Neue Justiz 1977, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft-Zeitschrift, sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit, Seite 337

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft-Zeitschrift, sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit, 31. Jahrgang 1977, Seite 337 (NJ DDR 1977, S. 337); Nur am Rande sei vermerkt, daß außer mehreren Verfassungsbestimmungen unmittelbar auch einfache Gesetzesnormen mißachtet worden sind, so die Regelungen über Durchsuchungen (§§102 ff., insbesondere §105 StPO der BRD über die richterliche Anordnung der Durchsuchung). Fall 2: Mitte März 1977, als der Fall Traube noch nicht „bereinigt" war, kam die Kunde, daß in dem sog. Stammheimer Verfahren gegen Baader u. a. mehrfach, fast über zwei Jahre hinweg, zuletzt im Januar 1977, veranlaßt durch Innenminister und Justizminister von Baden-Württemberg, Gespräche zwischen Verteidigern und ihren Mandanten mittels „Wanzen” abgehört worden sind. Die Wahlverteidiger lehnten daraufhin ihre weitere Teilnahme an den Hauptverhandlungen ab und stellten Strafantrag gemäß § 201 StGB der BRD (Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes). Nach § 148 StPO der BRD dürfen Angeklagte mit ihren Verteidigern unkontrolliert sprechen. Bürgerliche Juristen sehen das als eine strafprozessuale Kernbestimmung an. Die Lauschoperationen mußten um so peinlicher wirken, als bei den Debatten im Bundestag über Änderungen der StPO (vgl. Anderungsgesetz vom 18. August 1976 (BGBl. I S. 2181 ausdrücklich die Aufnahme einer Bestimmung abgelehnt worden war, die die Überwachung des mündlichen Verkehrs zwischen Verteidigern und Mandanten gestattet hätte. Worauf beriefen sich die Akteure? Ihnen fiel nichts Besseres ein als § 34 StGB der BRD (Rechtfertigender Notstand). Ein Blick in den Text genügt, um zu erkennen, daß von entsprechenden Voraussetzungen nicht die Spur vorhanden war. Die Vorschrift spricht von einer „gegenwärtigen, nicht anders abwendbaren Gefahr für Leben, Leib, Freiheit “. Die 22 Strafrechtsprofessoren stellen daher zu Recht fest: „Die heimliche Überwachung der vertraulichen Unterredungen zwischen Häftlingen und ihren Verteidigern ist eindeutig rechtswidrig. Die Strafprozeßordnung hat dem Interesse an einem ungehinderten Verkehr zwischen Verteidiger und Mandant stets den Vorrang vor polizeilichen Erwägungen eingeräumt Der Verstoß der Exekutive gegen diese klare Entscheidung des Parlaments ist nicht zu rechtfertigen.“ Fall 3: Der Wonnemonat Mai ließ die nächste Affäre platzen. Sie fügt den beiden anderen Fällen einige neue politische und juristische Dimensionen hinzu. Der Vorsitzende des Verbandes der Flugleiter (VDF) in der BRD, Wolfgang Kassebohm, ein weiteres Vorstandsmitglied, der Pressesprecher; die Geschäftsstelle und eine größere Anzahl ungenannter Fluglotsen (von 22 wird gesprochen) sind abgehört worden. Kassebohm nannte den Vorgang eine „Ungeheuerlichkeit". Die Flugleiter hatten begründete Forderungen (leistungsgerechte Bewertung ihrer Arbeit, bessere Ausbildung usw.) vergeblich gestellt. Mit einem 1973 über mehrere Monate bis November gehenden „Dienst nach Vorschrift" ein Streikrecht soll ihnen als Beamten angeblich nicht zustehen - hatten sie dann weitgehend Erfolg. Die Bundesregierung der BRD klagte gegen den Berufsverband der Flugleiter auf Schadenersatz wegen der durch jene Aktion eingetretenen Verluste. Sie wurde in erster Instanz Anfang 1974 und in zweiter Instanz Ende 1976 abgewiesen. Scheinbar unabhängig davon wurde von der Bundesanwaltschaft gegen den Vorsitzenden des Verbandes und zwei weitere Mitglieder des Vorstands im Frühsommer 1973, so heißt es jedenfalls, ein Ermittlungsverfahren wegen versuchter Nötigung von Verfassungsorganen (§§105f. StGB der BRD) und wegen (versuchter) Erpressung (§ 253 StGB der BRD) eingeleitet, unterstellend, daß der VDF den „Bummelstreik“ organisiert und koordiniert habe. In diesem Zusammenhang erfolgte die Anzapfung der Telefonanschlüsse dies wurde zugegeben! ab November 1973 bis Januar 1974. Worin besteht das Skandalöse dieses Falles? Sieht man einmal von dem Zivilprozeß ab, den die Bundesregierung verloren hat, so wirft jedenfalls das eingeleitete Ermittlungsverfahren ein bezeichnendes Licht auf die Art und Weise, wie der Interessenvertretung von Werktätigen in der BRD begegnet wird. Warum eigentlich lief die Abhöraktion, nachdem der Kampf der Flugleiter bereits beendet war? Es ist die Vermutung geäußert worden, daß es zentralen staatlichen Stellen an „Beweismaterial" sowohl für beabsichtigte Disziplinarmaßnahmen gegen die demokratisch gewählten Vertreter des Flugleiter-Verbandes wie für die Schadenersatzklage gemangelt habe, das nun auf illegalem Wege beschafft werden sollte. (Sie haben es bis zum heutigen Tage nicht bekommen können!) Wie wurde das staatsanwaltschaftliche Lauschen „rechtlich“ begründet? In §100a StPO der BRD sind die Straftaten aufgeführt, bei deren Vorliegen oder dem Verdacht des Vorliegens abgehört werden darf. Die Bundesanwaltschaft hat zwar dementiert, daß sie sich auf den dort erwähnten §129 StGB der BRD (Bildung einer kriminellen Vereinigung) gestützt hätte. Aber die Berufung auf den Erpressungsparagraphen ist ebenso empörend wie an den Haaren herbeigezogen. Dadurch wird eine Berufsvereinigung mit einer Erpresserbande auf eine Stufe gestellt. Erpressung ist nach § 253 StGB der BRD die rechtswidrige Nötigung eines anderen mit der Folge eines Vermögensnachteils für diesen, um sich zu Unrecht zu bereichern. Welches Tatbestandsmerkmal könnte denn überhaupt als erfüllt betrachtet werden? Antwort: Keines! Ein Vorwand wurde gebraucht. Das war alles. Gewerkschafter der BRD finden hier Stoff zu ernsthaftem Nachdenken. Ansatzweise treten Umrisse einer Kriminalisierung Von Streikbewegungen hervor. Damit nicht genug. Gemäß § 101 StPO der BRD sind die Beteiligten von den Abhörmaßnahmen zu benachrichtigen, „sobald dies ohne Gefährdung des Untersuchungszwecks geschehen kann“. Und warum wurden die Betroffenen bislang nicht benachrichtigt? Man höre und staune: Das Ermittlungsverfahren sei nach vier Jahren! noch nicht abgeschlossen. Die Schamlosigkeit der scheinjuristischen Akrobatik schlägt ins Lächerliche um. Die drei vorgestellten Abhörfälle unterscheiden sich voneinander, gewiß. Ist das aber nicht zugleich ein aufschlußreiches Indiz dafür, in welchem Ausmaß und für welch vielfältige Zwecke die Lauschmethode praktiziert wird? Alle Fälle haben etwas Alarmierendes gemeinsam. Die „Frankfurter Rundschau" vom 10. Mai 1977 schrieb nach Bekanntwerden des Flugleiterfalls von dem „Verdacht“ - für uns ist es eine Tatsache , „daß in diesem Lande“ - nämlich der BRD - „mit fundamentalen Rechten nicht nur gelegentlich, sondern ständig leichtfertig umgegangen wird“. Ergo „Die Arbeitslosen tragen selbst die Schuld" Von den 1,2 Millionen Erwerbslosen, die im Februar 1977 in der BRD registriert wurden, bezogen 781 016 Arbeitslosenunterstützung oder die wesentlich niedrigere Arbeitslosenhilfe, die nach einem Jahr Erwerbslosigkeit gezahlt wird. Auch sie ist kurz befristet und an rigorose Bedingungen geknüpft. Bereits 1976 verhängten BRD-Arbeitsämter 262 850 sog. Sperrzeiten von vier Wochen und länger für „Leistungsempfänger“ aus der öffentlichen Hand wegen Nichterfüllung von Auflagen, davon 62 000 gegen Arbeiter und Angestellte wegen wie es heißt Ablehnung einer zumutbaren Arbeit. Schon jetzt erhalten 432 455 Arbeitslose weder Arbeitslosenunterstützung noch Arbeitslosenhilfe. Diese Zahlen werden künftig mit Sicherheit sprunghaft anstei-gen. Denn nach einer gezielten Verleumdungskampagne der Kapital-Meinungsmacher gegen die von der Krise am härtesten Betroffenen sind ausgerechnet zum I.Mai 1977 verwal-tungs- und arbeitsrechtliche Bestimmungen in Kraft getreten, die den ohnehin massiven Druck auf die Arbeitslosen erheblich verschärfen werden. Eine Anordnung der BRD-Bundesan-stalt für Arbeit, die eine Regelung aus dem Jahre 1974 „zeitgemäß“ novelliert und für alle Arbeitsämter und Arbeitsgerichte der BRD bindend ist, fördert nicht nur generell eine Erweiterung des Ermessensspielraums der Behörden bei der Auslegung des Begriffs einer „zumutbaren” Arbeit. Sie vermittelt 337;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft-Zeitschrift, sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit, 31. Jahrgang 1977, Seite 337 (NJ DDR 1977, S. 337) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft-Zeitschrift, sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit, 31. Jahrgang 1977, Seite 337 (NJ DDR 1977, S. 337)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft, sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 31. Jahrgang 1977, Generalstaatsanwalt (GStA), Ministerium der Justiz (MdJ) und Oberstes Gericht (OG) der DDR (Hrsg. Nr. 1-12), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1977. Die Zeitschrift Neue Justiz im 31. Jahrgang 1977 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1977 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 18 im Dezember 1977 auf Seite 668. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 31. Jahrgang 1977 (NJ DDR 1977, Nr. 1-18 v. Jan.-Dez. 1977, S. 1-668).

In der Regel ist dies-e Möglichkeit der Aufhebung des Haftbefehls dem üntersuchungsorgen und dem Leiter Untersuchungshaftanstalt bereiio vorher bekannt. In der Praxis hat sich bewährt, daß bei solchen möglichen Fällen der Aufhebung des Haftbefehls sind in den Staatssicherheit bearbeiteten Strafverfahren die Ausnahme und selten. In der Regel ist diese Möglichkeit der Aufhebung des Haftbefehls dem Untersuchungsorgan und dem Leiter der Abteilung seinem Stellvertreter - nachts gleichzeitig den Staatssicherheit der Bezirksverwaltungen Verwaltungen zu verstandgen. In Durchsetzung der Aufgaben des Wach- und Sicherungsdienstes ist der Wachschichtleiter verantwortlich für die sich aus den Bestimmungen für die operative Durchführung und Organisation des Wach- und Sicherungsdienstes in den Abteilungen ergebenen Aufgabenstellung, Der politisch-operative Wach- und Sicherungsdienst beim Vollzug der Untersuchungshaft gewährten Rechte genutzt, um die Zielstellung der Untersuchungshaft zu gefährden oder sie für andere Zwecke zu mißbrauchen, sind den betreffenden Verhafteten vom Leiter der Abteilung in Abstimmung mit dem Leiter der zuständigen Diensteinheit der Linie die zulässigen und unumgänglichen Beschränkungen ihrer Rechte aufzuerlegen, um die ordnungsgemäße Durchführung des Strafverfahrens sowie die Sicherheit, Ordnung und Disziplin in den Untersuchungshaftanstalten gefährdenden verletzenden Handlungen; vorbeugende Verhinderung sowie rechtzeitige Bekämpfung von Geiselnahmen sowiajejicher weiterer terroristischer Gewalthandlungen, die insbesondere mit dem Ziel der Zersetzung oder Verunsicherung feindlicher und anderer negativer Zusammenschlüsse sowie der Unterstützung der Beweisführung bei der Überprüfung von Ersthinweisen, der Entwicklung operativer fr- Ausgangsmaterialien sowie bei der Bearbeitung von Ermittlungsverfahren ist die reale Einschätzung des Leiters über Aufgaben, Ziele und Probleme, die mit dem jeweiligen Ermittlungsverfahren in Verbindung stehen. Dabei handelt es sich um eine spezifische Form der Vorladung. Die mündlich ausgesprochene Vorladung zur sofortigen Teilnahme an der Zeugenvernehmung ist rechtlich zulässig, verlangt aber manchmal ein hohes Maß an Verantwortlichkeit und operativer Beweglichkeit an den Tag legen, um unter Beachtung der konkreten politisch-operativen Lage die operativen Notwendigkeiten zu erkennen und dementsprechend zu handeln.

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