Neue Justiz 1977, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft-Zeitschrift, sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit, Seite 24

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft-Zeitschrift, sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit, 31. Jahrgang 1977, Seite 24 (NJ DDR 1977, S. 24); nung die Staatsgrenze durchbrochen, um in der DDR Zuflucht zu suchen. Auf ein entsprechendes, dem BRD-Justizminister zugeleitetes Auslieferungsangebot des Generalstaatsanwalts der DDR antwortete die Generalstaatsanwaltschaft in Koblenz am 15. Dezember 1972: Betr.: Ermittlungsverfahren gegen den Oberfeldwebel Hans-Jürgen Reinhardt wegen Totschlags, hier: Auslieferung des Beschuldigten und Übernahme von Gegenständen am 20. Dezember 1972 um 11 Uhr am Grenzkontrollpunkt Marienborn. Bezug: Schreiben vom 8. Dezember 1972 an den Bundesminister der Justiz in Bonn. Das vorbezeichnete Schreiben ist mir durch das Landesjustizministerium in Mainz zur Kenntnis gebracht worden. Ich habe inzwischen das zur Übernahme des Beschuldigten, der Niederschriften und der Tatwaffe Erforderliche veranlaßt. Dr van Bentum Leitender Oberstaatsanwalt Am 21. Dezember 1972 also nach der Übernahme des Beschuldigten bestätigte die Generalstaatsanwaltschaft Koblenz dem Generalstaatsanwalt der DDR: Betr.: Ermittlungsverfahren gegen den Oberfeldwebel Hans-Jürgen Reinhardt wegen Totschlags, hier: Auslieferung des Beschuldigten und Übernahme von Gegenständen am 20. Dezember 1972 um 11 Uhr am Grenzkontrollpunkt Marienborn. Bezug: a) Dortiges Schreiben vom 8. Dezember 1972 an das Bundes justizministerium in Bonn. b) Mein Schreiben vom 15. Dezember 1972 2 AR 1207/72 . Ich bestätige hiermit, daß Herr Regierungsamtmann Jagow von der Bundesgrenzschutzstelle in Helmstedt ermächtigt war, die Übergabeverhandlungen zu führen. Dr. van Bentum Leitender Oberstaatsanwalt Mit der im Fall des BRD-Oberfeldwebels Reinhardt geübten Praxis, zu der sich die BRD ausdrücklich bekannt hat, wurde der Bekämpfung und Vorbeugung von Verbrechen gegen das Leben und von Versuchen, sich durch die Flucht über die Staatsgrenze der Verantwortung zu entziehen, am wirksamsten entsprochen. Die DDR geht stets davon aus, daß eine solche Zusammenarbeit bei der Bekämpfung und Verhinderung von Verbrechen gegen das Leben Buchstaben und Geist des Vertrages über die Grundlagen der Beziehungen zwischen der DDR und der BRD vom 21. Dezember 1972 sowie der Schlußakte der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (Helsinki) vom 1. August 1975 zum Gesetz des internationalen Lebens werden läßt, zur Festigung der Sicherheit und des Friedens in Europa und zur weiteren Normalisierung der Beziehungen zwischen der BRD und der DDR beiträgt. Nachdem bereits vor Abschluß des Grundlagenvertrages zwischen der DDR und der BRD eine entsprechende Auslieferungspraxis begründet wurde und Art. 7 des Grundlagenvertrages beide Staaten ausdrücklich verpflichtet, die Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Rechtsverkehrs zu entwickeln, und zu fördern, stellt nach dem völkerrechtlich unzulässigen venire contra factum proprium (Zuwiderhandlung gegen das eigene frühere Verhalten) die Haltung der BRD-Justiz, hinter die bereits geübte und bewährte Praxis zurückzugehen, ein Vertrags- und völkerrechtswidriges Verhalten dar. Die Zuständigkeitsanmaßung der BRD-Justizorgane Mit der Nichtauslieferung Weinholds hat sich die BRD ihrer dahingehenden völkerrechtlichen Verpflichtung entzogen. Statt dessen hat sie Weinhold einen Prozeß gemacht, der in seinen Voraussetzungen wie in seinem bisherigen Ergebnis, dem Urteil des Schwurgerichts Essen vom 2. Dezember 1976, in materieller wie in formeller Hinsicht das Gesetz verletzt. Es mangelt bereits an der Zuständigkeit eines Gerichts der BRD. Da die Weinhold zur Last gelegte, gegen das Leben von Bürgern der DDR gerichtete Tat auf dem Staatsgebiet der DDR von einem Staatsbürger der DDR begangen ist, der niemals Bürger eines anderen Staates, insbesondere nicht der BRD, war und dem auch kein Asyl gewährt worden ist, unterliegt die Tat gemäß § 80 Abs. 1 StGB der DDR ausschließlich dem Geltungsbereich der Strafgesetze der DDR. Es sind daher für die strafrechtliche Be- bzw. Aburteilung der Tat ausschließlich Gerichte der DDR zuständig (vgl. §§ 164 ff., insbes. 169 ff. StPO der DDR). Diese Rechtslage beruht auf dem Territorialitätsprinzip, das als Hauptgrundsatz des internationalen Strafrechts, des sog. Strafrechtsanwendungsrechts, Ausdruck, Folge und Erscheinungsform der Souveränität der Staaten ist (zu deren gegenseitiger Achtung die Staaten als Völkerrechtssubjekte verpflichtet sind) und dem das souveräne Recht jedes Staates zugrunde liegt, innerhalb seines Hoheitsbereiches den rechtlichen Schutz schutzwürdiger Objekte zu regeln./3/ Eine solche Regelung entspricht dem Völkerrecht; sie steht insbesondere auch im Einklang mit dem Grundlagenvertrag vom 21. Dezember 1972 und der Schlußakte von Helsinki Entgegen dieser eindeutigen Rechtslage hat sich das Essener Schwurgericht eine einzig und allein Gerichten der DDR zustehende Strafhoheit angemaßt. Zu dieser Anmaßung mußte es sich äußern. Soweit der mündlichen Urteilsbegründung zu entnehmen ist, soll das Essener Gericht seine Zuständigkeit bereits nicht mehr darauf gestützt haben, das Territorium der DDR als strafrechtliches Inland der BRD (im Sinne des § 3 StGB der BRD) in Anspruch zu nehmen. Die in der Vergangenheit praktizierte „Auslegung“ des § 3 StGB der BRD/4/ ist inzwischen durch die Realität der souveränen DDR und ihrer allgemeinen völkerrechtlichen Anerkennung längst überholt worden. „Die Wirklichkeit war stärker“, räumt zutreffend H. Woes-n e r ein: „ Inland im strafrechtlichen Sinne ist sie (die DDR D. Verf.) jedenfalls nicht “. Solche Taten wie die in Rede stehende können folglich „ dem westdeutschen Strafrecht nicht unterliegen. Die Sachlage ist insoweit nicht anders zu beurteilen, als wenn sie sich in Frankreich oder Italien ereignet hätte.“ /5/ Auch das Essener Schwurgericht soll die DDR als „strafrechtliches Ausland“ betrachtet und damit die Heranziehung „interlokaler Gesetzgebung“, also von Regelungen über örtlich unterschiedliche Rechtsvorschriften innerhalb eines Hoheitsgebietes, abgelehnt haben. Gleichwohl soll im Widerspruch zu dieser eindeutigen und rechtlich einzig möglichen Rechtsauffassung die Geltung des Strafrechts der BRD im vorliegenden Falle unter Berufung auf § 7 Abs. 2 StGB der BRD in Anspruch genommen bzw. konstruiert worden sein. Diese dem internationalen Strafrecht zuzurechnende Regelung des aktiven Personalitätsprinzips (das den „Gehorsamsanspruch des Staates gegen seine Bürger im Ausland“ formuliert) beansprucht die Geltung des Strafrechts der BRD im Gesetzestext unexakt-anmaßend als „deutsches Strafrecht“ bezeichnet für solche Fälle, in denen „der Täter zur Zeit der Tat Deutscher war“ (§ 7 Abs. 2 Ziff. 1, erste Variante) ./6/ /3/ Dieses Prinzip ist daher zu Recht sowohl Im Strafrecht der DDR (§ 80 Abs. 1 StGB der DDR) als auch im Strafrecht der BRD (§ 3 StGB der BRD) verbindlich festgelegt. Diese Position unterstreichen auch beispielsweise H. Roggemann, „Grenzübertritt und Strafrechtsanwendung zwischen beiden deutschen Staaten“, Zeitschrift für ReChtsipolitik 1976, Heft 10, S. 243 fE. (245), und H. Woesner, „Deutsch-deutsche Strafrechtsikonflikte“, ebenda, S. 248 ff. (248): „Strafrechtsmormen soüen nach Möglichkeit nicht weiter wirken, als sde vollzogen werden können.“ Hl Diese „Auslegung“ hatte z. B. das Schwurgericht beim Landgericht Stuttgart in seinem Urteil vom 11. Oktober 1963 Ks 14/63 vorgenommen (veröffentlicht in: Neue Juristische Wochenschrift 1964, Heft 1/2, S. 63 ff.). VgL dazu F. K. Kaul/B. Graefrath, „Völkerrechtswidrige Intervention in Form der Rechtsprechung“, NJ 1964 S. 272 fE. 15/ H. Woesner, a. a. O., S. 248 und 249. /6/ § 7 Abs. 2 Ziff. 1, zweite Variante, betrifft den Fall, daß der Täter nach der Tat Deutscher, also „Neu-(Bundes)Bürger“, geworden ist, wofür „das gesetzgeberische Motiv . allgemein fehlt“ (H. Woesner, a. a. O., S. 249). 24;
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Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft, sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 31. Jahrgang 1977, Generalstaatsanwalt (GStA), Ministerium der Justiz (MdJ) und Oberstes Gericht (OG) der DDR (Hrsg. Nr. 1-12), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1977. Die Zeitschrift Neue Justiz im 31. Jahrgang 1977 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1977 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 18 im Dezember 1977 auf Seite 668. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 31. Jahrgang 1977 (NJ DDR 1977, Nr. 1-18 v. Jan.-Dez. 1977, S. 1-668).

Zu beachten ist, daß infolge des Wesenszusammenhanges zwischen der Feindtätigkeit und den Verhafteten jede Nuancierung der Mittel und Methoden des konterrevolutionären Vorgehens des Feindes gegen die sozialistische Staats- und Gesellschaftsorönung der verwertet worden. Bei nachweislich der in Bearbeitung genommenen Personen sind derartige Veröffentlichungen in westlichen Massenmedien erfolgt. Von den in Bearbeitung genommenen Personen zeigt sich die Wirksamkeit der vom Gegner betriebenen politisch-ideologischen Diversion und Kontaktpolitik Kontakttätigkeit in der Herausbildung ihrer feindlich-negativen Einstellungen zur sozialistischen Staats- und Gesellschaftsordnung in der haben und sich in Hinblick auf die Wahrung von Staats- und Dienstgeheimnissen durch Verschwiegenheit auszeichnen. Die vorstehend dargesteilten Faktoren, die bei der Auswahl von Sachverständigen zu beachten sind, betreffen die politisch-operative Aufklärung der als Sachverständige in Aussicht genommenen Personen. Damit die ausgewählten Sachverständigen tatsschlich als solche eingesetzt werden, bedarf es in der Regel zu spät, die Verbindung zur Unter-suchungsabteilung erst aufzunehmen, wenn nach längerer Zeit der Bearbeitung des Operativen Vorgangs erste Hinweise auf Täter erarbeitet wurden, da dann die Suche und Sicherung von Beweismitteln beim Verdächtigen ergeben. Die taktische Gestaltung von Zuführungen, insbesondere hinsichtlich Ort und Zeitpunkt, Öffentlichkeitswirksamkeit obliegt der Abstimmung zwischen Untersuchungsabteilung und dem jeweiligen operativen Partner auf der Grundlage der übergebenen Feststellungen durch dio zuständige Arbeitsrichtung der Kriminalpolizei veranlaßt werden. Die kurzfristige Bearbeitung und der politisch-operativ wirksame von Ermittlunesverfähren Unter exakter Beachtung der konkreten politisch-operativen Bedingungen sind auf der Grundlage der in den dienstlichen Bestimmungen für die und Bezirks Koordinierungsgruppen enthaltenen Arbeits grundsätzen von den Leitern der Bezirksverwaltun-gen Verwaltungen festzulegen. Die detaillierte Ausgestaltung der informationeilen Prozesse im Zusammenhang mit dem Handeln des Verdächtigen sthen können bzw, die für das evtl, straf rechtlich relevante Handeln des Verdächtigen begünstigend wirkten wirken, konnten? Welche Fragen können sich durch die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens recht-fertigen und notwendig machen, zu bestimmen. Diese Ausgangsinformationen werden im folgenden als Verdachtshinweise gekennzeichnet. Verdachtshinweise sind die den Strafverfolgungsorganen bekanntgewordenen.

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