Neue Justiz, Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung 1990, Seite 72

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 44. Jahrgang 1990, Seite 72 (NJ DDR 1990, S. 72); 72 Neue Justiz 2/90 Grundsatz bedarf weiterer Ausgestaltung und rechtlicher Sicherungen. Dazu gehört eine umfassendere Bestellung von Verteidigern, z. B. für Jugendliche und für alle Beschuldigten und Angeklagten, die aus persönlichen Gründen oder wegen der Kompliziertheit der Sache in ihrer Verteidigungsfähigkeit behindert sind! 3. Das Recht auf Verteidigung im Ermittlungsverfahren ist weiter auszugestalten. 4. Die Tätigkeit des Rechtsanwalts als Verteidiger muß zur Sicherung und Verwirklichung des Rechts auf Verteidigung stärkere Aufmerksamkeit und Unterstützung erhalten. Seine Rechte und die Arbeitsbedingungen müssen erweitert und verbessert werden. Diese konsequente Ausgestaltung des Rechts auf Verteidigung im Strafverfahren der DDR entspricht den völkerrechtlichen Forderungen aus der Konvention über Bürgerrechte und politische Rechte vom 16. Dezember 1966/* Weitere Untersuchungen und konkrete rechtliche Schritte sind erforderlich, um international übliche Verfahren und demokratische Grundsätze stärker in unserem Strafverfahren anzuwenden. Das betrifft z. B. die Freilassung des inhaftierten DDR-Bürgers nach Sicherheitsleistung, die Einführung eines wirklichen Haftprüfungsverfahrens und mehr gesellschaftliche Öffentlichkeit. Es gehört zu den völkerrechtlich anerkannten Grundsätzen, daß dem Angeklagten angemessene Zeit für die Vorbereitung seiner Verteidigung und den Umgang mit seinem Verteidiger gegeben werden muß. Das sind Garantien, die Bedeutung für die Gewährleistung der Rechte von Beschuldigten und Angeklagten haben und damit zugleich Garantien für ein demokratisches Strafverfahren sind. Notwendig sind weitere wissenschaftliche Untersuchungen zum Inhalt und zur Wirksamkeit der Tätigkeit gesellschaftlicher Kräfte im Strafverfahren. Das betrifft ihren Beitrag zur Erreichung der sozialen Zielstellungen des Verfahrens und die Erfüllung der unmittelbaren strafrechtlichen und strafprozessualen Aufgabenstellungen. Abzuschaffen ist die zur Zeit geübte Praxis, Kollektivaussprachen bereits im Ermittlungsverfahren zu organisieren, um die Meinung des Kollektivs zur Straftat zu ermitteln und Vorschläge zur Erziehung zu erhalten.5 Das verstößt gegen das Prinzip der Präsumtion der Unschuld und stellt eine öffentliche Vorverurteilung dar. Außerdem ist die allein quantitative Bewertung der Teilnahme möglichst vieler gesellschaftlicher Kräfte noch kein Gradmesser für Demokratie im Strafverfahren. Eine wesentliche Bedingung für das Wirken demokratischer Elemente im Strafverfahren ist die Durchführung eines Verfahrens nach kontradiktorischer Maxime. Dies muß sowohl über die Ausgestaltung der Prozeßsubjektstellung der Beteiligten im Prozeß erfolgen als auch durch einen Stil der Durchführung des Verfahrens, der es erlaubt, ja fördert, daß sachlich und kulturvoll gestritten wird. Dieses Streiten muß von dem Streben nach Wahrheitsfindung getragen sein, bei dem die Positionen, Meinungen und Argumente aller Beteiligten vorgebracht und geprüft werden. 4 Internationale Konvention über Bürgerrechte und politische Rechte vom 16. Dezember 1966 (GBl. II 1974 Nr. 6 S. 58). 5 Vgl. H. Weber, a. a. O., S. 176. Zum Entwurf eines Richtergesetzes KARIN SCHÜLER, Stellvertreterin des Ministers der Justiz Gegenwärtig wird der Entwurf eines Richtergesetzes, der von einer Arbeitsgruppe des Ministeriums der Justiz unter Einbeziehung von Vertretern der Rechtswissenschaft und Justizpraktikern erarbeitet wurde, mit den Richtern diskutiert. Damit'wird einer Verpflichtung der Regierung entsprochen, „der Volkskammer Vorschläge für die Neufassung des Gerichtsverfassungsgesetzes und für die Erarbeitung eines Richtergesetzes“ zu unterbreiten mit dem Ziel, „die unterschiedlichen Funktionen von Legislative, Exekutive und Jurisdiktion genau festzulegen und exakt voneinander abzugrenzen, um auch Garantien gegen Amts- und Machtmißbrauch zu haben“.1 Mit diesem Beitrag soll auf einige wesentliche Überlegungen zum Anliegen und zum Inhalt des Entwurfs sowie zu den Vorschlägen aus den ersten Diskussionen aufmerksam gemacht werden, die für den weiteren Meinungsaustausch von Bedeutung sein könnten, ohne daß alle mit dem Richtergesetz verbundenen Fragen und Probleme umfassend erörtert werden. Ziel der Regelung: Ausgestaltung der Rechtsstellung des Richters Mit dem Richtergesetz soll die Rechtsstellung der Richter entsprechend ihrem verfassungsmäßigen Rang so ausgestaltet werden, daß ihre spezifische Verantwortung im arbeitsteiligen System staatlicher Machtausübung klar und eindeutig bestimmt wird. Das schließt ein, den Richter nicht mit einem Staatsfunktionär der Legislative oder Exekutive gleichzustellen, denn er ist in der Ausübung der Rechtsprechung nicht wie dieser verpflichtet, den Weisungen des Dienstvorgesetzten Folge zu leisten. Das Richtergesetz muß rechtliche Garantien dafür enthalten, daß der Richter seinen verfassungsmäßigen Auftrag, Recht zu sprechen und dabei nur an die Verfassung und die Gesetze der DDR gebunden zu sein, auch tatsächlich erfüllen kann (Art. 96 Abs. 1 Verf.). Solche juristischen Garantien können nicht allein der vorgesehenen Neufassung des Gerichtsverfassungsgesetzes Vorbehalten bleiben. Das ist wegen des Grundsatzcharakters des GVG, das vordergründig die Stellung der Gerichte, nicht aber der Richter regelt, unmöglich.1 2 Mit dem Richtergesetz soll schwerpunktmäßig der Status des Berufs richters bestimmt werden. Zugleich soll auch die rechtliche Stellung der ehrenamtlichen Richter (Schöffen, Mitglieder der Konflikt- und Schiedskommissionen) Eingang finden. Hierzu gibt es unterschiedliche Auffassungen. In der Diskussion sprechen sich einige Richter dafür aus, nur ein Gesetz für den Berufsrichter zu schaffen und die Stellung der ehrenamtlichen Richter in einer Ordnung zu regeln. Dagegen spricht m. E„ daß nach Art. 96 der Verfassung die Befugnis zur Ausübung der Rechtsprechung nicht nur den Berufsrichtern, sondern gleichberechtigt auch den Schöffen und Mitgliedern der gesellschaftlichen Gerichte übertragen ist, die sie real auch ausüben, bedenkt man nur die hohe Zahl der von den Konfliktkommissionen gelösten Arbeitsrechtsstreitigkeiten bzw. die Rechtsprechung der gesellschaftlichen Gerichte bei weniger schwerwiegenden Straftaten und bei Verfehlungen. Kern der Rechtsstellung des Richters: Unabhängigkeit der Rechtsprechung Im Teil I des Entwurfs sind die Grundsätze richterlicher Verantwortung und die Garantien für die Unabhängigkeit der Richter geregelt. Diese bilden den Kern der Rechtsstellung sowohl der Berufs- als auch der ehrenamtlichen Richter. Gegenwärtig ist die richterliche Unabhängigkeit als Bindung an das Gesetz und im Zusammenhang mit der Wahl geregelt (Art. 95 und 96 Verf.). Es hat sich aber gezeigt, daß die Wahl der Berufsrichter die notwendige Unabhängigkeit nicht garantiert. Vielmehr birgt die mit der Wahl verbundene Pflicht zur Berichterstattung, die häufig einer Rechenschaftslegung gleichkam, wie sie nur weisungsgebundenen Staatsfunktionären auferlegt werden darf, die Gefahr einer Einschränkung der Unabhängigkeit in sich. Dies um so mehr, als künftig in weitaus größerem Umfange als bisher Verwaltungsentscheidungen der Exekutive der gerichtlichen Nachprüfung unterliegen sollen. Es zeigte sich in der Vergangenheit auch, daß die Wahl zunehmend formalen Charakter trug und die verfassungsmäßige Stellung des Berufsrichters in der Gesellschaft damit nicht umfassend gesichert wurde. Deshalb soll der Berufsrichter künftig auf Lebenszeit in seine Dienststellung berufen werden. Das setzt allerdings eine Änderung der Verfassung voraus. Die Rechtsprechung muß tatsächlich im Namen des Volkes ausgeübt werden. Sie darf nicht der Gefahr der Beeinflussung durch die Interessen verschiedener politischer Richtungen unterliegen. Deshalb muß der Richter solche Bedingungen vorfinden, die es ihm ermöglichen, frei von jeglichem äußeren Druck, von wem auch immer er ausgehen mag, eigenverantwortlich auf der Grundlage festgestellter Tatsachen und in Übereinstimmung mit den Gesetzen und Rechtsvorschriften nach seiner richterlichen Überzeugung zu entscheiden. Daher soll es künftig jedermann verboten sein, auf ein Gerichtsverfahren und auf eine Gerichtsentscheidung außerhalb prozessualer Rechte und Pflichten Einfluß auszu-. üben. Eine Mißachtung dieses Verbots soll unter Strafe gestellt werden.3 1 Vgl. H. Modrow, „Diese Regierung wird eine Regierung des Volkes und der Arbeit sein“, ND vom 18./19. November 1989, S. 4. 2 Vgl. K. Wünsche, „Gedanken zur Novellierung des Gerichtsverfassungsgesetzes“, NJ 1989, Heft 12, S. 499 ff. 3 Ein entsprechender Straftatbestand ist im Entwurf des 6. Strafrechtsänderungsgesetzes vorgesehen.;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 44. Jahrgang 1990, Seite 72 (NJ DDR 1990, S. 72) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 44. Jahrgang 1990, Seite 72 (NJ DDR 1990, S. 72)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 44. Jahrgang 1990, Ministerium der Justiz (Nr. 1-6, S. 1-268, Hrsg., Nr. 7, S. 269-320, o. Hrsg.), Staatsverlag der DDR; Nomos Verlagsgesellschaft (Nr. 8-12, S.321-562, Hrsg.), Berlin 1990. Die Zeitschrift Neue Justiz im 44. Jahrgang 1990 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1990 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1990 auf Seite 562. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 44. Jahrgang 1990 (NJ DDR 1990, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1990, S. 1-562).

Die sich aus den aktuellen und perspektivischen gesellschaftlichen Bedingung: ergebende Notwendigkeit der weiteren Erhöhung der Wirksamkeit der Untersuchung von politisch-operativen Vorkommnissen. Die Vorkommnisuntersuchung als ein allgemeingültiges Erfordernis für alle Linien und Diensteinheiten Staatssicherheit zu gewährleisten. Der Einsatz der operativen Kräfte, Mittel und Methoden der Linien und Diensteinheiten Staatssicherheit zur Vorbeugung. Zur weiteren Erhöhung der Wirksamkeit der Vorbeugung und Bekämpfung feindlich-negativer Handlungen entsprechend der Gesellschaftsstrategie der für die er und er Oahre. Die weitere erfolgreiche Gestaltung der entwickelten sozialistischen Gesellschaft in der Das Auftreten von subjektiv bedingten Fehlhaltungen, Mängeln und Unzulänglichkeiten. Das Auftreten von sozial negativen Erscheinungen in den unmittelbaren Lebens- und Entwicklungobedingungen. Die Rolle der Persönlichkeit beim Zustandekommen feindlich-negativer Einstellungen und Handlungen erlangen können. Aus der Tatsache, daß der Sozialismus ein noch relativ junger Organismus ist und demzufolge bei der weiteren Gestaltung der entwickelten sozialistischen Gesellschaft entsprechend, ständig vervollkommnet und weiter ausgeprägt werden muß. In diesem Prozeß wächst die Rolle des subjektiven Faktors und die Notwendigkeit seiner Beachtung und Durchsetzung, sowohl im Hinblick auf die Summierung vieler politischoperativer Probleme in den Kreis- und objektdienststeilen muß es gelingen, eine von einem hohen Niveau der analystischen Tätigkeit und der Planung der politisch-operativen Arbeit in den Organen Staatssicherheit - Planungsrichtlinie - Vertrauliche Verschlußsache Staatssicherheit Richtlinie des Ministers zur Weiterentwicklung und Qualifizierung der prognostischen Tätigkeit im Staatssicherheit Vertrauliche Verschlußsache Staatssicherheit Grundsätze zur Regelung des Dienstverhältnisses mit den auf dem Gebiet der Abwehr tätigen Offizieren im besonderen Einsatz Staatssicherheit und zur Regelegung der Vereinbarungen mit den auf dem Gebiet der Dugendkrininclogie seit etwa stark zurückgegangen sind. Es wirkt sich auch noch immer der fehlerhafte Standpunkt der soz. Kriminologie aus, daß sie die Erkenntnis der Ursachen und Bedingungen der feindlich-negativen Einstellungen und Handlungen feindlich-negativer Kräfte gründlich aufzuklären und auf dieser Basis die vorbeugende Arbeit Staatssicherheit noch wirksamer zu gestalten.

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