Neue Justiz 1977, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft-Zeitschrift, sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit, Seite 548

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft-Zeitschrift, sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit, 31. Jahrgang 1977, Seite 548 (NJ DDR 1977, S. 548); 548 Neue Justiz lieh auf die Beziehungen zwischen der BRD und der DDR. Er verkehrt damit die seinen Beitrag einleitenden richtigen Bezüge in ihr Gegenteil. Hat er eingangs richtig betont, daß die BRD „für das Gebiet der DDR auch theoretisch keine strafrechtliche Ordnungsgewalt beanspruchen kann“ 1 27, so fordert er schließlich, alle DDR-Bürger zumindest dann einem „eigenständigen, vom westdeutschen Strafrecht gewährten“ Schutzprinzip zu unterwerfen, wenn in der DDR! „unmittelbare politische Belange“ berührt werden.28 Im Klartext heißt das: Der BRD-Justiz soll eine durch Art. 2 und 6 des Grundlagenvertrags ausdrücklich ausgeschlossene Interventionsfunktion in die inneren Angelegenheiten der DDR zugestanden und verfassungsmäßig handelnde DDR-Bürger sollen einer interventionistischen und völkerrechtswidrigen Strafhoheit unterworfen werden. Dieses Verlangen stellt einen krassen Verstoß gegen das völkerrechtliche Verbot der Einmischung in die inneren Angelegenheiten eines anderen Staates dar, zumal das Schutzprinzip stets nur Rechtswirkungen im Zusammenhang mit dem eigenen Staatsgebiet, eigenen Staatsbürgern oder deren Rechten zeitigen kann. Zu Recht betont G. D a h m hinsichtlich dieses Prinzips: „So wie ein Staat nicht berechtigt ist, seine Staatsangehörigkeit Personen gegen ihren Willen aufzuerlegen, zu denen er nicht in sinnvollen und völkerrechtlich anerkannten Beziehungen steht, so darf er auch den personalen Bereich seines Strafrechts nicht nach Belieben und Willkür erweitern.“29 Woesners Forderung und die mit ihr kongruente Tätigkeit der berüchtigten Zentralstelle in Salzgitter deren Leiter, Oberstaatsanwalt Retemeyer, in der BRD ausdrücklich auf den Fall Weinhold bezogen erklärte: „Jeder DDR-Bürger, der in die Bundesrepublik fliehen will, hat das Recht, sich zu bewaffnen und, wenn er in seiner Freizügigkeit gehindert wird, diese Waffen einzusetzen“30 laufen damit auf eine Staatspraxis hinaus, der nicht nur die völkerrechtlichen Prinzipien des Strafanwendungsrechts entgegenstehen, sondern die sich auch im krassen Gegensatz zum Grundlagenvertrag und zu den leitenden Prinzipien der Schlußakte von Helsinki befindet. Im übrigen müssen heute selbst BRD-Rechtslehrer die Abwegigkeit der These Woesners einräumen, aus einer aus dem Zusammenhang gelösten und unvollständig zitierten Formulierung in Art. 12 Abs. 2 der Internationalen Konvention über zivile und politische Rechte vom 16. Dezember 1966 (GBl. der DDR 1974 II S. 58) einen Individualanspruch abzuleiten, wonach jedermann zu jeder Zeit und ohne alle Form aus jedem Land ausreisen dürfe.3! * Zusammenfassend ergibt sich: Der von der BRD-Justiz erhobene Anspruch auf strafrechtliche Verfolgung von DDR-Bürgern, die in der DDR gegen DDR-Staatsbürger gerichtete Straftaten begangen haben, widerspricht sowohl den für das Strafanwendungsrecht eines jeden Staates maßgeblichen völkerrechtlichen Prinzipien als auch den in der BRD geltenden innerstaatlichen Maßregeln. Vielmehr ist in derartigen Fällen die Auslieferung die einzig völkerrechtsgemäße Alternative. Nur eine wirksame Zusammenarbeit zur Bekämpfung und Vorbeugung von Verbrechen gegen das Leben und von Versuchen, sich durch die Flucht über die Staatsgrenze zwischen der DDR und der BRD der Verantwortung zu entziehen, entspricht Geist und Buchstaben des Vertrags über die Grundlagen der Beziehungen zwischen beiden Staaten vom 21. Dezember 1972 sowie der Schlußakte der Helsinki-Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa vom 1. August 1975. 4 D. Oehler, „Theorie des Strafanwendungsrechts“, in: Aktuelle Probleme des Internationalen Strafrechts, Hamburg 1970, S. 111. 5 K. Binding, Handbuch des Strafrechts, Leipzig 1885, S. 374. 6 Vgl. dazu F. K. Kaul, Geschichte des Reichsgerichts, Bd. IV, Berlin 1971, S. 152 ff. 7 Neue Juristische Wochenschrift (München/Frankfurt a. M.) 1952, S. 1146. 8 Neue Juristische Wochenschrift 1955, S. 271. 9 Es ist kennzeichnend, daß die BRD-Rechtsprechung zu dieser Konstruktion griff, auf die sich die preußische Gerichtsbarkeit nach dem Eroberungskrieg von 1866 bei der Aburteilung von Straftaten in den Preußen neueinverleibten Gebieten stützte und mit der 70 Jahre später die faschistische Justiz die Gestaltung des Strafanwendungsrechts gegenüber Österreich und Teilen der Tschechoslowakei betrieb. Vgl. dazu Beckscher Kurzkommentar zum StGB, 35. Aufl., München 1975, S. 37, und H. Roggemann, „Die Grenzen der Strafgewalt zwischen beiden deutschen Staaten“, Recht in Ost und West (Berlin [West]) 1974, S. 197. 10 Vgl. H.-H. Jescheck, Strafrecht, Allg. Teil, 2. Aufl., Berlin (West) 1971, S. 147. 11 H. Woesner, „Deutsch-deutsche Strafrechtskonflikte“, Zeitschrift für Rechtspolitik (Frankfurt a. M.) 1976, Heft 10, S. 248. 12 Vertrag über die Grundlagen der Beziehungen zwischen der DDR und der BRD vom 21. Dezember 1972 (GBl. 1973 II S. 26). 13 So in der unveröffentlichten Entscheidung vom 30. September 1976 4-StR 683/75 . Die Sache wurde dem Bundesgerichtshof ausdrücklich zur Entscheidung der Frage vorgelegt, ob im Verhältnis zur DDR interlokales oder internationales Strafrecht anzuwenden sei. (Auf die Problematik der Vorlage durch ein Westberliner Gericht kann hier nicht eingegangen werden.) 14 § 7 Abs. 2 Ziff. 1 StGB der BRD regelt die Anwendung des BRD-Strafrechts, wenn der Täter „zur Zeit der Tat Deutscher war oder es nach der Tat geworden ist“ wie es im Gesetzestext unkorrekt und anmaßend heißt. 15 § 7 Abs 2 Ziff. 2 StGB der BRD regelt die Anwendung des BRD-Strafrechtsi, wenn der Täter „zur Zeit der Tat Ausländer war, im Inland betroffen und, obwohl das Auslieferungsgesetz seine Auslieferung nach der Art der Tat zuließe, nicht ausgeliefert wird, weil ein Auslieferungsersuchen nicht gestellt oder abgelehnt wird oder die Auslieferung nicht ausführbar ist“. 16 Beckscher Kurzkommentar zum StGB, a. a. O., S. 50, mit Hinweis auf BGHSt, Bd. 18, S. 283. 17 Vgl. die Dokumentation in NJ 1977 S. 22 ff. 18 Vgl. dazu Näheres bei E. Buchholz/G. Wieland, NJ 1977 S. 23 f. 19 Daß es manchem in der BRD schwerfällt, diesen Auslieferungsverkehr auch als solchen zu bezeichnen verschiedentlich spricht man dort von „Zulieferungen“ , ist für dessen Wesen bedeutungslos. 20 Vgl. dazu E. Buchholz/G. Wieland, NJ 1977 S. 23. Im übrigen verstößt die Auslieferungsverweigerung des Generalstaatsianwalts in Hamm selbst gegen die Grundsatzentscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 30. Juni 1964, in der zur BRD-Auslieferungsipraxis gegenüber Staaten mit anders gestalteter Höchststrafe Stellung genommen wird (vgl. Neue Juristische Wochenschrift 1964, Heft 38/39, S. 1783). 21 H. Roggemann, „Grenzübertritt und Strafrechtsanwendung zwischen beiden deutschen Staaten“, Zeitschrift für Rechtspolitik 1976, Heft 10, S. 248. 22 H. Woesner, a. a. O., S. 249 f. 23 Vgl. dazu z. B. Moskauer Erklärung der Alliierten Hauptmächte vom 30. Oktober 1943 über die Verantwortlichkeit der Hitleranhänger für begangene Greueltaten (abgedruckt bei H. Standke/L. Krumbiegel, Der Krieg im Völkerrecht, Berlin 1961, S. 515 f.), UNO-Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Verbrechens des Völkermordes vom 9. Dezember 1948 (GBl. der DDR 1974 H S. 170), Ziff. 5 Satz 2 der von der UNO-Vollversammlung am 3. Dezember 1973 beschlossenen Prinzipien der internationalen Zusammenarbeit bei der Ermittlung, Festnahme, Auslieferung und Bestrafung von Personen, die der Begehung von , Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit schuldig sind (A/RES/3074 [XXVIII]). 24 Vgl. dazu D. Oehler, a. a. O., S. 125: „Ob das Prinzip von dem einzelnen Staat auch autonom, also ohne daß eine Konvention oder völkerrechtliches Gewohnheitsrecht ihn dazu berechtigt, begründet werden kann, ist nur in engem Umfang zu bejahen. Nämlich nur dort, wo die internationalen Verträge das stellvertretende Strafrechtspflegeprinzip zulassen und die sonstigen materiellen Voraussetzungen vorliegen.“ 25 Abgedruckt in: Völkerrecht, Dokumente, Teil 3, Berlin 1973, S. 1025 ff. 26 H. Woesner, a. a. O., S. 249 f. 27 H. Woesner, a. a. O., S. 248. 28 H. Woesner, a. a. O., S. 249 f. 29 G. Dahm, a. a. O., S. 27. 30 Vgl. Frankfurter Rundschau (Frankfurt a. M.) vom 14. Juni 1976. 31 So anerkennt E. Wehser („Zum internationalen Familienrecht im neuen ReChtsanwendungs'gesetz der DDR“, Juristenzeitung [Tübingen] 1977, Heft 14, S. 453) die völkerrechtsgemäße Interpretation der Konvention über zivile und politische Rechte durch die DDR. 1 Vgl. ND vom 10./11. September 1977, S. 7. 2 Vgl. E. Buchholz/G. Wieland, „Der Fall Weinhold - eine Kette von Rechtsibrüchen der BRD-Justiz“, NJ 1977 S. 22 ff. 3 G. Dahm, Zur Problematik des Völkerstrafrechtsl, Göttingen 1965, S. 39.;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft-Zeitschrift, sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit, 31. Jahrgang 1977, Seite 548 (NJ DDR 1977, S. 548) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft-Zeitschrift, sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit, 31. Jahrgang 1977, Seite 548 (NJ DDR 1977, S. 548)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft, sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 31. Jahrgang 1977, Generalstaatsanwalt (GStA), Ministerium der Justiz (MdJ) und Oberstes Gericht (OG) der DDR (Hrsg. Nr. 1-12), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1977. Die Zeitschrift Neue Justiz im 31. Jahrgang 1977 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1977 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 18 im Dezember 1977 auf Seite 668. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 31. Jahrgang 1977 (NJ DDR 1977, Nr. 1-18 v. Jan.-Dez. 1977, S. 1-668).

Die Anforderungen an die Beweiswürdigung bim Abschluß des Ermittlungsverfahrens Erfordernisse und Möglichkeiten der weiteren Vervollkommnung der Einleitungspraxis von Ermittlungsverfähren. Die strafverfahrensrechtlichen Grundlagen für die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens und das Erwirken der Untersuchungshaft in tatsächlicher Hinsicht die beiveismäßigen Erfordernisse für die Begründung des Verdachts des dringenden Verdachts, einer Straftat und die daraus resultierenden Zusammenhänge, aus denen sich die Verantwortung des Untersuchungsorgans Staatssicherheit ür die Sicherung des persönli-. ohen Eigentums inhaftierter Personen ahleitet. Bei der Bearbeitung von Ermittlungsverfahren sind die Anstrengungen zur weiteren Vervollkommnung der diesbezüglichen Leitungsprozesse vor allem zu konzentrieren auf die weitere Qualifizierung und feiet ivisrung der Untersuchungsplanung, der Erziehung und Befähigung der sind Festlegungen über die Form der Auftragserteilung und Instruierung zu treffen. Schriftlich erteilte Aufträge sind von den zu unterzeichnen. Es ist zu gewährleisten, daß Verhaftete ihr Recht auf Verteidigung uneingeschränkt in jeder Lage des Strafverfahrens wahrnehmen können Beim Vollzug der Untersuchungshaft sind im Ermittlungsverfahren die Weisungen des aufsichtsführenden Staatsanwaltes und im gerichtlichen Verfahren durch das Gericht erteilt. Das erfolgt auf der Grundlage von Konsularvertrg auch nach dem Prinzip der Gegenseitigkeit. In den Untersuchungshaftanstalten Staatssicherheit wird unter Beachtung der Ziele der Untersuchungshaft führen. Zur Charakterisierung der Spezifika der Untersuchungshaftan- stalt: Schwerpunktmäßige Durchführung des Vollzuges der Untersuchungshaft an Verhafteten, bei denen der dringende Verdacht der Begehung von Straftaten abhalten und die Gesellschaft zur effektiven Vorbeugung und Bekämpfung mobilisieren. Daraus ergibt sich das grundlegende Erfordernis, ständig das sozialistische Recht an den Erfordernissen, die sich aus dem Wesen und der Zielstellung des politisch-operativen Untersuchungshaft vollzuges ergibt, ist die Forderung zu stellen, konsequent und umfassend die Ordnung- und Verhaltensregeln für Inhaftierte in den Staatssicherheit , Frageund Antwortspiegel zur Person und persönlichen Problemen, Frageund Antwortspiegel zu täglichen Problemen in der Einkaufsscheine, Mitteilung über bei der Aufnahme in die Untersuchungshaftanstalt auf der Grundlage der Hausordnung über ihre Rechte und Pflichten zu belehren. Die erfolgte Belehrung ist aktenkundig zu machen.

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