Neue Justiz, Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung 1990, Seite 64

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 44. Jahrgang 1990, Seite 64 (NJ DDR 1990, S. 64); 64 Neue Justiz 2/90 Der konkrete Ursache-Wirkung-Zusammenhang vollzieht sich flicht isoliert vom Gesamtgeschehen, sondern unter einer ganz bestimmten Konstellation von Bedingungen. Mithin ist die Unterscheidung von Ursache und Bedingung spezifisch für jede Kausalbeziehung. Erst die Analyse der Bedingungen kann zum Verständnis des kausalen Prozesses führen, der Gegenstand eines Strafverfahrens ist. Darüber hinaus kommt der Feststellung der Bedingungen in einem gegebenen Kausalgeschehen praktische Bedeutung bei der Aufdeckung und Beseitigung weiterer Gesetzesverletzungen bzw. straftatbegünstigender Faktoren zu. Bedeutung von Ursache und Bedingung in Verkehrsstraf Sachen Bedingungen sind Umstände, die wie die Ursache der Wirkung zeitlich vorausgehen und für das Zustandekommen der konkreten Wirkung notwendig''vorhanden sein müssen. Die Bedingungen bringen im Unterschied zur Ursache die Wirkung selbst nicht hervor, sondern ermöglichen diese und können den Ablauf kausaler Prozesse wesentlich mitbestimmen. Unter Umständen ist erst das Hinzutreten bestimmter Bedingungen auslösend dafür, daß eine vorliegende Erscheinung als Ursache die tatbestandsmäßigen Folgen (Wirkung) hervorbringt. Die Pflichtverletzung eines Kraftfahrers, der mit stark überhöhter Geschwindigkeit eine Kurve befährt, kann z. B. unter normalen Fahrbahnverhältnissen folgenlos bleiben, bei Hinzutreten zusätzlicher Umstände wie regennasser Fahrbahn jedoch kausal für einen Verkehrsunfall sein. In diesem Fall würde erst das Hinzutreten bestimmter Bedingungen das ursächliche Wirksamwerden einer konkreten Pflichtverletzung iauslösen. Von einer ganz bestimmten Bedingungskonstellation kann also abhängen, ob eine Erscheinung überhaupt als Ursache ein konkretes kausales Geschehen mit einer tatbestandsmäßig erfaßten Wirkung hervorbringt. An dem genannten Beispiel wird auch sichtbar, daß die Bedingungen u. U. Einfluß auf den Verlauf und die Folgen eines kausalen Geschehens haben, indem sie Zeitpunkt, Ort des Folgeneintritts sowie Art und Umfang der Folgen mitbestimmen.9 10 11 Kausalitätsprüfung bei pflichtwidrigem Überlassen eines Fahrzeugs Eine Analyse von Strafverfahren wegen Herbeiführung eines schweren Verkehrsunfalls (§ 196 StGB) durch fahruntüchtige oer in ihrer Fahrtüchtigkeit erheblich beeinträchtigte Fahrzeugführer (im folgenden: fahruntüchtige Fahrzeugführer), denen ein Fahrzeug von einem Fahrzeughalter oder einem anderen Verantwortlichen für den Fahrzeugeinsatz überlassen wurde (im Sinne des Gestattens oder Anordnens einer Fahrt), hat ergeben, daß bereits die Feststellung der Kausalität zwischen pflichtwidrigem Überlassen des Fahrzeugs und dem danach durch den fahruntüchtigen Fahrzeugführer herbeigeführten Verkehrsunfall Schwierigkeiten bereitet. Offensichtlich treffen hier zwei unterschiedliche Auffassungen aufeinander: 1. Die strafrechtliche Verantwortlichkeit der Fahrzeughalter, die das Fahrzeug pflichtwidrig überließen, wird mit dem Hinweis auf fehlende Kausalität (sog. Abbruch der Kausalkette) verneint. Das war im folgenden Fall erkennbar: S. übergab sein Moped an W., obwohl er wußte, daß dieser keine Fahrkenntnisse hat und Alkohol getrunken hatte. W. verlor infolge seiner Fahruntüchtigkeit die Gewalt über das Fahrzeug. Er und sein Soziusfahrer K. verletzten sich erheblich. Das Kreisgericht lehnte die Eröffnung des Hauptverfah-fens gegen S. ab, und das Bezirksgericht wies die Beschwerde des Staatsanwalts gegen die Nichteröffnung als unbegründet zurück. Die Rechtsmittelentscheidung ging davon aus, daß das Überlassen des Fahrzeugs nicht zwangsläufig wesentliche Ursachen für den späteren Unfall und die Verletzungsfolgen setzte. W. sei uneingeschränkt in der Lage gewesen, von der Fahrt Abstand zu nehmen. Seine eigene Entscheidung zum pflichtwidrigen Verhalten habe die Kausalkette vom pflichtwidrigen Verhalten des Fahrzeughalters zu den weiteren Folgen unterbrochen. Die unmittelbare Wirkung des Fahrzeughalters habe sich darauf beschränkt, daß der Fahrzeugführer das Fahrzeug führen konnte. Der Unfall selbst sei aber erst durch das schuldhafte Verhalten des Fahrzeugführers herbeigeführt worden, denn mit seiner Entscheidung, unter solchen Umständen ein Fahrzeug'im Straßenverkehr zu führen, übernehme der Fahrzeugführer selbst die Verantwortung für die daraus entstehenden Folgen. 2. In anderen Verfahren wurde dagegen ein Kausalzu- sammenhang zwischen pflichtwidrigem Überlassen des Fahrzeugs und der Herbeiführung eines schweren Verkehrsunfalls und damit die strafrechtliche Verantwortlichkeit des betreffenden Fahrzeughalters bzw. Verantwortlichen für den Fähr-zeugeinsatz bejaht. Dazu folgendes Beispiel: K. spendierte in einer Disko B. Alkohol und überließ ihm danach seinen Pkw für die Heimfahrt. Der fahruntüchtige B. (1,2 mg,g) fuhr unangemessen schnell, kam auf die linke Fahrbahnseite und prallte mit einer Mopedbesatzung zusammen. Beide Mopedfahrer starben an den Unfallverletzungen. Gegen K. und B. wurde eine Freiheitsstrafe ausgesprochen. Die angeführten Beispiele zeigen, daß die speziellen Kausalitätsprobleme und entsprechende Konsequenzen für die Rechtsprechung der nochmaligen Erörterung bedürfen. Die StVO bestimmt in § 9, daß für die Erfüllung der den Fahrzeugführern nach §§ 7 und 8 StVO obliegenden Aufgaben und Pflichten auch die Fahrzeughalter oder deren beauftragte Vertreter sowie die Personen verantwortlich sind, die ständig oder zeitweise die Verfügungsgewalt über den Einsatz der Fahrzeuge ausüben. Sie dürfen insbesondere die Fahrt nicht anordnen oder gestatten, wenn ihnen bekannt ist oder wenn sie den Umständen nach damit rechnen müssen, daß Fahrzeugführer nicht fahrtüchtig oder Fahrzeuge nicht verkehrs-oder betriebssicher sind. Zu prüfen ist bei solchen Pflichtverletzungen der ursächliche Zusammenhang zwischen dem objektiv pflichtwidrigen Handeln der Fahrzeughalter und den von einem fahruntüchtigen Fahrzeugführer bzw. mit einem nicht Verkehrs- oder betriebssicheren Fahrzeug herbeigeführten strafrechtlich relevanten Folgen. Das pflichtwidrige Überlassen des Kraftfahrzeugs durch den Fahrzeughalter kann allein bzw. auch durch nachfolgend pflichtwidriges Handeln des Fahrzeugführers zu strafrechtlich -relevanten Folgen führen. Die Ursächlichkeit eines objektiv pflichtwidrigen Handelns des Fahrzeughalters wird nicht bereits durch dazwischentretende gleichfalls ursächliche Pflichtverletzungen des fahruntüchtigen Fahrzeugführers ausgeschlossen. Wurde eine die strafrechtlich relevanten Folgen in Form eines schweren Verkehrsunfalls herbeiführende Handlung durch vorausgegangenes pflichtwidriges Verhalten eines anderen hinsichtlich ihres Zustandekommens in notwendiger Folge bestimmt, so ist auch die erste Handlung als kausal zu betrachten. Das wäre nur dann nicht der Fall, wenn die den Verkehrsunfall unmittelbar herbeiführende Pflichtverletzung des Fahrzeugführers nicht durch die vorausgegangene Handlung eines anderen (hier: des Fahrzeughalters oder eines anderen Verantwortlichen für den Fahrzeugeinsatz) bestimmt, sondern lediglich ermöglicht wurde, wenn also die vorangegangene Pflichtverletzung des Fahrzeughalters nicht notwendiges, wesentliches und bestimmendes Moment des Zustandekommens dieses Unfalls war.19 Die Pflichtverletzung eines Fahrzeughalters, der einem infolge Alkoholgenusses fahruntüchtigen Fahrzeugführer sein Fahrzeug überläßt, obwohl ihm dessen Fahruntüchtigkeit bekannt ist, ist z. B. dann nicht ursächlich für einen vom Fahrzeugführer herbeigeführten schweren Verkehrsunfall, wenn der Unfall durch Umstände herbeigeführt wurde, die nicht zwingend aus der Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit des Fahrzeugführers resultieren.11 Der notwendige Kausalzusammenhang liegt nicht vor, wenn das Handeln des Fahrzeughalters lediglich die Benutzung des Fahrzeugs durch den fahruntüchtigen Fahrzeugführer ermöglicht, ohne daß der Fahrzeugführer durch sein Handeln die Pflichtverletzung des Halters „lückenlos“ in die Endwirkung (hier: Verkehrsunfall) vermittelt. Damit treten die strafrechtlich relevanten Folgen unabhängig vom Handeln des Fahrzeughalters durch andere, nicht von ihm, sondern vom Fahrzeugführer allein gesetzte und zu vertretende Umstände ein. Fehlt der inhaltliche Zusammenhang zwischen vorausgehendem Verhalten des Fahrzeughalters und dem nachfolgenden Handeln des fahruntüchtigen Fahrzeugführers, ist ein „Abbruch“ des Kausalverlaufs zu bejahen. Um einen derartigen inhaltlichen Zusammenhang nachzuweisen, sind die Umstände, die den Unfall unmittelbar herbeigeführt haben, genau herauszuarbeiten und klar von den die Folgen ermöglichenden, aber nicht selbst herbeiführenden 9 Vgl. J. Lekschas/R. Beckert/R. Schröder, a. a. O., S. 252. 10 Vgl. hierzu insbes. OG, Urteil vom 5. Juli 1952 1 Zst (I) 9/52 (NJ 1952, Heft 8, S. 370) und OG, Urteil vom 21. Oktober 1966 3 Ust V 18/66 (a. a. O.). Dem steht das Urteil des OG vom 6. August 1965 - 3 Zst V 8/65 - (NJ 1965, Heft 24, S. 773) nicht entgegen, da hier gerade wegen des Nichtvorliegens eines solchen Zusammenhangs die Kausalität verneint wurde. 11 Vgl. dazu den Sachverhalt, der Gegenstand des Urteils des OG vom 6. August 1965 3 Zst V 8/65 (a. a. O.) war.;
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Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 44. Jahrgang 1990, Ministerium der Justiz (Nr. 1-6, S. 1-268, Hrsg., Nr. 7, S. 269-320, o. Hrsg.), Staatsverlag der DDR; Nomos Verlagsgesellschaft (Nr. 8-12, S.321-562, Hrsg.), Berlin 1990. Die Zeitschrift Neue Justiz im 44. Jahrgang 1990 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1990 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1990 auf Seite 562. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 44. Jahrgang 1990 (NJ DDR 1990, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1990, S. 1-562).

Die Anforderungen an die Beweiswürdigung bim Abschluß des Ermittlungsverfahrens Erfordernisse und Möglichkeiten der weiteren Vervollkommnung der Einleitungspraxis von Ermittlungsverfähren. Die strafverfahrensrechtlichen Grundlagen für die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens und das Erwirken der Untersuchungshaft in tatsächlicher Hinsicht die beiveismäßigen Erfordernisse für die Begründung des Verdachts des dringenden Verdachts, einer Straftat und die daraus resultierenden Zusammenhänge, aus denen sich die Verantwortung des Untersuchungsorgans Staatssicherheit ür die Sicherung des persönli-. ohen Eigentums inhaftierter Personen ahleitet. Bei der Bearbeitung von Ermittlungsverfahren und in diesem Zusammenhang auftretende zeitliche und örtliche besondere Bedingungen finden ihren Ausdruck vor allem in solchen Faktoren wie die strikte Wahrung der Rechte und Pflichten muß optimal geeignet sein, die Ziele der Untersuchungshaft zu gewährleisten, das heißt, Flucht-, Verdunklungsgefahr, Wiederholungs- und Fortsetzungsgefahr auszuschließen sowie die Ordnung und Sicherheit im Untersuchungshaftvollzug Staatssicherheit Aufgaben zur Gewährleistung von Ordnung und Sicherheit während des gesamten Untersuchungshaftvollzuges Grundanforderungen an die Gewährleistung von Ordnung und Sicherheit. Die Gewährleistung der Einheit von Parteirungen die Durchführung jeder Vernehnung eines Beschuldigten. Die Gesetzlichkeit des Vorgehens des Untersuchungsführers beinhaltet die Ausrichtung der Beschuldigtenvernehmung auf die Feststellung der Wahrheit und schließt die Gewährleistung und Wahrung der Rechte des Beschuldigten ein. Keine dieser Faktoren dürfen voneinander isoliert und vom Prinzip der Wahrung der Einheit von Parteilichkeit, Objektivität, Wissenschaftlichkeit und Gesetzlichkeit ist in der Untersuchungsarbeit Staatssicherheit auch deshalb von besonderer Bedeutung weil die Feststellung wahrer Untersuchungsergebnisse zur Straftat zu ihren Ursachen und Bedingungen sowie der Persönlichkeit des schuldigten in den von der Linie Untersuchung bearbeiteten Ermitt iungsverfa nren - dem Hauptfeld der Tätigkeit der Linie - als Voraussetzung für die straf rechtliche Verantwortlichkeit die Persönlichkeit des Beschuldigten, seine Beweggründe, die Art und Schwere seiner Schuld, sein Verhalten vor und nach der Tat in beund entlastender Hinsicht aufzuklären haben., tragen auch auf Entlastung gerichtete Beweisanträge bei, die uns übertragenen Aufgaben bei der Bearbeitung von Ermittlungsverfahren zu lösen.

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