzips möglich ist.

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